schnell & schmerzfrei

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Stefan
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Stefan »

Hallo Neverendingwar,
Neverendingwar hat geschrieben:Ich lebe in einer Einrichtung, habe schon x Suizidversuche hinter mir (wurde jedes Mal "gerettet" oder mein Körper hat's halt einfach überlebt :( )
An sowas hatte ich nicht gedacht. Ich kenne die Geschlossene in der Klapsmühle auch von innen, aber jetzt bin ich Zuhause und kann da frei planen und tun, was ich will. Hatte nur nicht überlegt, dass es nicht jedem so geht.
Man kann offen gehen und in Würde. Die Mitmenschen und man selbst hat die Möglichkeit sich zu verabschieden. Alle haben die Möglichkeit, sich auf den Sterbezeitpunkt vorzubereiten.
Puh... da verlangst du den anderen aber was ab. Als ich "offen" war, hat jemand (dem ich das niemals zugetraut hätte) die Polizei gerufen, und ich wurde des nachts in die Klapsmühle zwangseingewiesen. "Offen und ehrlich" wird da m.E. nicht klappen. Die Menschen haben soviel angst vor dem Thema, dass man besser die Klappe hält und nicht drüber spricht. Ist traurig, auch für mich das schwerste - ich werde einsam sterben, weil es viel zu gefährlich ist, vorher darüber zu sprechen.

Und nach meiner Erfahrung kannst du von anderen, die nicht am eigenen Leib erfahren haben, was schwer psychisch krank bedeutet, niemals erwarten, dass sie deine Entscheidung billigen oder gar "Abschied nehmen" und sich auf "den Sterbezeitpunkt vorbereiten". Reine Illusion. Die werden das niemals verstehen.

Das war sogar bei meiner Frau so, die an Krebs gestorben ist. Metastasen wuchsen, Chemo erfolglos, sie wollte nur noch zum Sterben nach Hause und von Freunden und Familie Abschied nehmen. Ich musste mir in der Zeit ein neues Handy kaufen... eines, dass "blacklists" unterstützt. Um die vielen Leute, die mich vollgeschwallt haben nach dem Motto "Ja, aber da darf man die Hoffnung doch nicht verlieren!" - "Und letztens habe ich gelesen, dass es da noch Therapie xy gibt, probiert das doch mal." - "Ich kenne Professor x an Klinik y, der ist ganz super, da sollte deine Frau schnell hin" - "Was, sie will keine künstliche Ernährung? Da verhungert sie doch, das kann sie uns doch nicht antun (sic!)" - usw. usf, dergleichen hilflose Tipps mehr.

Solche Leute habe ich dann einmal verwarnt und im Wiederholungsfall auf die schwarze Liste gesetzt. Die bekamen dann sofort den AB, ohne dass das Telefon geklingelt hat. Anders waren die Besserwisser und (im schlimmsten Fall noch christlichen) "Hofnungsträger" und Gesundbeter einfach nicht abzuhalten. Und das bei einer physischen Krankheit, bei der sonnenklar war, dass meine Frau die nächsten Monate nicht überleben wird.

Du als psychisch Kranker Mensch dagegen darfst keinerlei Verständnis erwarten. (Ausser von ähnlich Betroffenen - meinen Segen hast du, ich wollte mich vor 30 Jahren zum ersten mal umbringen, seither alle paar Jahre auf's Neue. Ich kenne sämtliche Hilfsangebote, ambulant und stationär, Psychiatrie und Psychotherapie, Psychopharmakologie... und ich will nicht mehr, ich bin "austherapiert".) Denn für die "anderen", die das nicht kennen, hast du ja "eigentlich" gar nichts. Ach, Depressionen, SVV, Borderline, was auch immer... da gibt es doch Hilfe, schmeiss dein Leben nicht weg... oder (der Hammer, immer wieder gerne hervorgeholt) willst du vielleicht gar nicht, dass es dir besser geht ?!?!

Du wirst in unserer Gesellschaft fast nirgendwo Verständnis für dein Anliegen finden. Auch hier oft nicht. Wenn ich so einige "lebensbejahende" threads hier lese, wird mir ganz anders. Ach, depressiv, dafür gibt es doch Ärzte, Medikamente, Psychotherapien - du musst das nur wollen. Mit soviel eigener Erfahrung kann jede Schildkröte über das Fliegen philosophieren. Ich glaube nicht, dass du mit dieser Krankheit offen und in Würde Abschied nehmen kannst. Das überfordert die meisten Menschen, sie verstehen es einfach nicht - wie sollten sie auch?

Die wollen nicht Abschied nehmen, die wollen dich _retten_ :( Und du kannst nur zusehen, dass du dich selbst vor denen rettest, die dich unbedingt retten wollen. Was halt leider auch heisst, die wichtigen, endgültigen Dinge allein und im Verborgenen zu tun. Aber was soll's: wer einsam gelebt hat, kann auch einsam sterben. Ist für ihn ja keine neue Erfahrung...

Viele Grüße,
Stefan
asher
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von asher »

Hallo Stefan,

das hast Du super formuliert. Besser geht wirklich nicht.
Es ist ein schon ein Trost zu erfahren, dass es doch Leute gibt die genauso denken.
Es ist schon so, dass diese Idioten-Gesellschaft einfach nicht in der Lage ist
zu verstehen, dass nicht jedem diese Welt gefällt.

Lg
asher
Stefan
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Stefan »

asher hat geschrieben:diese Idioten-Gesellschaft einfach nicht in der Lage ist
zu verstehen, dass
Das ist doch auch wieder Blödsinn :evil:

Und geht mir viel zu sehr in die typisch depressiv selbstmitleidige Richtung "ach, die anderen sind einfach zu doof oder zu unsensibel, nur ich als seelisch Leidender weiss, was abgeht." Quatsch! Wer andauernde Lebens-Müdigkeit nicht aus eigener Erfahrung kennt, kann das nicht verstehen. Und der meint seine Hilfsangebote sicher nur gut. Dass es da keinen gemeinsamen Nenner gibt, daran ist keiner "Schuld". Ist einfach so.

Ich versuche schon lange nicht mehr, Nicht-Betroffenen zu erklären, was Depressionen sind. Und wie oder warum ein Mensch wochenlang im Bett liegen und fast rund um die Uhr schlafen kann, ohne sich zu waschen, anzuziehen oder die Zähne zu putzen. Und warum er Todesangst kriegt, wenn das Telefon oder die Türklingel geht. Und er dann ersteres abstellt und bei letzterer den Draht rausreisst. Und er sich nur noch nachts manchmal rausschleicht, um stundenlang mit dem Auto rumzufahren auf der Suche nach _dem_ Alleebaum, _dem_ Brückenpfeiler oder _dem_ LKW, der ihm vielleicht entgegenkommt.

Kann man nicht erklären. Wer das nicht kennt, hat Glück gehabt - ein Problem weniger für ihn. Aber dass er das nicht kennt, heisst noch lange nicht, dass er ein unzulässiges Wort ist. Noe... von der statistischen Verteilung sind bisher die "Idioten" immer noch die, die sowas kennen. Die Mehrheit ist "normal" - und kann froh sein, dass sie es ist. Wenn's andersrum wäre, wäre ja Suizidalität normal, und jeder, der das nicht hätte, müßte sofort in psychiatrische Behandlung :shock:

Vielleicht kommt es ja mal so weit, wer weiss. Aber bis dahin bitte ich die Betroffenen dann doch, sich dieses leidend selbstgerechte "wir sind so schrecklich sensibel und intelligent, dass nur wir merken, wie beschissen die Welt ist und ausser Suizid nichts bleibt. Nur die dumpfen Pappnasen Normalbürger wollen das einfach nicht kapieren." zu sparen. So ist es nämlich nicht. Da können seelisch kranke Menschen noch so oft Kafka zitieren oder auf Hemingway verweisen - authentischer wird ihr Selbstmitleid dadurch auch nicht. (Davon nehme ich mich nicht aus, solche Anwandlungen habe ich auch öfter mal - und gehe grundsätzlich nicht ohne Kafkas Gesammelte Werke im Gepäck in die stationäre Psychiatrie 8))

Viele Grüße,
Stefan
Stefan
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Stefan »

LeonDegrelle hat geschrieben:ich verstehe, dass dich diese Leute, die es gutgemeint haben mit dir und deiner Frau - gutgemeint ist ja oft das Gegenteil der dann erfahrenen Wirklichkeit - schwer genervt haben, aber kannst du dass nicht auch ein klein wenig umdeuten in dem Sinne, dass dahinter keine böse Absicht, sondern schlichtweg Unbeholfenheit stand? Solche Reaktionen sind doch immo normal und auch du und deine Frau werdet doch am Anfang einiges probiert haben?
Natürlich sind solche Reaktionen normal und entspringen oft der Hilflosigkeit. Da brauche ich nichts "umzudeuten", das weiss ich. Aber meine Frau und ich waren immer für Klartext, und in der Situation ging es nur noch darum, sie zum Sterben aus der Klinik nach Hause zu bekommen. Und sie abzuschirmen gegen "Gesundbeter", die sie nicht mehr hören wollte. Es ist schwer genug für einen Menschen, sich damit abzufinden, dass er in 1, 3 oder 6 Monaten tot sein wird. Sich in der Situation trotz besseren Wissens (und _alle_ wissen es) noch dagegen wehren zu müssen, dass einem die Leute gut gemeinte Lügen auftischen, weil _sie_ unfähig sind, damit umzugehen... das ist m.E. zuviel verlangt. Ich habe den Leuten einfach klar gesagt: hallo, nicht _ihr_ sterbt, sondern meine Frau. Und nicht _ihr_ müßt das aushalten, sondern sie und ich als Ehemann, der sie Zuhause bis zu ihrem Tod pflegt. Also behaltet _ihr_ eure theoretischen Weisheiten bitte ab sofort für euch - oder es gibt Kontaktsperre. Wir haben hier nämlich viel wichtigeres zu tun, als uns auch noch mit gutwilligen, aber hilflosen und überforderten Ignoranten rumzuschlagen.
mir aber doch zu undifferenziert. Im F.-Thread schrieb ich dazu in etwa, dass die hier immer wieder gern geäußerte und gehörte These "Die Bösen da draußen, die nichts von Leid und Elend hören wollen - wir Guten hier drinnen" doch sehr simplifiziert ist.
Ich halte nichts von dieser gut-böse-Polarisierung. Es gibt halt Dinge, die man schwer verstehen kann, wenn man sie nicht erlebt hat.
Als ob die da draußen nicht auch alle ihr Päckchen zu tragen hätten?! Ich las letztens einen interessanten Artikel. Dort wurde die These aufgestellt, dass jeder Mensch in seinem Leben ein- oder mehrmals ernsthaft an Suizid denkt.
Und da begehst du den üblichen schweren Fehler, den ich dir jetzt auch nicht "aberziehen" will. Ist die Mühe nicht wert. Nur soviel: es ist ein gravierender Unterschied, ob jemand in seinem Leben mal "ernsthaft" an Suizid denkt (das ist in schweren Lebenskrisen nicht unüblich), oder ob er tatsächlich eine psychische Krankheit hat - welche, mit welcher Schwere, wie lange, mit welchen bereits absolvierten Therapien. Ich kenne _meine_ Krankheit seit 30 Jahren. Und ich habe alles an Therapien durch, was es gibt.

Und, sorry, aber auch für psychische Krankheiten gibt es klare diagnostische Kriterien. Verleibe dir das DSM IV / ICD 10 Abteilung F ein, und dann reden wir kompetent weiter. Es liegen Welten zwischen "irgendwann mal ernsthaft an Suizid gedacht" und der Lebenswirklichkeit von neverendingwar. Das eine mit dem anderen zu vergleichen, ist für die "schwer Betroffenen" schlichtweg eine tiefe Beleidigung und Verletzung, die aus Ignoranz herrührt. Was maßen sich die Hobby-Psychologen, denen aus irgendwie in ihrem Leben mal schlecht ging, da eigentlich an? Es geht dabei um sehr viel mehr als mal im Internet einen Ankreuztest zum Thema "bin ich depressiv" zu machen und zu glauben, man hätte ab dann persönliche Erfahrungen mit psychischen Krankheiten.

Hat auch nur 1 von 10 Leuten "da draussen" ansatzweise eine Ahnung, was der kurze Satz von neverendingwar: "Ich lebe in einer Einrichtung, habe schon x Suizidversuche hinter mir (wurde jedes Mal "gerettet" oder mein Körper hat's halt einfach überlebt" praktisch bedeutet? Sicher nicht. Ich weiss das. Ich weiss auch, dass eine mittelschwere Depression überhaupt nicht vergleichbar ist mit einer bipolaren Störung oder akuter Suizidalität. Und dass SVVV, Borderline u.ä. extrem schlimm sein können, und auch heute noch alle Psychiater und Psychotherapeuten ratlos vor diesem Syndrom stehen, weil es viel schwieriger zu behandeln ist als "klassische" Depressionen. Diese Patienten sind de facto "am ?". Ausser SSRI/SNRI, die evtl. etwas Linderung schaffen, gibt es für die nichts. Ausser, sie irgendwie am Suizid zu hindern. Psychopharmakologisch massiv sedieren, einsperren, bequatschen... und nix heilt, sondern alles verschiebt die Katastrophe nur in die Zukunft.

Worüber reden wir? Hast du mal einen Bipolaren mit rapid cycling erlebt? Oder jemanden, der dich in einem akut psychotischen Schub töten will? Du würdest panisch die Flucht ergreifen. Das ist nicht mehr die Pillepalle, die wir uns ja alle vorstellen können, und die mit 100 Stunden Psychologen-Gequatsche schon irgendwie behandelt werden kann. Das ist knallhart, da geht es ans Eingemachte. Um dauernde bzw. immer wieder kehrende existenzielle Krisen - nicht um "ein Päckchen, das jeder zu tragen hat". Wenn du so ein Päckchen auf dem Rücken hättest, würdest du ganz anders sprechen. Falls du noch sprechen könntest und nicht schon lange darunter zusammengebrochen wärst.
Selbiges gilt für deinen Pessimismus in Bezug auf die vermeintliche Unheilbarkeit oder zumindest Veränderbarkeit von psychischen Störungen. Du selbst hast es hier doch durchaus auch andere Erfahrungen gemacht:
Und ich habe nicht zufällig geschrieben, dass meine Erfahrungen damals und mein heutiger Wunsch zu sterben nur ein scheinbarer Widerspruch sind. Aber das ist ein anderes Thema.
Ihr dürft mich jetzt gern einen Gutmensch schimpfen, der ein Helfersyndrom hat. Aber dann einer, der ähnliches wie ihr erleiden durfte und dem durchaus kompetent geholfen wurde....
Ich "schimpfe" dich gar nicht, sondern sage dir einfach, was ich von dir glaube: du bist jemand, der seine persönlichen Erfahrungen mit denen anderer vergleicht, obwohl deren Erfahrungen möglicherweise um Größenordnungen schlimmer, oft akuter und deren Syndrome sehr viel schwerer heilbar sind. Du vergleichst also Äpfel mit Birnen. Oder jemanden, der schon mal ein Auto von Ferne gesehen hat (haben wir das nicht alle irgendwann in unserem Leben?) mit jemandem, der seit 30 Jahren Berufskraftfahrer ist, alles kennt und die Schnauze von seinem Job endgültig voll hat.

Dass du dessen Erfahrung nicht hast, ist dir nicht vorzuwerfen. Aber das du glaubst, zu wissen, was seine Erfahrungen und Schlußfolgerungen sind (und dass sie "nicht richtig" sind), das schon. Weil das einfach anmaßend ist.

Viele Grüße,
Stefan
Stefan
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Stefan »

LeonDegrelle hat geschrieben:Warum gleich so agressiv? Ich habe lediglich ein paar Fragen gestellt
Nein, das hast du eben nicht. Du hast mit Unterstellungen gearbeitet, und das ist bei dir Programm. Die übliche Unterstellung findet sich im Schlußsatz deines letztens postings. Du hast sie nur in eine rhetorische Frage verpackt.
Aber könnte es sich nicht doch lohnen, zumindest einmal andere Erwägungen zuzulassen, anstatt sich hier immer nur in der gegenseitigen Hoffnungslosigkeit zu bestärken?
Das ist für mich eine Unverschämtheit, weil es impliziert, dass psychisch Kranke "anderes" nicht "zulassen" - also sich gegen Erwägungen, die ihnen helfen könnten, aktiv sperren. Und der zweite Halbsatz ist noch unverschämter. Der impliziert nicht, sondern unterstellt direkt: euch geht es doch "immer nur" (immer !!! nur !!!) um das gegenseitige Bestärken der Hoffnungslosigkeit, im Klartext: destruktives Baden im Selbstmitleid ohne wirkliches Interesse an positivem Ausgang. Und zwar "immer", und ausschließlich.

Sorry, aber auf sowas reagiere ich nunmal aggressiv. Weil das u.a. das typische Totgequatsche von Psychotherapeuten ist, die mit ihrem Latein am Ende sind. Weiss der Fachmann nicht mehr weiter, ist eben der Patient selbst schuld. Will ja in seinem Sumpf verharren, läßt nichts anderes zu... im Gutachten steht dann (wenn man sich die Einsicht mal eingeklagt hat, kann man es lesen) "therapierefraktär". Patient ist dauerhaft / weiterhin psychisch krank, weil er es so will - wie anders soll man die Ablehnung der "Hilfe" deuten. Exakt das sagst du auch, nur christenmenschengleich ganz liebevoll aufmunternd verpackt. Da kommt zur Anmaßung auch noch die ?.

Wenn du auch umfassende persönliche Erfahrungen auf dem Gebiet hast, können wir die "fachliche" Seite beiseite lassen. Wie du schriebst: jeder hat seine Erfahrungen und zieht seine Schlußfolgerungen. Aber, nach wie vor: aufgrund der eigenen Erfahrungen und Schlußfolgerungen die Erfahrungen und Schlußfolgerungen anderer zu entwerten (und das gutmenschlich als "Anregung" zum "Erwägungen zulassen" zu tarnen), ist anmaßend. Als Betroffener weisst du ganz genau, wie wenig solche theoretischen, rationalen "Erwägungen" für Betroffene wert sind. Über sowas mögen Ärzte, Ethiker und Pfaffen auf Kongressen philosophieren - mit der Lebenswirklichkeit und dem individuellen Leid eines Betroffenen hat das rein gar nichts zu tun.

Wieso kannst du das nicht respektieren, sondern musst anderen "Bestärkung gegenseitiger Hoffnungslosigkeit" vorwerfen? Geh' doch einfach mal davon aus, dass Menschen, die "psychisch krank" sind, nicht auch automatisch geistig minder bemittelt sind, sondern sehr wohl in der Lage, ihr Leben zu überblicken und für sie vernünftige Lebensentscheidungen zu treffen. Genau das sprichst du ihnen ab, indem du ihnen "unlautere" Motive unterstellst.

Tja... und Leute, die so fies taktieren und sich dabei hinter ihrer Mitmenschlichkeit verbarrikadieren, machen mich nunmal aggressiv :shock:

Nicht nur bei Psycho-Fachleuten und den zugehörigen Krankheiten. Generell. Als meine Frau todkrank war, die abgebrochene Chemo nur knapp überlebt hatte, und nur noch nach Hause und Ruhe und Frieden wollte, hat die Onkologin und Oberärztin mir unter 4 Augen ernsthaft gesagt:

"Wir sind medizinisch noch laaange nicht am Ende. Wir könnnen noch gaaanz viel für ihre Frau tun. Aber das hängt sehr viel vom Kampfeswillen des Patienten ab. Und ihre Frau will ja wohl sterben."

Nicht "am Ende"? Die Metastasen wuchsen trotz Chemo so schnell, dass man zugucken konnte. Und 4 Wochen später war meine Frau tot. Tja, scheinbar war der Krebs nicht so wild, aber wenn man keinen "Kampfeswillen" mehr hat. Dann können die besten Experten nichts mehr tun, wenn der Patient sie nicht läßt. Dann ist er halt selbst schuld. Wenn man noch gaaaanz viel mit ihm "getan" hätte (Chemo, OP, Zwangsernährung, Lebenserhaltung), hätte er bestimmt noch 4 Monate statt 4 Wochen gelebt. WIE, ist den Experten unzulässiges Wort. Denn ein belegtes Bett bringt einige 100 EUR am Tag, ob in der Onkologie oder der Klapsmühle (OK, in der Onkologie mehr). Und das controlling der Krankenhaus-AG ist da heute gnadenlos. Muss jede Station sehen, wo sie bleibt, wenn ihr im nächsten Jahr nicht ein Mitarbeiter gekürzt werden soll. Deswegen wird man niemanden gehen lassen, ohne ihm ein schlechtes Gewissen zu machen, solange die Fallpauschale der Kasse noch nicht aufgebraucht ist (ab dann geht's aber rasend schnell).

Ich musste mich schwer beherrschen, dieser Ärztin nicht eins in die Fresse zu hauen. Ich habe der nur gesagt: "Stimmt. Meine Frau will nicht mehr kämpfen, weil sonnenklar ist, dass der Kampf schon verloren ist. Sie will Ruhe und Frieden, Alltag, Normalität, sie will ihr Zuhause, mit Ehemann, Hund und Katze, sie will in ihrer gewohnten Umgebung sterben, sie will noch einmal Weihnachten erleben und persönlich von Familie und Freunden Abschied nehmen, solange sie noch in der Lage ist, die zu erkennen und mit ihnen zu sprechen. Und sie will dafür keine Vorhaltungen und Schuldzuweisungen wegen "mangelndem Willen", sondern Verständnis und Offenheit im Umgang mit dem Thema.

Sie will einfach das, was das Leitmotto dieser Foren ist: WÜRDE. Dignitas. Mehr nicht. Sie wollte AUTONOM entscheiden, ob ihr Leben noch LEBENSQUALITÄT hat oder nicht. Diese Entscheidung in einer Krisensituation zu treffen, ist schon schwer genug. Die Entscheidungsfähigkeit abgesprochen zu bekommen und sich Anfeindungen dafür auszusetzen, dass man als Mensch einfach seinen freien Willen erklärt bzw. umsetzt - Das ist entwürdigend. Und genau gegen diese Entwürdigung wehren sich die Vertreter für ein SELBSTBESTIMMTES Leben und Sterben.

Mehr will neverendingwar, so wie ich es verstanden habe, auch nicht. Aber für psychisch Kranke gibt es diese Offenheit, dieses Verständnis und diese Würde nicht. Weil es, was Suizid und Sterbehilfe betrifft, de facto eine "Zweiklassengesellschaft" gibt. Sterben wollen bei schwerer physischer Krankheit ist super OK. Sterben wollen bei psychischer Krankheit ist pfui. Diese Deklassierung findet man sogar in Nitschkes "Pecaful Pill":

"This book ist NOT intended for (...) people who are suffering from psychiatric illness or depression."

Wieso nicht? Haben die kein Recht auf Selbstbestimmung und Humanität? Offensichtlich nicht (andernfalls dürfte man sie ja auch nicht wegen "Selbstgefährdung" zwangsbehandeln). Und das liegt m.E. auch an schönredendnen "Gutmenschen" wie dir, die das, was sie nicht verstehen, nicht respektieren können.

Viele Grüße,
Stefan
wieoftdennnoch
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von wieoftdennnoch »

Ja!
toteWurzel

Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von toteWurzel »

Schöner Beitrag von dir Stefan. Endlich mal jemand, der ordentlich Leon die Meinung pustet... :D

Hätte alle das selbe Verstädnis wie Du, wäre das Forum wieder viel besser.

Mich regen besonders die Heuchler auf, die Suizid für sich selber als ihr Recht ansehen und
andere Menschen (inbesondere psychisch Kranke) ihr Recht auf Suizid absprechen möchten.
Hauptsache Leben, egal wie unwürdig das auch sein mag.

So jemand wie Du, gab es hier schon lange nicht mehr. Und du kannst auch gut argumentieren. Weiter so...
Stefan
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Stefan »

LeonDegrelle hat geschrieben:Weder denke ich, dass sich Patienten aktiv sperren, sie können wohl - zumindest unter den bestehenenden Umständen - nicht anders.
Ich weiss nicht, was du denkst, sondern kann nur lesen, was du schreibst - und sicher gibt es da "virtuell" Mißverständnisse, die man im persönlichen Gespräch schnell ausräumen könnte.

Aber: Du tust es schon wieder :cry: Mit deinem Zitat :
sie können wohl - zumindest unter den bestehenenden Umständen - nicht anders
bleibst du genau auf deiner Linie. Indem du diesen Menschen die Fähigkeit absprichst, für sich selbst verantwortlich zu handeln und über ihr Leben zu bestimmen. Wenn du ihnen das zutrauen würdest, würdest du sagen: "Sie WOLLEN wohl nicht anders." Den freien Willen psychisch Kranker negierst du mal wieder. Du sagst statt dessen: "Sie KÖNNEN wohl nicht anders - zumindest unter den bestehenenden Umständen."

Und das ist m.E. wieder eine hochgradige Unverschämtheit. Eine deiner Unterstellungen. Jaja, die armen psychisch Kranken - die "können" halt nicht anders. Dass sie das nicht "können", daran mögen die "bestehenden Umstände" (?!?!) Schuld sein. Wie großzügig von dir. Aber für mich menschenverachtend von dir ist, dass überhaupt nicht auf die Idee kommst, dass die Betroffenen tatsächlich WOLLEN könnten, was sie sagen. Noe, die wissen ja nicht, was sie sagen und tun, die "können wohl nicht anders."

Du solltest in der Klapsmühle arbeiten, da würdest du perfekt ins Personalschema passen. Weil du "instinktiv" den Patienten ihren freien Willen und ihr Recht auf Selbstbestimmung absprichst. Ach ja, der meint ja gar nicht, was er sagt... der "kann" halt nur gerade nicht anders, kann man ja (wie großzügig) verstehen, angesichts der "bestehenden Umstände". Was du da tust, ist genau der Grund, warum ich nie wieder in die stationäre Psychiatrie gehen werde. Ich werde nie wieder diese zutiefst entwürdigende Atmosphäre des als-Mensch-nicht-ernst-genommen-werdens über mich ergehen lassen.

Arrogante A*schlöcher auf ihrem Psychiater- oder Psychotherapeuten-Thron, denen ich als Mensch am A*sch vorbei gehe, und die über meinen Kopf hinweg beschließen und in die Krankenakte schreiben, dass ich ja gar nicht meine, was ich sage, und das nicht "will", sondern nur "nicht anders kann", halt "wegen der Umstände", und dass ich als Patient im Moment (kann sich ändern, wenn ich den Therapeuten nur brav die Stiefel lecke) nicht anders "kann"... solchen Menschen kann ich wirklich nur mit Aggressivität oder Flucht begegnen.
nicht seine Übertragungen, Gegenübertragungen und Projektionen im Griff hat und nicht ausreichend zwischen seinem/ihrem und dem Leben des/der anderen unterscheiden kann.
He, super. Jetzt holen wir auch noch die Erstsemester-Psychologie aus dem Keller. Da hast du aber im Vokabular noch "Abwehr" und v.a. "Widerstand" vergessen. Bau deine Theorie mal im nächsten Semester aus, vielleicht überzeugt sie dann jemanden. Du theoretisierst. Was auch immer du theoretisierst, und wie richtig das irgendwann theoretisch sein mag: es hat nach wie vor mit dem Leben, Leid und den Erfahrungen der Betroffenen nichts zu tun.
Wir können uns eine weitere Diskussion aber meinetwegen sparen, da du dein Urteil über mich bereits gefällt hast.
Mir auch recht. Ein "persönliches Urteil" kann ich über dich so wenig fällen wie über jeden anderen hier, weil wir uns nicht persönlich kennen. Aber du hast insoweit recht: du passt mit deinen Äusserungen in ein Schema, das ich zu kennen meine, überhaupt nicht mag und konsequent angreifen werde, solange ich dazu in der Lage bin :?

Viele Grüße,
Stefan
Stefan
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Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Stefan »

LeonDegrelle hat geschrieben:Diese Forum enthemmt doch sehr.
Nicht nur dieses. Jede "virtuelle" Kommunikation, bei der man vom anderen nur die Buchstaben kennt, die er tippt. Sich immer vorzustellen, dass am anderen Ende Menschen sitzen (wie die "Netiquette" des usenet es seit Jahrzehnten fordert), ist massiv schwierig. Wir kommunizieren nunmal persönlich viel über Augen (Mimik, Gestik) und Gehör (Stimmlage u.a.), und v.a. im direkten Dialog mit einem Menschen, der uns gegenüber sitzt. Das kann man m.E. hier oder auch in den heute so bliebten Chats nicht abbilden. Es bleibt schemenhaft und von Missverständnissen geprägt.

Zum Ausgangsthema von "neverendingwar" und ihrer Situation (therapeutische Einrichtung, schon x Suizid-Versuche, z.Z. "bewacht" durch Leute, die sie daran hindern wollen), ist mir gerade gestern Abend gegen sechs wieder ganz praktisch etwas klar geworden. Ich schrieb, dass sie niemals Verständnis für ihre Lage erwarten darf und die endgültigen Dinge lieber im Verborgenen regeln und tun sollte.

Wie richtig das war, hat mir gestern der unerwartete Blaulicht-Besuch von 3 Polizei, 3 Sanitätern und 1 Arzt gezeigt. Was hatte ich getan? In einem Forum über Hunde, wo ich schon ewig bin, meine beiden Hunde und die Katze zur Vermittlung angeboten. Nix konkrete Suizidankündigung, einfach nur "umständehalber." Dummerweise hatte ich da im Vorfeld gesagt, dass es mir gerade nicht gut geht. Dieses "Tiere zu vermitteln"-posting reichte, um einen Mitleser dort dermassen aus der Fassung zu bringen, dass er die 110 angerufen hat :(

Dabei besteht bei mir wirklich keine akute Gefahr. Ja, ich sorge für den Verbleib meiner Tiere vor, ich mache gerade "klar Schiff", werde um die Feiertage nochmal ein paar gute Freunde sehen, und habe Anfang Januar einen Notartermin, wo mein Testament und die nötigen posthumen Vollmachten beurkundet werden. (Also keine Sorge, bis dahin lebe ich auf jeden Fall.) Aber ich hätte nie gedacht, dass ein so (für mich) "harmloses" posting so einen Sturm im Wasserglas verursacht.

Und die Reaktion in den Foren ist typisch für unsere Gesellschaft. Mlöglicher Suizid macht den Menschen, die das nicht kennen, tierische Angst. Also rufen sie die Polizei, weil sie ja "helfen" wollen. Dass derjenige, der diese "Hilfe" ausbaden muss, dabei de facto im Knast landet und eingesperrt wird - Schnürsenkel und Gürtel abgeben, Licht an, Videoüberwachung - wie ein Verbrecher... und wie es sich anfühlt, ein paarhundert mal nur den langen Flur der geschlossenen Station hin- und herzulaufen, weil die Tür abgeschlossen und die Fenster vergittert sind... und wie es sich anfühlt, vor dem "Tribunal" von Praktikant bis Oberarzt als Inhaftierter (der nichts verbrochen hat), sachlich zu bleiben und zu Lügen, dass sich die Balken biegen, um wieder in Freiheit zu kommen... das wissen diese Leute nicht, und sie können es sich auch nicht vorstellen. Und sie wissen auch nicht, dass diese "Hilfe" Zwangseinweisung nur einen einzigen Effekt hat: der Suizident lernt mit Erfahrung, sich strategisch so geschickt zu verhalten (d.h. konsequent gegenüber Ärzten zu lügen), dass er möglichst schnell wieder in Freiheit ist. Und wenn er das ist, tut er sowieso, was er will. Und einen Nebeneffekt: einen abgrundtiefen Hass auf die Leute und die Staatsmacht, die einen gegen den eigenen Willen einsperren und "therapieren" wollen.

Mein Entschluß steht fest. Ob ich den in 3 Wochen oder 3 Monaten oder 3 Jahren umsetze, weiss ich nicht. Kann ich nicht sagen, das wird spontan passieren. Aber ob / wann es passiert - darauf hat absolut niemand Einfluß. Nicht beste Freunde, nicht Ärzte, und schon gar nicht die Polizei. Der einzige Mensch, der das Recht dazu hatte, war meine Frau. Der habe ich versprochen, dass ich mich nicht umbringe, solange sie lebt. Das tut sie nicht mehr, seit fast 2 Jahren nicht. Ich habe mein Versprechen ihr gegenüber gehalten. Darüber hinaus bin ich niemandem verpflichtet ausser meinen Tieren. Und für die habe ich vorgesorgt.

Die Reaktion in dem besagten Forum war nicht nur überzogen (Notruf), sondern auch typisch interessant. Ausser Hilflosigkeit und Panik gibt es da Ablehnung (stört mich nicht). Wiegesagt, ich habe keine konkreten Absichten geäußert. Würde ich nie tun, wenn es soweit wäre - so dumm bin ich nicht. Aber in den Köpfen der Leute geht einiges ab. Von "wir wollen dir doch nur helfen" über "so eine Frechheit - bring dich halt um, aber tue es heimlich und rede nicht darüber" bis zu "du willst das doch gar nicht, das lese ich aus deinem posting heraus - he, was du da schreibst, ist doch gar nicht wahr, sondern Symptom deiner Krankheit, du brauchst dringend Hilfe". Bemerkenswert ist, dass ich das überhaupt nicht geschrieben habe - die Mitleser argumentieren gegen ihre Ängste und Phantasien, nicht gegen meine Worte, die habe ich ja gar nicht geäußert.

Letzteres (du meinst das nicht, du brauchst Hilfe) ist die schlimmste Reaktion, die ist mit deiner Position vergleichbar. Ach, der meint es nicht so, das ist nur Ausdruck seiner Krankheit. Und wenn er das nicht einsieht, muß man ihm halt gegen seinen Willen helfen. Da kann ich nur sagen: he, ich bin Mitte 40, ich kenne meine Krankheit seit 30 Jahren, ich kenne sämtliche Hilfsangebote aus eigener Erfahrung - und ich will sie nicht mehr. Ich bin nicht gerade schwer depressiv (das sieht bei mir anders aus, da könnte ich nicht mehr am Rechner sitzen und posten), ich weiss genau, was ich sage und was ich tue. Aber genau das wird mir abgesprochen - von Menschen, die mich persönlich gar nicht kennen. Und die es nichtmal nötig haben, mit mir Kontakt per mail oder Telefon aufzunehmen, bevor sie die Polizei rufen, um mich zu fragen, wie es mir geht und ob sie da vielleicht etwas falsch verstanden haben... Noe, der Tenor ist: mit dem braucht man nicht mehr zu reden, der ist ja eh irre und weiss nicht mehr, was er tut. Und da sind wir wieder bei dem Punkt, den ich so entwürdigend finde: "Psychisch krank" ist das Etikett, das benutzt wird, um mir meine Autonomie und Selbstbestimmung, meinen freien Willen in wichtigen Lebensfragen, einfach pauschal abzusprechen.

Aber egal. Jedenfalls war hier gestern Abend großer Behördenauftrieb, und für 8 Leute ist mein Wohnzimmer eigentlich zu klein 8) Aber ich habe mich ganz nett unterhalten, und dem Polizei, der einen skeptischen Blick auf die 20 L He-Gasflasche im Flur geworfen hat, deren Bedeutung erklärt und ihm das Zubehör und das Anleitungsbuch gezeigt. Und ihm gesagt, dass das meine persönliche "Endlösung"ist. Die ich nutzen werde, wenn und wann ich es will - und dass mich daran auch eine Nacht im Klapsmühlen-Knast nicht hindern wird. Und die Polizei waren ja nett, die machen doch auch nur ihren Dienst nach Vorschrift. Und wenn ich denen sage "Meinetwegen können sie jeden Abend wiederkommen und mich auf die Geschlossene sperren - ich bin jeden Morgen darauf wieder in Freiheit. Und tue dann ohnehin, was ich will" - dann lachen wir uns gemeinsam eins (natürlich nur hinter vorgehaltener Hand), weil alle Beteiligten wissen, wie vollkommen sinnlos solche Staatsaktionen sind :roll:

Viele Grüße,
Stefan
Neverendingwar

Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Neverendingwar »

Hallo an Alle,

Ich werde in nächster Zeit hier leider nicht mehr im Forum schreiben können, weil meine Einrichtung mich heute in die Psychiatrie steckt - mal wieder.. :( Aber es ist zwecklos dagegen anzugehen. Wenn ich nen Aufstand mache, dann werde ich zwangseingewiesen - das weiß ich auch schon wie das ist. Es ist besser offiziell freiwillig zu gehen..Es ist schon schlimm, was in der Gesellschaft für ein Zwang zum Leben besteht und, dass das Grundrecht der Selbstbestimmung, das für jeden Einzelnen gilt, so überhaupt nicht gelebt wird!! Was für ein Armutszeugnis! Aber in der Psychiatrie werde ich Ruhe haben (hoffentlich) vor den Sätzen: Du MUSST dich für das Leben entscheiden! Man darf nicht über den Todeszeitpunkt bestimmen usw. - denn das ist das, was mir meine derzeitige Betreuungsperson, die stets rund um die Uhr 24 std durchgehend nicht von meiner Seite gewichen ist, die ganze Zeit versucht in den Kopf zu hämmern und nicht checkt, dass es nicht ankommt! Naja, ich wünsch euch ,soweit möglich, alles Gute. Melde mich wenn ich wieder zu hause bin.

Gruß,

Neverendingwar
Efeu

Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Efeu »

Neverendingwar hat geschrieben:Hallo an Alle,

Ich werde in nächster Zeit hier leider nicht mehr im Forum schreiben können, weil meine Einrichtung mich heute in die Psychiatrie steckt - mal wieder.. :( Aber es ist zwecklos dagegen anzugehen. Wenn ich nen Aufstand mache, dann werde ich zwangseingewiesen - das weiß ich auch schon wie das ist. Es ist besser offiziell freiwillig zu gehen..Es ist schon schlimm, was in der Gesellschaft für ein Zwang zum Leben besteht und, dass das Grundrecht der Selbstbestimmung, das für jeden Einzelnen gilt, so überhaupt nicht gelebt wird!! Was für ein Armutszeugnis! Aber in der Psychiatrie werde ich Ruhe haben (hoffentlich) vor den Sätzen: Du MUSST dich für das Leben entscheiden! Man darf nicht über den Todeszeitpunkt bestimmen usw. - denn das ist das, was mir meine derzeitige Betreuungsperson, die stets rund um die Uhr 24 std durchgehend nicht von meiner Seite gewichen ist, die ganze Zeit versucht in den Kopf zu hämmern und nicht checkt, dass es nicht ankommt! Naja, ich wünsch euch ,soweit möglich, alles Gute. Melde mich wenn ich wieder zu hause bin.

Gruß,

Neverendingwar
Ich finde das furchbar, wie die mit Dir umgehen.
Ich wünsche Dir ganz viel Kraft.

Liebe Grüße
Efeu
toteWurzel

Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von toteWurzel »

Ja alles Gute Neverendingwar... Das klingt ja echt nach Folter...
ein_bewerber

Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von ein_bewerber »

@Stefan
Dein Posting spricht mir aus der Seele. Ich hätte es von A bis Z nicht besser formulieren können und habe exakt die gleichen Erfahrungen gemacht.

P.S.: Den Behördenauftrieb hätte ich zu gerne verfolgt, den "skeptischen Blick" auf die 20-Liter-Helium-Flasche für mein Leben gern gesehen. Real-Satire pur!
Bei mir ist es nur ein vergleichsweise unauffälliges Drei-Liter-Stickstoff-Behältnis, das im Falle eines Falles in meinem Haus gar nicht auffallen würde. ;-)

Ich wünsche Dir in jedem Fall ein gutes Gelingen bei Deiner ureigensten Entscheidung. Egal, wann, wo und wie es am Ende passieren mag.


@Neverendingwar
Viel Kraft und Geduld!
Stefan
Beiträge: 287
Registriert: Freitag 26. November 2010, 16:42

Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Stefan »

ein_bewerber hat geschrieben:P.S.: Den Behördenauftrieb hätte ich zu gerne verfolgt, den "skeptischen Blick" auf die 20-Liter-Helium-Flasche für mein Leben gern gesehen. Real-Satire pur!
Ja, ist es. Nur: DIe Polizei tun nur ihre Pflicht. Kann ich verstehen. Die müssen kommen, wenn sie alarmiert werden, und wenn sie wieder gehen, weil sie mir glauben, und ich bringe mich diese Nacht um, kommen wir morgen mit dem Aufschrei "Behördenversagen! Polizei war gewarnt! Warum muste dieser Mensch sterben!" auf RTL2 und in der Zeitung. Berufliche Konsequenzen für die Polizei können folgen. Also kein Risiko, sondern Arzt rufen. Arzt sieht das normalerweise genauso: Bereitschaftsarzt ist ja kein Psychiater, also "vorsichtshalber" erstmal einweisen, sollen sich die Ärzte in der Klapse drum kümmern. Also Klapse und nach der Morgenvisite wieder raus... Klar, ich kann Polizei und Not-/Bereitschaftsarzt völlig verstehen. Die haben PsychKG bzw. Einweisungsgesetz ja nicht gemacht, sondern halten sich nur dran.

Blödes, sinnloses Spiel - Realsatire halt, wissen die auch. Aber so langsam lerne auch ich und weiss, wie ich mich in diesem Spiel verhalten muss. Beim ersten mal wurde ich eingeweisen, weil ich dermaßen sauer war, dass ich mit geweigert habe, mit dem Bereitschaftsarzt überhaupt zu sprechen. Das war natürlich das sofortige Ticket in die Landesklinik. Jetzt habe ich mich nett und "compliant" mit dem unterhalten. Auch kaum angelogen, sondern weitgehend gesagt, wie es ist. Der hat zu mir u.a. gesagt: "Sie wirken gar nicht depressiv, sondern eher manisch." Sach ich: "Nein, ich bin nicht bipolar, keine Sorge. Ich bin nur gerade ziemlich aufgeregt, weil sie zu siebt in meinem Wohnzimmer stehen und ich darum diskutiere, dass ich heute nacht Zuhause schlafen darf statt in der Zelle in der Landesklinik. Da wären sie sicher auch ziemlich aufgeregt."

Hat er kapiert. Und ich habe ihm auch gesagt: "Wenn ich sie wäre, würde ich mich zwangseinweisen, weil ich damit an ihrer Stelle auf der rechtlich sicheren Seite wäre, und keiner könnte mir am Zeug flicken." Der Arzt war aber noch so ein jungscher, vertrauensvoller, mit Idealen und eigener Meinung, der sagte nur irgendwann: "Sagen sie das noch EINMAL, und ich weise sie tatsächlich ein 8)" Da war mir klar, dass ich die Herren und Damen besser nicht länger volltexte, sondern freundlich verabschiede. "Bis zum nächsten mal dann!" :mrgreen:

Aber im Ernst: ich glaube schon, dass solche Noteinsätze auch mitunter Sinn machen. Eine sehr gute Freundin von mir ist Krankenschwester, Fachschwester für Psychiatrie, und Stationsleitung in der Akutpsychiatrie einer süddeutschen Klinik, mit offenem und geschlossenem Bereich. Da kommen halt Leute wie ich hin. Aber auch andere. Z.B. der 18-Jährige, der völlig am Ende ist, in akut tiefster Verzweiflung, weil er glaubt, das Abitur nicht zu schaffen, und sich deshalb mit dem Treibgas aus seiner Deo-Spraydose umbringen wollte... Von "rationaler", überlegter Suizidentscheidung kann da nicht die Rede sein. Auch wenn es für den so scheint, dass es im Moment keinen anderen Weg gibt. Der wird dann eingesperrt und zwangsweise sediert, damit er erstmal zur Ruhe kommt. Und raus aus seinem Elternhaus und seinem Alltag.

Meine Freundin ist keine böse, abgebrühte Medikamenten-Verabreicherin. Die sagt (sie hat selbst 3 schon lange erwachsene Kinder), sie würde den am liebsten adoptieren, damit der zum ersten mal im Leben spürt, dass es sowas wie normales Familienleben gibt und nicht alles absolut beschissen ist. Dann würde der sich das nach einiger Zeit sicher nochmal überlegen. Aber das ist wie im Tierheim: man kann nicht alle aufnehmen und "retten", auch wenn sie es alle verdient hätten. Aber wie im Tierheim gibt es auch Patienten, alt, desillusioniert, die mit dem Leben praktisch abgeschlossen haben. Die es so lange mitgemacht haben, dass sie einfach nicht mehr wollen. Nichts mehr wollen ausser ewiger Ruhe. Und die, sagt auch sie, kann man sofort wieder entlassen, weil die eh tun, was sie wollen. Austherapiert, therapierefraktär, wie immer man das nennen will. Die wissen, was sie tun, und dabei redet ihnen niemand mehr rein. Ausser evtl. positive Lebenserfahrungen - und die gibt es nicht per Zwangsbehandlung :(

Viele Grüße,
Stefan
Gedönse
Beiträge: 148
Registriert: Dienstag 16. März 2010, 15:00

Re: schnell & schmerzfrei

Beitrag von Gedönse »

Stefan, du musst mal vorm Bundestag und ähnliches sprechen ;)
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