Guter Mensch oder gute Tat

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Lexx
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Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Lexx »

In diesem Thread möchte ich gern Überlegungen zu einem Thema in den Raum stellen, zu dem es zumindest für mich noch keine einfache und eindeutige Antwort gibt.

Als Basis erhebe ich hierfür die These, dass Menschen relativ selbstverständlich und (vor)schnell anhand ihrer positiv bzw. negativ behafteten Charaktereigenschaften bewertet und in diesem Sinne überspitzt formuliert in "gut" und "schlecht" eingeteilt werden.

Den Charakter einer Person aus meinem Bekanntenkreis würde ich vorwiegend als unsympathisch beschreiben: streitlustig, arrogant, rechthaberisch, überheblich, zynisch. Auf der anderen Seite weiß ich jedoch ebenfalls, dass sich diese Person in ihrer Freizeit ehrenamtlich und auch finanziell sehr stark im Tierschutz und in der Förderung und Freizeitgestaltung für benachteiligte Kinder engagiert.

Eine andere Person würde ich hingegen als überaus sympathisch beschreiben und mache dies u.a. an folgenden Eigenschaften fest: freundlich, sanftmütig, warmherzig, sensibel, verständnisvoll. Auch diese Person verfügt über Freizeit und gutbürgerliche finanzielle Mittel. Von dieser Person ist mir allerdings nicht bekannt, dass sie sich über das gesellschaftlich konventionelle Maß hinaus in irgendeiner Weise durch "gute Taten" eingebracht hat.

Wer von den beiden ist nun aber der "gute" bzw. im direkten Vergleich der bessere Mensch- der oft und gerne herumstänkernde Möpp, der dafür jedoch wirklich Gutes tut? Oder der supernette Typ, den man rein aufgrund seiner liebenswerten Art sofort ins Herz schließen kann?

Guter Mensch, oder gute Tat?
Hurlinger
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Hurlinger »

Hallo Lexx.
Bei der ersten Person könnte m.E. schon so etwas wie Narzismus vorliegen, wenn man sich im Mittelpunkt als Wohltäter feiern lässt. und sich und seine Meinung ständig als wegweisend hervortut, und darum streitet, ob begründet oder nicht.
Das ist aber jetz reine Laienpsychologie.
Ich habe einige solcher Leute in der Familie und in Kliniken kennengelernt, daher auch spontan diese Einschätzung meinerseits.
Mir sind aufrichtige emphatische und freundliche Menschen lieber. Sind aber rar gesäht und überfordern sich oft oder werden ausgenutzt.
Gruß
Hurlinger
Lexx
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Lexx »

@Hurlinger
Vielen Dank für deine Antwort.
Beide Personen wurden meinerseits wirklich extrem vereinfacht dargestellt und im Threadsinn aufs Wesentliche reduziert. Nun will ich jedoch unbedingt eine Sache hinzufügen: meine Kenntnis über das soziale Engagement stammt nicht vom Möpp selbst- ich habe rein zufällig im Rahmen eines Gesprächs mit dem Ehepartner davon erfahren. In meinem ganzen Leben habe ich ihn selber nicht ein einziges Mal auch nur ansatzweise darüber reden gehört- und war dementsprechend auch mehr als nur perplex, als ich davon erfahren habe.


Doch auch ohne direkten persönlichen Bezug könnte man dieses Thema in verschiedene Richtungen weiterspinnen, Aspekte abändern oder erweitern, sich komplett von real existierenden Personen lösen:

Als Thriller- und Horrorfilmfan fallen mir in diesem Zusammenhang sofort die fiktiven Filmfiguren Hannibal Lecter und John Kramer ein. Im Gegensatz zu den häufig sehr eindimensional präsentierten Serienkiller-Typen (böser Mensch, böse Tat) findet in beiden Beispielen eine deutlich komplexere Zeichnung von Persönlichkeit und Tatmotiv statt.

Ich empfinde es so, dass hier seitens der Autoren sogar ganz gezielt besonders entmenschlichende Elemente (Kannibalismus des Herrn Lecter, Grausamkeit der Jigsaw-Fallen) eingebaut worden sind, um eine automatische persönliche Distanzierung des Zuschauers herzustellen und Empfindungen von unverhältnismäßig großer Sympathie und Verständnis entgegenzuwirken.

Meiner Meinung nach bieten beide Filmfiguren eine wunderbare Vorlage für Überlegungen und die persönliche Einordnung/Gewichtung von Charaktereigenschaften und Taten, denn auch hier kommt man mit einer klassischen Schwarzweiß-Einteilung wohl relativ schnell an seine Grenzen.
Hurlinger
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Hurlinger »

Hallo Lexx.
Aah, Ich hatte das so verstanden, dass er sich mit seinen Taten immer brüstet.
Das Leben und die vielen verschiedenen Menschen haben schon viele Facetten.
Nicht umsonst scheinen Psychopathen mitunter als die nettesten Nachbarn und besten Freunde.
Wobei mir das bei meinem Menschheitsbild nicht gerade hilft sie positiver zu sehen.
Für mich ist der Mensch als solches immer noch das schlimmste Tier.
Jeder auch noch so nette Mensch hat dunkle Seiten in sich.
Es gibt ja den Spruch: Man schaut dem Gegenüber nur vor den Kopf, und nicht hinein.
Gruß
Hurlinger
n°cturne
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von n°cturne »

Ein schönes Thema. Und eines, mit dem ich mich auch sehr stark beschäftige. Ich komme zu dem Schluss, dass man die Vielschichtigkeit des menschlichen Daseins - oder des Daseins überhaupt - nicht mit einem dualistischen Ansatz begreifen kann. Ich selbst stamme aus einer Familie mit in sich sehr konträren Persönlichkeiten, um nicht zu sagen, Persönlichkeiten mit Persönlichkeitsstörungen. Und auch im Laufe meines Lebens sind mir viele Menschen mit sehr konträren Wesensmerkmalen begegnet. Da gibt es sowohl die vermeintlich Heiligen, die in der Not keinen Finger für dich krumm machen und nur die eigenen Pfründe wahren oder dich für den eigenen Vorteil sogar noch von der Felsklippe stoßen würden, und da gibt es aber auch die Peiniger, Manipulateure und Egozentriker, die in der Not doch die einzigen sind, die dir beistehen. Sehr verwirrend, das alles. Für einen selbst schon mehr als genug, aber in der Außenkommunikation noch umso mehr. Denn der Mensch verlangt danach, das Leben in übersichtliche Schubladen zu sortieren. Dabei passt man selbst schon kaum in eine. Wie es Richard David Precht schon so schön formuliert: Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?

Ich denke, in der Quintessenz ist man letztlich vor allem das Resultat der eigenen Biographie. Natürlich auch mit einem gehörigen Schuss Veranlagung. Nature und Nurture - wie es so schön heißt. So kommen verschiedene Wissenschaftler beispielsweise zu dem Schluss, dass Psychopathie zwar eine Veranlagung darstellt, aber bei guter Sozialisierung eher ein unerschrockener und nervenstarker Chirurg dabei herauskommt statt ein Serienmörder. Natürlich will man das nicht wahrhaben, aber ich kann mir vorstellen, dass das der Wahrheit schon ziemlich nahe kommt. Auch ergeben Hirnanalysen, dass Menschen mit unterschiedlichen Psychopathie- bzw. Empathieanteilen ausgestattet sein können. Sprich, nicht jeweils das volle Spektrum an Kaltschnäuzigkeit oder Empathiefähigkeit abbilden. Dazu kommen die Prägungen, die das Leben eben so mit sich bringt. Und mal wird man in die eine Richtung geprägt und dann wieder in die andere. Je nach Lebensumständen und Erkenntnisstand. Am Ende gleicht man einem verknurzelten Baum, der je nach Wettereinflüssen mal in die eine, mal in die andere Richtung gewachsen ist.

Und nicht zuletzt kommen eben auch die Paradoxien und Unvermeidlichkeiten des Lebens hinzu. Selbst wer sich mit dem Ansinnen trägt, der guteste Mensch der Welt zu sein, kommt nicht umhin, doch auch grausam sein zu müssen, um selbst leben zu können. Denn so will es die Natur. Leider. Selbst der gutmenschlichste Veganer muss sich letztlich mit dem neuesten Forschungsstand zum Thema Pflanzenleben auseinandersetzen und sich eingestehen, dass er mit seinem Lebensstil letztlich vielleicht auch Pflanzen quält. Wie man da rauskommt? Keine Ahnung. Das ist ja genau das Problem. Man kann es im Grunde nur ertragen, wenn man es ausblendet oder sich etwas vormacht. Es sei denn, man besitzt erst gar keine entsprechende Empathiefähigkeit oder auch nicht genügend Verstand. Selbst im Tierschutz muss man sich ja eingestehen, dass man für die geretteten Tiere mitunter andere töten muss, um sie versorgen zu können. Man kann also kaum gut sein, ohne auch grausam sein zu müssen. Was für eine Scheixxe. Und je länger man darüber nachdenkt, desto mehr könnte man darüber wahnsinnig werden. Ist also der gesunde Menschenverstand der, der die Tiefen des Lebens erst gar nicht ergründet? Der in einer Illusion verhaftet bleibt? Letztlich besteht das menschliche Dasein ohnehin aus einer Reihe kognitiver Verzerrungen. Und vielleicht kann man nur "gut" und glücklich sein, wenn man sich diesen hingibt. Das Motto des depressiven Realismus.

Manchmal denke ich, Elon Musk hat recht, und wir leben tatsächlich in einer perfiden Simulation, in der höhere Mächte so ihre Späße mit uns treiben. Uns vor unlösbare Aufgaben stellen und sehen, wie wir damit zurechtkommen. Und dass es entgegen des vermeintlich höchsten Guts der "Krönung der Schöpfung" besser ist, gar nicht so viel Verstand zu haben, um darüber nachdenken zu können, sondern die Welt einfach als gegeben hinzunehmen. Aber genau damit tue auch ich mich sehr schwer.
OutofOrder
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von OutofOrder »

n°cturne hat geschrieben: Donnerstag 22. August 2024, 11:33 Ist also der gesunde Menschenverstand der, der die Tiefen des Lebens erst gar nicht ergründet? Der in einer Illusion verhaftet bleibt? Letztlich besteht das menschliche Dasein ohnehin aus einer Reihe kognitiver Verzerrungen. Und vielleicht kann man nur "gut" und glücklich sein, wenn man sich diesen hingibt. Das Motto des depressiven Realismus.

Und dass es entgegen des vermeintlich höchsten Guts der "Krönung der Schöpfung" besser ist, gar nicht so viel Verstand zu haben, um darüber nachdenken zu können, sondern die Welt einfach als gegeben hinzunehmen. Aber genau damit tue auch ich mich sehr schwer.
Bei den Zeilen kann ich nur aus vollstem Herzen zustimmen. Ich hab mir wohl 1000x in meinem Leben gedacht, dass ich vermutlich ein mehr oder weniger glücklicher oder zumindest zufriedener Mensch (in einem gutbürgerlichen sozialen Rahmen, wie z. B. meine eigenen Geschwister) sein könnte, wenn ich doch nur "dumm und einfältig genug" dafür wäre..wie sagt man so schön "dumm f...t gut", und wahrscheinlich müsste man den Spruch noch ergänzen, mit "dumm lebt gut"..

Je mehr man versucht und gewohnt ist (aus meiner bescheidenen Erfahrung), sich über die Scheinwelt des "gewöhnlichen" Alltags und des sogenannten normalen Lebens hinwegzusetzen und sich stattdessen viel lieber und bevorzugt den Hintergründen, verborgenen Wahrheiten und (gewöhnlich unbewussten), zutiefst komplexen Elementen der Realität und des Bewusstseins zuwendet und es geradezu als Zwang erlebt, diese im Alltag fast permanent in den Vordergrund zu holen und zu vergegenwärtigen, desto mehr ist man zu tiefem Leid und unendlich vielen Fragen und Zweifeln verurteilt, weil man schlichtweg nicht zu jenen Menschen gehört, die es seit ihrer Kindheit mit einer geradezu beeindruckenden Hartnäckigkeit und Starköpfigkeit schaffen, so ziemlich alles an den eigenen Anteilen, Schwächen und unerwünschten Emotionen zu verdrängen, zu sublimieren und in irgendeiner Weise zu externalisieren, was auch nur ansatzmäßig dazu dienen könnte, die psychische Stabilität zu gefährden, um damit die Illusion von Kontrolle, menschlicher Würde und Entscheidungsfreiheit aufrechterhalten zu können...

Mein Schicksal ist es, dass ich seit meiner Kindheit nie irgendetwas für "selbstverständlich" nehmen konnte, weil ich schon damals zutiefst kritisch, hinterfragend und zudem auch noch zu sensibel war, um den alltäglichen Wahnsinn (wie ich ihn jahrelang in sozialer Hinsicht in meiner (nicht stattgefundenen) "Sozialisation" erleben und erleiden musste) einfach kritiklos hinzunehmen..ich hab schon in meiner Kindheit soviel seelische und menschliche Grausamkeit erlebt, das es für ein ganzes Leben gereicht hätte..aber, denkste, das war erst der Anfang..als erwachsener Mensch wurde mir erst so richtig bewusst, mit welcher gnadenlosen Egozentrik und Kaltschnäuzigkeit die meisten Menschen letztendlich unterwegs und es gewohnt sind, mit ihren Mitmenschen entsprechend zu verfahren..

Für mich ist nicht die (meine) Realität depressiv, sondern der Mensch in all seinen widerwärtigsten Facetten und Maskierungen!!
Lexx
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Lexx »

@n°cturne und @OutofOrder
Vielen Dank für eure Beiträge und die enthaltenen Denkanstöße.

n°cturne hat geschrieben: Donnerstag 22. August 2024, 11:33 (...)
Ich selbst stamme aus einer Familie mit in sich sehr konträren Persönlichkeiten, um nicht zu sagen, Persönlichkeiten mit Persönlichkeitsstörungen. Und auch im Laufe meines Lebens sind mir viele Menschen mit sehr konträren Wesensmerkmalen begegnet.
(...)
Für einen selbst schon mehr als genug, aber in der Außenkommunikation noch umso mehr. Denn der Mensch verlangt danach, das Leben in übersichtliche Schubladen zu sortieren. Dabei passt man selbst schon kaum in eine. Wie es Richard David Precht schon so schön formuliert: Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?

Ich denke, in der Quintessenz ist man letztlich vor allem das Resultat der eigenen Biographie. Natürlich auch mit einem gehörigen Schuss Veranlagung.
(...)
Auch wenn ich unbedingt noch etwas länger darüber nachdenken muss und möchte, so hatte ich beim Lesen des oberen Zitats ganz spontan das Gefühl, dass die mir begegneten konträrsten im Sinne von kontrastreichsten Menschen tatsächlich diejenigen waren, die sich am wenigsten verstellen und an gängige Normen anpassen (können).

Zu meinem Bekanntenkreis gehört zB seit vielen Jahren ein Mensch mit Asperger-Autismus: er spricht frei aus was er denkt und reagiert absolut stimmungsabhängig, heute zugewandt und gesprächig, morgen komplett in sich zurückgezogen- man weißt im Vorfeld nie welche Facette von ihm man zu sehen bekommt, aber er ist definitiv immer er selbst.

Ähnliche kontrastreiche Authentizität habe ich bei zwei Menschen mit anderen Diagnosen erlebt; eine Person war bipolar, eine andere hatte das Borderline-Syndrom. Auch wenn ich von beiden einiges über die Komplexität und Problematik ihrer Erkrankungen erfahren habe, so gab es in den Gesprächen mehr als einen Moment in dem ich insgeheim dachte: im Grunde genommen seid ihr hier die "Normalen", die in einem kranken System gefangen sind.


Zu den weiteren Zitatauszügen hinsichtlich Außenkommunikation, Schubladendenken und Biographie:

Habt ihr rückblickend vielleicht auch das Gefühl, dass ihr schon in jungen Jahren ein gesellschaftsfähiges bzw. gesellschaftlich akzeptiertes Bild eurer Selbst kreieren musstet, um euch damit überhaupt erst eine Biographie innerhalb der Gesellschaft ermöglichen zu können?

Eine Art "Do-it-yourself-Image aus dem Bastelkasten", ein Alter Ego, welches ihr bewusst mit all den notwendigen Attributen ausgestattet habt um eurem jeweiligen Gegenüber genau die Reaktion, die Antwort, das Verhalten etc. "darbieten" zu können, was konventionell angemessen ist und erwartet wird? Um vom Gegenüber in die richtige, in die "gute" Schublade einsortiert zu werden?

OutofOrder hat geschrieben: Donnerstag 22. August 2024, 18:12 (...)
so ziemlich alles an den eigenen Anteilen, Schwächen und unerwünschten Emotionen zu verdrängen, zu sublimieren und in irgendeiner Weise zu externalisieren, (...) um damit die Illusion von Kontrolle, menschlicher Würde und Entscheidungsfreiheit aufrechterhalten zu können...
(...)
Eine im Laufe der Zeit immer weiter perfektionierte Illusion aus kleinen und großen Lügen, die sich dabei immer weiter vom Original weg entwickelt:

"Ich bin sehr belastbar, engagiert und dynamisch, finde mich schnell in bestehende Teams ein und begegne Aufgaben jederzeit zielorientiert und mit einem kühlen Kopf. Herausforderungen empfinde ich vielmehr als Möglichkeiten, mich immer wieder aufs Neue beweisen zu können. Natürlich bin ich zeitlich überaus flexibel einsetzbar, und selbstverständlich auch sehr gerne zu Überstunden bereit. Mit Ihrem Leitbild kann ich mich persönlich absolut identifizieren und werde Ihr Unternehmen in jeder Situation stets mit den beschriebenen Werten und voller Stolz repräsentieren."

Jeder Tag ein trauriger Maskenball, und immer dasselbe fröhliche Kostüm.
OutofOrder
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von OutofOrder »

Lexx hat geschrieben: Freitag 23. August 2024, 17:37
Eine im Laufe der Zeit immer weiter perfektionierte Illusion aus kleinen und großen Lügen, die sich dabei immer weiter vom Original weg entwickelt:

"Ich bin sehr belastbar, engagiert und dynamisch, finde mich schnell in bestehende Teams ein und begegne Aufgaben jederzeit zielorientiert und mit einem kühlen Kopf. Herausforderungen empfinde ich vielmehr als Möglichkeiten, mich immer wieder aufs Neue beweisen zu können. Natürlich bin ich zeitlich überaus flexibel einsetzbar, und selbstverständlich auch sehr gerne zu Überstunden bereit. Mit Ihrem Leitbild kann ich mich persönlich absolut identifizieren und werde Ihr Unternehmen in jeder Situation stets mit den beschriebenen Werten und voller Stolz repräsentieren."

Jeder Tag ein trauriger Maskenball, und immer dasselbe fröhliche Kostüm.
Super Beispiel :wink: Ich hab solche "Wahnvorstellungen" und Lügengebäude zu Gunsten sozialer und beruflicher Anpassungsnöte immer zutiefst verachtet, ich hab zwar früher mal selbst in diversen Unternehmen gearbeitet, aber war immer weit davon entfernt, mich in irgendeiner Weise mit einer wie immer gearteten Corporate Identity zu identifizieren, mich in nachhaltigster und proaktivster Weise für ein Unternehmen einzusetzen oder sogar bereit zu sein, dass eigene Privatleben dem beruflichen Engagement ganz selbstverständlich unterzuordnen, und das Ganze dann auch noch mit irgendwelchen schäbigen, völlig unglaubwürdigen und hohlen Scheinargumenten zu untermauern. Ich bin kein "Team-Player", war ich nie und werd ich nie sein! Aus tausend Gründen, aber vor allem weil ich ein menschliches Wesen bin und auch so behandelt werden möchte. Kein Wunder, dass ich mittlerweile fast 20 Jahre selbständig von zu Hause aus arbeite, ich würde es keinen einzigen Tag mehr ertragen, den willigen Sklaven oder Lakaien für irgendein Unternehmen zu spielen, nur um sagen zu können, ich wäre wenigstens beruflich Teil von "irgendetwas Größerem"..
Dissolved_Alice
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Dissolved_Alice »

Zum Threadtitel : Wenn überhaupt, dann nur GUTE Taten, gute Menschen gibt es nicht. Bzw tue ich mir sehr sehr schwer, Menschen in solche oberflächlichen Schubladen einzuteilen.
Hier wo ich lebe und aufgewachsen bin, ist man zB ein guter Mensch, wenn man schön systemkonform lebt, voll ins Dorfleben integriert, man arbeitet, hat eine Familie, pflegt seinen Garten, engagiert sich irgendwo noch sozial oder in einem Verein, wenn man sich beim Einkaufen trifft, pflegt man banalen Smalltalk.
Klar darf man immer auch mal kurz aus dem Rahmen fallen, es gibt zB eine Scheidung oder man verliert seine Arbeit oder so etwas....aber man rafft sich schnell wieder zusammen und läuft wieder in der Spur.
Für diese Menschen ist man schlecht, wenn man da nicht mitläuft, aus welchen Gründen auch immer.
Oder wenn einfach nicht dazu in der Lage ist, sich hinter so einer schönen Fassade zu verstecken.
Meine Mutter zB ist das komplette Gegenteil zu mir, völlig ausgerichtet auf „Was die anderen über dies und jenes sagen“
Völlig belangloses oberflächliches Geplapper, Arbeit ist das Wichtigste und ein tip top sauberer Haushalt.
Man geht auf jedes Dorffest und so weiter und so fort.
Ich habe sie an ihrem 60. Geburtstag gefragt, völlig im Ernst, wie man es tatsächlich schafft, sechzig Jahre auf dieser Welt auszuhalten und als Ant3wort kamen die üblichen Floskeln, Kraft tanken durch Familie und Freunde blabla...ja ja danke Halts Maul.

Sorry ich schweife ab.

Hab den Thread gelesen und sehr vieles kann ich zu hundert Prozent unterschreiben.

Mich widert diese „Außen hui Innen pfui“ Mentalität so an!

Ich schätze nichts mehr als aufrichtige authentische Menschen, die gerade heraus sind. Leider sind sie selten.
Mittlerweile will ich mit gar keinem mehr was zu tun haben. Ich habe ein paar wenige soziale Kontakte, meine Mutter und mein Sohn (die mich nicht leiden können und meine psychische Krankheit null ernst nehmen, mir sogar noch Vorwürfe deshalb machen) und noch einen einzigen Freund, den ich regelmässig sehe. Ein anderer ist im Juni verstorben.
Neue Menschen kennenlernen will ich nicht mehr.
Wozu auch

Wenn ich mal die Wohnung verlasse, zum Einkaufen oder so, machen mich die Leute irgendwie alle miteinander wütend, weil sich jeder hinter seinen tausend Masken versteckt, mir kommt das oft völlig falsch alles hier vor.

Wenn ich ehrlich bin, kommt mir die ganze Existenz einfach nur grausam vor. Man führt doch die ganze Zeit eine Art Überlebenskampf.
Fressen oder gefressen werden. Fortpflanzen. Sterben.

Ich empfinde es als besonders grausam, dass wir als Menschen uns dessen auch noch bewusst sein können.

Rätselhaft wozu das Bewusstsein sich entwickelt hat, vielleicht war es auch einfach nur ein Fail?

Ich glaube, der Mensch an sich ist „böse“ , wenn man sich mal anschaut, was wir anderen Lebewesen (inklusive unserer eigenen Spezies) alles so antun, wie wir die Umwelt zerstören, sogar der Orbit ist schon zugemüllt.

Wenn ich dann auch noch dieses hochtrabende „Krone der Schöpfung“ Geschwafel höre...Menschen sind eigenartig.

Und gigantisch im Selbstüberschätzen.

So gesehen ist das hier jetzt auch nur sinnloses Geschreibsel, ich lass es dennoch stehen
Hurlinger
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Hurlinger »

Hallo Alice.
Schön, mal wieder etwas von Dir zu lesen.
Ich finde es ist kein sinnloses Geschreibsel, aber aus deinen heutigen Beiträgen lese ich heraus, dass es Dir wahrscheinlich im Moment gar nicht gut geht.
Bei einer Sache aber musste ich ein wenig schmunzeln:

Zitat:
"Hier wo ich lebe und aufgewachsen bin, ist man zB ein guter Mensch, wenn man schön systemkonform lebt, voll ins Dorfleben integriert, man arbeitet, hat eine Familie, pflegt seinen Garten, engagiert sich irgendwo noch sozial oder in einem Verein, wenn man sich beim Einkaufen trifft, pflegt man banalen Smalltalk.
Klar darf man immer auch mal kurz aus dem Rahmen fallen, es gibt zB eine Scheidung oder man verliert seine Arbeit oder so etwas....aber man rafft sich schnell wieder zusammen und läuft wieder in der Spur.
Für diese Menschen ist man schlecht, wenn man da nicht mitläuft, aus welchen Gründen auch immer.
Oder wenn einfach nicht dazu in der Lage ist, sich hinter so einer schönen Fassade zu verstecken.
Meine Mutter zB ist das komplette Gegenteil zu mir, völlig ausgerichtet auf „Was die anderen über dies und jenes sagen“
Völlig belangloses oberflächliches Geplapper, Arbeit ist das Wichtigste und ein tip top sauberer Haushalt.
Man geht auf jedes Dorffest und so weiter und so fort.
Ich habe sie an ihrem 60. Geburtstag gefragt, völlig im Ernst, wie man es tatsächlich schafft, sechzig Jahre auf dieser Welt auszuhalten und als Ant3wort kamen die üblichen Floskeln, Kraft tanken durch Familie und Freunde blabla...ja ja danke Halts Maul."


Ich wohne auch in einem kleinen Dorf, und ja, hier läuft es ähnlich ab, wobei ich sagen muss, dass viele, die dieser Gemeinschaft angehören auch sehr hilfsbereit sind, aber man erwartet natürlich auch, dass man davon etwas zurück gibt.
Ich vergleiche das mal mit einer Sippe in der Steinzeit.
Da musste man sich den Gepflogenheiten der Sippe fügen, ansonsten wurde man ausgestoßen und verhungerte eventuell dadurch.
Das passiert ja normalerweise in unserer Zivilisation nicht, außer, dass man seelisch verhungert.
In der Sippe hatte dort jeder seinen Platz und Aufgabe je nach Veranlagung, wurde aber auch wahrscheinlich gezwungen in der Gemeinschaft seinen Teil zum Zusammenleben beizutragen.
Ich habe vor langer Zeit mal das Buch von Marlo Morgan "Traumfänger" gelesen. Dort soll nach einer angeblich wahren Geschichte eine weiße amerikanische Frau mit Aborigines durch den Australischen Busch gezogen sein und die Gesellschaftsstruktur dieser Menschen kennengelernt haben.
Wenn man Menschen wie in diesem Buch erleben dürfte, würde man den Glauben an die Menschen wahscheinlich nicht verlieren, so schön fand ich das Buch damals.
Vielleicht möchtest du es ja mal lesen.
Ich selbst finde diesen ganzen Affenzirkus, der sich Menschheit nennt, wie du wahscheinlich weißt auch völlig daneben, und es sollte es einem eigentlich leichter machen von hier zu verschwinden.
Bisher Fehlanzeige
LG
Hurlinger
Dissolved_Alice
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Dissolved_Alice »

Auch ich freue mich, dich mal wieder zu lesen.

Ja ich meine es nicht so negativ, wie es sich liest. Ich weiß, dass es auch sowas wie gute Menschen gibt.
Bei mir kommt noch eine Verkettung negativer Umstände hinzu.

Mir ist das alles auch langsam wirklich egal. Ich schaue dem ganzen Theater schon lange nur noch zu und von außen sieht man immer klarer, als wenn man mittendrin steckt.
Ich will da nicht mehr rein.
Ich will nur noch meine Ruhe
Hurlinger
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Hurlinger »

Du brauchst dich doch für nichts rechtfertigen.
Dir gehts halt so wie es eben gerade geht.
Ich verallgemeiner auch, dass die Menschheit schlecht ist, Aber es gibt auch einige nette und freundliche unter ihnen.
Wenn du wirklich mal etwas über nette Menschen lesen willst, dann lies mal den Traumfänger. Es hat mal 8 Euro gekostet.
Ich möchte hier nicht mit "think positive" daher kommen, aber mir hat es wirkliche Freude bereitet von solchen Menschen zu lesen.
Aber davon gibt es halt viel zu wenige.
Ist aber auch schon lange her.
LG und vieleicht kannst du ja einige Umstände, die dir gerade das Leben so schwer machen beiseite schieben.
Ich wünsche es Dir.
LG
Hurlinger
Dissolved_Alice
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Dissolved_Alice »

Hurlinger hat geschrieben: Donnerstag 12. September 2024, 21:29 Du brauchst dich doch für nichts rechtfertigen.
Dir gehts halt so wie es eben gerade geht.
Ich weiß keine Worte für wie es mir geht aber bei obigen Sätzen breche ich sofort unfreiwillig in Tränen aus
Hurlinger
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Hurlinger »

Ups. Ich wollte nicht, dass es dir nun noch mieser geht.
Das tut mir jetz wirklich leid.
Mir hat vor fast zwanzig Jahren mal ein Arzt für Psychiatrie mit einem Satz den Boden unter den Füßen weggezogen, der da lautete:
"Herr Hurlinger, Sie können nichts dafür"
Ich bin aus dem Heulen nicht mehr raus gekommen, und wenn ich heute noch dran denke ist mir auch wieder ähnlich zu Mute.
Es gibt Dinge und Zustände, die laufen im Leben einfach so und man versteht nicht, was da gerade passiert, oder man hat da noch nie drüber nachgedacht und kann sie auch nicht verändern. Dann überrollt es einen einfach.
Vielleicht kannst du etwas gutes für Dich da raus ziehen, so dass es dir etwas besser geht
Ich wollte jetzt hier aber nicht den Laienpsycho-Doc rauskehren.
LG
Hurlinger
Dissolved_Alice
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Re: Guter Mensch oder gute Tat

Beitrag von Dissolved_Alice »

Sorry für das Missverständnis, mir geht's nicht schlechter durch deine Worte, alles gudd✌🏼

Für mich ist heulen nichts negatives.
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