Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen
Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator
Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen
Hallo! Ganz toll geschrieben! Freue mich auf den Austausch! Lg
Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen
Hallo salvation.salvation hat geschrieben: ↑Donnerstag 17. August 2023, 19:34 .... wirklich als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, auch wenn das Gesetz aus 2020 ja wieder ein Schritt in die richtige Richtung war.
Man kann den entsprechenden Gesetzgebern nur wünschen, zumindest mal einen Tag lang erfahren zu müssen, welche Leidenszustände in der menschlichen Existenz möglich sind. Dann würde sich mit Sicherheit jeder von ihnen für eine Liberalisierung und Ausweitung der assistierten Sterbehilfe aussprechen, sowie für die Freigabe von NaP. Außer ihnen fehlt jegliches Empathievermögen oder sie sind sadistisch.
Dein Beitrag ist wirklich sehr gut geschrieben.
Bemerkenswert finde ich den Wechsel der früheren religiösen Ansicht zu der jetzt durch Erkrankung entstandenen liberaleren Einstellung.
Ich finde, Du hast Recht, dass jeder, der über dieses neue Sterbehilfegesetz, was hier in "D" immer noch keine Form annimmt, zu befinden hat, wirklich selbst mal in der quälenden Situation stecken müsste. Dann würde das Gesetz sicherlich eher zum Patientenwohl ausfallen.
Welches Gesetz von 2020 meinst du? Oder meinst du das Urteil des Bundesverfassungsgericht?
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 34715.html
Gruß
Hurlinger
Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen
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Zuletzt geändert von kapree am Samstag 9. September 2023, 14:49, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen
Ich bin auch jemand, der sich vor der ersten suizidalen Phase nicht mit dem Thema beschäftigt hat. Da mein Leben seit dem Kleinkindalter traumatisierend war, gibt es für mich auch kein "Davor". Vor den Therapien habe ich funktioniert und abgespalten. Nun lerne ich Persönlichkeitsanteile kennen, die unsere ganzen Erfahrungen in den Kopf schießen und gleichzeitig getröstet werden wollen, während ich Panik, Ekel, Angst, innere Ohnmacht, Wut, Verzweiflung und all sowas gleichzeitig empfinde. Und passende Therapien für komplex Traumatisierte mit Persönlichkeitsanteilen zu finden ist nicht leicht. Depressionen, Süchte, Borderline - es gibt zig spezialisierte Angebote dafür. Aber jemand wie ich hat keine guten Karten.
In dne meisten Kliniken wussten die bisher nicht, was genau mit mir los ist, haben das nicht für voll genommen oder kannten sich schlichtweg nicht aus. Ich ging also suizidal hin, kam hochfunktional wieder raus und mutierte dadurch auch zur Drehtürpatientin. Ich kam aber immer klar in den Kliniken, egal ob Psychiatrie, Geschlossene, Psychosomatik oder Spezialklinik. Und dieses Jahr habe ich in einer stinknormalen Psychiatrie einen Bezugstherapeuten gefunden, der mich wirklich begleitet. Ich würde immer wieder in die Klinik gehen, wenn es nötig ist und ich in der Suizidalität noch zugänglich für Hilfe bin.
Manchmal fühle ich mich auch wie eine Wachkomapatientin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mit den Dingen, die ich immerhin 20 Jahre lang erlitten habe, möglich ist, ein lebenswertes Leben aufzubauen. Ich komme ohne Therapie nicht klar. Und die nächsten Intervalltherapien zur weiteren Traumaaufarbeitung sind schon geplant. Ich ziehe sogar demnächst um, nur weil es am neuen Ort passendere Hilfen für mich gibt, in der Hoffnung, dass ich dann vorankomme.
Ich glaube, dass ich mir nicht das Leben nehmen kann, weil ich Anteile habe. Im System gibt es eine glitzerbunte 7jährige. Die ist emotional wirklich wie 7. Und 7jährige Kinder wollen sich nicht umbringen. Die wollen spielen, Glitzer sehen, Seifenblasen pusten, hüpfen, schaukeln...
3 Anteile habe ich schon integriert. Aber ich glaube, solang es Anteile gibt, die Helferrollen innehaben, KANN ich mir nichts antun. Manchmal habe ich regelrecht Angst, dass die Therapien irgendwann erfolgreich sind, alle Anteile integriert sind und ich dadurch plötzlich den Mut habe, mich umzubringen. Irgendjemand vom System sicht doch nach Hilfe, selbst wenn ich schon gar nicht mehr mit den Therapeuten rede oder mich zurückziehe oder nach Suizidmethoden gucke und mich vorbereite. Irgendjemand ruft dann doch irgendwo an, geht zum Termin und so.
Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits kann ich durch die Störung (die ja durch brutalste Erlebnisse entstanden ist!) mir nichts antun und bin meistens lebensbejahend. Und andererseits fühle ich mich manchmal gefangen im Leben dadurch. Ich kann nicht leben, ich kann nicht sterben. Selbst mit der perfekten Methode geht weder das Eine noch das Andere.
Eine Drehtürpatientin zu sein belastet mich. Abhängig von Therapeuten und Klinikpersonal zu sein belastet mich. Aber nach so vielen Erlebnissen ist es einfach nicht anders möglich. Ohne eine Drehtürpatientin zu sein hätte ich keine Chance auf ein Leben. Und da ich mich ja auch nicht umbringen kann, kann ich auch gucken, wie ich mein Leben hinkriege.
Denn nichts zu tun, also zu verharren, ist für mich schlimmer als eine Entscheidung zu treffen. Wie ein Esel, der nicht weiß, welchen Heuballen er nehmen soll und deshalb verhungert.
Deshalb glaube ich tatsächlich schon, dass ich entscheide, ob ich mein Leben schön mache oder weiter im Höllenleben bleibe. Auch wenn solche Glückskekssprüche vom Klinikpersonal meistens zum Kotzen sind.
Ich habe bisher aber immer einfühlsame und liebe Pflegerinnen gefunden, mit denen ich dann geredet habe.
Aber ich werde noch eine Weile Drehtürpatientin bleiben. Das beschämt mich auch oft. Oft denke ich mir, dass es gut gewesen wäre, hätten meine Täter mich umgebracht...
In dne meisten Kliniken wussten die bisher nicht, was genau mit mir los ist, haben das nicht für voll genommen oder kannten sich schlichtweg nicht aus. Ich ging also suizidal hin, kam hochfunktional wieder raus und mutierte dadurch auch zur Drehtürpatientin. Ich kam aber immer klar in den Kliniken, egal ob Psychiatrie, Geschlossene, Psychosomatik oder Spezialklinik. Und dieses Jahr habe ich in einer stinknormalen Psychiatrie einen Bezugstherapeuten gefunden, der mich wirklich begleitet. Ich würde immer wieder in die Klinik gehen, wenn es nötig ist und ich in der Suizidalität noch zugänglich für Hilfe bin.
Manchmal fühle ich mich auch wie eine Wachkomapatientin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mit den Dingen, die ich immerhin 20 Jahre lang erlitten habe, möglich ist, ein lebenswertes Leben aufzubauen. Ich komme ohne Therapie nicht klar. Und die nächsten Intervalltherapien zur weiteren Traumaaufarbeitung sind schon geplant. Ich ziehe sogar demnächst um, nur weil es am neuen Ort passendere Hilfen für mich gibt, in der Hoffnung, dass ich dann vorankomme.
Ich glaube, dass ich mir nicht das Leben nehmen kann, weil ich Anteile habe. Im System gibt es eine glitzerbunte 7jährige. Die ist emotional wirklich wie 7. Und 7jährige Kinder wollen sich nicht umbringen. Die wollen spielen, Glitzer sehen, Seifenblasen pusten, hüpfen, schaukeln...
3 Anteile habe ich schon integriert. Aber ich glaube, solang es Anteile gibt, die Helferrollen innehaben, KANN ich mir nichts antun. Manchmal habe ich regelrecht Angst, dass die Therapien irgendwann erfolgreich sind, alle Anteile integriert sind und ich dadurch plötzlich den Mut habe, mich umzubringen. Irgendjemand vom System sicht doch nach Hilfe, selbst wenn ich schon gar nicht mehr mit den Therapeuten rede oder mich zurückziehe oder nach Suizidmethoden gucke und mich vorbereite. Irgendjemand ruft dann doch irgendwo an, geht zum Termin und so.
Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits kann ich durch die Störung (die ja durch brutalste Erlebnisse entstanden ist!) mir nichts antun und bin meistens lebensbejahend. Und andererseits fühle ich mich manchmal gefangen im Leben dadurch. Ich kann nicht leben, ich kann nicht sterben. Selbst mit der perfekten Methode geht weder das Eine noch das Andere.
Eine Drehtürpatientin zu sein belastet mich. Abhängig von Therapeuten und Klinikpersonal zu sein belastet mich. Aber nach so vielen Erlebnissen ist es einfach nicht anders möglich. Ohne eine Drehtürpatientin zu sein hätte ich keine Chance auf ein Leben. Und da ich mich ja auch nicht umbringen kann, kann ich auch gucken, wie ich mein Leben hinkriege.
Denn nichts zu tun, also zu verharren, ist für mich schlimmer als eine Entscheidung zu treffen. Wie ein Esel, der nicht weiß, welchen Heuballen er nehmen soll und deshalb verhungert.
Deshalb glaube ich tatsächlich schon, dass ich entscheide, ob ich mein Leben schön mache oder weiter im Höllenleben bleibe. Auch wenn solche Glückskekssprüche vom Klinikpersonal meistens zum Kotzen sind.
Ich habe bisher aber immer einfühlsame und liebe Pflegerinnen gefunden, mit denen ich dann geredet habe.
Aber ich werde noch eine Weile Drehtürpatientin bleiben. Das beschämt mich auch oft. Oft denke ich mir, dass es gut gewesen wäre, hätten meine Täter mich umgebracht...
Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen
Hallo Salvation,
dein Beitrag schreibt mir aus der Seele und ich denke dass es vielen anderen genauso geht.
Was das betrifft ist unsere Gesellschaft einfach extrem rueckstaendig.
Ich lebe gerade in einem Land wo es Frauen nicht erlaubt ist einer Schwangerschaft abzubrechen.
(Mitten in Europa)
Wenn es um das Recht geht mit dem eigenen Koerper zu tun was man selbst will...
...diesbezueglich sind die allermeissten Laender extrem rueckschrittlich.
Wenn man nicht in der Schweiz (oder Belgien) lebt dann wird man von der Gesellschaft gezwungen
egal der jeweiligen Situation am Leben zu bleiben.
Viele haben auch nicht die Moeglichkeit an sichere Methoden (Waffe) zu kommen und
muessen dann andere wie einen Zugfuehrer mit hineinziehen.
Und die wenigen Organisatoren die es gibt und wenigen mutigen Aerzte werden von dem Gesetzgeber
bis zu auessersten schickaniert (selbst in der Schweiz bei Dignitas) und Hilfewilligen droht das Gefaengnis.
Zumindest nach aktuellem Gesetz in Deutschland...
dein Beitrag schreibt mir aus der Seele und ich denke dass es vielen anderen genauso geht.
Was das betrifft ist unsere Gesellschaft einfach extrem rueckstaendig.
Ich lebe gerade in einem Land wo es Frauen nicht erlaubt ist einer Schwangerschaft abzubrechen.
(Mitten in Europa)
Wenn es um das Recht geht mit dem eigenen Koerper zu tun was man selbst will...
...diesbezueglich sind die allermeissten Laender extrem rueckschrittlich.
Wenn man nicht in der Schweiz (oder Belgien) lebt dann wird man von der Gesellschaft gezwungen
egal der jeweiligen Situation am Leben zu bleiben.
Viele haben auch nicht die Moeglichkeit an sichere Methoden (Waffe) zu kommen und
muessen dann andere wie einen Zugfuehrer mit hineinziehen.
Und die wenigen Organisatoren die es gibt und wenigen mutigen Aerzte werden von dem Gesetzgeber
bis zu auessersten schickaniert (selbst in der Schweiz bei Dignitas) und Hilfewilligen droht das Gefaengnis.
Zumindest nach aktuellem Gesetz in Deutschland...
Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen
Suizid ist in vielen Religionen eine schwere Sünde. Natürlich kommt es auf den Einzefall drauf an. Gott ist kein Sadist, der Menschen gerne leiden sieht. Wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind und das Leiden absolut unterträglich ist, dann wird er vermutlich ein Auge zudrücken. So genau weiss ich es auch nicht. Aber was ich weiss, ist, dass längst nicht alle Suizidenten in der Hölle landen. Aber leider immer noch zuviele...