so kann es nicht weiter gehen

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Niniel
Beiträge: 4
Registriert: Montag 11. August 2008, 12:53
Wohnort: Nürnberg

so kann es nicht weiter gehen

Beitrag von Niniel »

hallo,

ich möchte mich hier kurz vorstellen und ein wenig von mir erzählen. vielleicht ergibt sich ja ein austausch oder so.

ich bin fast 41 jahre alt, leide seit 6 jahren an einer extrem seltenen und unheilbaren krankheit des immunsystems, die zur folge hat, daß sich meine schädelknochen auflösen und zusätzlich verursacht sie eine lungenfibrose mit allen dazugehörigen folgen. trotz vieler operationen am schädel, 5 strahlen- und 3 chemotherapien hat sich nichts stoppen lassen. die krankheit tobt sich in mir einfach munter weiter aus. bin schon seit 5 jahren O2-patientin und ansonsten einfach ein versuchskaninchen für therapien, von denen kein arzt sagen kann, wie groß oder doch eher gering die erfolgschancen sind.

trotzdem hatte ich das unsagbare glück einen jüngeren mann kennenzulernen, der eine beziehung mit mir über die letzten knapp 2 jahre geführt hatte. aber auch das hat sich inzwischen wohl zerschlagen. er ist vor 2 wochen wieder ausgezogen. ausgemacht war eine distanzbeziehung erstmal zu führen, damit wir beide wieder atemholen können, von dem ganzen streß der sich in unserer beziehung angesammelt hatte. seit er nun weg ist, blockt er jeden kontakt ab. also kann ich mir meine hoffnungen vermutlich sonst wohin stecken.

das traurige ist, daß ich die letzten jahre nur noch für ihn gekämpft habe. ich bin längst schon ermüdet von der ganzen quälerei bei den therapien und den täglichen einschränkungen durch meine krankheit. ich habe es ihm nie gesagt oder ihn merken lassen, aber er war der einzige grund, daß ich noch eingriffe, chemo/strahlentherapie ertragen habe.

ich bin seit kurzem auch in einer psychotherapie und mein therapeut hat mir vor kurzem eine frage gestellt, die ich nun nicht mehr beantworten kann. er fragte: "wofür leben sie überhaupt". bisher konnte ich zumindest noch sagen, für meinen partner. aber jetzt .... ich denke ständig darüber nach und finde keine antwort mehr. ich lebe ständig mit dem bewußtsein, daß meine krankheit mich so oder so qualvoll umbringen wird. entweder mein schädel hat irgendwann soviel knochenmasse verloren, daß er einfach zusammenfällt, oder (was wahrscheinlicher ist) ich ersticke wegen dem lungenbefall. kann ja jetzt schon kaum noch etwas machen.

ich bin einfach nur noch müde, so unsagbar müde und ich habe angst davor, elend zu sterben
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Wie sollte es denn weiter gehen?

Beitrag von jonathan »

Hallo Niniel,

Ihr Beitrag hat mich sehr angerührt und betroffen gemacht.

Die Frage, die Ihnen Ihr Therapeut gestellt hat, bewegt wahrscheinlich die meisten Menschen, die das Leben vor solche Schwierigkeiten gestellt hat, wie es Ihnen und Anderen geschehen ist. Welche Anwort könnte man da für sich selbst finden, denn die wird für jeden vermutlich etwas anders aussehen?

Bislang hatten Sie eine Antwort, wobei ich allerdings glaube, dass Sie nicht "für" Ihren Partner gelebt haben, sondern natürlich für sich selbst. Das ist im Übrigen völlig in Ordnung, niemand ist auf die Welt gekommen, um den Erwartungen anderer zu entsprechen. Ich kann Ihre Stimmungslage wohl ganz gut verstehen. Vor einiger Zeit ist mein jüngster Sohn voll ins Leben getreten, er braucht meine Begleitung nicht mehr, ebenso wie der ältere und ich frage mich auch, ob meine noch vorhandenen Lebensziele mir wichtig genug sind, die immer wieder auftretenden gesundheitlichen Qualen ertragen zu wollen. Wohlgemerkt, zu 'wollen' und nicht zu 'können'. Diese Frage habe ich mir bislang auch noch nicht beantworten können.

Die Frage Ihres Therapeuten war berechtigt, aber ich finde, Sie sollten ihn in die Pflicht nehmen. Wenn Sie es nicht schaffen, in Ihrer derzeitigen Verfassung selbst Ziele zu definieren, dann wäre es nach meiner Auffassung seine Aufgabe, ihnen bei der Suche Hilfestellung zu leisten. Fordern Sie ihn einfach dazu heraus.

Ich wünsche Ihnen gute Wege
jonathan
Niniel
Beiträge: 4
Registriert: Montag 11. August 2008, 12:53
Wohnort: Nürnberg

Beitrag von Niniel »

lieber jonathan,

es ist leider wirklich so, daß ich für meinen partner gelebt habe. vor 2 jahren schon wollte ich keine therapie mehr durchmachen oder meine medikamente einnehmen.
bevor meine erkrankung akut ausgebrochen ist ende 2002, war ich ein sehr aktiver mensch, hatte ein kleines aber erfolgreiches 1-mann-unternehmen aufgebaut, konnte meine hobbies ausüben und hatte einen stabilen freundes- und bekanntenkreis. dann kam die erste operation am kopf und schlagartig war niemand mehr da, selbst mein bruder hat seitdem jeglichen kontakt abgebrochen, meine firma ging den bach runter und auch meine gesamten hobbies musste ich aufgeben. im austausch dazu gab es nur noch krankenhausaufenthalte, therapien, infusionen, kluge und grausame sprüche der ärzte.
ich dachte mir, daß ich das alles bewältigen kann, es verkrafte und habe jede therapie mit der kleinen hoffnung angegangen, daß sie hilft. leider ist meine erkrankung angeblich äußerst selten (wobei ich glaube, daß die dunkelziffer sehr hoch ist) und kaum erforscht. ärzte würden sie zwar gerne weiter erforschen, aber sie haben erstens kaum patienten und zweitens auch zu wenig forschungsgelder dafür. die pharmazie, die genügend geld hätte, um weiter zu forschen, ist nicht interessiert, weil wir eben zu wenige sind und somit auch ein heilmittel nicht rentabel. ich lebe also mit dem wissen, daß ich glücklicherweise zwar engagierte ärzte habe, aber ich für diese nur ein versuchskaninchen bin, an dem sie mehr oder eher minder erfolgversprechende therapien austesten können. das wird hoffentlich späteren generationen von betroffenen helfen, mir wohl aber nicht mehr. ich habe leider die agressivste form dieser erkrankung.
übrig bleibt so leider nur die angst davor, elend zu sterben und vorher immer mehr zu einem pflegefall zu werden. schon jetzt kann ich alleine meinen haushalt und die eigene versorgung nicht mehr alleine bewältigen. darüber hinaus kann ich von meiner kleinen rente kaum leben. was ist das nun für ein leben oder ist es überhaupt noch leben und nicht vielmehr ein existieren oder dahin vegetieren?
ich wünsche Ihnen alle gute für Ihren weg
niniel
h-myself

Ihr Beitrag hat mich

Beitrag von h-myself »

sehr betroffen gemacht.
Ich kann Sie sehr gut verstehen. Rat weiß ich leider keinen. Aber ich denke an Sie.

Meine besten Wünsche!
sonnenuntergang
Beiträge: 1
Registriert: Samstag 23. August 2008, 09:40

einfach so

Beitrag von sonnenuntergang »

Hallo Niniel,

einen Rat weiß ich leider nicht.

Aber ich möchte Ihnen einfach mal auf diesem Wege viel, viel Mut und Kraft wünschen. Und dass Sie und der Therapeut einen Weg finden, entweder mit dem Leben oder auch mit dem Tod Frieden zu schließen

Unbekannterweise umarme ich Sie ganz lieb.

Herzlichst
von Sonnenuntergang
Gesperrt