Angemessener Umgang mit Angehörigen und Freunden ?

Es ist nur ein Lesezugriff möglich.

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Gesperrt
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Angemessener Umgang mit Angehörigen und Freunden ?

Beitrag von jonathan »

Guten Tag Forum,

heute morgen fand ich hier ein posting vor, in dem sich jemand selbst als Angehöriger eines Dignitas-Mitgliedes bezeichnete und eine diesbezügliche Fragestellung äußerte. Das posting ist vom 'admin' zwischenzeitlich gelöscht worden, die betreffende Fragestellung hat mich jedoch während des ganzen Vormittages beschäftigt.

Wie man meinen bisherigen Beiträgen unschwer entnehmen kann, fordere ich das uneingeschränkte Recht ein, in einer Situation, in der ich es selbst für geboten halte, mein Leben angstfrei und sicher beenden zu dürfen. Wenn es dann zu dieser Situation kommen sollte, wird das natürlich auch Auswirkungen auf Menschen haben, die in meinem Leben (ebenso wie ich in ihrem!) einen wichtigen Platz einnehmen. Das ist mir seit langem klar, und die Fragestellung, wie ich die negativen Auswirkungen (insbesondere Trauer) auf nahe Menschen verantwortlich gestalten und auf das Unvermeidliche begrenzen kann, beschäftigt mich schon seit geraumer Zeit.

Mittlerweile bin ich mit allen engen Freunden in dieser Angelegenheit einig, sie kennen meine Vorstellungen und die Aktivitäten, die ich derzeit in dieser Richtung betreibe, sie akzeptieren und respektieren meine Haltung, ja sie helfen mir mittlerweile sogar, diese natürlich auch für mich nicht einfache Lebenssituation zu bewältigen. Offen und ungeklärt ist für mich bislang noch die Frage, wie ich eine derartige Akzeptanz in meiner Familie, insbesondere bei den Kindern (die übrigens mittlerweile erwachsen sind), erreichen kann. Ich kenne selbstverständlich die allgemeine Auffassung, dass man der Familie 'so etwas nicht antun darf', dass die Liebe in der Familie auch die schwierigsten Situationen überstehen hilft etc, etc. Aber ist es tatsächlich Liebe, einen anderen Menschen dazu bewegen zu wollen, weiter als unerträglich empfunden Situationen aushalten zu müssen? Ist es nicht viel mehr Liebe, jemanden trotz eigener Trauer gehen zu lassen? Ich wüßte gern, wie andere Betroffene dies sehen.

An die nichtbetroffenen Gegner der Freitobegleitung richte ich die ausdrückliche Bitte, von moralisierenden Stellungnahmen abzusehen, die kenne ich nämlich alle schon, ebenso wie die einschlägigen Bibelzitate.

Auf Antworten freut sich
jonathan
Manuela Maria
Beiträge: 1054
Registriert: Montag 28. Januar 2008, 10:14

Beitrag von Manuela Maria »

Hallo Jonathan,

was man anderen damit antut…ist schwierig zu beantworten, oder leicht je nach dem…ich glaube es ist für andere sehr schmerzlich und schwer zu verkraften. Das ist auch der Grund weshalb ich noch nicht gegangen bin.

Meine Familie würde das nicht verstehen und auch, und dass weis ich genau ein Trauma davontragen. Meine Schwester, sie würde es nicht verkraften und meine Mutter würde vielleicht nachkommen, dies sind natürlich nur Vermutungen, die leider einen großen Anspruch an Wahrheitsgehalt haben.

Auf der anderen Seite muten sie mir eben auch fast unerträgliche, nie enden wollende Depressionen und Leid zu…warum ich auch immer sie habe, ist jetzt unerheblich.

Manchmal bin ich richtig wütend auf sie, die dürften es niemals wissen mit was ich mich hier beschäftige. Wobei es mir nicht direkt darum geht jetzt aus dem Leben zu scheiden, ich suche hier einen Austausch und hoffe auch anderen Menschen etwas zu geben.

Ich denke, wir sollten uns es nicht zu leicht machen, denn wie schon gesagt hätte ich es schon vollzogen wenn meine Lieben nicht wären, und somit neue Wege gefunden die mich et. (dies bleibt abzuwarten) wieder hoffen lassen ein Menschen würdiges Dasein haben zu können. Traumen und Seelenqualen der Vergangenheit, Depression aufzulösen.

Auf der anderen Seite hat es Grenzen, zu leiden und zu leiden mit unter auch weil man anderen diese Trauer nicht zumuten will oder meint nicht zu können. Denn sie können meine bzw. unsere Qualen nicht abnehmen. Ist auch nicht wirklich ihre Aufgabe, denn jeder hat seine Hauptverantwortung für sich selbst.

Nur wir SELBST können diesen Wahnsinn beenden, entweder den Code zu finden um es aufzulösen, so dass wir uns wieder für das Leben entscheiden können und das Leben sich wieder für einen entscheidet.
Oder eben den Freitod zu wählen.

Freitod – frei sein zu wählen, frei im Tode zu sein!

Ich finde auch, Liebe ist nicht zu klammern sondern loszulassen und freie Entscheidung zu haben ohne von den Anderen verurteilt zu werden. Aber das können nur wenige!

Manuela Maria

(Sorry wenn ich viele Tipp- oder Schreibfehler drin habe, bin gerade unter Duck, es darf niemand sehen das ich hier drin bin und ich muss mich beeilen!)
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Danke

Beitrag von jonathan »

Liebe Manuela Maria,

zunächst danke ich Dir für Deine Antwort. Zur Zeit bin ich in beruflich bedingter Eile, daher werde ich Dir erst demnächst ausführlich antworten können. Vielleicht finden sich ja zwischenzeitlich auch noch andere Antworten.

Bis bald
jonathan

PS: Mir sind Grammatik, Orthographie und Schreibstil völlig nebensächlich, mir ist die Seele wichtig, die aus dem Text spricht.
Martinus
Beiträge: 22
Registriert: Mittwoch 7. November 2007, 23:55
Wohnort: Konstanz / Bodensee

Beitrag von Martinus »

Hallo Jonathan,

ich war heute bei meiner jüngeren Schwester zum Kaffee eingeladen, zu dem auch mein Vater (80 Jahre) anwesend war. Dabei habe ich meine Planung kundgetan, nach dem Tod meiner 3 Eltern (incl. Stiefvater), bei welchen ich meine Geschwister nicht allein lassen möchte, selber den Wunsch habe endlich gehen zu dürfen. Bis dahin möchte ich noch durchhalten. Ich habe vor in den nächsten Jahren einmal mit meinen Fall zu Dignitas zu gehen und hoffe auf ein "grünes Licht", dass ich dann zum rechten Zeitpunkt einzulösen hoffe.

Meine Schwester reagierte erst einmal darauf, indem sie mich in die "Verrückten-Ecke" stellte (wo ich als psychisch Kranker ja ohnehin schon stehe). Dann kam aber die Frage: "Und mich lässt Du dann alleine zurück?"
Und die Frage:"Was sollen dann wohl ihre Kinder (meine Nichten und Neffen), bei denen ich als Erwerbsminderungrentner 3 x wöchentlich Hausaufgabenbetreuung mache, davon denken?"


Da ich nun krankheitsbedingt keine Gefühle mehr habe, kann ich das nur noch beschränkt und auf der kognitiven Ebene nachvollziehen, was sie wohl dabei empfinden mag.
Meine Nichten & Neffen werden wohl keine größeren Probleme damit haben; sie dürften dann schon in Ausbildung bzw. Studium stehen, mit eigenem Freundeskreis, was sie leicht über so einen Todesfall hinwegtrösten dürfte.

Letztlich hoffe ich dann aber doch darauf, dass sich eine Einsicht dergestalt einstellt, wie Du es in deinen beiden Fragen formuliert hast:
Aber ist es tatsächlich Liebe, einen anderen Menschen dazu bewegen zu wollen, weiter als unerträglich empfunden Situationen aushalten zu müssen? Ist es nicht viel mehr Liebe, jemanden trotz eigener Trauer gehen zu lassen?
Vielleicht wird sich ja meine Mutter vor mir an Dignitas wenden; sie hat mehrere Krebsoperationen hinter sich. Als sie diesen Wunsch einmal äüßerte, war ich der einzige in der Familie, der Verständnis für sie hatte.
Dann gäbe es schon einen Präzedenzfall in der Familie.


LG, Martinus
Sue
Beiträge: 1
Registriert: Dienstag 19. Februar 2008, 13:11
Wohnort: Zürich

Beitrag von Sue »

lieber jonathan

ich beschäftige mich noch nicht sehr lange mit dem thema sterbehilfe und bin froh, dass es organisationen wie dignitas gibt. sie geben einem das gefühl der 'freien entscheidung'.

ich beschäftige mich deshalb damit, weil bei meinem mann vor noch nicht langer zeit GIST diagnostiziert wurde, eine seltene krebserkrankung. wir haben eine sehr innige und liebevolle beziehung und es wird über alle gedanken gesprochen, die einem durch den kopf gehen, auch über freitod. für mich hat wirkliche liebe mit loslassen zu tun, ich kann doch meinen kranken partner nicht 'zwingen', am leben zu bleiben, nur damit es mir besser geht. wäre es liebe, die wünsche des anderen nicht zu akzeptieren? in meinen augen nicht. in würde abschied nehmen können, den geliebten menschen in seiner letzten stunde zu begleiten und im arm zu halten, ist allemal besser als zu spät ins krankenhaus zu kommen, sich nicht verabschieden zu können, die stunde nicht selbst wählen zu können. wieviel bleibt dann ungesagt. ein krankenhaus kann nie eine würdevolle umgebung sein, wir haben die erfahrung gemacht, dass man doch überall nur eine nummer ist. liebe heisst für mich, in erster linie an das wohlergehen des anderen zu denken und nicht an das eigene.

liebe grüsse
sue
GuentherJ
Beiträge: 29
Registriert: Montag 3. März 2008, 04:16
Wohnort: bei HH

Beitrag von GuentherJ »

Hallo jonathan !

Also ein allgemeines Rezept habe ich auch nicht, wie man es den Hinterbliebenen leichter machen könnte. Schmerzen und vermutlich Unverständnis wird es immer geben, da kann man nichts machen.

Ich denke, man sollte denen etwas Positives hinterlassen. Sowas wie eine Autobiografie, Memoiren, selbstgestaltete Fotoalbum, etc. Und dazu noch eine Art Tagebuch ab jetzt, in dem nicht nur die Gedanken um den Freitod vorhanden sind, sondern auch die positiven Seiten des Tages / der Woche. Dann haben die wenigstens auch was Nettes, woran sie erinnert werden.

Wenn mir noch was einfällt, texte ich später noch

LG Günther
jonathan
Beiträge: 41
Registriert: Donnerstag 18. Oktober 2007, 11:21

Angehörige von Schuldgefühlen befreien !

Beitrag von jonathan »

Hallo zusammen,

ich war jetzt doch eine ganze Zeit mit anderen Dingen beschäftigt, habe aber immer mal wieder zwischendurch die Fragestellung meines Eingangspostings in mir bearbeitet. Dabei ist mir der Film "Das Meer in mir" eingefallen, die sehr anrührende wahre Geschichte eines Spaniers, der nach einem Unfall in jungen Jahren länger als ein Vierteljahrhundert völlig gelähmt im Bett verbrachte und in dieser Zeit aufopferungs- und liebevoll von der ganzen Familie gepflegt wurde. Als er dann in die Öffentlichkeit ging, um vor Gericht sein Recht auf den eigenen Freitod zu erstreiten, erweckte dies natürlich großes Medieninteresse. Dabei kam es dann zu einem Fernsehbericht, den die gesamte Familie gemeinsam ansah. Dabei trat dann ein Kleriker auf, der ohne die Familie überhaupt zu kennen, den Vorwurf erhob, dass der Sterbewunsch des Betreffenden lediglich Ausdruck mangelnder Liebe und Fürsorge der Familie sei. Dieser Vorwurf traf natürlich die gesamten Anwesenden bis ins Mark, zumal er ja durch die letzten 25 Jahre Pflege durchaus widerlegt war.

Dennoch kann ich mir vorstellen, dass bei Angehörigen auch ein eigener innerer Schuldvorwurf und das Gefühl, eben doch nicht alles Menschenmögliche getan zu haben immer eine Rolle spielt. Ich glaube, dass jemand, der diesen Weg gehen will, alles versuchen muss, diese Gefühle bei den geliebten Menschen aufzulösen. Wie das gehen könnte, weiß ich allerdings auch nicht genau.

Nachdenklich
jonathan
Christian Weber
Beiträge: 14
Registriert: Sonntag 23. Dezember 2007, 14:23
Wohnort: Deutschland

Beitrag von Christian Weber »

Ich habe mir auch schon überlegt was ich mit meinen Freunden und angehörigen machen würde .

Meine Überlegung war auf der Beerdigung einen Brief vorlesen zu lassen den ich vorher verfasst habe.

In dem ich meine Lage meine Bewegründe äussere und ihnen Allen deutlich mache was mit mir passiert ist die letzten Jahre damit Sie mich ein wenig vestehen . Und der ein oder andere sich vielleicht in mich hineinversetzen kann und sagen kann ...............ja ich kann das nachvollziehen

Gruss Christian
GuentherJ
Beiträge: 29
Registriert: Montag 3. März 2008, 04:16
Wohnort: bei HH

Beitrag von GuentherJ »

@Christian, ich will dich nicht nicht runter bringen, aber

Ein Zettel an deinenm Grab vorgelesen, wäre eine kleine Anklage gegen die Leute die um dein Grab/ Urne stehn. Also nicht so gut ! Die könnten dich in schlechter Erinnerung behalten , weil du die damit eventuell fertig machst. Irgendwo hab ich ein Text hinterlassen über Verabschiedung ... weiß ich nicht mehr ( mein Gedächnis isse nicht mehr so gut) Schau mal nach

LG
Christian

ZUSATZ:
schick den Brief an diese Personen die du noch magst oder dich lieben. Nur mal nebenbei
Gesperrt