OutofOrder hat geschrieben: ↑Freitag 20. Dezember 2024, 00:14
Wenn du mich persönlich nach Beispielen von "intelligenten" Menschen fragst, würd ich am ehesten große Persönlichkeiten der Geschichte, bedeutende Wissenschaftler, Denker und Philosophen nennen, aber kaum "normale Menschen"
Ich bin da etwas großzügiger eingestellt und denke, dass letztlich in jedem ein Genie schlummern könnte, sofern nicht gravierende kognitive Beeinträchtigungen dagegen sprechen. Aber selbst dann kann ja immer noch eine außerordentliche Inselbegabung zu Tage treten. Und vor allem waren ja selbst die anerkannten Genies der Geschichte nicht frei von Fehlern und Irrtümern. Nach dem Motto: "Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, wie es nicht funktioniert" (Edison). Jedenfalls bin ich überzeugt, dass unsere Paradigmen und Strukturen vielmehr das Potential der meisten Menschen untergraben. Ich selbst wurde im Jugendalter aufgrund der Umstände eine Zeit lang eher für etwas dumm gehalten und dann doch wieder als überdurchschnittlich intelligent eingestuft. Das war eine sehr prägende Erfahrung für mich und auch der Ausgangspunkt für meine Beschäftigung mit dem Thema. Es hat mich einerseits immer demütig gehalten, aber durch meine späteren Erfahrungen im Leben hat sich in mir zunehmend der Eindruck verschärft, dass ich tatsächlich unter meiner Intelligenz – oder sagen wir, unter meiner Form von Intelligenz – leide. Das darf man natürlich kaum laut sagen, weil Intelligenz ja allgemeinhin wie eine Insigne der Überlegenheit vor sich hergetragen wird, dabei bin ich mir meiner eigenen Fehlerhaftigkeit mehr als bewusst und sehe das, was man landläufig unter "Intelligenz" versteht, auch mitnichten als Abstufung von Wertigkeit. Ganz im Gegenteil hasse ich diesen Titelkult, der meines Erachtens auch eher wieder eine vermeintliche Überlegenheit signalisiert. Ich selbst bin in einem familiären Umfeld aufgewachsen, in dem akademischer Erfolg traditionell eine wichtige Rolle spielt, und hatte auch später im Leben immer wieder mit Menschen in exponierten Positionen zu tun. Deshalb weiß ich sehr gut, dass auch sie einfach nur Menschen sind und manchmal vor allem auch keine besonders guten. Auch das einer der Gründe, weswegen es mir sehr schwer fällt, mich in unsere gesellschaftlichen Paradigmen einzufügen und das ganze blöde Spiel mitzuspielen. Ich denke immer wieder, ich bin einfach im komplett falschen Film. So viel dann auch zum Thema kognitive Verzerrung. Hat man sich erst einmal damit beschäftigt, kommt einem ohnehin ja alles nur noch absurd vor. Vor allem die oft einfältigen, aber umso überzeugteren Ansichten der anderen. Letztlich ist das Wissen um kognitive Verzerrung eben auch wieder etwas, das einen demütig macht und gleichermaßen zur Verzweiflung treibt, dass andere ihre eigene Fehleranfälligkeit nicht erkennen wollen. Gleichzeitig aber macht es mich auch entspannt, meine eigene Fehlerhaftigkeit betreffend, denn hat man erst mal erkannt, dass kognitive Verzerrung nunmal ein inhärentes Wesensmerkmal der menschlichen Funktionsweise ist, fällt die oberlehrerhafte Eigenbeurteilung und damit auch die übertriebene Scham über die eigenen Fehler weitgehend weg. Was bleibt, ist dann umso mehr ein Anspruch an einen ethischen Umgang mit Fehlern, aber gerade die werden ja aufgrund unserer fragwürdigen Paradigmen gerne vertuscht, gerade damit sie die eigene Aura der (vermeintlichen) Intelligenz und damit (fälschlicherweise) in Zusammenhang gebrachten Fehlerlosigkeit nicht untergraben.
ich glaube bei der letzten Messung war mein IQ bei knapp 130, also doch deutlich darunter, was man landläufig als Hochbegabung bezeichnen würde
Na ja, "deutlich darunter" ist dann doch eher etwas übertrieben.

Liegt der Wert immerhin auch schon ziemlich weit rechts der Gaußschen Glockenkurve und wird durchaus als Eingangstor zur Hochbegabung gesehen. Es sei denn, ich habe da irgendeine neuere Einstufung verpasst. Ganz generell halte ich Intelligenztests allerdings für fragwürdig. Schon bevor ich mich mit der Forschung zum Thema beschäftigt habe, habe ich mir gedacht, dass einfach sehr viel davon abhängt, ob man im Abgefragten geübt ist. Und während man bis dato davon ausging, dass quasi Durchsatz pro Zeiteinheit eine ausschlaggebende Rolle spielt, kommt man jetzt wieder zu dem Ergebnis, dass außerordentliche kognitive Leistungen doch eher dazu tendieren, Zeit in Anspruch zu nehmen. Und bemüht man eine Metastudie, kommt am Ende wahrscheinlich wieder etwas anderes heraus. Insofern stehe ich dem Ganzen äußerst kritisch gegenüber. Zumal ja auch sehr viele externe Faktoren eine Rolle spielen, inwiefern ein Intelligenztest überhaupt ausschlaggebend sein kann. Am treffendsten finde ich so gesehen die Feststellung: "Intelligenz ist, was ein Intelligenztest misst". Das heißt, dass letztlich vor allem die Art des Tests das Ergebnis bestimmt und nicht unbedingt die eigene unumstößliche "Intelligenz" oder "Dummheit".
Meine tiefe Entfremdung hat sich wie gesagt über viele Jahre entwickelt, aber ich war schon als Kind häufig einsam, war größtenteils der typische Einzelgänger, wohl auch wegen meiner schon damals vorhandenen Tiefgründigkeit und hohen Empfindsamkeit (ich nehme an, der Begriff HSP sagt dir was).
Ja, auch das kenne ich nur zu gut und natürlich sagt mir auch HSP etwas. Meine "seltsamen" Ansichten über diese Welt führe ich unter anderem darauf zurück, dass ich als Kind sehr isoliert aufgewachsen bin. Zumindest ist das ein Teil meiner Überlegungen. Wobei "einsam" und "isoliert" ja nicht dasselbe ist – aber am Ende eben doch auch Hand in Hand geht. Vom Ausgangspunkt her bin ich jedenfalls in der Tat isoliert aufgewachsen und mein Eindruck ist, dass ich von daher nicht in der Form sozialisiert wurde, wie es bei den meisten in der einen oder anderen Form der Fall ist, das heißt, ich konnte einige gängige Parameter noch nie verinnerlichen. Das wiederum hat mich auch zusätzlich in der Interaktion mit anderen abgeschottet und zum eher etwas sonderbaren Außenseiter gemacht.
Nachdem ich dann wieder sehr viel nachgedacht und reflektiert habe, wie ich mich besser integrieren könnte, habe ich mir sodann eine Strategie zugelegt, wie das gelingen könnte – und war mit Hilfe einiger günstiger Umstände auch durchaus erfolgreich damit. Aber was daraus schon hervorgeht, ist, dass ich meine eigentliche Persönlichkeit bzw. mein eigentliches Befinden sehr stark maskiert habe, um mich der Erwartungshaltung der Gesellschaft anzupassen. Ich glaube, Lexx hatte diesbezüglich auch schon einmal etwas geschrieben. Ich wollte eigentlich auch darauf antworten, aber irgendwie ist es dann untergangen. Jedenfalls kann ich insofern auch diese Empfindungen sehr gut nachvollziehen:
Ich kann mich gut erinnern, dass ich schon als Kind regelmäßig das Gefühl hatte, dass sehr viele Menschen in meinem Umfeld (Kinder und Erwachsene) irgendwie nicht in der Lage waren, authentisch und natürlich zu sein, und sehr oft maskenhaft, gefühllos oder heuchlerisch auf mich gewirkt haben.
Und irgendwie hat sich schon damals in mir eine tiefe Sehnsucht nach Authentizität, nach Unverfälschtheit, innerer Freiheit und Wahrheitssuche entwickelt, alles Aspekte, die vermutlich für ein "stinknormales" soziales Leben eher hinderlich als förderlich sind, zumindest war das schon in meiner frühen Entwicklung so..
Genau das empfinde ich auch sehr stark, auch wenn ich selbst eine Zeit lang sehr bemüht um Anpassung war. Dennoch war es mir gleichzeitig wichtig, meine Werte zu wahren. Obwohl ich einige davon zwischendurch vor lauter verzweifelter Wahrheitssuche tatsächlich auch mal über Bord geworfen hatte. Alles, um zu erkennen, dass diese Gesellschaft bigotten Paradigmen folgt. Und ich glaube auch, dass ich mit meinem ursprünglich erfolgreichen Versuch, den Erwartungshaltungen der Gesellschaft zu entsprechen, in einem falschen Fahrwasser gelandet bin. Andererseits, was heißt falsches Fahrwasser? Klar, mit meinem heutigen Wissen würde ich sicherlich einiges anders machen. Oder wäre ich dann nicht vielmehr damals schon so komplett desillusioniert gewesen, dass ich jeden Versuch, mich weiter in die Gesellschaft zu integrieren, aufgegeben hätte?
Im Grunde ist alles sehr gut in der Animation zusammengefasst, die Dissolved_Alice hier einmal gepostet hat:
IN-SHADOW - A Modern Odyssey - Animated Short Film
https://www.youtube.com/watch?v=j800SVeiS5I
Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, den Rest meines Leben so zu verbringen. Zumal es entgegen meiner naiven Erwartung auch nicht so zu sein scheint, dass die gesellschaftliche Entwicklung oder das gesellschaftliche Bewusstsein mittlerweile dahingehend gediehen ist, dass es die Menschen tatsächlich schätzen, wenn man Authentizität und Verletzlichkeit wagt (auch wenn meist das Gegenteilige behauptet wird). Zu sehr sind die meisten gefangen im Taumel trügerischer Paradigmen und kognitiver Verzerrungen. Und einige nicht zuletzt auch in ihrem Überlegenheitsanspruch. Insofern halte ich zunehmend Abstand, weil ich mich weder verleugnen will, noch ständig für mein heutiges Sein abgestraft werden will. Am Ende bin ich also im Grunde wieder dort, wo ich einmal hergekommen bin. Nur desillusionierter.
PS: Sorry, war zwischendurch alles etwas durcheinandergeraten und am Ende angesichts der Übermüdung wohl auch etwas wirr geschrieben. Jetzt etwas glatt gezogen.