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Re: Sich professionelle Hilfe suchen? Gar nicht so einfach

Verfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 18:04
von Nachtaktiva
Musst du nicht. Ich war im neuen Jahrtausend noch mal länger in einer Landesklinik in der ehemaligen DDR, wo Ober- und Chefärzte wie das meiste Personal noch die selben waren wie schon zu DDR-Zeiten. Die fanden das Klasse, wie es vor 1989 lief: der Patient ist grundsätzlich dumm zu halten, darf nichts wissen, sich nicht wehren. Tut er das, gilt das als Renitenz (schon eine simple Nachfrage über die Medikation) und wird mit einer Extradosis Neuroleptika bestraft. Solange, bis der Patient endlich die Klappe hält, weil er seinen eigenen Namen nicht mehr buchstabieren kann.
Ola, bei uns im tiefsten Westen geben solche Dinge noch den vorherrschenden Ton an.
Man bekommt zwar bei einer Nachfrage nach Medis und Beipackzettel nicht sofort eine Strafdosis, aber man wird runtergebuttert, es ist sehr ungern gesehen und wird als Zeichen mangelnder Patientencompliance angesehen. Außerdem wird es einem öfter schlicht nicht erlaubt.

@DMLMS2:
Der Administratore in'Sinn und Zweck dieses Forums' hat geschrieben: [..] und dass eine hohe Diskussionskultur im Forum gepflegt wird.

Re: Sich professionelle Hilfe suchen? Gar nicht so einfach

Verfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 18:11
von Stefan
DMLMS2 hat geschrieben:Aus langjähriger eigener Erfahrung und intensiver wissenschaftlicher Studie.
Alles klar. Danke.
Die kognitive Verhaltenstherapie ist das einzige wissenschaftlich als wirksam bewiesene Therapieverfahren.
Ähh... Ja... nein... jein! Kommt drauf an.

Tatsache ist auf jeden Fall mal, dass "tiefenpsychologische" Psychotherapeuten und erst recht Psychoanalytiker in D seit ewigen Zeiten die Evaluierung ihrer Arbeit scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Das haben sie mit Hochschullehrern und vielen anderen gemein, aus dem gleichen Grund: das Ergebnis würde für sie katastrophal ausfallen, und mit der über-über-nächsten Gesetzesänderung im Gesundheitswesen wäre die Finanzierung solcher Therapien durch die Kasse vom Tisch. Zumindest ohne individuellen Leistungsnachweis.

Die Verhaltenstherapeuten haben es aber viel einfacher. Wenn ich mich an die Medien-Kampagnen der Christoph-Dornier-Stiftung erinnere, in den 90ern... alles super Klasse, wir machen das schneller und billiger. Stimmte nach deren Statistik ja auch, ganz wissenschaftlich. Was sie aber nicht gesagt haben: dass ihre Therapie nur bei eng begrenzten Phobien u.a. Verhaltensstörungen hilft. Sowas wie z.B. eine generalisierte Angststörung, die sehr viel schwieriger zu behandeln ist, kommt bei denen gar nicht vor. Weil sie Patienten mit sowas gar nicht erst annehmen.

Klartext: die Verhaltenstherapeuten machen es sich oft einfach, weil sie sich die Rosinen aus dem Patientenkuchen rauspicken. Damit läßt sich natürlich toll Erfolg demonstrieren. Und den anderen Therapieformen, die sich um den schwer zu therapierenden "Bodensatz" des Patientenmaterials kümmern, der woanders nicht unterkommt, Unfähigkeit vorwerfen. Das ist aber weder wahr noch guter Stil. Mir geht bei den CDS-Heinis jedenfalls das sprichwörtliche Messer in der Hosen auf.

Viele Grüße,
Stefan

Re: Sich professionelle Hilfe suchen? Gar nicht so einfach

Verfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 18:28
von Nachtaktiva
Klartext: die Verhaltenstherapeuten machen es sich oft einfach, weil sie sich die Rosinen aus dem Patientenkuchen rauspicken. Damit läßt sich natürlich toll Erfolg demonstrieren. Und den anderen Therapieformen, die sich um den schwer zu therapierenden "Bodensatz" des Patientenmaterials kümmern, der woanders nicht unterkommt, Unfähigkeit vorwerfen. Das ist aber weder wahr noch guter Stil. Mir geht bei den CDS-Heinis jedenfalls das sprichwörtliche Messer in der Hosen auf.
Hm, was bedeutet CDS genau?

http://de.wikipedia.org/wiki/Credit_Default_Swap ???

Finde da auf die Schnelle grad nix, bin aber auch im Zeitdruck, sry :?

Ansonsten ergibt deine Erklärung ziemlich viel Sinn, finde ich!

Re: Sich professionelle Hilfe suchen? Gar nicht so einfach

Verfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 18:50
von DMLMS2
Nachtaktiva hat geschrieben:
Klartext: die Verhaltenstherapeuten machen es sich oft einfach, weil sie sich die Rosinen aus dem Patientenkuchen rauspicken. Damit läßt sich natürlich toll Erfolg demonstrieren. Und den anderen Therapieformen, die sich um den schwer zu therapierenden "Bodensatz" des Patientenmaterials kümmern, der woanders nicht unterkommt, Unfähigkeit vorwerfen. Das ist aber weder wahr noch guter Stil. Mir geht bei den CDS-Heinis jedenfalls das sprichwörtliche Messer in der Hosen auf.
Hm, was bedeutet CDS genau?

http://de.wikipedia.org/wiki/Credit_Default_Swap ???

Finde da auf die Schnelle grad nix, bin aber auch im Zeitdruck, sry :?

Ansonsten ergibt deine Erklärung ziemlich viel Sinn, finde ich!
CDS = Christoph-Dornier-Stiftung

Re: Sich professionelle Hilfe suchen? Gar nicht so einfach

Verfasst: Sonntag 5. Dezember 2010, 20:07
von Crying Angel
Erstmal möchte ich mich für die vielen guten Antworten bedanken.

Zwei Tage später ist die Enttäuschung ein bisschen verflogen und ich sehe das ein oder andere, was mir "vorgeworfen" wird, auch ein. Es ist sicherlich nicht richtig, wenn ich meine eigene Diagnose samt Therapievorschlägen mit zum Facharzt nehme.

Meine Skepsis beruht aber nicht auf Google-Ergebnissen sondern aus Beobachtungen im erweiterten Bekanntenkreis, die bei psychischen Krankheiten fehlbehandelt wurden, weil sie beispielsweise Tabletten verabreicht bekamen, von denen sie nicht mehr loskamen. Solange sie die Tabletten nahmen ging es. Kaum wurden sie abgesetzt, ging es aber derbe bergab. Und man möge mir verzeihen, dass ich deshalb ein wenig Angst davor habe, dass auch ich Zeit meines Lebens auf Tabletten angewiesen sein könnte, wenn man sowas in der eigenen Familie beobachtet hat.

Es ist auch nicht so, dass ich geil darauf bin, in eine Klinik zu gehen. Ganz im Gegenteil, ich habe nicht die geringste Lust, monatelang woanders Leben zu müssen. Ich habe es eben nur für sinnvoll gehalten, weil ich in der Vergangenheit bereits zwei fehlgeschlagene ambulante Therapien erlebt hatte, wenn auch wegen einer anderen Sache. Diesen Fehlschlägen gingen nachweisliche Fehldiagnosen voraus, infolgedessen eine falsche Therapie verordnet wurde, die alles nur noch schlimmer gemacht hat.

Ich gebe zu, dass ich zu schnell zu viel wollte. Es ging mir die letzten Monate, gerade nach dem fehlgeschlagenen Suizidversuch, sehr schlecht und ich habe alle Hoffnung auf eine baldige Hilfe gesetzt. War wohl eine falsche Hoffnung, bedingt durch eine teilweise veränderte Selbstreflektion.

Ich habe Probleme, das richtig auszudrücken und zu beschreiben, deshalb kann es sein, dass es jetzt wieder anders rüber kommt als es gemeint ist.

Richtig schlecht geht es mir erst seit gut zwei Jahren, als ich einen schweren Verlust in der Familie erleben musste. Damals hätte ich mir schon Hilfe suchen sollen, das hätte mir vieles erspart. Aber ich habe eben gedacht ich schaffe das schon, hat ja schließlich vorher auch geklappt. Was ich damals allerdings noch nicht ahnen konnte, war, dass es nicht bei dem einen Schicksalsschlag bleiben sollte, sondern innerhalb relativ kurzer Zeit weitere folgen sollten, egal ob Todesfälle, Beziehungskrisen, Krach mit Freunden und Familie o.ä.. Jedes für sich betrachtet mag zu verarbeiten sein, aber vieles kam auf einmal, so dass ich psychisch damit nicht mehr fertig wurde.

Ich hatte vorher nie depressive Phasen, im Gegenteil, ich bin aus jeder Lebenskrise gestärkt hervorgegangen, wohl auch, weil ich immer genug Zeit zu verarbeiten hatte, im Gegenteil zu den letzten knapp drei Jahren.

Ich habe gute und schlechte Tage. Ich liege nie einfach nur da und bin vor verzweiflung am Heulen oder sehe einfach nur schwarz. Es ist viel mehr ein körperliches, psychisches und vor allem emotionales Ausgebranntsein, was ich spüre. Deshalb kam ich zu meiner "Selbstdiagnose". Anfangs äußerte sich das nur in einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber bestimmten Dingen, mittlerweile breitet sich diese Gleichgültigkeit auf einfach alles auf. Mein Studium kann ich knicken, weil es mir morgens gleichgültig ist, ob ich aufstehe oder nicht. Dinge, die mir früher großen Spaß gemacht haben, gehe ich nicht mehr nach, weil es mir egal ist. Ab und an verfliegt diese Gleichgültigkeit, dann bin ich wütend auf mich selbst, weil ich den ? nicht hoch kriege, oder ich werde traurig, weil mir bewusst wird, wie mir mein Leben, auf das ich bis vor kurzem wirklich stolz war, aus den Händen gleitet bzw. an mir vorbei zieht.

Ich habe weder Pläne geschweige denn Träume für die Zukunft. Weil es mir egal ist. Eigentlich ist es mir aber auch nicht egal, weil ich viel vorgehabt habe, ich habe positiv in die Zukunft gesehen und die Möglichkeiten gesehen, die ich im Leben habe. Alles vorbei. Ich habe irgendwann gedacht, dass ist nur eine Phase, die vorbei geht. Aber es wird immer schlimmer statt langsam wieder besser. Das blöde daran ist, dass man eigentlich weiß, was zu tun ist und dass man einfach nur mal wieder in die Gänge kommen müsste. Aber an der Umsetzung hapert es erheblich.