Der Tod und die Kunst. ..

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Dissolved_Alice
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Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Dissolved_Alice »

ahoi

ich frag mich immer wieder mal weshalb so viele Künstler (egal ob schriftsteller , musiker etc) dem tod scheinbar so nah sind....
viele von ihnen hatten oder haben ja definitiv einen hang zur selbstzerstörung, viele sterben jung...ach keine ahnung
tiefe menschen scheinen irgendwie öfters eher dem ableben als dem leben zugetan...jedenfalls in meiner wahrnehmung

und ich kann definitiv auch aus persönlicher erfahrung berichten, als ich vor einigen jahren am absoluten nullpunkt war, half mir nach gescheitertem suizidversuch NUR "die kunst" ...musik, malen, worte waren mir schon immer wichtig...aber seitdem noch viel viel mehr

ok das sind jetzt einige meiner zurzeit extrem wirren chaotischen gedanken...
vlt fällt ja iwem noch was zum thema ein :-)

vernebelte grüße sendet euch
alice
Abendstern
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Re: der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Abendstern »

Der Tod und die Kunst - ein sehr schönes Thema ...

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es.

Und so kann in einem Bild oft das ausdrückt werden, was man nicht in Worte zu fassen vermag... Aber auch manch lyrisches Gedicht oder großartige Ballade wäre ohne all die seelentiefen Gefühle wohl kaum entstanden...

Kunst geht vor allem sehr intensiv mit Wahrnehmung einher. Sei es die rein sinnliche (optische, akustische ...) oder eine philosophische, psychische, politische... Und egal, ob ein Kunstwerk aufgrund von Kunstfertigkeit fasziniert oder in Rebellion provoziert - immer liegen verfeinerte oder gar ungewöhnliche kognitive Prozesse zugrunde, die gerade bei Künstlern sicherlich oft im Bereich der Hochsensibilität angesiedelt sind.

Manche haben gerade sogar durch Psychosen, Drogen oder angeborene Kognitions-"Störungen" (Inselbegabung/Savants) ihren einzigartigen Stil gefunden. Andere wiederum durch einen bestechend rationalen, analytischen Blick auf die Welt - oft befreit von jeglichen gesellschaftlichen Dogmen und Glaubenssätzen.

Ich denke, all diese Kognitionsprozesse können viel Anlaß zu Depression, Überforderung und Einsamkeit bieten. Wer die Welt mit anderen Augen sieht als der Rest, verliert oft den sozialen Kontakt und manchmal sogar die Existenz ... Aber ein Künstler, der die Welt wahrnimmt wie alle anderen, wird kaum je diese atemberaubende Faszination hervorrufen, die einen Sonderling ebensogut in die Sphären von Ruhm und Anerkennung katapultieren kann (wo er dann im Herzen vielleicht dennoch traurig und einsam bleibt).
Dissolved_Alice
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Dissolved_Alice »

guten abend abendstern

hm ja da hast du recht, vor allem der letzte absatz - so wirds wohl sein

Sensibilität. ..Kreativität. ..depressivität...melancholie...tiefe....anders sein als der rest. wobei ich mich auch langsam frag wer eigentlich dieser "normale" rest sein soll...jeder sagt doch irgendwie von sich, dass er anders ist ...lach...und dabei sind wir doch alle ziemlich gleich

ja du hast wohl recht...um berührende werke zu erschaffen ist es wohl notwendig eine andere und auch tiefere wahrnehmung zu haben...und dazu gehört eben auch der schmerz und das leiden...

es fasziniert mich wie das alles in zusammenhang steht

übrigens: ein bild aber vielmehr noch die musik, drückt für mich viel deutlicher als es irgendwelche worte je könnten ALLES GEFÜHLTE aus...viel tiefer...das ist iwie so eine andere ebene als die sprache es ist
Abendstern
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Abendstern »

Guten Morgen Alice! :)
Dissolved_Alice hat geschrieben:Sensibilität. ..Kreativität. ..depressivität...melancholie...tiefe....anders sein als der rest. wobei ich mich auch langsam frag wer eigentlich dieser "normale" rest sein soll...jeder sagt doch irgendwie von sich, dass er anders ist ...lach...und dabei sind wir doch alle ziemlich gleich
Laut wissenschaftlicher Studien sollen wir uns ja immerhin sogar weit über 90% der Gene mit dem Affen teilen. Insofern sind wir sicherlich schon alle relativ gleich. ;-)

Da kommt mir gerade dieser Sinnspruch in den Sinn:
"All animals are equal, but some animals are more equal."
(Animal Farm - George Orwell)

Ich denke, man könnte uns in etwa mit Notebooks vergleichen: Von der Form und Funktionsweise sind wir uns schon alle relativ ähnlich, aber am Ende sind wir eben alle unterschiedlich bespielt. Und da gibt es die einen, die unter Windows laufen - und die anderen, die unter OS X laufen. Und dann gibt es noch die totalen Exoten wie Linux. ;-)
Dissolved_Alice
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Dissolved_Alice »

hach ja die menschen...ich find wir sind eine seeehr bizarre und einfältige spezies...
Abendstern
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Abendstern »

Dissolved_Alice hat geschrieben:hach ja die menschen...ich find wir sind eine seeehr bizarre und einfältige spezies...
Da kann ich nur voll und ganz zustimmen...
sternenstaub
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von sternenstaub »

Dieses Gedicht passt, meine ich, gut zu dem Thema und spricht mir irgendwie aus der Seele.
Wiefindest Ihr es ?
Habe die in letzten Monaten oft mitgelesen.
Idh bin schon lange im Forum . Mich gibt es (leider) immer noch.


Der Tod der Liebenden
Durch hohe Tore wird das Meer gezogen
Und goldne Wolkensäulen, wo noch säumt
Der späte Tag am hellen Himmelsbogen
Und fern hinab des Meeres Weite träumt.

»Vergiß der Traurigkeit, die sich verlor
Ins ferne Spiel der Wasser, und der Zeit
Versunkner Tage. Singt der Wind ins Ohr
Dir seine Schwermut, höre nicht sein Leid.

Laß ab von Weinen. Bei den Toten unten
Im Schattenlande werden bald wir wohnen
Und ewig schlafen in den Tiefen drunten,
In den verborgenen Städten der Dämonen.

Dort wird uns Einsamkeit die Lider schließen.
Wir hören nichts in unserer Hallen Räumen,
Die Fische nur, die durch die Fenster schießen,
Und leisen Wind in den Korallenbäumen.

Wir werden immer beieinander bleiben
Im schattenhaften Walde auf dem Grunde.
Die gleiche Woge wird uns dunkel treiben,
Und gleiche Träume trinkt der Kuß vom Munde.

Der Tod ist sanft. Und die uns niemand gab,
Er gibt uns Heimat. Und er trägt uns weich
In seinem Mantel in das dunkle Grab,
Wo viele schlafen schon im stillen Reich.«

Des Meeres Seele singt am leeren Kahn.
Er treibt davon, ein Spiel den tauben Winden
In Meeres Einsamkeit. Der Ozean
Türmt fern sich auf zu schwarzer Nacht, der blinden.

In hohen Wogen schweift ein Kormoran
Mit grünen Fittichs dunkler Träumerei.
Darunter ziehn die Toten ihre Bahn.
Wie blasse Blumen treiben sie vorbei.

Sie sinken tief. Das Meer schließt seinen Mund
Und schillert weiß. Der Horizont nur bebt
Wie eines Adlers Flug, der von dem Sund
Ins Abendmeer die blaue Schwinge hebt.
Dissolved_Alice
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Dissolved_Alice »

Hallo Sternenstaub....

von wem stammt dieses Gedicht denn?
Danke fürs posten.
Ich bin immer wieder beeindruckt, wie ausdrucksstark Worte (oder auch Farben oder Klänge) sein können. ...
Thorsten3210
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Thorsten3210 »

Dissolved_Alice hat geschrieben:von wem stammt dieses Gedicht denn?
Tante Google gibt uns Auskunft :) :

Georg Heym - Der Tod der Liebenden
Lexx
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Re: Der Tod und die Kunst. ..

Beitrag von Lexx »

Der Totentanz, Johann Wolfgang von Goethe

Der Türmer, der schaut zu Mitten der Nacht
Hinab auf die Gräber in Lage;
Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht;
Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:
Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
In weißen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergetzen sogleich,
Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,
So arm und so jung, und so alt und so reich;
Doch hindern die Schleppen am Tanze.
Und weil hier die Scham nun nicht weiter gebeut,
Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut
Die Hemdelein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,
Gebärden da gibt es vertrackte;
Dann klippert’s und klappert’s mitunter hinein,
Als schlüg‘ man die Hölzlein zum Takte.
Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;
Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:
Geh! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnell
Nun hinter geheiligte Türen.
Der Mond, und noch immer er scheinet so hell
Zum Tanz, den sie schauderlich führen.
Doch endlich verlieret sich dieser und der,
Schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,
Und, husch, ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt
Und tappet und grapst an den Grüften;
Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,
Er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,
Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück,
Sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muß er haben, da rastet er nicht,
Da gilt auch kein langes Besinnen,
Den gotischen Zierat ergreift nun der Wicht
Und klettert von Zinne zu Zinnen.
Nun ist’s um den armen, den Türmer getan!
Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
Langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,
Gern gäb er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt – jetzt hat er am längsten gelebt –
Den Zipfel ein eiserner Zacken.
Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,
Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,
Und unten zerschellt das Gerippe.


Hintergrund: Der Totentanz wurde von Johann Wolfgang von Goethe verfasst und lässt sich auf das Jahr 1813 datieren, weshalb er der Weimarer Klassik zuzuordnen ist. Goethe war zu dieser Zeit auf der Flucht aus Weimar nach Teplitz, um den Unruhen und dem Chaos der Napoleonischen Kriege zu entkommen.

Es ist belegbar, dass Goethe die Ballade am 22. Mai 1813 per Brief an seinen Sohn August schickte, der diese in den Druck gab. Erstmalig veröffentlicht wurde sie dann 1815. In der Folge wurde die Ballade von zahlreichen Illustratoren, Komponisten und Künstlern aufgegriffen sowie vielfältig verarbeitet.

Der Dichter verarbeitet im Totentanz ein verbreitetes Sagenmotiv: den Raub des Totenhemdes, der es dem Toten unmöglich macht, in Frieden zu ruhen und in die Grabstätte zurückzukehren.

Quelle: https://balladen.net/goethe/der-totentanz/

YouTube Musikvideo: https://m.youtube.com/watch?v=T-KE2iKYN ... 90ZW50YW56
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