so-lebt-der-lurch hat geschrieben:
Zu 1 u. 2) Wie kommst du darauf, das Leben eines Mehrzellers besitze mehr Wert als dessen Tod? Du weißt doch gar nicht was dessen lebende oder tote Existenz für Auswirkungen hat. Das könntest du nur aus der Sicht eines absoluten Beobachters objektiv bewerten. Unser menschliches Wissen reicht nicht dafür, dieses zu beurteilen/bewerten. Daher bewerte ich (aus distanzierter unwissender Neutralität heraus bis ich evtl. eines wahreren belehrt werde) beides gleich. Lust und Leid resultieren aus unserem Bewusstsein, sind somit subjektiv. Für den objektiven Betrachter macht das keinen Unterschied wie lustig oder leidig wir etwas empfinden (unterstelle ich mal

)
Zu 3) Natürlich bewertet jedes (denkende) Subjekt sein Leben und seinen Tod unterschiedlich. Aber dennoch gibt es für jedes eben "am leben sein" und "tot sein", da gibts nichts dran zu rütteln. Egal wie du dein Leben und deinen Tod bewertest - beides IST / WIRD SEIN. Universell betrachtet macht es keinen Unterschied ob es sich dabei um dein oder mein Leben / Tod handelt (ich meine damit, dass bspw. Jupiter das ziemlich egal sein wird und dem Rest der Milchstraße ebenso, die auch einmal ausgelöscht sein wird in ferner Zukunft nach dem heutigen Stand der Wissenschaft). Es macht NUR in unserem jeweiligen (jämmerlichen) Bewusstsein einen Unteschied. Daher betrachte ich Leben und Tod als absolut gleichwertig.
Zu 4) Ich schrieb nichts von einem freien Willen sondern von Wahlfreiheit. Wie auch immer diese zustande kommen mag - es gibt sie. Ob sie nun aus einem freien Willen oder aus unserer genetisch und erfahrungsgeprägten Hirnstruktur resultiert.
Bevorzugst du Tee oder Kaffee? Hasst du fetten Speck mehr als Graupensuppe oder umgekehrt? Du wirst das wählen/vermeiden, was dir mehr zusagt / dich mehr abschreckt. Das meine ich mit Wahlfreiheit.
Zu 1) Ich dachte du implizierst wenn du von Tod sprichst die restlose Auslöschung der Existenz, was ja aus deinem Statement folgt, Leben und Tod seien gleichwertig: gleichwertig können nur vergleichbare, d.h. in ihren Eigenschaften bekannte Dinge sein. (Dieser Vergleich wäre aber nur schon darum falsch, weil es kein tertium comparationis gibt: Sein und nicht-Sein sind nicht vergleichbar). Wenn du aber zwei Sachen vergleichen willst, bei dem die Eigenschaften der einen Sache völlig unbekannt sind, dann ist es falsch sie als gleichwertig zu bezeichnen...ein Vergleich ist dann schlicht nicht möglich.
Die Tatsache, dass du lebst, beweist im übrigen, dass du Leben und nicht-Leben nicht gleich bewertest...zumindest nicht dein Leben und dein nicht-Leben. Solange wir Leben gewichten wir Leben/nicht-Leben (oder unsere Vorstellung davon) unterschiedlich. Denn ein objektiver Standpunkt hebt nicht unsere subjektiven Wertungen bezüglich Sein und nicht-Sein auf, sondern kann sie allenfalls modifizieren (aber nie so, dass wir Leben/Tod gleich gewichten würden).
Zu 3) Wie gesagt: dass du dich nicht suizidierst, beweist, dass du dein Sein höher wertest als dein nicht-Sein (oder deine Vorstellung davon)...und dem kannst du nicht entrinnen. Es gibt im faktischen Leben keine Gleichbewertung von Leben und nicht-Leben.
Zu 4) Der Terminus Wahlfreiheit wird jeweils mit Willensfreiheit gleichgesetzt. Was du meinst ist Handlungsfreiheit. Aber genau das meinte Remarque ja nicht. Er schreibt vom (illusionären) freiem Willen. Von Wahlfreiheit zu sprechen auch wenn man alles Handeln als determiniert erachtet, ist irreführend. Dann könnte man (bezüglich der nicht gegebenen ergebnisoffenheit) mit gleicher Gültigkeit auch sagen, dass ein Stein gewählt hat senkrecht nach unten zu fallen...und wer würde das tun?
Unter dem Strich: die Position eines objektiv-universellen Standpunktes (der genau genommen ein nicht-Standpunkt ist) ist entweder handlungsrelevant oder gänzlich ohne Relevanz. Was sie nie vermag, ist unsere subjektiv unterschiedliche Gewichtung von Leben/Tod zu neutralisieren. (Na ja, zumindest kann ich mir einen solchen Zustand nicht vorstellen und wie er mit dem täglichen Handeln (und deren Motivierung!) kompatibel sein könnte. Was wäre z.B. der entscheidende Faktor wenn ich mir überlege ob ich jetzt von einer Brücke springen soll oder nicht, welche ich zufälligerweise beschreite? Die generelle Bewertung von Leben/Tod könnte es dann ja zumindest nicht sein. Evtl. noch die reine Sterbensangst...aber wäre das Motiv genug?)