Liebste Lyrik

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Lux
Beiträge: 239
Registriert: Montag 17. August 2009, 11:53

Liebste Lyrik

Beitrag von Lux »

Eure liebsten Gedichte, Kurzgeschichten, Prosa, Essays, Selbstgeschriebenes, Selsbtgedichtetes (...), was Euch beweg, an- und umtreibt... was den Schmerz beschreibt, was hoffen lässt, was weinend macht und träumend...

Und um mit gutem Beispiel voran zu gehen:

Galionsfigur

Die Augen
Müde vom Ausschauhalten
Die Richtung vorgegeben
Nur Wellentäler
Spritzende Gischt
Und manchmal
Ein ferner Horizont
Ungewiss.

Der Silhouette steif gefroren
Doch im Inneren glühend lebendig
Ein ständiges auf und nieder.
Wellenschluchten
Machen die Augen nass

Auf den Schaumspitzen reitend
Erhaschte Sonnenstrahlen
Warm-gelbe Momente
Streicheln die eherne Haut.

Die Augen
Ständig spähend
Eine müde Kraft von innen
Lässt den Blick unaufhaltsam suchen.

by Lux




Seereise

Ich will nicht mehr
Ist leicht zu sagen
Ich kann nicht mehr
Kaum zu ertragen

Verdammte Stille
Rings um mich
Verdammte Worte
Widerlich

Und selbst der Schmerz
Der altbekannte
Will sich nicht mehr in mir regen
Neue Ufer – feuchte Planke
Schiffbruch ist das halbe Leben.

Ahoi! Gestade in der Ferne
Schimmerst mir im Morgenglanz
Machst mich hoffend
Doch ich lerne
Fahl schmeckt, was ich gestern trank.

Mancher der auf hoher See
Schon den Horizont verlor
Möge heute mich verstehen
Nichts ist mehr wie’s war zuvor

Deshalb mit gesetzten Segeln
Auf und hinein ins wilde Nichts
Weg vom Ufer weg, vom Leben
Auf das mein Selbst im Meer erlischt

by Lux


Kritik? Anregungen? Feedback?
Immer gerne :-)

Liebe Grüße
Lux
pida
Beiträge: 561
Registriert: Mittwoch 15. Juli 2009, 05:45

hej Lux

Beitrag von pida »

gute idee !

danke.

Rainer Maria Rilke
Aus: Frühe Gedichte

Du musst das Leben nicht verstehen


( fuer meine Tochter, gruss, pida )



Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.

Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.


Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.

Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren

nach neuen seine Hände hin.

= = = = = = = = = = = = = =
Lux
Beiträge: 239
Registriert: Montag 17. August 2009, 11:53

Beitrag von Lux »

Pida, Rike ist einer meiner Lieblings-Lyriker

Natürlich sehr bekannt, aber unglaublich bildhaft und einprägsam:

Der Panther
Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.


Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris

wurde sogar schon ein Song draus gemacht.

Grüße
Lux
momo
Beiträge: 153
Registriert: Samstag 29. August 2009, 20:20

Beitrag von momo »

Sehr schöne Idee :-)

Von Senait Mehari "Mein Weg"

Habe gelernt, mir nichts vorzumachen
es geht um vieles mehr, als nur bestehen.

Solange Angst und Reue
das Dasein bestimmen
die Hoffnung stirbt zuletzt.

Muss noch den höchsten Berg erklimmen
und die Zeit rennt mir davon

Doch ich hab meinen Weg gewählt
und am Ende wartet mein Sieg
Mein Sieg!

Verloren in einer Welt
die mir so fremd erscheint.

Hinein geboren ohne Wissen
was es heißt.
Habe einen Kampf in mir, den ich bestehen muss

Es kennt keine Gnade, kein Lob
so ist es, das wahre Leben.

Habe die Macht des Verdrängens unterschätzt
die mich in tiefe Einsamkeit verbannte

Doch ich schlaf noch nicht ein
und bleib der Wachsamkeit treu

Bin immer noch da
dem Feuer entflohen, ins Wasser hinein

Doch ich kann noch nicht frei sein
verloren in einer Welt
die mir so fremd erscheint.
Lux
Beiträge: 239
Registriert: Montag 17. August 2009, 11:53

Beitrag von Lux »

Und weil ich in letzter Zeit meine Schreiberlingphase hatte... Noch eins ,-)

Septembergedanken

Die Welt sollte lauter sein
Und das Fühlen sollte jetzt beginnen
Die letzten Strahlen der Herbstsonne
Sollten uns zur Hoffnung auf Wärme gereichen.

Die Münder der Menschen
Sollten Wort und nicht Laut geben
Das Schweigen in den Ohren der Welt
Klingt wie Kreide auf der Tafel.

Wie sollten mehr wollen
Du und ich -
Alle sollten wollen, was ihnen zusteht
Statt den Zugvögeln nachzublicken
Sollten wir selber singen

Ich strecke meine Glieder
Und glätte meinen Katzenbuckel
Das Selbst meines Seins
Scheint mir heute verlässlicher
Ich strecke meine Hände aus nach euch
Ich richte meinen Geist aus
Richtet euren Geist
Richtet euer Denken

by Lux
Anonymous

Beitrag von Anonymous »

Hallo Lux

Sehr sehr schöne Zeilen!

Die Seereise hat mir am Besten gefallen.
Von Rilke und auch von Tagore habe ich schon das ein oder andere
Stück gelesen, das mir auch sehr gut gefallen hat.
Vor allem Tagore verstand es, mit so wenigen Worten umso mehr auszudrücken.

Reiner Maria Rilke ist gar eine ganze CD von Anne Clark gewidmet,
die ich seit über zwanzig Jahren sehr schätze,
weil sie mir einfach unter die Haut geht.

Viele Grüße nightflight
Kai
Beiträge: 602
Registriert: Sonntag 26. Juli 2009, 07:08

Beitrag von Kai »

Herbsttag

Herr, es ist Zeit! Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
Und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein.
Gib ihnen noch zwei südlichere Tage.
Dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.
Wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
Und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

(Rainer Maria Rilke)
Kai
Beiträge: 602
Registriert: Sonntag 26. Juli 2009, 07:08

Beitrag von Kai »

Tristan

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen
ist dem Tode schon anheimgegeben
wird für keinen Dienst auf Erden taugen
und doch wird er vor dem Tode beben,
wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe.
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen
zu genügen einem solchen Triebe.
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe.

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen
Und den Tod aus jeder Blume riechen.
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen.

(August von Platen, 1796-1835)
Kai
Beiträge: 602
Registriert: Sonntag 26. Juli 2009, 07:08

Beitrag von Kai »

To be or not to be, that ist the question
Whether 't is nobler in the mind to suffer
the slings and arrows of outrageous fortune
or to take arms against a sea of troubles
and by opposing end them. To die, to sleep!
No more! And by that sleep to say we end
the heart-ache and the thousend natural shocks
that flesh is heir to. 'T is a consumnation
devoutly to be wish'd. To die, to sleep,
To sleep, perchance to dream - ay, there's the rub.
For in that sleep of death what dreams may come
when we have shuffled off this mortal coil
must give us pause. There's the respect
that makes calamity of so long life.
For who would bear the whips and scorns of time,
Th' oppressors wrong, the proud men's contumely,
The pangs of dispriced love, the law's delay,
The insolence of office and the spurns
that patient merit from unworthy takes
when he himself might his quietus make
with a bare brodkin. Who would fardels bear
to grunt and sweat under a weary life?
But that the dread of something after death
the undiscovered country from whose bourn
no traveller returned, puzzles the will
and makes us rather bear those ills we have
than fly to others, that we know not of?
Thus conscience does make cowards of us all
And thus the native hue of resolution
is siclied o'er with a pale cast of thought.
And enterprises of great pitch and moment
with this regard their currents turn awry
and lose the name of action.


(William Shakespeare, Hamlet, 3. Akt, 1. Szene)


Sein oder Nichtsein...

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:
Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden, oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden. Sterben – schlafen –
Nichts weiter! – und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil – 's ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben – schlafen –
Schlafen! Vielleicht auch träumen! – Ja, da liegt's:
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir den Drang des Ird'schen abgeschüttelt,
Das zwingt uns still zu stehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend lässt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg' der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächt'gen Druck, des Stolzen Misshandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter, und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruh'stand setzen könnte
Mit einer Nadel bloß! Wer trüge Lasten,
Und stöhnt' und schwitzte unter Lebensmüh'?
Nur dass die Furcht vor etwas nach dem Tod –
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt – den Willen irrt,
Dass wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen, als zu unbekannten fliehn.
So macht Gewissen Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmungen voll Mark und Nachdruck,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen.


(Monolog aus Hamlet, 3. Akt 1. Szene; aus dem Englischen von August Wilhelm Schlegel)
Lux
Beiträge: 239
Registriert: Montag 17. August 2009, 11:53

Beitrag von Lux »

Harte fremde Hände

Harte fremde Hände
sollen über mich fahren
wie Pflüge
und deine Wurzeln zerreißen.
Ich will meinen Körper einreiben
mit fremdem Schweiß
wie mit einer beizenden Salbe
daß alle Poren vergessen
wie du riechst.
Haare ohne Namen
sollen auf meiner Haut liegen
wie Tannennadeln auf dem Waldboden,
andere Lippen die Augen küssen
die für dich weinen.

Und meine Seele, die dich sucht
so natürlich
wie abends ein Vogel über das Meer fliegt,
verliert die Richtung
und kommt
nie wieder an Land.

Hilde Domin
smyuld
Beiträge: 13
Registriert: Sonntag 4. Oktober 2009, 23:31

Beitrag von smyuld »

gruß euch, leute;

da ich diese zeilen niemandem sonst zeigen kann und will, erscheint mir dies der beste ort dafür zu sein:


Euthanatos:

Gütig leuchtet uns're Sonne
groß und hell am Himmelszelt
und zieht ihre Bahn voll Wonne
über die vertraute Welt.

Auf der da wandeln Kreaturen,
auch wir Menschen, groß und klein,
und des Nachts der weiße Mond
erfreuet uns mit seinem Schein.

Doch könnte es die ganze Zeit
freundlich, warum und sonnig sein -
nicht in abertausend Jahren
dräng' Wärme in mein Herz hinein.

In diesem herrscht nur König Frost
mit den Vasallen Qual und Trauer,
die niemals können mich verlassen
dank der schwarzen, kalten Mauer,
die fest um mein Gemüt sich legt
und die niemand je zerschlägt.

Trübsal ist hier Dauergast
und Schmerz ein stetiger Gefährt
der Freude jeder Art abwehrt,
und mir doch nie wird zur Last.

Denn das ist es, woran ich leide:
Melancholie, mein bester Freund,
den ich, und wenn mein Herz auch weint,
in schönem Kummer niemals meide.

Selbst wenn ich wandle unter Menschen,
die mir lieb und teuer sind,
weht in meinem wunden Herze
doch ein grausig kalter Wind.

Das Leben selbst ward mir zur Last,
denn Glück, dich werde nie ich finden.
Der, der sich selbst am meisten hasst
kann in Verzweiflung sich nur winden,
bis seine Lebensgeister schwinden
und seine Existenz verblasst.

Warum ich noch am Leben bin?
Vielleicht aus Freude an der Pein.
Ja, darin liegt mein Lebenssinn,
und sei der Schmerz auch noch so schlimm
und der Frohsinn schwindend klein.

Wenn Thanatos mich einst ereilt,
da gekommen meine Zeit,
so werd' nicht klagen ich, noch flehen,
werd' lächelnd in der Türe stehen,
empfangen ihn: "So nimm mich, Tod,
und ende diese, meine Not!"

Wo immer mag mein Weg auch enden,
ob Himmel, Hölle oder Nichts -
niemals werd' das Haupt ich wenden
rückwärts, zu der tristen Welt
in der nun nichts mehr mir gefällt.

Oft frage ich in düst'ren Stunden,
wie es kommen konnt' so weit.
Warum sind alle diese Wunden
nur niemals komplett verheilt?
Zwar hat oft Unglück mich ereilt
und Ungemach in großer Zahl.
Doch and're haben auch gelitten;
ihnen aber war die Qual
kein treuer, ständiger Begleiter.
Und geht in diesem Maß es weiter,
dann, Herr, will ich nicht mehr sein,
hier, in meinem Schmerz allein.
Nimm, Allmächt'ger, mich zu dir,
eh' ich den Verstand verlier!

möge mich die freude an der lyrik nie verlassen, sie ist eine meiner letzten auf dieser erde.
smyuld
Beiträge: 13
Registriert: Sonntag 4. Oktober 2009, 23:31

Beitrag von smyuld »

lux, deine "Seereise" ist ein meisterwerk!! kaum etwas liebe ich mehr als parabeln.
Lux
Beiträge: 239
Registriert: Montag 17. August 2009, 11:53

Beitrag von Lux »

Danke, smyuld. Deine Zeilen haben mich auch sehr berührt.
terramov

Beitrag von terramov »

wirklich sehr gelungen

ich habe hier keine lyrik aber 2 lieder, die mich auch immer sehr zum denken anregen:

http://www.youtube.com/watch?v=dow2mjAzqDM

http://www.youtube.com/watch?v=aDeQI949nIA
smyuld
Beiträge: 13
Registriert: Sonntag 4. Oktober 2009, 23:31

Beitrag von smyuld »

ohja, depressive (black) metal bands sind immer gut für gefühlvolle interludien und zwischenspiele!

leider ist mit diesen gruppen meist eine menge poserei verbunden, wie eben beispielsweise dimmu borgir...

sdbm ftw.
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