Sterbehilfe für Menschen mit Todessehnsucht?

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

glycerine

Re: Sterbehilfe für Menschen mit Todessehnsucht?

Beitrag von glycerine »

Das mit den alten oder kranken Menschen die dazu gedrängt werden könnten Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, ist glaube ich das Grundproblem. Dazu noch eine Geschichte mit einer "Endlösung" durch die Nazis macht das ganze Dilemma aus, aus dem man nur schwer herauskommt gesetzlich und moralisch. Niemand sollte dazu gedrängt werde, aber wie soll man das denn im konkreten nachweisen, dass es so ist oder anders. Für dieses Problem habe ich noch zu wenig nachgeforscht, vielleicht gibt es dazu ja interessante Ideen die mir noch nicht zu hören gekommen sind.
Peterchen
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Re: Sterbehilfe für Menschen mit Todessehnsucht?

Beitrag von Peterchen »

Man kann beurteilen, ob jemand klar im Kopf und entscheidungsfähig ist. Das muss ja auch vor Gericht geprüft werden, wenn es um die Frage nach der Schuldfähigkeit geht.

Und wenn jemand entscheidungsfähig ist, dann ist aus meiner Sicht alles geklärt. Denn Freiheit beinhaltet auch das Recht zu einer schlechten Entscheidung. Sollte also passieren, dass ein glücklicher Mensch sein Leben beendet, um seiner Familie einen Gefallen zu tun, dann ist das aus meiner Sicht eine schlechte Entscheidung, aber ich sehe nicht, wieso ein freier Mensch nicht das Recht haben sollte, diese Entscheidung zu treffen.
Lexx
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Re: Sterbehilfe für Menschen mit Todessehnsucht?

Beitrag von Lexx »

chris84 hat geschrieben: Sonntag 30. Oktober 2016, 23:43 Ich sehe übrigens auch nicht ein warum man extra alt und schwer krank sein muss um ein Anrecht auf einen friedlichen Tod zu haben. Klar, sollte man Kurzschlussreaktionen vermeiden aber dafür könnte man ja eine gewisse Wartezeit mit einbauen.
Peterchen hat geschrieben: Montag 31. Oktober 2016, 21:21 Und wenn jemand entscheidungsfähig ist, dann ist aus meiner Sicht alles geklärt.
Auszüge der Grundrechte (D)
• Die Würde des Menschen ist unantastbar.
• Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
• Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
• Niemand darf (...) benachteiligt oder bevorzugt werden.
Nun habe ich ebenfalls mal ein wenig intensiver darüber nachgedacht, wie ich mir das Recht auf und die Umsetzung von professioneller Freitodbegleitung eigentlich konkret vorstelle:

Zusammenfassend würde ich einen gleichberechtigten Zugang für alle volljährigen Menschen befürworten, die den Unterschied zwischen Leben und Tod sowie die Unumkehrbarkeit einer vollzogenen Sterbehilfe eindeutig verstehen und deren diesbezügliche Entscheidung nicht impulsiv getroffen, sondern über einen Zeitraum x nachhaltig und klar bestätigt wird. Eine diskriminierende Selektion anhand von Erkrankungen bzw. den Ausschluss psychisch erkrankter aber entscheidungsfähiger, geistig eingeschränkter aber entscheidungsfähiger sowie völlig gesunder Menschen lehne ich grundsätzlich ab, da meiner Meinung nach zB auch die starke Belastung durch psychische Leiden, allgemeine Lebenssattheit und rein private Gründe zu einem Zustand dauerhafter immenser Verzweiflung und Suizid(versuchen) führen können. Das Einfordern von jedweden Beurteilungen und Begründungen über die Feststellung der Entscheidungsfähigkeit sowie die x mal zu wiederholende Willensbekundung hinaus empfinde ich in Gesellschaften als übergriffig, welche Würde und Freiheit als Menschenrechte betrachten.

Die Kosten sollten der tatsächlich gewünschten und gebuchten Serviceleistung angemessen, nicht durch unnötigen bürokratischen Aufwand und zig Gutachten künstlich hochgetrieben und quer durch die gesamte Bevölkerung für jedermann gut bezahlbar sein. Anstelle von allgemeingültigen Pauschalbeträgen könnte zB auf Wunsch und gegen Vorlage entsprechender Nachweise eine individuelle Berechnung anhand der jeweiligen Einnahmen (Lohn, Rente usw.) und Ausgaben (Lebenshaltungskosten) stattfinden, wobei gerade bei finanziell weniger privilegierten Kunden auch die anfallenden Bestattungskosten berücksichtigt werden müssten. Kranken- und Rentenversicherungen dürften meines Erachtens keinesfalls die Möglichkeit erhalten, ihren Mitgliedern ggf. hohe medizinische Behandlungskosten bzw. langfristige (Erwerbsminderungs-) Rentenauszahlungen verweigern und stattdessen die einmaligen gleich günstigeren Kosten einer Freitodbegleitung übernehmen zu können.

Die klassische Denkweise, dass jedes Leben mit allen Mitteln auch gegen den ausdrücklichen Wunsch des Sterbewilligen erhalten werden müsse, sollte dahingehend relativiert und entdisneyfiziert werden, dass de facto jeder Mensch früher oder später sterben muss und keiner von uns weiß, wann genau dies geschehen wird. Der Sterbewillige macht in diesem Sinn nicht mehr und nicht weniger, als sich diesem Schicksal selbstbestimmt zu stellen und seinen Weg um eine Zeit abzukürzen, die niemand kennt- er könnte noch 30 Jahre vor sich haben, oder wäre vielleicht eine Woche nach seiner Freitodbegleitung sowieso einem tödlichen Unfall erlegen. Nicht jeder empfindet sein Leben als Geschenk, und letztendlich hat auch kein Mensch darum gebeten, überhaupt geboren zu werden.
Hurlinger
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Registriert: Donnerstag 19. Oktober 2017, 19:41

Re: Sterbehilfe für Menschen mit Todessehnsucht?

Beitrag von Hurlinger »

Hallo Lexx.
Sehr gut geschrieben und m.M. nach völlig auf den Punkt gebracht.
Ich befürchte nur, dass die Menschen sich in ihrer momentanen Entwicklung immer mehr von deinen guten Vorschlägen entfernen.
Das verrückte ist, dass in derzeitigen Krisengebieten Menschenleben keinen Pfifferling wert sind.
Menschenschleuser pressen Flüchtlinge wie Zitronen aus, und ob die dann jemals ein sicheres Land lebendig erreichen ist fraglich. Und diese Menschen wollen leben, sonst würden sie sich das wahrscheinlich nicht auf sich nehmen, bzw. manchen wird ja auch sicherlich das Paradies versprochen.
Ich bin ich überzeugt, dass selbst bei erlaubter Sterbehilfe zumindest hier in D auch wieder wirtschaftliche Interessen mitspielen werden.
Freitodbegleitung wird einiges Kosten und du hast ja völlig Recht, dass Krankenkassen und Rentenversicherungen sich ruhig mit daran beteiligen könnten, was aber m.E. nicht geschehen wird, weil das System eben so ist und kaum jemand bereit ist es zu ändern.
Menschen sind im allgemeinen gierig.
Aber wie heißt es doch immer so schön?
"Die Hoffnung stirbt zuletzt", wobei ich da auch nicht mehr wirklich dran glaube.
Gruß
Hurlinger
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