Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

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Lexx
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von Lexx »

n°cturne hat geschrieben: Mittwoch 20. Juli 2022, 02:15 (...)
In der Psychotraumatologie spricht man insofern ja auch von einer normalen Reaktion auf unnormale Umstände. Wird der traumatische Auslöser nicht beseitigt, kann man da noch so viel herumtherapieren, es bringt einfach nichts.
(...)
Gäbe es da die eine Sache, die sich ändern müsste, damit Du wieder leben willst? Und die einfach keine Therapie der Welt ausgleichen kann?
Vor ziemlich genau einem Jahr hat meine Psychologin gefragt was ich machen würde, wenn ich quasi per Fingerschnipsen ad hoc körperlich wieder völlig gesund wäre. Damals war für mich als Antwort absolut klar, dass ich nahtlos zurück in mein altes Leben einsteigen und einfach ganz normal weitermachen würde.

Ein Jahr und tausende Gedankenspiele und (Selbst)Reflexionen später steht die Erkenntnis, dass dies heute definitiv weder das anvisierte Ziel, noch vom Kopf her überhaupt möglich wäre. Fraglich ob ein gesunder Körper zum jetzigen Zeitpunkt wirklich noch ausreichen würde, um auch psychisch jemals wieder heilen, Balance finden und dem Leben die so schmerzlich vermisste Qualität verleihen zu können.

Und dennoch: wenn dieses Fingerschnips-Wunder möglich wäre, dann wäre es mir unbedingt einen Versuch wert im Sinne einer zweiten Chance. Ein überarbeiteter Neubeginn mit entsprechend veränderten Prioritäten und Konditionen in der Hoffnung, dass Körper und Seele dadurch langsam zusammenfinden und irgendwann wieder im selben Rhythmus tanzen... Die Tür zum alten Leben, zur Rückkehr in die frühere Normalität, Banalität, Absurdität, bliebe allerdings dauerhaft geschlossen.
n°cturne
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von n°cturne »

Lexx hat geschrieben: Samstag 14. September 2024, 03:28 Vor ziemlich genau einem Jahr hat meine Psychologin gefragt was ich machen würde, wenn ich quasi per Fingerschnipsen ad hoc körperlich wieder völlig gesund wäre. Damals war für mich als Antwort absolut klar, dass ich nahtlos zurück in mein altes Leben einsteigen und einfach ganz normal weitermachen würde.
Ja, so habe ich mir das auch einmal vorgestellt. Aber je länger man in so einer Situation verhaftet bleibt, desto mehr verändern sich die Umstände und desto mehr verändert sich auch die Weltsicht.
Lexx hat geschrieben: Samstag 14. September 2024, 03:28 Die Tür zum alten Leben, zur Rückkehr in die frühere Normalität, Banalität, Absurdität, bliebe allerdings dauerhaft geschlossen.
"die frühere Normalität, Banalität, Absurdität". Wieder ein Volltreffer. Ich schäme mich heute fast schon für meine Naivität von früher. Andererseits hatte ich schon immer so eine Art Ahnung, dass das Leben, wie es uns vorgegaukelt wird, nicht alles sein kann. Dass da "mehr" sein muss, eine andere Wahrheit. Blöd nur, jetzt habe ich sie gefunden, aber eine schöne ist es nicht. Und ich fühle mich vor allem auch so maßlos entfremdet von all den Menschen, die noch immer all den oberflächlichen Vergnügungen, Profilierungssüchten und Paradigmen hinterherjagen und darin den Sinn ihres Daseins begreifen oder einfach nur die Normalität.
Lexx
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von Lexx »

n°cturne hat geschrieben: Dienstag 8. Oktober 2024, 16:09 (...)
Und ich fühle mich vor allem auch so maßlos entfremdet von all den Menschen, die noch immer all den oberflächlichen Vergnügungen, Profilierungssüchten und Paradigmen hinterherjagen und darin den Sinn ihres Daseins begreifen oder einfach nur die Normalität.
@n°cturne
Hi, wie wahr... Dein Post passt gerade einfach so perfekt zu einem aktuellen Beispiel - am Wochenende schaute ein lieber Besuch vorbei, und innerhalb kürzester Zeit hatte ich dieses Bild im Kopf wenn bei den Peanuts Erwachsene sprechen und man nur unverständliches Kauderwelsch hört.
Ich habe die Leute wirklich sehr gern und möchte nicht respektlos klingen, aber ganz viel von dieser oberflächlichen und banalen Alltagsthematik interessiert mich einfach ü b e r h a u p t nicht.
Gefühlt reicht so oft ein Satz völlig aus, zB "ich habe gestern dies und das gekocht, es war bescheiden" statt eines halbstündigen Dialogs, indem von einem dann auch noch entsprechend angemessene verbale Teilhabe erwartet wird, während einem selbst eigentlich maximal ein paar ausgesprochen gut passende Emojis einfallen;))

Aber abgesehen von solchen netten Reminder-Episoden wie weit man von der "Welt der anderen" mittlerweile schon entfernt ist, kenne ich diese Gefühle der Entfremdung und der bewussten Distanzierung von gängigen Normen und fraglichen Wertesystemen ebenfalls schon lange. Rückblickend gab es in meinem aktiven Leben jedoch auch einige prägende und augenöffnende Situationen, die diese Gefühle weniger als Isolationsempfinden, sondern vielmehr als Wahrnehmung und Entwicklung der eigenen Identität und Individualität belegt haben:

In der Schulzeit hatte ich zB eine zeitlang das starke und teilweise regelrecht schmerzhafte Bedürfnis, wirklich "dazu zu gehören"- bis es dann in der anvisierten beliebten Clique tatsächlich geklappt hat. Innerhalb der Gemeinschaft musste ich allerdings schnell feststellen dass es überhaupt nicht passt; dieses ganze "Gruppen-Ding", das Mitläufertum und die unausgesprochenen aber omnipräsenten Teilnahmebedingungen (empfunden als Gleichschaltung im Denken, Gruppenzwang im Handeln, Überheblichkeit gegenüber anderen etc.) fühlten sich einfach nur falsch an. Als diese Erkenntnis stand und der Weg zu einem deutlich kleineren aber umso entspannteren Kreis gefunden war, empfand ich neben einer riesigen Erleichterung auch das innere Loslassen der Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Akzeptanz von Menschen(gruppen), mit denen es schlicht und ergreifend einfach nicht matched.

Es sind in der Summe viele solcher kleinen und unspektakulären Geschichten, doch genau derlei Erfahrungen, die erlebte Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, waren für mich oftmals wichtige Prozesse der Selbstfindung und manchmal sogar wegweisende Lehrstunden fürs Leben. Seit ich folgenden Spruch kenne, ist dieser zu meiner persönlichen Maxime geworden: "Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen." Zusätzlich hat mir ausgerechnet eine grundsätzlich eher pessimistische Einstellung über viele Jahre hinweg da draußen in der Welt tatsächlich sehr geholfen- erwarte nichts, dann wirst du nicht enttäuscht und manchmal sogar positiv überrascht.

Lg Lexx
outofspace
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von outofspace »

also alles in allem:

Menschen, die das Leben erträglicher machen. Dafür reichen engere Kontakte 2 mindestens, einer ist zu wenig ;) macht auch zu viel Druck, wenns mal doch Konflikte gibt.
den ganzen rest doofer Menschen, ließe sich dadurch vlt leichter ertragen.

Die Wohnsituation müsste so sein, dass man seine Ruhe hat. Für viele selbstverständlich, aber ist es leider nicht...

Manchmal denke ich... Musik, songtexte schreiben, in Ruhe, dass einen niemand hört und man niemanden hört..
Ausdruck, Kunst, auf irgend eine Art und Weise... egal ob ich nun singen kann, aber irgendwie wäre es cool ;)

(wenn man sich mal Hermann Hesse und das Leben durchliest, krass... hats gepackt, trotz suizidalität. ich wusste von dem nicht viel ;) lol
hatte mir es nur nach den doch recht depri texten mal durchgelesen.
die genialsten Köpfe sind sowieso alle depri ... am kreativsten ist man in der dunkelsten Zeit.)

hm, ja dann fehlt noch irgendwie der Sinn... aber vlt ist letzteres dann auch schon der Lebenssinn..
( ..in dem musik theater stück über suizid heißt es ja auch "warum weiterleben? - danach folgt: weil man diese Zeilen nicht lesen könnte..macht da in dem Zusammenhang Sinn oder ? )

Ich denke immer, Menschen kannste nicht ändern... eben... aber es gibt welche, mit denen es erträglicher wäääääre... all die anderen auszuhalten :/
doch wo sind die ?

achja und körperlich sollte auch alles ok sein, ist noch nicht kritisch, aber je älter man wird, umso schlimmer wirds ;) geht langsam los mit der rumzickerei ey... Die Last die man mit sich rumträgt, hinterlässt nunmal echt Spuren.
Muss nichtmal was Ernstes sein..... aber da könnt man echt abkotzen.
In 10 jahren hab ich noch tausend mehr Gründe zu sterben, sollte ich da noch leben...

EDIT. ich hatte einen thread erstellt, der glich diesem.. deswegen wieder gelöscht und hier geostet ;)
OutofOrder
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von OutofOrder »

Ich fürchte, ich bin in diesem meinem Leben endgültig an einem Punkt angelangt, wo ich solche Fragen für mich schon lange nicht mehr beantworten kann..ich weiß einfach aus zu vielen Erlebnissen in der Vergangenheit, dass so ziemlich alles, was man sich vordergründig ersehnt, in kürzester Zeit an essenzieller Bedeutung verliert, sobald man es "in Händen hält', sobald es für einen sozusagen zur Normalität geworden ist, und das bezieht sich m.E. wirklich ausnahmslos auf alles, was man sich nur vorstellen kann, also auch jegliche inneren Entwicklungsschritte und Etappen..also so ähnlich wie in dem Sinne, wie es der französische Psychoanalytiker Lacan in seinen Thesen über das Begehren gemeint hat, der dies vereinfacht gesagt als quasi unbewussten Vertreter für einen ganz bestimmten inneren Mangel darstellt, den wir aber so gut wie nie im Leben wirklich ermitteln können..und mit der "Enttäuschung" nach der Befriedigung des scheinbaren Mangels wird uns genau das bewusst..es bleibt was es ist, eine endlose Suche nach etwas, was die meisten von uns im Wesentlichen schwer oder niemals ergründen können..

Ich könnte natürlich vordergründig (wie wohl die meisten hier) eine ganze Reihe von inneren und äußeren Veränderungen nennen, die ich mir mehr oder weniger "wünschen" würde, um mein Leben zu "erleichtern", aber ich bin mittlerweile zutiefst davon überzeugt, dass die allermeisten dieser Dinge langfristig absolut nichts an meiner Lebensqualität ändern würden..klingt vielleicht seltsam, aber trotzdem meine Überzeugung (so denke ich aber erst einige Jahre..). Womit ich aber nicht sagen will, dass ich jetzt (psychisch) mehr leide als früher (eher im Gegenteil). Körperlich gesehen geht´s mir halt nicht mehr so gut wie vor 20 Jahren, aber das ist ein anderes Thema..

Es gibt in der spirituellen Welt (im Zen-Buddhismus) einen netten Spruch, der das in einfachen aber treffenden Worten für mich zusammenfasst (also aus einer etwas vereinfachten Sichtweise, die tatsächliche Bedeutung ist etwas komplexer:

"Before enlightenment; chop wood, carry water. After enlightenment; chop wood, carry water."

Damit ist u.a. auch gemeint, dass vermeintliche Erkenntnisse und Errungenschaften nicht notwendigerweise dazu führen, dass wir weniger im Leben leiden (bzw. es als weniger herausfordernd betrachten), sondern eher dazu, dass wir lernen, dass ("notwendige") "Leid" anders einzuordnen, und im Falle des Falles sogar verstehen lernen, warum wir eigentlich "leiden" (bzw. sogar, ob vermeintliches Leid nicht schlichtweg auch eine Sache der Betrachtungsweise ist..), im Sinne eines höheren Bedeutungsgehalts, einer anderen Prioritätensetzung, einer anderen Wertschätzung (von uns selbst und allem Lebendigen), im Sinne einer größeren Empfindung von Verbundenheit und eines Verständnisses für universelle Liebe, usw.

Was den exakten Threadtitel betrifft, muss ich generell auch sagen, dass ich für mich nicht mal behaupten könnte, dass ich jemals überhaupt "leben wollte", zumindest hab ich das Leben in der Weise nie wirklich für mich wahrgenommen, noch nicht mal in den Phasen meiner Kindheit, in der mir mein Leid (meine schon damals vorhandene Einsamkeit) kaum bis gar nicht bewusst war..und schon gar nicht näher reflektiert wurde..
n°cturne
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von n°cturne »

OutofOrder hat geschrieben: Freitag 18. Oktober 2024, 01:27 Ich fürchte, ich bin in diesem meinem Leben endgültig an einem Punkt angelangt, wo ich solche Fragen für mich schon lange nicht mehr beantworten kann..
OutofOrder hat geschrieben: Freitag 18. Oktober 2024, 01:27 Ich könnte natürlich vordergründig (wie wohl die meisten hier) eine ganze Reihe von inneren und äußeren Veränderungen nennen, die ich mir mehr oder weniger "wünschen" würde, um mein Leben zu "erleichtern",
Ja, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Letztlich geht es mir auch so, dass es bei der Frage hauptsächlich darum geht, das Leben wieder als erträglicher zu empfinden und zumindest keinen akuten Nichtexistenzwunsch zu hegen. Die Desillusionierung und tiefe Traurigkeit würde allein schon aufgrund der irreversiblen Erkenntnis über diese Welt ganz tief drin wohl für immer bleiben. Und vielleicht ist es sogar so, dass auch ich diese Welt bereits als Kind gewissermaßen realistisch gesehen habe, aber doch die Hoffnung hatte, dass die Welt schon noch Sinn machen würde, wenn ich nur schön aufmerksam die Regeln der Erwachsenen befolgen würde und von ihnen lerne. Na ja. War jetzt nicht so ein erfolgreiches Unterfangen. Mir kommt es eher so vor, als wäre ich als Kind schon erwachsener gewesen als die meisten Erwachsenen. Vielleicht sogar erwachsener, als es andere je sein werden … Und sicherlich hat auch das schon von frühester Kindheit an zu einer inneren Vereinsamung geführt, wenngleich ich später dann durchaus eine rege gesellschaftliche Teilhabe gepflegt habe. Aber letztlich nur, um dann wieder zu der Erkenntnis zu kommen, dass mir diese ganze Menschheit einfach doch sehr fremd ist in ihren seichten Werten und Ansichten.
jwh
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von jwh »

n°cturne hat geschrieben: Samstag 19. Oktober 2024, 10:00 Aber letztlich nur, um dann wieder zu der Erkenntnis zu kommen, dass mir diese ganze Menschheit einfach doch sehr fremd ist in ihren seichten Werten und Ansichten.
Wer hat es mehr mit der Menschheit als mit Menschen zu tun?
Es gibt genügend Menschen mit Werten und Ansichten.
Wer mehr weiß als der Rest, könnte ja wie Buddha eine Lehre kreieren.
n°cturne
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von n°cturne »

jwh hat geschrieben: Sonntag 20. Oktober 2024, 10:00 Wer hat es mehr mit der Menschheit als mit Menschen zu tun?
Es gibt genügend Menschen mit Werten und Ansichten.
Wer mehr weiß als der Rest, könnte ja wie Buddha eine Lehre kreieren.
Ja, sicherlich gibt es Menschen mit Werten und Ansichten. Aber es sind eben nicht unbedingt meine. Beispielsweise entspricht es auch nicht meinen Werten, bei anderen wortklauberisch in Wunden herumzustochern, statt diese in erster Linie verstehen zu wollen. Vor allem in einem Forum wie diesem. Dennoch will ich mal darauf eingehen:

"Menschheit und Menschen" - der Mensch ist in seiner Gesamtheit eben so konzipiert, dass er gerne Illusionen und Narrativen hinterherläuft und beispielsweise auch unbesehen irgendwelche Lehren verinnerlicht, statt sie erst einmal in Frage zu stellen und auf Stichhaltigkeit zu überprüfen. Ganz egal, ob es da um religiöse, politische, traditionelle oder sonstige Haltungen, Lehren, Narrative und Dogmen geht. Umso schlimmer, wenn es scheinheilige Lehren und Narrative sind. Und ich habe im Leben erstens eben immer schon eine vergleichsweise objektive, analysierende und von der allgemeinen Erzählung abweichende Haltung gehabt, zweitens habe ich im Leben auch sehr viel mehr erlebt als der Durchschnitt (sorry!), was mir wiederum zu Erkenntnissen verholfen hat, die viele andere eben nunmal leider nicht haben (ich wünschte es!) und drittens habe ich mich auch auf akademischer Ebene mit dem Thema beschäftigt. Das heißt, der Mensch ist nunmal tatsächlich geneigt, die Welt nicht so zu sehen, wie sie ist. Dabei will ich keinesfalls behaupten, dass ich wüsste, wie sie tatsächlich ist (man beachte meine Formulierung "gewissermaßen"). Denn meine persönliche Annahme ist, dass wir als Menschen sehr wahrscheinlich noch nicht einmal sinnestechnisch genügend dafür ausgerüstet sind, um alles zu begreifen. Und in der einen oder anderen Hinsicht ist das noch nicht einmal eine Vermutung, sondern es ist so. Und nur Wissenschaft und Technik haben uns über unsere eigenen verschrumpelten Sinnesmöglichkeiten hinweg geholfen, dies zu erkennen. Aber allein zu dieser Erkenntnis kommen ja schon mal die wenigsten. Und nein, ich will keine Lehre kreieren, ich will die Wahrheit ergründen. Aber auch das wollen eben die wenigsten. Denn dann müssten sie sich sehr unangenehmen Fragen und Erkenntnissen stellen, die ihre schöne Weltsicht in sich zusammenfallen lassen könnten. Und dann landet man am Ende unter Umständen eben hier. Weswegen ich mich der analysierenden und offenen Sichtweise vieler hier eben auch sehr viel näher fühle als der der meisten "da draußen". Allein das Thema Suizid darf man ja schon nicht offen diskutieren. Und in den seltensten Fällen wäre bzw. ist eine neutrale Diskussion wie eben hier darüber möglich. Abgesehen davon, dass man Menschen, die man liebt, auch nicht unbedingt an seinen dystopischen Erkenntnissen teilhaben lassen und mit in die Tiefe ziehen möchte.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass es mir weitaus lieber wäre, von weniger ergründender Natur zu sein, weil dieses Leben dann vermutlich erträglicher wäre. Sich ohne zu hinterfragen, am gängigen Narrativ orientieren zu können, verschafft eben auch Sicherheit, soziale Akzeptanz, weniger hinderliches Verantwortungsbewusstsein als auch weniger Struggle, weil man begreift, dass man als Mensch selbst seinen eigenen Werten mit ausgiebiger und schonungsloser Analyse unter Umständen gar nicht gerecht werden kann. So sehe ich die Lösung einer ethischen Ernährungsweise beispielsweise nicht im Veganismus. Auch die aktuelle Forschung legt nahe, dass eben selbst das Narrativ, dass es von einem ethischen Standpunkt her besser wäre, Pflanzen zu essen, vielleicht falsch ist. Und nun unterhalte man sich einmal mit all den eingefleischten Carnivoren, Vegetariern und Veganern über das Thema. Am offensten wären wohl noch Fruitarier. Nur treff mal einen. Und so diszipliniert bin ich vor allem leider auch wieder nicht, um mich bei diesen einzureihen. Ganz abgesehen davon, dass es unter ihnen tatsächlich eben oft zu gravierenden gesundheitlichen Folgeerscheinungen kommt. Womit wir wieder beim Thema wären, dass dieses Dasein auf gewisse Weise verdammt ist, sich aufgrund seiner Natur sogar gegen seine eigenen Werte verhalten zu müssen. Das einzusehen, darauf haben wiederum die wenigsten Lust. Denn alle sind doch so herzensgut und rechtens in ihrem Verhalten, dass man das Narrativ zur Not eben entsprechend zusammenzimmern muss. Und das wiederum ist eben sehr typisch für die Menschheit an sich, ganz egal, welches Narrativ sich der einzelne Mensch dabei zurechtlegt.
jwh
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von jwh »

Und nein, ich will keine Lehre kreieren, ich will die Wahrheit ergründen.
Liegt da nicht schon der Hund begraben?
Wie soll das gehen?
Bin auf jeden Fall interessiert und erahne bei dir sicher eine hohe akademische Bildung.
Willst du vielleicht sagen, in welchem Bereich/Fach?
Emely
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von Emely »

Ich müsste einige Traumata aufgearbeitet haben und Fürsorge, Schutz, Anerkennung, Zuwendung und sowas nacherlebt haben. Dadurch wäre ich angstfreier.
Und dann müsste ich wieder arbeitsfähig sein und endlich wieder in der Kita arbeiten.
Das wäre für mich ein lebenswertes Leben.

Eigentlich also nichts, was nicht erreichbar wäre. Eigentlich.
n°cturne
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von n°cturne »

jwh hat geschrieben: Sonntag 20. Oktober 2024, 13:34
Und nein, ich will keine Lehre kreieren, ich will die Wahrheit ergründen.
Liegt da nicht schon der Hund begraben?
Absolut! Wie ich bereits angeschnitten habe, fragt sich allein schon, inwiefern hier wirklich ein "Wille" zugrunde liegt. Im Sinne der ungeklärten Frage um Freiheit und Determination zwingt mich mein Gehirn vielleicht auch nur, mich damit zu beschäftigen. Auch war der Begriff "Wahrheit" nicht gut gewählt. "Realität" trifft es besser. Mein aus schnöder menschlicher Sicht bedingter Wille zur Ergründung der Realität, so weit eben möglich, speist sich jedenfalls aus der Erkenntnis, dass die reine Orientierung an Lehren, Narrativen und Dogmen in der Gesamtsicht zu viel unnötigem Leid in dieser Welt führt. Vor allem ist man an der Realität im Zweifel schon einmal näher dran, wenn man die Erwägung zulässt, dass die eigene oder gängige Perspektive eventuell falsch bzw. unzureichend ist. Was in der Folge dazu führt, dass man ein Ergründender bleibt und eben nicht dem blinden Wahn von Lehren und Indoktrinationen verfällt.
n°cturne
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von n°cturne »

Emely hat geschrieben: Sonntag 20. Oktober 2024, 13:43 Ich müsste einige Traumata aufgearbeitet haben und Fürsorge, Schutz, Anerkennung, Zuwendung und sowas nacherlebt haben. Dadurch wäre ich angstfreier.
Und dann müsste ich wieder arbeitsfähig sein und endlich wieder in der Kita arbeiten.
Das wäre für mich ein lebenswertes Leben.

Eigentlich also nichts, was nicht erreichbar wäre. Eigentlich.
♥︎♥︎♥︎
jwh
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von jwh »

Könnte vielleicht ein spiritueller Weg „heilsam“ sein?
Oder ist das möglicherweise zu weit weg von der „Realität“?
n°cturne
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von n°cturne »

Auf mich bezogen? Nein, genau davon habe ich mich abgewendet. Genauer gesagt, ist das Ganze ein derart rotes Tuch für mich, dass ich allein deshalb schon starke Tendenzen habe, nicht mehr leben zu wollen. Es macht mich geradezu VERZWEIFELT, dass Leute genau an derlei, teils EXTREM schädlichen Narrativen festhalten. Vor allem statt in der realen Welt etwas ändern zu wollen oder sich überhaupt mal die reale Welt ohne rosarote Brille und ohne spirituelle Überheblichkeit anzusehen, wie sie eben nunmal ist. Dabei möchte ich mir, wie bereits erwähnt, nicht anmaßen, genau wissen zu können, was über unsere begreifliche Welt hinaus existiert oder nicht. Aber was in dieser ganzen Szene abgeht, ist auf weiter Flur dermaßen falsch, ich darf gar nicht darüber nachdenken. Um es auf den Punkt zu bringen, ist es sogar so, dass ich mir nicht anmaße, zu wissen, was über unsere begreifliche Welt hinaus existiert oder nicht, die ganze spirituelle Szene maßt sich aber genau das an. Und ich habe in meinem Leben selbst unter knallharten Geschäftsleuten selten größere Opportunisten, Manipulateure und Ignoranten gegenüber menschlichen Leids kennengelernt als in dieser Szene. Und um noch präziser zu sein, bin ich der Meinung, dass sich dort teils die skrupellosesten Psychopathen sammeln, während ihre Anhänger auch noch meinen, es würde sich um Heilige und Auserwählte handeln. In seiner gesamten Traurigkeit ist das Ganze schon wieder von einer grotesken Lächerlichkeit und sagt eben leider auch schon wieder sehr viel darüber aus, wie der Mensch eben so tickt.
jwh
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Re: Was müsste passieren, damit Du wieder leben willst?

Beitrag von jwh »

Nein, genau davon habe ich mich abgewendet.
Interessant!
Was waren so deine Überlegungen in deiner spirituellen Zeit?
Ich vermute halt, dass du vielleicht spirituell warst, weil du „abgewendet“ schreibst.
Hat der Mensch nicht allgemein auch eine spirituelle Ader?
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