jwh hat geschrieben: ↑Sonntag 20. Oktober 2024, 10:00
Wer hat es mehr mit der Menschheit als mit Menschen zu tun?
Es gibt genügend Menschen mit Werten und Ansichten.
Wer mehr weiß als der Rest, könnte ja wie Buddha eine Lehre kreieren.
Ja, sicherlich gibt es Menschen mit Werten und Ansichten. Aber es sind eben nicht unbedingt meine. Beispielsweise entspricht es auch nicht meinen Werten, bei anderen wortklauberisch in Wunden herumzustochern, statt diese in erster Linie verstehen zu wollen. Vor allem in einem Forum wie diesem. Dennoch will ich mal darauf eingehen:
"Menschheit und Menschen" - der Mensch ist in seiner Gesamtheit eben so konzipiert, dass er gerne Illusionen und Narrativen hinterherläuft und beispielsweise auch unbesehen irgendwelche Lehren verinnerlicht, statt sie erst einmal in Frage zu stellen und auf Stichhaltigkeit zu überprüfen. Ganz egal, ob es da um religiöse, politische, traditionelle oder sonstige Haltungen, Lehren, Narrative und Dogmen geht. Umso schlimmer, wenn es scheinheilige Lehren und Narrative sind. Und ich habe im Leben erstens eben immer schon eine vergleichsweise objektive, analysierende und von der allgemeinen Erzählung abweichende Haltung gehabt, zweitens habe ich im Leben auch sehr viel mehr erlebt als der Durchschnitt (sorry!), was mir wiederum zu Erkenntnissen verholfen hat, die viele andere eben nunmal leider nicht haben (ich wünschte es!) und drittens habe ich mich auch auf akademischer Ebene mit dem Thema beschäftigt. Das heißt, der Mensch ist nunmal tatsächlich geneigt, die Welt nicht so zu sehen, wie sie ist. Dabei will ich keinesfalls behaupten, dass ich wüsste, wie sie tatsächlich ist (man beachte meine Formulierung "gewissermaßen"). Denn meine persönliche Annahme ist, dass wir als Menschen sehr wahrscheinlich noch nicht einmal sinnestechnisch genügend dafür ausgerüstet sind, um alles zu begreifen. Und in der einen oder anderen Hinsicht ist das noch nicht einmal eine Vermutung, sondern es ist so. Und nur Wissenschaft und Technik haben uns über unsere eigenen verschrumpelten Sinnesmöglichkeiten hinweg geholfen, dies zu erkennen. Aber allein zu dieser Erkenntnis kommen ja schon mal die wenigsten. Und nein, ich will keine Lehre kreieren, ich will die Wahrheit ergründen. Aber auch das wollen eben die wenigsten. Denn dann müssten sie sich sehr unangenehmen Fragen und Erkenntnissen stellen, die ihre schöne Weltsicht in sich zusammenfallen lassen könnten. Und dann landet man am Ende unter Umständen eben hier. Weswegen ich mich der analysierenden und offenen Sichtweise vieler hier eben auch sehr viel näher fühle als der der meisten "da draußen". Allein das Thema Suizid darf man ja schon nicht offen diskutieren. Und in den seltensten Fällen wäre bzw. ist eine neutrale Diskussion wie eben hier darüber möglich. Abgesehen davon, dass man Menschen, die man liebt, auch nicht unbedingt an seinen dystopischen Erkenntnissen teilhaben lassen und mit in die Tiefe ziehen möchte.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass es mir weitaus lieber wäre, von weniger ergründender Natur zu sein, weil dieses Leben dann vermutlich erträglicher wäre. Sich ohne zu hinterfragen, am gängigen Narrativ orientieren zu können, verschafft eben auch Sicherheit, soziale Akzeptanz, weniger hinderliches Verantwortungsbewusstsein als auch weniger Struggle, weil man begreift, dass man als Mensch selbst seinen eigenen Werten mit ausgiebiger und schonungsloser Analyse unter Umständen gar nicht gerecht werden kann. So sehe ich die Lösung einer ethischen Ernährungsweise beispielsweise nicht im Veganismus. Auch die aktuelle Forschung legt nahe, dass eben selbst das Narrativ, dass es von einem ethischen Standpunkt her besser wäre, Pflanzen zu essen, vielleicht falsch ist. Und nun unterhalte man sich einmal mit all den eingefleischten Carnivoren, Vegetariern und Veganern über das Thema. Am offensten wären wohl noch Fruitarier. Nur treff mal einen. Und so diszipliniert bin ich vor allem leider auch wieder nicht, um mich bei diesen einzureihen. Ganz abgesehen davon, dass es unter ihnen tatsächlich eben oft zu gravierenden gesundheitlichen Folgeerscheinungen kommt. Womit wir wieder beim Thema wären, dass dieses Dasein auf gewisse Weise verdammt ist, sich aufgrund seiner Natur sogar gegen seine eigenen Werte verhalten zu müssen. Das einzusehen, darauf haben wiederum die wenigsten Lust. Denn alle sind doch so herzensgut und rechtens in ihrem Verhalten, dass man das Narrativ zur Not eben entsprechend zusammenzimmern muss. Und das wiederum ist eben sehr typisch für die Menschheit an sich, ganz egal, welches Narrativ sich der einzelne Mensch dabei zurechtlegt.