Das Tabu-Thema und Wünsche
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Das Tabu-Thema und Wünsche
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Zuletzt geändert von outofspace am Mittwoch 2. Oktober 2024, 01:55, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
Denke mir oft, dass es sehr hilfreich wäre, das Thema aus der Tabuzone zu holen. Aber dank Frau Merkel wurde ja alles erst so richtig schön unter den Teppich gekehrt. Von wegen Werther-Effekt und so weiter. Als würde sich das Problem in Luft auflösen, nur weil man es nicht mehr thematisiert. Ich denke, es würde vielmehr umgekehrt ein Schuh daraus werden, wenn Menschen endlich offen sprechen dürften, was sie am Leben halten würde und wenn dem dann auch endlich einmal Rechnung getragen werden würde. Sofern eben möglich. Allerdings ist es ja auch ein Mythos, dass Suizidalität lediglich ein Kopfproblem sei. Vielmehr illustrieren Studien doch schon lange, dass vor allem auch ganz sachliche Umstände eine Rolle spielen. Außerdem denke ich, dass eine Aufklärung über die Risiken eines Suizidversuchs wesentlich abschreckender wären, als lediglich den Werther-Effekt verhindern zu wollen. Allein an den ganzen Kommentaren zum Thema merkt man ja immer wieder, wie sich der Laie da verschätzt. Von wegen feige aus dem Leben scheiden und so weiter. Wir alle hier wissen, dass das ganze Gegenteil der Fall ist. Vor allem, wenn man eben erst mal über die Risiken Bescheid weiß.outofspace hat geschrieben: ↑Dienstag 20. August 2024, 05:10 Macht es "wirklich" Sinn, ein Tabu daraus zu machen...?
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Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
Ich glaube, dass es bei Fachpersonen (also Psychotherapeuten und Psychiater) nicht so sehr um ein Tabu geht, sondern schlicht und einfach um die Verantwortlichkeit und Beaufsichtigungspflicht. Wenn man als Psychiater einen psychisch "labilen" Patienten in seine Obhut übernimmt, übernimmt man quasi auch beruflich die Verantwortung dafür, dass dem Patienten während der Behandlung (im Rahmen seiner psychischen Erkrankung) nichts zustößt, und dazu gehört vor allem das Suizidthema. Mir hat mein Psychiater vor Jahren mal dazu gesagt, dass er bei dem kleinsten Verdacht auf akute Suizidgefährdung schon gesetzlich dazu gezwungen ist, diejenige Person stationär (auch gegen ihren Willen) einweisen zu lassen..und dass er das auch jederzeit tun würde. Und ich würde meinen, dass die allermeisten Psychiater so verfahren..ich hab natürlich schon allein aus diesem Grund das Thema Suizid bei meinem Psychiater immer relativ diplomatisch ausgeklammert..
Und ganz abgesehen davon stellt sich immer die Frage, wie förderlich es (für einen psychotherapeutischen Entwicklungsprozess) aus der Sicht des Psychotherapeuten überhaupt sein kann, über Suizid zu reden (ohne auf konkrete Absichten einzugehen). Auch da winken die meisten Psychotherapeuten von vornherein ab, weil sie ja primär dazu da sind, dem Patienten "für das Leben" zu "motivieren" und nicht durch allgemeine Gespräche darüber eher dafür zu ermutigen, seine Aufmerksamkeit vermehrt auf das Thema zu richten, usw. Und für eine "philosophische" Debatte über das Thema sind bei einer Psychotherapiesitzung schon rein fachlich und zeitlich viel zu enge Grenzen gesetzt..
Bei meinem letzten Erstgespräch bei einem Psychotherapeuten vorigen Jahres hat mir der Therapeut z. B. gesagt (als ich meine Suizidgedanken erwähnt hab), dass er mich nur unter der Bedingung als Patient akzeptieren würde, wenn ich gleichzeitig einen Psychiater aufsuche, der mich engmaschig psychiatrisch und medikamentös betreut, und ich ihm diese Sitzungen auch regelmäßig nachweisen kann..
Also in fachlicher Hinsicht wird sich aus meiner Sicht bei dem Thema kaum jemals etwas verändern, von ganz persönlichen Widerständen, Gegenübertragungen und Ängsten (die auch bei fachlich ausgebildeten Menschen vorkommen..) und einer diesbezüglichen "Befangenheit" will ich gar nicht erst anfangen..
Und ganz abgesehen davon stellt sich immer die Frage, wie förderlich es (für einen psychotherapeutischen Entwicklungsprozess) aus der Sicht des Psychotherapeuten überhaupt sein kann, über Suizid zu reden (ohne auf konkrete Absichten einzugehen). Auch da winken die meisten Psychotherapeuten von vornherein ab, weil sie ja primär dazu da sind, dem Patienten "für das Leben" zu "motivieren" und nicht durch allgemeine Gespräche darüber eher dafür zu ermutigen, seine Aufmerksamkeit vermehrt auf das Thema zu richten, usw. Und für eine "philosophische" Debatte über das Thema sind bei einer Psychotherapiesitzung schon rein fachlich und zeitlich viel zu enge Grenzen gesetzt..
Bei meinem letzten Erstgespräch bei einem Psychotherapeuten vorigen Jahres hat mir der Therapeut z. B. gesagt (als ich meine Suizidgedanken erwähnt hab), dass er mich nur unter der Bedingung als Patient akzeptieren würde, wenn ich gleichzeitig einen Psychiater aufsuche, der mich engmaschig psychiatrisch und medikamentös betreut, und ich ihm diese Sitzungen auch regelmäßig nachweisen kann..
Also in fachlicher Hinsicht wird sich aus meiner Sicht bei dem Thema kaum jemals etwas verändern, von ganz persönlichen Widerständen, Gegenübertragungen und Ängsten (die auch bei fachlich ausgebildeten Menschen vorkommen..) und einer diesbezüglichen "Befangenheit" will ich gar nicht erst anfangen..
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Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
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Zuletzt geändert von outofspace am Mittwoch 2. Oktober 2024, 01:55, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
@outofspaceoutofspace hat geschrieben: ↑Dienstag 20. August 2024, 05:10 (...)
Ich finde das fast schon "Amüsant",wer sich 1-2 Dinge zur Prävention "Durchliest", wird auch lesen dass es am Schlimmsten ist, wenn jemand nichts sagt oder sagen "darf". und besser ist, wenn Leute drüber reden.
(...)
Ich weiß was man sagen "darf" und was nichtAlles mal getan, lang ist her
Weiß welche Sätze zu was führen (meine das, was man auf keinen Fall möchte..)
(...)
Heißt aber im Klartext, was soll ich denn mit jemanden reden, wenn ich nichtmal ein mini Hauch von dem sagen darf, was ich denke.... wenn man nichtmal sagen dürfte "ich kann nicht mehr"?
(...)
Eigentlich will ich nur "reden" können, Verständnis und nicht Veruteilt werden....(und vlt jemanden wichtig sein
(...)
Ich finde das hast du wirklich sehr gut formuliert: einerseits "soll" man eigentlich ganz unbedingt bitte darüber reden, doch sobald man es dann auch tut und hierbei einfach nur ehrlich ist, stößt man beim Gegenüber sehr schnell an dessen Grenzen.
Anstatt frei und offen die Wahrheit aussprechen zu können und als Feedback zumindest Akzeptanz und Toleranz zu erhalten, wird man mal mehr und mal weniger brutal, aber jedesmal unglaublich schmerzhaft zurück in die Tabuzone, dieses immer enger und unerträglicher in die Seele schneidende Netz aus Lügen und Schweigen, gestoßen.
Solange sich private und professionelle Ansprechpartner in einer Weise verhalten, dass sie ihre persönlichen Ansichten bzw. unreflektiert übernommenen (Lehr)Meinungen für "wichtiger und richtiger" erachten als die Gedanken und Gefühle des Betroffenen selbst, scheint hier eine beidseitig offene und ernsthafte Kommunikation kaum möglich zu sein.
Auch wenn heutzutage die Monatsblutung nicht mehr in der Faust stattfindet und Inkontinenz zum Stammtischgespräch ausgerufen wird, so ist die Gesellschaft leider noch immer meilenweit von tatsächlich gelebter Toleranz und der Bereitschaft zur Öffnung gegenüber echten Tabuthemen entfernt.
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Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
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Zuletzt geändert von outofspace am Mittwoch 2. Oktober 2024, 01:54, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
Man stelle sich exakt dieselbe Situation vor, nur genau andersherum...
Jemand hatte zB einen sehr schweren Unfall mit derart gravierenden gesundheitlichen Folgen, dass nicht betroffene außenstehende Menschen sich absolut nicht vorstellen können, wie in diesem Zustand ein lebenswertes Leben noch möglich sein könnte.
Der Betroffene selbst ist jedoch einfach nur froh überhaupt noch am Leben zu sein, er möchte definitiv weitermachen und benötigt hierfür entsprechende Hilfe und Unterstützung. Diese Einstellung und Gedanken kommuniziert er auch ganz klar und deutlich zu seinen Angehörigen, Freunden, Ärzten.
Statt nun auf ihn und seine ausdrücklichen Wünsche und Bedürfnisse einzugehen, werden diese allerdings komplett ignoriert und übergangen. Jeder erklärt ihm stattdessen, dass sein Leben definitiv keinerlei Qualität und Sinn mehr hätte und auch niemals wieder haben würde. Sein Leben sei für ihn vielmehr eine solche unerträgliche Qual geworden, dass nur der Tod als Erlösung infrage kommen würde.
Der Betroffene möge daher doch bitte endlich damit aufhören, irgendetwas an seiner Existenz auch noch schön zu reden und sein Umfeld mit derartigen lebensbejahenden Aussagen unnötig zu irritieren und zu belasten- wo doch wirklich jeder soooviel besser weiß, wie furchtbar schlecht es ihm zu gehen hat und was in Anbetracht seiner Situation das einzig Beste für ihn ist.
Welcher neutrale Leser dieses Verhalten völlig zu recht als absurd, unangemessen und unmenschlich empfindet, der sollte vielleicht auch einmal ganz kurz über die Anmaßung und Scheinheiligkeit nachdenken, die uns nicht-lebenswilligen Menschen mit ebensolcher verachtender und realitätsfremder Selbstverständlichkeit entgegengebracht werden.
Jemand hatte zB einen sehr schweren Unfall mit derart gravierenden gesundheitlichen Folgen, dass nicht betroffene außenstehende Menschen sich absolut nicht vorstellen können, wie in diesem Zustand ein lebenswertes Leben noch möglich sein könnte.
Der Betroffene selbst ist jedoch einfach nur froh überhaupt noch am Leben zu sein, er möchte definitiv weitermachen und benötigt hierfür entsprechende Hilfe und Unterstützung. Diese Einstellung und Gedanken kommuniziert er auch ganz klar und deutlich zu seinen Angehörigen, Freunden, Ärzten.
Statt nun auf ihn und seine ausdrücklichen Wünsche und Bedürfnisse einzugehen, werden diese allerdings komplett ignoriert und übergangen. Jeder erklärt ihm stattdessen, dass sein Leben definitiv keinerlei Qualität und Sinn mehr hätte und auch niemals wieder haben würde. Sein Leben sei für ihn vielmehr eine solche unerträgliche Qual geworden, dass nur der Tod als Erlösung infrage kommen würde.
Der Betroffene möge daher doch bitte endlich damit aufhören, irgendetwas an seiner Existenz auch noch schön zu reden und sein Umfeld mit derartigen lebensbejahenden Aussagen unnötig zu irritieren und zu belasten- wo doch wirklich jeder soooviel besser weiß, wie furchtbar schlecht es ihm zu gehen hat und was in Anbetracht seiner Situation das einzig Beste für ihn ist.
Welcher neutrale Leser dieses Verhalten völlig zu recht als absurd, unangemessen und unmenschlich empfindet, der sollte vielleicht auch einmal ganz kurz über die Anmaßung und Scheinheiligkeit nachdenken, die uns nicht-lebenswilligen Menschen mit ebensolcher verachtender und realitätsfremder Selbstverständlichkeit entgegengebracht werden.
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Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
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Zuletzt geändert von outofspace am Mittwoch 2. Oktober 2024, 01:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
Es ist und bleibt ein hochsensibles Thema, mit dem die meisten Menschen schlichtweg komplett überfordert sind.
Was u.a. mit unserem gesamtgesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Tod und Sterben im allgemeinen zusammenhängt bzw unserer pseudo-positiven Wohlfühlgesellschaft
Und immernoch maßen sich Nichtbetroffene an, Suizid als feige, egoistisch usw zu verurteilen. Da kommt mir das Kotzen bei so wenig Empathie und hirnrissigem Nachgeplapper.
Letztens auf YouTube eine Arte Doku entdeckt "was treibt Menschen in den Suizid"
Uff, warum lässt man die Leute nicht einfach gehen? Warum muss man um jeden Preis am Leben bleiben, auch dann wenn jeder Tag die Hölle ist?!?
Man kann nicht jeden retten, erst recht nicht, wenn die Person keine Lebensmotivation mehr hat!!!
VIELEN MENSCHEN WÜRDE ES SCHON HELFEN, OFFEN DARÜBER REDEN ZU KÖNNEN UND ZU WISSEN, SIE KÖNNTEN DIE HILFE ERHALTEN UM OFFIZIELL EINSCHLAFEN ZU DÜRFEN, WENN SIE ES GAR NICHT MEHR AUSHIELTEN.
Meine Meinung
Was u.a. mit unserem gesamtgesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Tod und Sterben im allgemeinen zusammenhängt bzw unserer pseudo-positiven Wohlfühlgesellschaft
Und immernoch maßen sich Nichtbetroffene an, Suizid als feige, egoistisch usw zu verurteilen. Da kommt mir das Kotzen bei so wenig Empathie und hirnrissigem Nachgeplapper.
Letztens auf YouTube eine Arte Doku entdeckt "was treibt Menschen in den Suizid"
Uff, warum lässt man die Leute nicht einfach gehen? Warum muss man um jeden Preis am Leben bleiben, auch dann wenn jeder Tag die Hölle ist?!?
Man kann nicht jeden retten, erst recht nicht, wenn die Person keine Lebensmotivation mehr hat!!!
VIELEN MENSCHEN WÜRDE ES SCHON HELFEN, OFFEN DARÜBER REDEN ZU KÖNNEN UND ZU WISSEN, SIE KÖNNTEN DIE HILFE ERHALTEN UM OFFIZIELL EINSCHLAFEN ZU DÜRFEN, WENN SIE ES GAR NICHT MEHR AUSHIELTEN.
Meine Meinung
Re: Das Tabu-Thema und Wünsche
In der Tat, und doch hatten wir eine solche Situation ja schon einmal vor nicht allzu ferner Zeit …outofspace hat geschrieben: ↑Montag 2. September 2024, 01:17 auf jeden Fall ein interessanter Gedanke @ Lexx
so absurd, dass es ganz schön schwer fällt, sich es vorzustellen![]()