Internet-Suizidforen: Chancen und Risiken
Verfasst: Samstag 16. Januar 2010, 01:40
Soziale Deprivation führt manchen geradewegs ins Internet und in die Suizidforen. Dort angekommen, werden viele zunächst enttäuscht sein. Die Einen sehen das Problem in uneinsichtigen Patienten, die ihr Gehirn nicht freiwillig an der Pforte des Irrenhauses abgeben wollen, um sich helfen zu lassen. Die Anderen sehen das Problem in der Unabänderlichkeit ihrer eigenen Vorgeschichte, die sie stringent zum Untergang verurteilt; und in der Ignoranz derjenigen, die ihre schicksalsfügige Weltanschauung anderen auf militante Weise zu Norm machen wollen. Dies führt jedoch zwangsläufig zu einer Verhärtung der Fronten! Anhand einiger Quellen läßt sich wenigstens ein Überblick dieser Situation geben:
Internet-Suizidforen: Chancen und Risiken
Ob durch die Nutzung von Suizidforen neue Probleme generiert werden oder sogar Suizidalität gefördert wird, ist pauschal nicht zu beantworten. In den meisten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass durch die Teilnahme an derartigen Foren nicht zwangsläufig ein Suizid hervorgerufen wird.
Basierend auf Ergebnissen der ARD/ZDF-Online-Studie 2003 nutzt mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung zumindest gelegentlich das Internet. Seit erstmaliger Durchführung dieser Studie im Jahr 1997 hat sich die Zahl der Nutzer damit von 4,1 Millionen (6,5 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren) auf über 34,4 Millionen erhöht. Von den Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren nutzen über 90 Prozent das Internet, von den 20- bis 29-Jährigen sind es immer noch mehr als 80 Prozent. Die vorrangigen Gründe für die Nutzung des Internet sind unterschiedlich. Neben der Inanspruchnahme bestimmter Servicedienste stellen die Suche nach Informationen und der Austausch mit Dritten wichtige Interessenschwerpunkte dar. Insbesondere die Suche nach gesundheits- und krankheitsbezogenen Informationen ist für viele Menschen von großem Interesse. Da mit wenigen Mausklicks der Rückgriff auf fast jede Information von jedem beliebigen Zeitpunkt und von jedem Ort der Welt möglich ist, vermittelt das Internet den Eindruck einer zeitlosen und allgegenwärtigen Informationsquelle.
Austausch und Kontakt
Patienten können im Internet wichtige Informationen zu ihrer Erkrankung finden. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen stellt die Möglichkeit zur anonymen Kommunikation im Internet eine Gelegenheit zum Austausch dar, ohne persönlich in Erscheinung treten zu müssen. Vor allem bei existierenden Rückzugstendenzen, Antriebsmangel oder Scham aufgrund der Erkrankung sind dies bedeutende Aspekte.
Für zurückgezogene oder isolierte Patienten besteht die Chance der Kontaktpflege und des Austauschs mit anderen, sie finden Unterstützung bei Problemen bis hin zur subjektiv empfundenen Geborgenheit. Im eingeschränkten Rahmen können über das Internet auch Selbsthilfeangebote genutzt und Therapieunterstützung angeboten werden. Diese Maßnahmen stärken die Position des Patienten zum Beispiel in der Kommunikation mit Behandlungseinrichtungen und ermöglichen es ihm, sich besser als kompetenter Partner an den Entscheidungen zur weiteren Behandlung seiner Erkrankung zu beteiligen ("shared decision making").
Rückzug und Isolation
Auf der anderen Seite können das Surfen und Chatten Rückzugstendenzen und Isolation auch fördern. Es besteht das Risiko, dass soziale Kontakte im realen Leben durch virtuelle ersetzt werden. Möglicherweise nimmt intensive Internet-Nutzung auch einen negativen Einfluss auf das Hilfesuchverhalten. Der Rückzug in eine virtuelle Welt birgt die Gefahr der Polarisierung in sich und verursacht oft Fehleinschätzungen der eigenen Situation. Dies ist gerade für labile oder psychisch erkrankte Menschen schwer zu erkennen und aufzufangen.
Die visuelle Deprivation der Internet-Kommunikation ist ein weiteres Merkmal, das Einfluss auf die Art und Weise des Austausches nimmt. Die Tatsache, dass man sein Gegenüber nicht sieht und kein visuelles Feedback in Bezug auf die eigenen Äußerungen erhält, fördert Kommunikationsinhalte und -stile, die im Vergleich zur "Face-to-Face"-Auseinandersetzung offener, aber auch enthemmter oder aggressiver sein können. Ähnliche Ergebnisse sind seit langem aus Untersuchungen zur Methodik telefonischer Befragungen bekannt.
Fragwürdige Qualität
Nach wie vor stellt vor allem die Einschätzung der Qualität bestehender Informations- oder Behandlungsangebote im Internet ein erhebliches Problem dar. Ergebnisse einer Untersuchung an 600 Patienten einer psychiatrischen Klinik haben ergeben, dass etwa 40 Prozent der Befragten regelmäßig Hilfsangebote im Internet nutzen. Nur etwa die Hälfte dieser Nutzer gab allerdings an, auch von den oftmals widersprüchlichen oder sogar falschen Informationen profitiert zu haben. Allgemein gültige Qualitätssiegel und -standards existieren nur rudimentär und sind einer größeren Öffentlichkeit meist nicht bekannt.
Online-Suizidforen
Was für Informationen im weltweiten Netz im Allgemeinen gilt, gilt auch für die so genannten "Online-Suizidforen", die die Möglichkeit der Interaktion in Form von so genannten Postings oder Chatrooms mit anderen Internet- Teilnehmern bieten. Diese Diskussionsforen sind in der Regel in mehr oder minder aufwändige Web-Seiten, auf denen das Thema "Suizid" in den verschiedensten Spielarten thematisiert wird, eingebettet. Auf vielen dieser Seiten werden Suizidgedanken und -methoden teilweise sehr detailliert diskutiert. Mittlerweile werden im Internet hunderte oder sogar tausende solcher Web-Seiten angeboten. Genaue Angaben sind aufgrund der sich ständig verändernden Situation im Internet nicht möglich.
Suizidhäufigkeit
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beenden in Deutschland rund 12.000 Menschen jährlich ihr Leben durch einen Suizid. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa zehnmal so viele Suizidversuche unternommen werden. Ergebnissen psychologischer Autopsiestudien zufolge stehen etwa 90 Prozent der vollzogenen Suizide im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen.
In den meisten Fällen liegen Suiziden affektive Störungen (depressive Erkrankungen) zugrunde (etwa zwei Drittel), gefolgt von Suchterkrankungen (Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit) und Schizophrenien. Nach Angaben der Forschungsgruppe Suizidalität und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sind Suizide auch bei alten und einsamen Menschen häufig zu finden.
Bedeutung des Internets
Welche Rolle das Internet im Allgemeinen für die Vorbereitung oder Förderung von Suiziden spielt, ist schwer zu beurteilen. Immer wieder suggerieren spektakuläre Fallberichte und tragische Suizide, bei denen zum Beispiel Verabredungen zum gemeinsamen Suizid über das Internet getätigt wurden, eine große Relevanz des Mediums für eine steigende Zahl von Suiziden und Suizidversuchen. Die systematische Untersuchung der Rolle des Internet ist allerdings aus methodischen Gründen sehr schwierig. Eine ganze Reihe von Faktoren trägt zu diesen Problemen bei.
Einschlägige Websites, auf denen zum Beispiel methodische Hilfestellungen für Suizide gegeben werden oder über die Verabredungen getroffen werden können, sind nicht umfassend bekannt, und eine Überwachung der gesamten Kommunikation im Internet ist gar nicht möglich. Das Internet ist darüber hinaus hochflexibel und verändert sich ständig. Kontrollen oder Regularien laufen hier oftmals ins Leere, und technisch (juristisch) ist der Zugriff auf Web- Seiten zum Beispiel im Ausland sehr schwierig.
Empirische Untersuchungen zur Rolle des Internet bei Suiziden liegen demzufolge praktisch nicht vor. In der Regel beschränken sich auch die in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierten Beiträge auf einzelne Fallberichte oder allgemeine Angaben, etwa zur Risikoabschätzung.
Auf den ersten Blick ist es oft nicht möglich herauszufinden, ob ein bestimmtes Diskussionsforum seriös ist und den User mit wertvollen Informationen versorgt oder eine der leicht im Internet aufzufindenden Seiten dem Leser detaillierte Beschreibungen liefert, wie man Suizid begehen kann, Argumente für und gegen bestimmte Methoden aufzeigt und den Nutzer in speziellen Fällen sogar mit konkreten Hinweisen darin unterstützt, sein Leben zu beenden.
Es finden sich handfeste Tipps zu Selbsttötungspraktiken und Bezugsquellen für Medikamente oder sogar Waffen. Grundsätzlich lassen sich drei Arten von Foren zum Thema Suizid unterscheiden. Einige Foren haben einen professionellen Moderator (Experte wie Arzt oder Psychologe), der gegebenenfalls intervenierend eingreift und zum Beispiel Suizidankündigungen löscht und versucht, mit dem Betroffenen einen direkten Kontakt herzustellen. Diese Foren stellen eher die Ausnahme dar, da die Betreuung durch die Experten recht aufwändig ist. Relativ häufig sind Foren mit einem oder mehreren Moderatoren, die - in Abhängigkeit von der Intention der jeweiligen Web-Seite - einen Erfahrungsaustausch etwa hinsichtlich konkreter Methoden zulässt oder unterbindet. Einige dieser Foren verweisen suizidgefährdete Menschen auch auf Hilfsangebote, andere lehnen Interventionen von außen (durch Ärzte, Psychotherapeuten, Angehörige) explizit ab. Schließlich gibt es noch Diskussionsforen ohne supervidierenden Moderator, die absolut unkontrolliert sind.
Chancen von Suizidforen
Eine wichtige Funktion der Suizidforen stellt die Möglichkeit dar, hier auf Menschen mit ähnlichen Problemen zu treffen, die einander Verständnis entgegenbringen. Hinzu kommt, dass die Diskussion um das Thema "Suizidalität" üblicherweise tabuisiert wird. Durch die offene Kommunikation zum Thema Suizid mit Gleichgesinnten vollzieht sich schnell eine Schwellensenkung hinsichtlich einer sonst oft eher tabuisierten Thematik.
Die allgemeine Beschäftigung mit dem Thema Suizidalität ist vielen Menschen bekannt. In Krisensituationen oder bei psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel depressiven Störungen sind Kognitionen, die um Suizidalität kreisen, sehr häufig. Dennoch ist es für die Betroffenen schwierig, diese Gedanken gegenüber Dritten zu äußern, ohne auf Ablehnung, große Verunsicherung oder Hilflosigkeit beim Gesprächspartner zu stoßen. Vor diesem Hintergrund haben entsprechende Web-Seiten, die die Möglichkeit bieten, sich zu diesem Thema anonym und niedrigschwellig auszutauschen, eine hohe Attraktivität. Neben der anonymen Mitteilung von Problemen, Sorgen und Fragen erfahren die Nutzer von Internet-Foren unter Umständen eine emotionale Entlastung durch den Austausch.
Damit ist grundsätzlich auch die Möglichkeit zur Einleitung von Hilfsprozessen verbunden. Personen, die bestehende Hilfsangebote bisher nicht oder nur eingeschränkt genutzt haben, können möglicherweise per Internet erreicht werden. Online verfügbare Information können den Betroffenen vermittelt und weitere Schritte auf dem Weg zur Hilfesuche eingeleitet werden.
Die Gefahren aus dem Web
Wie auch aus anderen Kontexten bekannt, sammeln sich in vielen dieser unkontrollierten Suizidforen Vertreter einer Subkultur, die sich über die Beschäftigung mit dem Thema Suizidalität definiert. Mögliche Risiken für Besucher dieser Foren können durch die Modellfunktion anderer Teilnehmer (so genannter "Werther-Effekt"), Trivialisierung der Selbsttötung, die Senkung der Schwelle für suizidales Handeln, erlebten Gruppendruck oder konkrete Methodeninformationen entstehen. Für psychisch gesunde bzw. stabile Menschen ist der Besuch solcher Web-Seiten vermutlich weit gehend risikolos.
Diese Besucher werden vermutlich mehrheitlich von Neugier, dem Reiz eines tabuisierten Themas oder auch Voyeurismus getrieben. Eine von diesen Foren ausgehende mögliche Gefahr erstreckt sich jedoch vermutlich vor allem auf einen Personenkreis, der an einer manifesten psychiatrischen Erkrankung leidet oder sich in einer akuten Krisensituation befindet. Suizidforen im Internet sind deshalb riskant, weil sich dahinter eine Subkultur verbergen kann, die sich - wie auch andere Subkulturen - im Verborgenen und zum Teil abgeschirmt austauscht. Nicht selten wird professionelle Hilfe oder Unterstützung von außen in diesen Kreisen explizit abgelehnt.
Über die Nutzer dieser Foren ist in der Regel wenig bekannt. Da die Anmeldung zur Beteiligung an einschlägigen Chats und Foren in der Regel keine weiteren Voraussetzungen als eine E-Mail-Adresse erfordert, existieren nur in den seltensten Fällen Möglichkeiten, einen bestimmten Nutzer anhand seines so genannten "Nicknames" (selbst gewählter Benutzername) zu identifizieren. Damit sind verlässliche Aussagen über die tatsächlichen Nutzer dieser Angebote, die etwa eine Risikoabschätzung aufgrund bekannter Vulnerabilitätsfaktoren erlauben würden (depressive Erkrankung etc.), nahezu unmöglich.
Erheblicher Einfluss auf die Wahrnehmung
Verfolgt man Diskussionen in Suizidforen, ist es oftmals gar nicht oder nur sehr schwer möglich herauszufinden, ob diese virtuellen Diskussionen im Einzelfall einen ernsten Hintergrund haben oder ob es sich um zum Teil geschmackloses Kokettieren mit dem Thema Suizidalität handelt. Es ist aber anzunehmen, dass neben interessierten Nutzern und Voyeuren vor allem Menschen mit erheblichen psychosozialen Problemen, in akuten Krisen oder psychiatrischen Erkrankungen auf Angebote von Suizidseiten zurückgreifen. Beispiele für solche gefährdeten Besucher sind Jugendliche in Krisensituationen oder Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen, bei denen es immer wieder zu suizidalen Krisen kommen kann.
Die Interaktionsprozesse, die in Suizidforen ablaufen, sind nur schwer zusammenfassend zu beschreiben, da sie in Abhängigkeit von den jeweils Beteiligten erheblich variieren können. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass die intensive Beschäftigung mit dem Thema Suizidalität und die Abgeschlossenheit der virtuellen Gruppe von externen Informationsquellen dazu geeignet sind, einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung und das mögliche spätere Handeln des Individuums zu haben. Selektive Informationen und der Kontakt mit anderen Usern, die als ähnliche Modelle für die eigene Situation angesehen werden, führen unter Umständen zur Verfestigung einer suizidalen Handlungsabsicht. Was die einen als Tabubruch reizt, kann für andere tödlicher Ernst sein.
Häufig kommt es durch die von der Realität losgelöste Beschäftigung mit dem Thema Suizid zu einer Glorifizierung desselben. Das Risiko für Nachahmungshandlungen ("Werther-Effekt") wird dadurch möglicherweise erhöht. Dieser Zusammenhang ist etwa auch aus der Medienberichterstattung über Suizide bekannt.
Resümee
Ob durch die Nutzung des Internet an sich und Suizidforen im Speziellen neue Probleme generiert werden oder sogar Suizidalität gefördert wird, ist pauschal nicht zu beantworten. Anhand der bekannten Einzelfälle ist es schwierig, generelle Aussagen über Suizidforen im weltweiten Netz zu treffen. In den meisten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass durch die Teilnahme an derartigen Foren nicht zwangsläufig ein Suizid hervorgerufen wird. In der Diskussion wird häufig vernachlässigt, dass der anonyme Austausch zu einem tabuisierten Thema auch eine emotionale Entlastung darstellen kann. Wichtige Faktoren, die das spezifische Risiko hingegen möglicherweise erhöhen, stellen die außerordentlich leichte Verfügbarkeit des Mediums und der einfache Zugang zu diesen Web-Seiten dar.
Auch mangelnde soziale Kontrolle und die nur rudimentär vorhandenen Möglichkeiten zur Intervention von außen sind relevante Aspekte, die aber zum Beispiel auch in sozialen Randgruppen zum Tragen kommen. Auch die Möglichkeiten zur Intervention auf juristischer Basis sind eingeschränkt und mit (technischen) Besonderheiten verbunden, die systematische Kontrollen auch hier auf nationaler Ebene sehr schwer machen.
Eine besondere Risikogruppe stellen psychisch labile oder psychiatrisch erkrankte Patienten dar, bei denen die Gefahr der ausschließlichen Konzentration auf virtuelle Kontakte sowie Informationen zweifelhafter Güte und aufgrund der Erkrankung unter Umständen eine besondere Vulnerabilität hinsichtlich des Themas Suizidalität besteht. Für diese Personengruppe besteht bei der Teilnahme an Suizidforen sicherlich ein nicht unerhebliches Risiko, dass die Hemmschwelle suizidaler Handlungen durch selektive Informationen und Ablehnung funktionierender Hilfsangebote sinkt. Insbesondere bei psychisch erkrankten Menschen stellt eine adäquate Behandlung, die nicht durch virtuelle Kontakte zu ersetzen ist, nach wie vor das Mittel der Wahl dar. Alternative Verhaltensweisen, die bestehenden Rückzugstenzenden oder sozialer Deprivation und Antriebsarmut entgegenwirken, sind häufig nur schwerlich mit einer zeitlich umfangreichen und unkontrollierten Internet-Nutzung zu vereinbaren.
Stärkung seriöser wissenschaftlicher Angebote nötig
Die Rolle des Internet als Quelle für krankheitsbezogene und medizinische Informationen wird zukünftig eher noch wachsen. Schon heute konfrontieren Patienten ihre Behandler oftmals mit Informationen oder Behandlungsvorschlägen, die sie aus dem Internet erhalten haben. In diesem Zusammenhang stellt die Stärkung seriöser und wissenschaftlich fundierter Angebote zu krankheitsbezogenen Themen eine wichtige Aufgabe für die Zukunft dar. Einige Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass auch die Unterstützung von Patienten, etwa im Anschluss an stationäre Behandlungen, eine interessante und viel versprechende Option darstellt. Beispielsweise im Bereich psychiatrischer Erkrankungen können das Internet und internetgestützte Kommunikation zukünftig einen wichtigen Beitrag zur poststationären Anbindung von Betroffenen und damit zur Verhinderung von Rückfällen leisten.
Literatur bei den Autoren
Dipl. Psych. Tim Pfeiffer-Gerschel, Prof. Dr. Ulrich Hegerl und Isabel Seidscheck,
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München
MMA / CliniCum psy 4/2004
---
Soziale Ursachen des Suizids
Oft werden Suizide auf psychische Erkrankungen wie Depression und Schizophrenie zurückgeführt. Es gibt jedoch auch gesellschaftliche Ursachen, wie mehrere Studien im British Medical Journal belegen...
---
Der Begriff Deprivation (von lateinisch de-„privare” = berauben) bezeichnet allgemein den Zustand der Entbehrung, eines Entzuges oder der Isolation von etwas Vertrautem, eines Verlustes, eines Mangels oder das Gefühl einer (sozialen) Benachteiligung.
[Quelle: Wikipedia]
Arten der Deprivation
[Auszug; Wikipedia]
Soziale Deprivation
Soziale Deprivation bezeichnet jede Form von sozialer Ausgrenzung, welche stattfinden kann durch Zugehörigkeit zu einer sozialen Randgruppe und/oder Armut. Mögliche Folgen sozialer Deprivation können sein: Alkoholismus, Behinderung, Extremismus, Vermüllung der Wohnung, Tabletten-/Drogensucht, Resignation, schwere/mittel schwere Depressionen bis hin zu Suizid-Gefahr.
Relative Deprivation
Von relativer Deprivation spricht man, wenn über soziale Vergleichsprozesse in einer Referenzgruppe ein Individuum feststellt, dass es hinsichtlich seiner Erwartungen und Wünsche benachteiligt, unzufrieden oder enttäuscht ist. [...] Die relative Deprivation wird somit auch als subjektive Deprivation bezeichnet, da man das subjektive Erleben von Benachteiligung und das eigene Gefühl von Diskriminierung und von Vernachlässigung, unabhängig von der tatsächlichen Situation, erleben kann. [...]
Grundsätzlich können zwei Quellen für das Aufkommen von relativer Deprivation und das damit verbundene Gefühl von Unzufriedenheit ausgemacht werden: Entweder entsteht dies durch den Vergleich mit einer Bezugsgruppe, oder aber durch den Vergleich mit der eigenen Vergangenheit.
Vaterdeprivation
Entbehrung des Vaters oder Vaterverlust. Folgen hiervon seien seelische und psychosomatische Störungen, selbstverletzendes Verhalten, Beziehungsstörungen, soziale Auffälligkeiten, bis hin zur Kriminalität, Leistungsversagen, kognitive Defizite und psychosexuelle Identitätsprobleme.
usw.
[Quelle: Wikipedia]
LG sabbersack
Internet-Suizidforen: Chancen und Risiken
Ob durch die Nutzung von Suizidforen neue Probleme generiert werden oder sogar Suizidalität gefördert wird, ist pauschal nicht zu beantworten. In den meisten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass durch die Teilnahme an derartigen Foren nicht zwangsläufig ein Suizid hervorgerufen wird.
Basierend auf Ergebnissen der ARD/ZDF-Online-Studie 2003 nutzt mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung zumindest gelegentlich das Internet. Seit erstmaliger Durchführung dieser Studie im Jahr 1997 hat sich die Zahl der Nutzer damit von 4,1 Millionen (6,5 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren) auf über 34,4 Millionen erhöht. Von den Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren nutzen über 90 Prozent das Internet, von den 20- bis 29-Jährigen sind es immer noch mehr als 80 Prozent. Die vorrangigen Gründe für die Nutzung des Internet sind unterschiedlich. Neben der Inanspruchnahme bestimmter Servicedienste stellen die Suche nach Informationen und der Austausch mit Dritten wichtige Interessenschwerpunkte dar. Insbesondere die Suche nach gesundheits- und krankheitsbezogenen Informationen ist für viele Menschen von großem Interesse. Da mit wenigen Mausklicks der Rückgriff auf fast jede Information von jedem beliebigen Zeitpunkt und von jedem Ort der Welt möglich ist, vermittelt das Internet den Eindruck einer zeitlosen und allgegenwärtigen Informationsquelle.
Austausch und Kontakt
Patienten können im Internet wichtige Informationen zu ihrer Erkrankung finden. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen stellt die Möglichkeit zur anonymen Kommunikation im Internet eine Gelegenheit zum Austausch dar, ohne persönlich in Erscheinung treten zu müssen. Vor allem bei existierenden Rückzugstendenzen, Antriebsmangel oder Scham aufgrund der Erkrankung sind dies bedeutende Aspekte.
Für zurückgezogene oder isolierte Patienten besteht die Chance der Kontaktpflege und des Austauschs mit anderen, sie finden Unterstützung bei Problemen bis hin zur subjektiv empfundenen Geborgenheit. Im eingeschränkten Rahmen können über das Internet auch Selbsthilfeangebote genutzt und Therapieunterstützung angeboten werden. Diese Maßnahmen stärken die Position des Patienten zum Beispiel in der Kommunikation mit Behandlungseinrichtungen und ermöglichen es ihm, sich besser als kompetenter Partner an den Entscheidungen zur weiteren Behandlung seiner Erkrankung zu beteiligen ("shared decision making").
Rückzug und Isolation
Auf der anderen Seite können das Surfen und Chatten Rückzugstendenzen und Isolation auch fördern. Es besteht das Risiko, dass soziale Kontakte im realen Leben durch virtuelle ersetzt werden. Möglicherweise nimmt intensive Internet-Nutzung auch einen negativen Einfluss auf das Hilfesuchverhalten. Der Rückzug in eine virtuelle Welt birgt die Gefahr der Polarisierung in sich und verursacht oft Fehleinschätzungen der eigenen Situation. Dies ist gerade für labile oder psychisch erkrankte Menschen schwer zu erkennen und aufzufangen.
Die visuelle Deprivation der Internet-Kommunikation ist ein weiteres Merkmal, das Einfluss auf die Art und Weise des Austausches nimmt. Die Tatsache, dass man sein Gegenüber nicht sieht und kein visuelles Feedback in Bezug auf die eigenen Äußerungen erhält, fördert Kommunikationsinhalte und -stile, die im Vergleich zur "Face-to-Face"-Auseinandersetzung offener, aber auch enthemmter oder aggressiver sein können. Ähnliche Ergebnisse sind seit langem aus Untersuchungen zur Methodik telefonischer Befragungen bekannt.
Fragwürdige Qualität
Nach wie vor stellt vor allem die Einschätzung der Qualität bestehender Informations- oder Behandlungsangebote im Internet ein erhebliches Problem dar. Ergebnisse einer Untersuchung an 600 Patienten einer psychiatrischen Klinik haben ergeben, dass etwa 40 Prozent der Befragten regelmäßig Hilfsangebote im Internet nutzen. Nur etwa die Hälfte dieser Nutzer gab allerdings an, auch von den oftmals widersprüchlichen oder sogar falschen Informationen profitiert zu haben. Allgemein gültige Qualitätssiegel und -standards existieren nur rudimentär und sind einer größeren Öffentlichkeit meist nicht bekannt.
Online-Suizidforen
Was für Informationen im weltweiten Netz im Allgemeinen gilt, gilt auch für die so genannten "Online-Suizidforen", die die Möglichkeit der Interaktion in Form von so genannten Postings oder Chatrooms mit anderen Internet- Teilnehmern bieten. Diese Diskussionsforen sind in der Regel in mehr oder minder aufwändige Web-Seiten, auf denen das Thema "Suizid" in den verschiedensten Spielarten thematisiert wird, eingebettet. Auf vielen dieser Seiten werden Suizidgedanken und -methoden teilweise sehr detailliert diskutiert. Mittlerweile werden im Internet hunderte oder sogar tausende solcher Web-Seiten angeboten. Genaue Angaben sind aufgrund der sich ständig verändernden Situation im Internet nicht möglich.
Suizidhäufigkeit
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beenden in Deutschland rund 12.000 Menschen jährlich ihr Leben durch einen Suizid. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa zehnmal so viele Suizidversuche unternommen werden. Ergebnissen psychologischer Autopsiestudien zufolge stehen etwa 90 Prozent der vollzogenen Suizide im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen.
In den meisten Fällen liegen Suiziden affektive Störungen (depressive Erkrankungen) zugrunde (etwa zwei Drittel), gefolgt von Suchterkrankungen (Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit) und Schizophrenien. Nach Angaben der Forschungsgruppe Suizidalität und Psychotherapie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sind Suizide auch bei alten und einsamen Menschen häufig zu finden.
Bedeutung des Internets
Welche Rolle das Internet im Allgemeinen für die Vorbereitung oder Förderung von Suiziden spielt, ist schwer zu beurteilen. Immer wieder suggerieren spektakuläre Fallberichte und tragische Suizide, bei denen zum Beispiel Verabredungen zum gemeinsamen Suizid über das Internet getätigt wurden, eine große Relevanz des Mediums für eine steigende Zahl von Suiziden und Suizidversuchen. Die systematische Untersuchung der Rolle des Internet ist allerdings aus methodischen Gründen sehr schwierig. Eine ganze Reihe von Faktoren trägt zu diesen Problemen bei.
Einschlägige Websites, auf denen zum Beispiel methodische Hilfestellungen für Suizide gegeben werden oder über die Verabredungen getroffen werden können, sind nicht umfassend bekannt, und eine Überwachung der gesamten Kommunikation im Internet ist gar nicht möglich. Das Internet ist darüber hinaus hochflexibel und verändert sich ständig. Kontrollen oder Regularien laufen hier oftmals ins Leere, und technisch (juristisch) ist der Zugriff auf Web- Seiten zum Beispiel im Ausland sehr schwierig.
Empirische Untersuchungen zur Rolle des Internet bei Suiziden liegen demzufolge praktisch nicht vor. In der Regel beschränken sich auch die in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierten Beiträge auf einzelne Fallberichte oder allgemeine Angaben, etwa zur Risikoabschätzung.
Auf den ersten Blick ist es oft nicht möglich herauszufinden, ob ein bestimmtes Diskussionsforum seriös ist und den User mit wertvollen Informationen versorgt oder eine der leicht im Internet aufzufindenden Seiten dem Leser detaillierte Beschreibungen liefert, wie man Suizid begehen kann, Argumente für und gegen bestimmte Methoden aufzeigt und den Nutzer in speziellen Fällen sogar mit konkreten Hinweisen darin unterstützt, sein Leben zu beenden.
Es finden sich handfeste Tipps zu Selbsttötungspraktiken und Bezugsquellen für Medikamente oder sogar Waffen. Grundsätzlich lassen sich drei Arten von Foren zum Thema Suizid unterscheiden. Einige Foren haben einen professionellen Moderator (Experte wie Arzt oder Psychologe), der gegebenenfalls intervenierend eingreift und zum Beispiel Suizidankündigungen löscht und versucht, mit dem Betroffenen einen direkten Kontakt herzustellen. Diese Foren stellen eher die Ausnahme dar, da die Betreuung durch die Experten recht aufwändig ist. Relativ häufig sind Foren mit einem oder mehreren Moderatoren, die - in Abhängigkeit von der Intention der jeweiligen Web-Seite - einen Erfahrungsaustausch etwa hinsichtlich konkreter Methoden zulässt oder unterbindet. Einige dieser Foren verweisen suizidgefährdete Menschen auch auf Hilfsangebote, andere lehnen Interventionen von außen (durch Ärzte, Psychotherapeuten, Angehörige) explizit ab. Schließlich gibt es noch Diskussionsforen ohne supervidierenden Moderator, die absolut unkontrolliert sind.
Chancen von Suizidforen
Eine wichtige Funktion der Suizidforen stellt die Möglichkeit dar, hier auf Menschen mit ähnlichen Problemen zu treffen, die einander Verständnis entgegenbringen. Hinzu kommt, dass die Diskussion um das Thema "Suizidalität" üblicherweise tabuisiert wird. Durch die offene Kommunikation zum Thema Suizid mit Gleichgesinnten vollzieht sich schnell eine Schwellensenkung hinsichtlich einer sonst oft eher tabuisierten Thematik.
Die allgemeine Beschäftigung mit dem Thema Suizidalität ist vielen Menschen bekannt. In Krisensituationen oder bei psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel depressiven Störungen sind Kognitionen, die um Suizidalität kreisen, sehr häufig. Dennoch ist es für die Betroffenen schwierig, diese Gedanken gegenüber Dritten zu äußern, ohne auf Ablehnung, große Verunsicherung oder Hilflosigkeit beim Gesprächspartner zu stoßen. Vor diesem Hintergrund haben entsprechende Web-Seiten, die die Möglichkeit bieten, sich zu diesem Thema anonym und niedrigschwellig auszutauschen, eine hohe Attraktivität. Neben der anonymen Mitteilung von Problemen, Sorgen und Fragen erfahren die Nutzer von Internet-Foren unter Umständen eine emotionale Entlastung durch den Austausch.
Damit ist grundsätzlich auch die Möglichkeit zur Einleitung von Hilfsprozessen verbunden. Personen, die bestehende Hilfsangebote bisher nicht oder nur eingeschränkt genutzt haben, können möglicherweise per Internet erreicht werden. Online verfügbare Information können den Betroffenen vermittelt und weitere Schritte auf dem Weg zur Hilfesuche eingeleitet werden.
Die Gefahren aus dem Web
Wie auch aus anderen Kontexten bekannt, sammeln sich in vielen dieser unkontrollierten Suizidforen Vertreter einer Subkultur, die sich über die Beschäftigung mit dem Thema Suizidalität definiert. Mögliche Risiken für Besucher dieser Foren können durch die Modellfunktion anderer Teilnehmer (so genannter "Werther-Effekt"), Trivialisierung der Selbsttötung, die Senkung der Schwelle für suizidales Handeln, erlebten Gruppendruck oder konkrete Methodeninformationen entstehen. Für psychisch gesunde bzw. stabile Menschen ist der Besuch solcher Web-Seiten vermutlich weit gehend risikolos.
Diese Besucher werden vermutlich mehrheitlich von Neugier, dem Reiz eines tabuisierten Themas oder auch Voyeurismus getrieben. Eine von diesen Foren ausgehende mögliche Gefahr erstreckt sich jedoch vermutlich vor allem auf einen Personenkreis, der an einer manifesten psychiatrischen Erkrankung leidet oder sich in einer akuten Krisensituation befindet. Suizidforen im Internet sind deshalb riskant, weil sich dahinter eine Subkultur verbergen kann, die sich - wie auch andere Subkulturen - im Verborgenen und zum Teil abgeschirmt austauscht. Nicht selten wird professionelle Hilfe oder Unterstützung von außen in diesen Kreisen explizit abgelehnt.
Über die Nutzer dieser Foren ist in der Regel wenig bekannt. Da die Anmeldung zur Beteiligung an einschlägigen Chats und Foren in der Regel keine weiteren Voraussetzungen als eine E-Mail-Adresse erfordert, existieren nur in den seltensten Fällen Möglichkeiten, einen bestimmten Nutzer anhand seines so genannten "Nicknames" (selbst gewählter Benutzername) zu identifizieren. Damit sind verlässliche Aussagen über die tatsächlichen Nutzer dieser Angebote, die etwa eine Risikoabschätzung aufgrund bekannter Vulnerabilitätsfaktoren erlauben würden (depressive Erkrankung etc.), nahezu unmöglich.
Erheblicher Einfluss auf die Wahrnehmung
Verfolgt man Diskussionen in Suizidforen, ist es oftmals gar nicht oder nur sehr schwer möglich herauszufinden, ob diese virtuellen Diskussionen im Einzelfall einen ernsten Hintergrund haben oder ob es sich um zum Teil geschmackloses Kokettieren mit dem Thema Suizidalität handelt. Es ist aber anzunehmen, dass neben interessierten Nutzern und Voyeuren vor allem Menschen mit erheblichen psychosozialen Problemen, in akuten Krisen oder psychiatrischen Erkrankungen auf Angebote von Suizidseiten zurückgreifen. Beispiele für solche gefährdeten Besucher sind Jugendliche in Krisensituationen oder Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen, bei denen es immer wieder zu suizidalen Krisen kommen kann.
Die Interaktionsprozesse, die in Suizidforen ablaufen, sind nur schwer zusammenfassend zu beschreiben, da sie in Abhängigkeit von den jeweils Beteiligten erheblich variieren können. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass die intensive Beschäftigung mit dem Thema Suizidalität und die Abgeschlossenheit der virtuellen Gruppe von externen Informationsquellen dazu geeignet sind, einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung und das mögliche spätere Handeln des Individuums zu haben. Selektive Informationen und der Kontakt mit anderen Usern, die als ähnliche Modelle für die eigene Situation angesehen werden, führen unter Umständen zur Verfestigung einer suizidalen Handlungsabsicht. Was die einen als Tabubruch reizt, kann für andere tödlicher Ernst sein.
Häufig kommt es durch die von der Realität losgelöste Beschäftigung mit dem Thema Suizid zu einer Glorifizierung desselben. Das Risiko für Nachahmungshandlungen ("Werther-Effekt") wird dadurch möglicherweise erhöht. Dieser Zusammenhang ist etwa auch aus der Medienberichterstattung über Suizide bekannt.
Resümee
Ob durch die Nutzung des Internet an sich und Suizidforen im Speziellen neue Probleme generiert werden oder sogar Suizidalität gefördert wird, ist pauschal nicht zu beantworten. Anhand der bekannten Einzelfälle ist es schwierig, generelle Aussagen über Suizidforen im weltweiten Netz zu treffen. In den meisten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass durch die Teilnahme an derartigen Foren nicht zwangsläufig ein Suizid hervorgerufen wird. In der Diskussion wird häufig vernachlässigt, dass der anonyme Austausch zu einem tabuisierten Thema auch eine emotionale Entlastung darstellen kann. Wichtige Faktoren, die das spezifische Risiko hingegen möglicherweise erhöhen, stellen die außerordentlich leichte Verfügbarkeit des Mediums und der einfache Zugang zu diesen Web-Seiten dar.
Auch mangelnde soziale Kontrolle und die nur rudimentär vorhandenen Möglichkeiten zur Intervention von außen sind relevante Aspekte, die aber zum Beispiel auch in sozialen Randgruppen zum Tragen kommen. Auch die Möglichkeiten zur Intervention auf juristischer Basis sind eingeschränkt und mit (technischen) Besonderheiten verbunden, die systematische Kontrollen auch hier auf nationaler Ebene sehr schwer machen.
Eine besondere Risikogruppe stellen psychisch labile oder psychiatrisch erkrankte Patienten dar, bei denen die Gefahr der ausschließlichen Konzentration auf virtuelle Kontakte sowie Informationen zweifelhafter Güte und aufgrund der Erkrankung unter Umständen eine besondere Vulnerabilität hinsichtlich des Themas Suizidalität besteht. Für diese Personengruppe besteht bei der Teilnahme an Suizidforen sicherlich ein nicht unerhebliches Risiko, dass die Hemmschwelle suizidaler Handlungen durch selektive Informationen und Ablehnung funktionierender Hilfsangebote sinkt. Insbesondere bei psychisch erkrankten Menschen stellt eine adäquate Behandlung, die nicht durch virtuelle Kontakte zu ersetzen ist, nach wie vor das Mittel der Wahl dar. Alternative Verhaltensweisen, die bestehenden Rückzugstenzenden oder sozialer Deprivation und Antriebsarmut entgegenwirken, sind häufig nur schwerlich mit einer zeitlich umfangreichen und unkontrollierten Internet-Nutzung zu vereinbaren.
Stärkung seriöser wissenschaftlicher Angebote nötig
Die Rolle des Internet als Quelle für krankheitsbezogene und medizinische Informationen wird zukünftig eher noch wachsen. Schon heute konfrontieren Patienten ihre Behandler oftmals mit Informationen oder Behandlungsvorschlägen, die sie aus dem Internet erhalten haben. In diesem Zusammenhang stellt die Stärkung seriöser und wissenschaftlich fundierter Angebote zu krankheitsbezogenen Themen eine wichtige Aufgabe für die Zukunft dar. Einige Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass auch die Unterstützung von Patienten, etwa im Anschluss an stationäre Behandlungen, eine interessante und viel versprechende Option darstellt. Beispielsweise im Bereich psychiatrischer Erkrankungen können das Internet und internetgestützte Kommunikation zukünftig einen wichtigen Beitrag zur poststationären Anbindung von Betroffenen und damit zur Verhinderung von Rückfällen leisten.
Literatur bei den Autoren
Dipl. Psych. Tim Pfeiffer-Gerschel, Prof. Dr. Ulrich Hegerl und Isabel Seidscheck,
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München
MMA / CliniCum psy 4/2004
---
Soziale Ursachen des Suizids
Oft werden Suizide auf psychische Erkrankungen wie Depression und Schizophrenie zurückgeführt. Es gibt jedoch auch gesellschaftliche Ursachen, wie mehrere Studien im British Medical Journal belegen...
---
Der Begriff Deprivation (von lateinisch de-„privare” = berauben) bezeichnet allgemein den Zustand der Entbehrung, eines Entzuges oder der Isolation von etwas Vertrautem, eines Verlustes, eines Mangels oder das Gefühl einer (sozialen) Benachteiligung.
[Quelle: Wikipedia]
Arten der Deprivation
[Auszug; Wikipedia]
Soziale Deprivation
Soziale Deprivation bezeichnet jede Form von sozialer Ausgrenzung, welche stattfinden kann durch Zugehörigkeit zu einer sozialen Randgruppe und/oder Armut. Mögliche Folgen sozialer Deprivation können sein: Alkoholismus, Behinderung, Extremismus, Vermüllung der Wohnung, Tabletten-/Drogensucht, Resignation, schwere/mittel schwere Depressionen bis hin zu Suizid-Gefahr.
Relative Deprivation
Von relativer Deprivation spricht man, wenn über soziale Vergleichsprozesse in einer Referenzgruppe ein Individuum feststellt, dass es hinsichtlich seiner Erwartungen und Wünsche benachteiligt, unzufrieden oder enttäuscht ist. [...] Die relative Deprivation wird somit auch als subjektive Deprivation bezeichnet, da man das subjektive Erleben von Benachteiligung und das eigene Gefühl von Diskriminierung und von Vernachlässigung, unabhängig von der tatsächlichen Situation, erleben kann. [...]
Grundsätzlich können zwei Quellen für das Aufkommen von relativer Deprivation und das damit verbundene Gefühl von Unzufriedenheit ausgemacht werden: Entweder entsteht dies durch den Vergleich mit einer Bezugsgruppe, oder aber durch den Vergleich mit der eigenen Vergangenheit.
Vaterdeprivation
Entbehrung des Vaters oder Vaterverlust. Folgen hiervon seien seelische und psychosomatische Störungen, selbstverletzendes Verhalten, Beziehungsstörungen, soziale Auffälligkeiten, bis hin zur Kriminalität, Leistungsversagen, kognitive Defizite und psychosexuelle Identitätsprobleme.
usw.
[Quelle: Wikipedia]
LG sabbersack