Was ich mich oft frage...

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

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OutofOrder
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Re: Was ich mich oft frage...

Beitrag von OutofOrder »

Lexx hat geschrieben: Freitag 4. Oktober 2024, 17:41

Insbesondere mit dem Hintergrund eines eher misanthropisch veranlagten Wesens kann ich mir vorstellen, dass bereits das Zulassen einer solchen deutlich zugewandteren Ausrichtung, zB das Wahrnehmen und Weitergeben von Liebe und Empathie als etwas Positives und Erstrebenswertes, in sich selbst schon einen Beweis dieser inneren Weiterentwicklung und Entfaltung bildet.
Ja, das würd ich auch ähnlich sehen..denn im Alltag erlebt man das (aus der Sicht eines "sozial ausgestoßenen" und sozial sehr misstrauischen Menschens) natürlich häufig ganz anders..mir wurde ja u.a. auch eine sogenannte Sozialphobie diagnostiziert, und die äußert sich bei mir zumindest insofern, dass ich fremde Menschen nur generell schwer ertragen kann (vor allem in größeren Menschenansammlungen) bzw. bei vielen Menschen Verhaltensmerkmale wahrnehme (natürlich auch durch gewisse Anteile von mir, die auch nicht unbedingt alltäglich sind), die ich aus persönlicher Sicht einfach nur schwer kritiklos hinnehmen kann. D.h. durch meine "maßgeblich in spirituellem Rahmen" erworbene Sichtweise von universeller Liebe und Empathie bin ich auch quasi permanent einem gewissen "inneren Widerspruch" ausgesetzt, denn wie man weiß, sind unmittelbare stark empfundene Emotionen und Ängste zweitweise der größte Feind des Menschen (umso mehr, wenn man sie zwar reflektieren, aber zuweilen nur sehr unzureichend regulieren kann, wie in meinem Fall).
Lexx hat geschrieben: Freitag 4. Oktober 2024, 17:41
Auch wenn der Vergleich vielleicht etwas hinken mag, doch aus meiner Empfindung würde ich derlei starke und eigeninitiierte Persönlichkeitsentwicklungen von Schwierigkeitsgrad und Umsetzung her ähnlich wie die gezielte willentliche Überwindung einer Phobie, dieses ganz bewusste Über-Sich-Hinaus-Wachsen, Verschieben der eigenen Grenzen und Ausweiten seiner Möglichkeiten und Potentiale beschreiben.
Na ja, mit Phobie würd ich das insofern nicht vergleichen, weil Phobien den "Vorteil" haben, dass sie meistens sehr eindimensional sind, also sich auf ganz bestimmte Problemebereiche, Situationen, Persönlichkeitsanteile usw. beschränken. Bewusste und proaktive Persönlichkeitsentwicklung ist m.E. so ziemlich der komplexeste Vorgang, dem man sich als Mensch in seinem Leben überhaupt stellen kann, weil man naturgemäß (also quasi als mittelmäßig traumatisierter, mehr oder weniger schlecht sozialisierter Mensch, usw.) einem ständigen Kampf gegen innere Widerstände, Gewohnheiten und unbewusste Aspekte (die bei jedem Menschen anders und einzigartig sind) unterworfen ist, und das jeweilige Entwicklungspotenzial u. a. auch vom jeweiligen Resilienzgrad abhängt (also alles was an inneren Ressourcen vorhanden ist, um sich den jeweiligen ganz persönlichen Bürden gut oder weniger gut stellen zu können (also z. B. ob man die Neigung hat, aus Niederlagen und Verlusterlebnissen eher Positives oder Negatives mitzunehmen..).
Gerade als idealistisch und pragmatisch strukturierter Mensch ist man ständig versucht, sich selbst vor dem Spiegelbild gewisser selbstgemachter Idealvorstellungen und persönlichen Normen zu betrachten bzw. daran zu messen, die man manchmal als unerträglich überzogen und zuweilen wieder als völlig legitim und erstrebenswert betrachtet. Von gewissen Zwängen und Schuldgefühlen, die fast bei jedem Menschen dabei eine mehr oder weniger große/kleine Rolle spielen, ganz zu schweigen..
Die simple Erkenntnis, dass man im Leben nicht perfekt sein muss, mag in der reinen Vorstellung nicht sonderlich abträglich sein, aber die tatsächliche intrapsychische Integration dieser Erkenntnis (im Sinne einer dauerhaft erworbenen, tiefgreifenden und bedingungslosen Selbstliebe und -akzeptanz, und natürlich keinesfalls mit einem ausgeprägten Ego zu verwechseln..) ist aus meiner Sicht tausendmal schwieriger und wohl für die meisten Menschen eine lebenslange Aufgabe..
Lexx
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Re: Was ich mich oft frage...

Beitrag von Lexx »

OutofOrder hat geschrieben: Samstag 12. Oktober 2024, 00:19 (...) mir wurde ja u.a. auch eine sogenannte Sozialphobie diagnostiziert, und die äußert sich bei mir zumindest insofern, dass ich fremde Menschen nur generell schwer ertragen kann
(...)
D.h. durch meine "maßgeblich in spirituellem Rahmen" erworbene Sichtweise von universeller Liebe und Empathie bin ich auch quasi permanent einem gewissen "inneren Widerspruch" ausgesetzt, denn wie man weiß, sind unmittelbare stark empfundene Emotionen und Ängste zweitweise der größte Feind des Menschen
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Bewusste und proaktive Persönlichkeitsentwicklung ist m.E. so ziemlich der komplexeste Vorgang, dem man sich als Mensch in seinem Leben überhaupt stellen kann, weil man naturgemäß (...) einem ständigen Kampf gegen innere Widerstände, Gewohnheiten und unbewusste Aspekte (...) unterworfen ist, und das jeweilige Entwicklungspotenzial u. a. auch vom jeweiligen Resilienzgrad abhängt
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Gerade als idealistisch und pragmatisch strukturierter Mensch ist man ständig versucht, sich selbst vor dem Spiegelbild gewisser selbstgemachter Idealvorstellungen und persönlichen Normen zu betrachten bzw. daran zu messen, die man manchmal als unerträglich überzogen und zuweilen wieder als völlig legitim und erstrebenswert betrachtet.
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@OutofOrder
Hi:) Auf den Phobie-Vergleich bin ich tatsächlich wegen einer eigenen Phobie gekommen, welche ich eigenständig (ohne Therapie, Hypnose etc.) nach und nach zumindest auf ein erträgliches Maß herab reduzieren konnte. Für mich persönlich hatte und hat dieser Prozess bis heute wahnsinnig viel mit Willenskraft, Selbstkontrolle und innerem Kampf zu tun, denn nach wie vor fühlt sich die Konfrontation mit dem auslösenden Faktor definitiv alles andere als angenehm an.

Ähnlich und daher wenn auch mit Abstrichen rein für mich selbst halbwegs gut vergleichbar fühlten sich ein paar meiner bewusst durchgeführten Persönlichkeits-Modifikationen an; besonders am Anfang stand manchmal eine sehr hohe Hürde, welche erst mit viel Selbstüberwindung, Eigenmotivation und gezielter, häufig wiederholter Konfrontation langsam abgebaut werden konnte. Während einige Entwicklungen zu meiner eigenen Zufriedenheit erfolgreich abgeschlossen sind, werden andere vermutlich dauerhaft ein gewisses Level an Arbeit und Anstrengung benötigen, was per se aber überhaupt nicht schlimm ist.


Was ich allerdings manchmal als seltsam schwierig empfinde, ist die Unterscheidung zwischen einer tatsächlichen Weiterentwicklung meiner Persönlichkeit (früher war, dachte, fühlte ich so - jetzt bin, denke, fühle ich so) und den Wunschattributen meines quasi auf Gesellschaftsfähigkeit programmierten Alter Ego Images (eigentlich bin ich zwar dies, tue aber so als wäre ich jenes). In einigen Bereichen kann ich beides wenigstens vom Gefühl her noch deutlich voneinander trennen; ab und an fällt es mir jedoch ziemlich schwer, für mich selber klar zu differenzieren, was an meinem kompletten Entwicklungsempfinden sozusagen "echt" und was "fake" im Sinne von unbewusster Selbsttäuschung ist.

Ich gehe davon aus, dass die mittlerweile über mehrere Jahrzehnte hinweg wunderbar einstudierte "happy-go-lucky" Fassade zum Zweck einer aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hier vermutlich schlicht ihre Spuren hinterlassen bzw. ihren Tribut gefordert hat. Durch all die täglichen und zigtausendfach zum Besten gegebenen "Performances" sind die Grenzen zwischen Schein und Sein wohl auch innerlich immer weiter verschwommen, bis es irgendwann gar nicht mehr so einfach war, überhaupt noch die eigene ungefilterte Wahrheit über sich selbst in sich selbst zu finden.

Liebe Grüße, Lexx
Lexx
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Re: Was ich mich oft frage...

Beitrag von Lexx »

Hallo ihr Lieben. Ich würde diesen Text als relativ morbide einschätzen und möchte insbesondere sehr sensible Menschen daher gern darum bitten, entweder gar nicht erst weiterzulesen oder ihn zumindest unter dem Kopfschüttel-&-Augenroll-Moment-des-Tages abzuhaken.

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"Was ich mich oft frage..."
bzw. "Etwas höchstwahrscheinlich vollkommen Bescheuertes, was ich mich früher dennoch oft gefragt habe". Um es direkt vorweg zu nehmen ist das Horror-Genre in all seinen Erscheinungsformen definitiv eines meiner großen Steckenpferde; nicht nur lasse ich mich überaus gerne gruseln, sondern vergrusele mich wie im Folgenden tatsächlich auch schonmal ganz ordentlich selber.

Bereits vor vielen Jahren habe ich mich aus Sicherheitsgründen für eine Kremierung entschieden, da mir persönlich einfach noch zu wenig über die Zustände "Tod" und "Bewusstsein" bekannt ist und mE sogar erstaunlich viele so genannte Fakten im Laufe der Zeit revidiert werden müssen, weil sie schlussendlich durch neuere Erkenntnisse erfolgreich widerlegt werden konnten. Meine in diesem Zusammenhang gefasste Überlegung war, dass durch die Einäscherung wirklich keinerlei möglicherweise nur vermeintlich tote Materie mehr übrig bleiben soll, die ggf. noch eine Zeitlang weiterexistieren und dabei schlimmstenfalls irgendetwas um sich herum mitbekommen könnte. Nichts was auch nur ansatzweise mit Bewusstsein und Wahrnehmung zu tun hat, soll an einen zum heutigen Stand der Wissenschaft als tot definierten Körper gebunden sein und mit ihm begraben werden.

Hierzu eine kleine Geschichte, die sich vor nicht allzu langer Zeit ereignet und mich in meiner Entscheidung nochmals bekräftigt hat: Kurz vor seinem unerwarteten Tod hat ein Bekannter seinem Ehepartner eines Tages im Gespräch mitgeteilt, "er wolle doch nicht kremiert werden, weil das weh tun würde". Dieser Mensch war meiner Kenntnis nach psychisch absolut gesund und vom Denken her auch stets sehr rational; derartige Worte ausgerechnet aus seinem Mund und sein wenig später tatsächlich eingetretener Tod hatten im Nachgang schon etwas Seltames an sich. Wunschgemäß hat er eine Erdbestattung erhalten- in direktem Bezug auf seine Aussage erscheinen mir allerdings die kurzen Schmerzen des alles zerstörenden Feuers jedoch als das deutlich kleinere Übel. Und wenn es ein wie auch immer geartetes Danach gibt was ich persönlich nicht ausschließe, dann soll das Unsterbliche, die Seele o.ä., mit diesem Vorgang zumindest schonmal vom irdischen Gefäß losgelöst und befreit werden.
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