Ist Leben freiwillig? Nein. Wir können ja nicht frei wählen, ob wir sterben, bzw. tot sein, oder (weiter) leben wollen. Ich kann zwar entscheiden, ich will sterben bzw. tot sein, aber diese Entscheidung bewirkt nichts Reales, sondern auch damit lebe ich weiter, ausser ich beende es gewaltsam und das gelingt dann auch wirklich. Ich muss also leben (unfreiwillig oder freiwillig - wobei das Müssen Einem wohl erst dann bewusst wird, wenn man weiss, man will es nicht mehr).
Warum müssen wir leben? Einerseits wegen gesellschaftlichen Zwängen (weil sich irgendwelche Leute einbilden, sie müssten Tod verhindern können/wollen, insbesondere für andere Leute, und sollten/dürften keinesfalls Andern zu einem guten Tod verhelfen usw.), andererseits aus dem Urinstinkt jeder Lebenszelle, die weiter leben will, ob wir als Ganzes bzw. unser Denken das nun wollen oder nicht. Ohne diesen Lebenstrieb hätte es wohl nie längere Leben gegeben, keine komplexeren Lebewesen, keine Fortpflanzung - und somit uns nicht. Fluch und Segen des Lebenstriebes also - den wir nicht eingeschaltet haben und nicht ausschalten können, sondern höchstens abmurksen können.
So als Vergleich: Ich werde an der Kasse eines Supermarktes vollbepackt mit Waren, die ich gar nicht will. Also klar unfreiwillig. Tue ich nichts, schleppe ich die mit mir nach Hause. Um es loszuwerden, müsste ich aktiv was tun; das Zeug von mir entfernen und denen vor die Füße schmeissen. Also der Zwang, ... sich umzubringen, wenn man nicht mehr leben will (oder, wenn man sich nicht umbringt, der Zwang, über allenfalls noch Jahrzehnte weiter leben zu müssen, bis der "natürliche", immer seltener werdende Tod endlich kommt).
Freiwilligkeit heisst aber für mich, ich kann etwas wollen/nehmen/benutzen oder auch nicht. Etwas, was schon da ist (egal ob ursprünglich freiwillig oder nicht), nur weiter schleppen oder loswerden zu können/müssen, hat nichts mit Freiwilligkeit zu tun.
Fällt mir gerade noch ein: Sklaven. Sie wurden nicht freiwillig Sklaven, ja haben sich gegen die Versklavung wohl zuerst auch gewehrt, so gut sie konnten. Also ist es auch nicht freiwillig, Sklaven zu bleiben, nur weil ihnen die Flucht nicht gelingt.
Die Behauptung, Leben/Tod sei freiwillig, frei wählbar (in Freiheit), ist eine Lüge. Mit dem man die Verantwortung für ein schlechtes (Weiter-)Leben, und ebenso für ein gutes/schlechtes Sterben, den betreffenden Sterbewilligen (und also immer noch Lebenden) zuschiebt.
P. S. Ich habe noch korrigiert: "Urstinkt" in "Urinstinkt". Ich vermute mal, das war ein Freud'scher Verschreiber ...  
