Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur
Verfasst: Donnerstag 22. November 2012, 09:22
Da der Tod mit unumstößlicher Gewissheit eintreten wird, ist nichts gewonnen, wenn dies später geschieht. (Cioran)
"Nun aber bringt doch den allergrößten Verlust an Lebenszeit das Hinausschieben mit sich. Man lässt gerade den bestehenden Tag verstreichen und bestiehlt die Gegenwart, weil man sich auf das Späterkommende vertröstet. Das größte Hindernis des Lebens ist die Erwartung, die sich auf den nächsten Tag richtet und das Heute verliert." - De Brevitate Vitae IX, 1
(Original lat.: "Maxima porro vitae iactura dilatio est: illa primum quemque extrahit diem, illa eripit praesentia dum ulteriora promittit. Maximum vivendi impedimentum est exspectatio, quae pendet ex crastino, perdit hodiernum.")
(Seneca)
Es kommt wohl darauf an, wonach man sucht ("bei den Objekten meiner Untersuchung"). Auch dieser Thread engt es ja ein auf eine Ansicht, oder ein Ziel (Tod/Suizid). Das ist so weit - und gerade in diesem Forum - für mich völlig okay. Aber ich finde es falsch, ganz andere Leben/Schicksale, oder auch nur Zeiten (Jahre oder so) von Menschen/Leben, automatisch mit einschliessen zu wollen, die ganz anders verlaufen (sind).Thanatos hat geschrieben:Also, meine Privatforschungen kamen zu dem Schluss, dass bei den Objekten meiner Untersuchung das Leid überwiegt. Sicher sind sich die meisten Leute dessen gar nicht bewusst, wenn sie aber einmal ihr Leben kritisch auf dessen Bestandteil an Leid überprüfen würden, kämen sie wohl selbst zu dem Ergebnis, dass das Leid überwiegt, auch wenn ihre Gefühle vielleicht sagen „Das Leben ist ja so schön“.
Oder anders ausgedrückt: Ich bin der Überzeugung, dass sich die meisten Menschen selbst belügen, wenn sie davon „überzeugt“ sind, dass ihr Leben so schön ist, dass sie aber durch kritische Prüfung feststellen könnten, dass sie sich tatsächlich selbst etwas vormachen, dass ihr vermeintliches Glück in Wahrheit ein Wahn ist. Wer es erkannt hat, dass das Leben Leid ist, ist seinen Wahn los. Sollte er mir anschließend sagen: "Okay, das Leben besteht überwiegend aus Leid, aber ich lebe trotzdem gerne", kann ich das akzeptieren. Ansonsten halte ich ihn eben für jemanden, der sich selbst etwas vormacht, seine Gefühle über die Realität stellt.
Dass das Leben Leid sein „soll“ habe ich nicht behauptet, eben so wenig tat das Buddha. Es ging nur darum, dass das Leben bei näherer Betrachtung überwiegend Leid ist. Selbstverständlich darf das jeder, wie er oder sie möchte, auch anders sehen.Chron hat geschrieben:...
Irgendwo habe ich mal gelesen, angeblich von Buddha, "Leben ist Leiden". Das kann ich als Dogma, Soll, Zusammenfassung aller Leben keinesfalls akzeptieren, und konnte es noch nie. Nein, Leben soll nicht Leiden sein, sondern ist dazu da, es zu geniessen (geht das nicht oder nicht mehr, dann finde ich den Tod angemessen)...
Ich habe auch nicht behauptet, dass du/er das behauptet hätten, sondern:Thanatos hat geschrieben:Dass das Leben Leid sein „soll“ habe ich nicht behauptet, eben so wenig tat das Buddha.
Chron hat geschrieben:Das kann ich als Dogma, Soll, Zusammenfassung aller Leben keinesfalls akzeptieren
"Überwiegend" ist schon ganz was anderes. Allerdings weiss ich nicht, wie man das werten sollte (zeitlich, Intensität, Art von Leiden usw., und verglichen womit), noch dazu über sämtliche Leben.Thanatos hat geschrieben:Es ging nur darum, dass das Leben bei näherer Betrachtung überwiegend Leid ist.
Ich möchte es nicht anders sehen, wenn es wirklich so (überwiegend leidvoll ist), bei jemandem. Aber als Verallgemeinerung für alle Leben finde ich das zu pessimistisch, zu verallgemeinernd, zu einseitig (nur auf das Leiden fokussiert, anderes ausblendend).Thanatos hat geschrieben:Selbstverständlich darf das jeder, wie er oder sie möchte, auch anders sehen.
Völlig richtig, wenn ich das als Soll, quasi Befehl, für alle Menschen gemeint hätte. Es war aber nur meine Gegenansicht - nicht ganz im gleichen Stil aber, merke ich jetzt; das genaue Gegenteil wäre ja wohl eher "Leben ist Vernügen/Glück" o. ä., und das halte ich für ebenso falsch wie das verallgemeinernde Leben=Leiden.Thanatos hat geschrieben:Übrigens kann man deine Aussage, dass das Leben dazu da ist, es zu genießen, ebenfalls als Dogma auffassen. Das aber nur nebenbei.
Thanatos hat geschrieben:Die Absicht, dass der Mensch „glücklich“ sei, ist im Plan der „Schöpfung“ nicht enthalten. (Sigmund Freud)
In der Natur hat Glück nur die Funktion eines Lockmittels. Wir sollen bestimmte Tätigkeiten (Fressen, Kopulieren) ausüben, die nötig sind, damit Gene weitergegeben werden. Nur deshalb gibt es ein "Belohnungssystem". Ähnlich wie kleine Leckerchen, mit deren Hilfe man einen Hund abrichtet. Unser Glück ist kein Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck.Und ich widerschreibe dem: Wenn Glücklichsein von Natur her nicht vorgesehen/möglich wäre, ginge das gar nie. Und das ist ja wohl zweifellos nicht wahr (jedenfalls nicht in jedem Leben von Geburt bis Tod).
Zwischen Wollen und Erreichen fließt nun durchaus jedes Menschenleben fort. Der Wunsch ist, seiner Natur nach, Schmerz: die Erreichung gebiert schnell Sättigung: das Ziel war nur scheinbar: der Besitz nimmt den Reiz weg: unter einer neuen Gestalt stellt sich der Wunsch, das Bedürfniß wieder ein: wo nicht, so folgt Oede, Leere, Langeweile, gegen welche der Kampf eben so quälend ist, wie gegen die Noth.
Alle Befriedigung, oder was man gemeinhin Glück nennt, ist eigentlich und wesentlich immer nur negativ und durchaus nie positiv. Es ist nicht eine ursprünglich und von selbst auf uns kommende Beglückung, sondern muß immer die Befriedigung eines Wunsches seyn. Denn Wunsch, d.h. Mangel, ist die vorhergehende Bedingung jedes Genusses. Mit der Befriedigung hört aber der Wunsch und folglich der Genuß auf. Daher kann die Befriedigung oder Beglückung nie mehr seyn, als die Befreiung von einem Schmerz, von einer Noth: denn dahin gehört nicht nur jedes wirkliche, offenbare Leiden, sondern auch jeder Wunsch, dessen Importunität unsere Ruhe stört, ja sogar auch die ertödtende Langeweile, die uns das Daseyn zur Last macht. - Nun aber ist es so schwer, irgend etwas zu erreichen und durchzusetzen: jedem Vorhaben stehn Schwierigkeiten und Bemühungen ohne Ende entgegen, und bei jedem Schritt häufen sich die Hindernisse. Wann aber endlich Alles überwunden und erlangt ist, so kann doch nie etwas Anderes gewonnen seyn, als daß man von irgend einem Leiden, oder einem Wunsche, befreit ist, folglich nur sich so befindet, wie vor dessen Eintritt.
Das ist doch mal eine außergewöhnlich erbauliche „Definition“ von Glück.Hegesias hat geschrieben:...
In der Natur hat Glück nur die Funktion eines Lockmittels. Wir sollen bestimmte Tätigkeiten (Fressen, Kopulieren) ausüben, die nötig sind, damit Gene weitergegeben werden. Nur deshalb gibt es ein "Belohnungssystem". Ähnlich wie kleine Leckerchen, mit deren Hilfe man einen Hund abrichtet. Unser Glück ist kein Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck.
Und das ist der Grund, weshalb wir glückstechnisch immer kurz gehalten werden. Weil ständiges, intensives Glück im Rahmen der Evolution keinen Sinn hätte. Glück entsteht immer nur dadurch, dass sich eine Appetenz aufbaut und dann (wenn es gut geht) befriedigt wird.
...
Wenn ich mal unterstelle, dass die Natur kein denkender, wollender, strategisch planender Mensch ist, sondern eine Entwicklung über Jahrmillionen oder -milliarden inkl. Ausleseverfahren, so heisst das, es überleben langfristig die (Gene der) glücklicheren Leute, Tiere, Arten, und die ohne Glücksempfinden(-Möglichkeit) sterben aus. Womit "Leben ist Leiden" erneut nicht stimmen kann, jedenfalls nicht langfristig-genetisch, sondern es gilt wohl eher "Leiden führt zu Tod/Aussterben", und nur Glück bewirkt letztlich weiteres Leben(-Wollen), Fortpflanzung usw.Hegesias hat geschrieben:In der Natur hat Glück nur die Funktion eines Lockmittels. Wir sollen bestimmte Tätigkeiten (Fressen, Kopulieren) ausüben, die nötig sind, damit Gene weitergegeben werden. Nur deshalb gibt es ein "Belohnungssystem". Ähnlich wie kleine Leckerchen, mit deren Hilfe man einen Hund abrichtet. Unser Glück ist kein Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck.
Das zu interpretierende Wort ist "Dukkha" (siehe Wikipedia). Dieses kann (je nach Kontext) relativ eng bis sehr weit definiert werden. Die weiteste Definition scheint alles Unvollkommene, Unbeständige, Nichtige, Unwirkliche zu beinhalten (also letztlich alles Seiende). Diesen unterschiedlichen Bedeutungen entsprechen unterschiedliche Formen der "Erlösung" (Nirvana - Parinirvana z.B.).Thanatos hat geschrieben: Dass das Leben Leid sein „soll“ habe ich nicht behauptet, eben so wenig tat das Buddha. Es ging nur darum, dass das Leben bei näherer Betrachtung überwiegend Leid ist.