Re: Zitate zum Thema Tod und Suizid aus der Literatur
Verfasst: Dienstag 13. November 2012, 08:48
Denjenigen, der an der Seele unheilbar krank ist, soll der Arzt sterben lassen oder selber töten. (Platon, aus „Politeia“)
Zu 1) Ja, ich gehe schon von der restlosen Auslöschung der Existenz eines jeden Lebewesens aus bei dessen Tod. Allerdings bleiben ja die Überreste seines Körpers erhalten und werden biologisch weiterverwertet, selbst wenn sie verbrannt wurden bleibt immer ein Rest, dessen kleinste Teile nach und nach in ferne Galaxien verstreut werden. Das ist eben der natürliche Kreislauf. Da für alle Lebewesen ein Leben ohne den dazugehörigen Tod nicht möglich ist, erachte ich diese beiden Zustände als gleichwertig im natürlichen biologischen Sinn. Wie das einzelne Individuum über seine persönliche Situation dabei denkt, ist wieder etwas anderes.Deadly Snowflake hat geschrieben: Zu 1) Ich dachte du implizierst wenn du von Tod sprichst die restlose Auslöschung der Existenz, was ja aus deinem Statement folgt, Leben und Tod seien gleichwertig: gleichwertig können nur vergleichbare, d.h. in ihren Eigenschaften bekannte Dinge sein. (Dieser Vergleich wäre aber nur schon darum falsch, weil es kein tertium comparationis gibt: Sein und nicht-Sein sind nicht vergleichbar). Wenn du aber zwei Sachen vergleichen willst, bei dem die Eigenschaften der einen Sache völlig unbekannt sind, dann ist es falsch sie als gleichwertig zu bezeichnen...ein Vergleich ist dann schlicht nicht möglich.
Die Tatsache, dass du lebst, beweist im übrigen, dass du Leben und nicht-Leben nicht gleich bewertest...zumindest nicht dein Leben und dein nicht-Leben. Solange wir Leben gewichten wir Leben/nicht-Leben (oder unsere Vorstellung davon) unterschiedlich. Denn ein objektiver Standpunkt hebt nicht unsere subjektiven Wertungen bezüglich Sein und nicht-Sein auf, sondern kann sie allenfalls modifizieren (aber nie so, dass wir Leben/Tod gleich gewichten würden).
Zu 3) Wie gesagt: dass du dich nicht suizidierst, beweist, dass du dein Sein höher wertest als dein nicht-Sein (oder deine Vorstellung davon)...und dem kannst du nicht entrinnen. Es gibt im faktischen Leben keine Gleichbewertung von Leben und nicht-Leben.
Zu 4) Der Terminus Wahlfreiheit wird jeweils mit Willensfreiheit gleichgesetzt. Was du meinst ist Handlungsfreiheit. Aber genau das meinte Remarque ja nicht. Er schreibt vom (illusionären) freiem Willen. Von Wahlfreiheit zu sprechen auch wenn man alles Handeln als determiniert erachtet, ist irreführend. Dann könnte man (bezüglich der nicht gegebenen ergebnisoffenheit) mit gleicher Gültigkeit auch sagen, dass ein Stein gewählt hat senkrecht nach unten zu fallen...und wer würde das tun?
Unter dem Strich: die Position eines objektiv-universellen Standpunktes (der genau genommen ein nicht-Standpunkt ist) ist entweder handlungsrelevant oder gänzlich ohne Relevanz. Was sie nie vermag, ist unsere subjektiv unterschiedliche Gewichtung von Leben/Tod zu neutralisieren. (Na ja, zumindest kann ich mir einen solchen Zustand nicht vorstellen und wie er mit dem täglichen Handeln (und deren Motivierung!) kompatibel sein könnte. Was wäre z.B. der entscheidende Faktor wenn ich mir überlege ob ich jetzt von einer Brücke springen soll oder nicht, welche ich zufälligerweise beschreite? Die generelle Bewertung von Leben/Tod könnte es dann ja zumindest nicht sein. Evtl. noch die reine Sterbensangst...aber wäre das Motiv genug?)
Zu 1) Klar, Leben und Tod ist ein Kreislauf. Auch evolutionär ist der Tod ja durchaus "sinnvoll". Wie erwähnt: Einzeller die sich potentiell unendlich teilen können, könnte man eingeschränkt als "unsterblich" bezeichnen (eingeschränkt weil aus einer Zelle zwei werden, die alte Identität also doch eigentlich nicht weiterbesteht...aber das ist nur Detail).so-lebt-der-lurch hat geschrieben:
1) Ja, ich gehe schon von der restlosen Auslöschung der Existenz eines jeden Lebewesens aus bei dessen Tod. Allerdings bleiben ja die Überreste seines Körpers erhalten und werden biologisch weiterverwertet, selbst wenn sie verbrannt wurden bleibt immer ein Rest, dessen kleinste Teile nach und nach in ferne Galaxien verstreut werden. Das ist eben der natürliche Kreislauf. Da für alle Lebewesen ein Leben ohne den dazugehörigen Tod nicht möglich ist, erachte ich diese beiden Zustände als gleichwertig im natürlichen biologischen Sinn. Wie das einzelne Individuum über seine persönliche Situation dabei denkt, ist wieder etwas anderes.
Wenn alle Lebewesen auf unserem Planeten unsterblich wären, hätten wir hier schon längst keinen Platz mehr und nichts zu essen. Somit müssen wir uns mit der Leberei eben abwechseln und die meiste Zeit tot sein.
3) Jetzt hetz mich doch nicht so!Gut Ding braucht bekanntlich Weile
![]()
Zudem halte ich das nicht für einen brauchbaren Beweis. Bei einem Blick in die Suizid-Statistiken fänden sich in diesem Fall ja genügend gegenteilige Beweise.
4) Weshalb du jetzt einen Stein bemühst verstehe ich nicht ganz. Dass Steine oft senkrecht nach unten fallen liegt wohl an der Gravitation und seiner jeweiligen Position.
Ich schätze, ein Stein kann allein aufgrund fehlender Hirnmasse und fehlenden Bewusstseins keine eigenen Entscheidungen treffen.
Denkfähige Individuen verfügen über die dem Stein fehlenden Eigenschaften um dies zu können.
Wenn die Möglichkeit einer freien Handlung besteht, muss dieser dann nicht auch zwangsläufig irgend eine Art freie Wahl der Möglichkeiten vorausgehen? Ansonsten könnte man doch auch nicht von Handlungsfreiheit sprechen weil die Handlung gar nicht frei gewählt sein kann, was sollte dann an dieser Handlung überhaupt frei sein?
Unter dem Strich)
Natürlich besteht da schon ein Unterschied ob ich über Leben und Tod abstrakt, alle Lebewesen beteffend aus der Distanz nachdenke und auch biologisch universelle Aspekte mit einbeziehe oder das ganze nur aus meiner persönlichen und somit ganz subjektiven Situation heraus betrachte. Letztere Betrachtungsweise hat glaube ich den Nachteil, dass sie die Sicht auf die Dinge sehr einengt.
So oft ich mich mit anderen über die Haltung zum Tod an sich unterhielt (ich tue das stets gerne wenn sich die Gelegenheit bietet, da mich niemand für lebensmüde hält, geht das prima) hat noch nie jemand erklärt, er habe Angst vor dem eigenen Tod. Jeder glaubt entweder dass ihn mit dem Tod das Nichts erwartet oder ein ewiges Himmelreich, also nichts bedrohliches. Aber jeder hat Angst vorm Sterben.
Wir stellen uns das sterben als einen sehr schmerzhaften Akt vor und da wir ein Leben lang gelernt haben Schmerzen zu vermeiden, wünschen wir uns ein mögichst sanftes sterben wenn es denn schon sein muss. Wenn uns auch unser Verstand sagt, dass wir bei einem Sprung aus ausreichender Höhe auf der Stelle tot sind und vom Aufprall nichts spüren werden, sitzt doch tief in uns die Angst, wir könnten es doch noch mitbekommen.
Natürlich wird das nicht der einzige Grund sein weshalb du nicht von einer Brücke springst, die du zufällig gerade beschreitest. Die wenigsten stürzen sich von Brücken weil die Gelegenheit sich gerade zufällig ergibt. Aber wenn jemand eine Brücke bewusst zu diesem Zweck aufsucht und nicht springt, dann könnte es gut sein, dass ihn weniger die Angst vorm Tod als die vorm Sterben davon abhält und um diese zu überwinden braucht es natürlich schon ein ausreichendes Motiv. Aber wie auch immer, ob wir uns nun selber töten oder nicht, am sterben werden wir letztlich alle nicht vorbei kommen. Womit ich wieder bei der freudigen Erkenntnis angelangt bin, dass man auf das wann und wie glücklicherweise Einfluss nehmen kann.
ich tue mich mit dem Begriff „bewerten“ etwas schwer wenn es um Dinge wie Leben und Tod geht. Sein eigenes Leben empfindet man eher auf eine bestimmte Weise und daher erscheint mir eine sachliche Bewertung schwierig. Objektiv von außen betrachtet, also aus Sicht anderer heraus, kann man es wohl kaum als außergewöhnlich schlecht bezeichnen, mein Leben. Das sagt aber nichts darüber aus, wie ich es empfinde (oder wenn du so willst, bewerte).Deadly Snowflake hat geschrieben: Zu 3)Wie würdest du denn bei dir die Bewertung von deinem Leben und vorgestelltem Todsein beschreiben: bewertest du nicht dein Leben doch (notwendig?) höher solange du dich nicht suizidierst? Und wäre (d)ein Suizid nicht Ausdruck dessen, dass du dein Leben nicht mehr höher wertest?
Nein, das kann man sicher nicht. Es kann lediglich dazu dienen den Kreislauf des Lebens aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten und sich von den üblichen eingefahrenen Denkstrukturen zu lösen, die man sich angwöhnt hat. Bei kleineren und größeren Alltagsproblemen kann einem das Universum, so faszinierend es auch ist, leider keine besonders brauchbaren Ratschläge gebenDeadly Snowflake hat geschrieben: Zu unter dem Strich) Ohne die subjektiv wertende Sichtweise, wärst du dann noch ein Mensch? Kann man als lebender Mensch sich eine nicht-wertende Sichtweise in seinen Lebensvollzügen zu eigen machen?
Zu 1) Über das Todsein mache ich mir tatsächlich wenig Gedanken weil ich annehme, dass ich es nicht erleben/empfinden werde.Deadly Snowflake hat geschrieben: 1) Was ängstigt die Menschen bezüglich dem Tod? Ich denke deine Unterscheidung ist zu wenig differenziert. Du unterscheidest nur das nach-todliche Sein/nicht-Sein und den Sterbensprozess. Man muss aber wie folgt unterscheiden: Todesereignis, Todsein (als Auslöschung oder nach-todliche Weiterexistenz) und Sterbeprozess (siehe hierzu: H.Wittwer "Philosophie des Todes").
2) Das Nichts schreckt mich nicht (über ein jenseitiges Weiterleben kann ich mir schlicht keine Vorstellung machen...aber es schreckt mich auch nicht), das Sterben scheint mir heutzutage (in 90% der Fälle mittels Palliativmedizin) doch viel kontrollierbarer in seinem Leidaspekt zu sein, und es darf gehofft werden, dass die Sterbehilfe in Zukunft noch liberaler im Dienste der nicht-behandelbar Leidenden angewandt wird/werden darf als heute...daran denke ich kaum je...davor habe ich wenig Angst, aber das Todesereignis als Abbruch des Lebens ängstigt mich durchaus...die Vorstellung aus dem Leben gerissen zu werden, vielleicht gerade dann wenn viele Lebenswünsche noch bestehen, auf Erfüllung sehnen. Alles loslassen zu müssen.
Zu 1) Wenn du das Sterben mit dem Ende des Lebens (Tod als Ereignis) gleichsetzen tust, entgeht dir eben ein grosser Teil jener Angst (vieler Menschen) vor dem Tod, die nicht in der Angst vor dem Sterbeprozess gründet.so-lebt-der-lurch hat geschrieben:
1) Und das Todesereignis, welches ich mit dem Sterbeprozess gleichsetze (differenzierter denke ich da nicht) möchte ich gerne in schlafendem/bewusstlosem Zustand erleben bzw. eben nicht bewusst erleben. Dafür möchte ich es mir vorher als eine angenehme Reise durchs Universum vorstellen![]()
2) Ja, die Palliativmedizin ist sicherlich für diejenigen, für welche der natürliche Tod die einzige annehmbare Option ist eine gute und wichtige Sache. Allerdings gibt es außer Schmerzbekämpfung noch andere Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Die Handlungsfreiheit wird einem ja beim allmählichen Dahinsterben zwangsläufig abhanden kommen. Und nicht jeder kann sich damit abfinden vollständig auf fremde Hilfe angewiesen (man könnte auch sagen: anderen ausgeliefert) zu sein.
3) Viele empfinden so ein Dasein am Lebensende als würdelos, andere hingegen nehmen es so hin.
4) Daher finde ich, es ist egal ob die letztlich getroffene Wahl der Möglichkeiten das Ergebnis eines freien oder determinierten Willens ist. Der letzte Wille muss auf jeden Fall respektiert werden.
Mir scheint, die meisten von uns hier befinden sich, wenn man das Kübler-Ross-Schema mit den 5 Phasen zugrunde legt, schon längere Zeit in Phase 5. Wir wurden ja nicht plötzlich von einer tödlichen physischen Krankheit überrascht und müssen den Sterbeprozess innerhalb einer relativ kurzen Zeit abarbeiten sondern bei uns begann sich der Gedanke an den Tod, evtl. in Eigenregie irgendwann einmal zu formen, tauchte zuerst nur als Option auf, nahm Formen an bez. der Methode, wurde mit der Zeit zu einem mehr oder weniger festen Plan, wurde verworfen und wieder aufgegriffen oder verschoben u.s.w.Deadly Snowflake hat geschrieben: ... aber das Todesereignis als Abbruch des Lebens ängstigt mich durchaus...die Vorstellung aus dem Leben gerissen zu werden, vielleicht gerade dann wenn viele Lebenswünsche noch bestehen, auf Erfüllung sehnen. Alles loslassen zu müssen.
Sehr merkwürdig, dass du mit solchen Menschen nie gesprochen hast...(Schon Epikurs bekannte Aussage zum Tod: "Wenn der Tod ist, sind wir nicht und umgekehrt, darum bräuchten wir den Tod auch nicht fürchten, weil wir ihm nie begegnen", mangelte es an obiger notwendiger Fallunterscheidung). Die oftmalig schmerzhafte Abwehr dem Tod gegenüber, nährt sich doch von diesem Aspekt des Todes (siehe auch Kübler-Ross und ihr Schema des emotionalen Prozesses bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterbenmüssen).
Wie fühlt ein Mensch für den Leben/Tod gleichwertig sind...ich kann mir das halt nicht vorstellen. Im Zen heisst es, Tod und Leben seien im Grunde identisch...aber selbst wenn ein solcher Erkenntnismodus existieten sollte, ist er relativ weit weg von unserem alltäglichen Empfinden. Die Antwort auf diese Frage scheint mir die am wenigsten evidente in unserem Diskussionskontext (Kann der Mensch, und wenn ja, wie, Tod und Leben gleich bewerten?).