Verfasst: Samstag 5. September 2009, 04:35
Gutes Stichwort.Nessie hat geschrieben:Ich geh kaputt daran, so fallengelassen zu werden
"Fallenlassen"gilt nach meinem Kentnisstand in der modernen Psychologie sozusagen als das Non-Plus-Ultra-Rezept, wenn es darum geht, einem Süchtigen zu helfen, von seiner Sucht loszukommen. In die unterste Gosse fallengelassen zu werden, das ist aus wissenschaftlicher Sich überhaupt das beste, was dieser Person passieren kann.
Ich persönlich halte diese Ansicht, gelinde gesagt, für einigermaßen zynisch.
Mein Eindruck: Da urteilen Menschen vom Reißbrett, vom Hörsaal, vom Labor oder von der Uni-Bibliothek aus kurzerhand über andere Menschen. Wer genau das ist, der da urteilt, das weiß eigentlich keiner so genau. Ich sehe da so Überflieger vor meinem geistigen Auge, die mit 14 jahren ihre spätere Ehefrau im Tanzkurs kennen gelernt, dann ein Super-Abi und nahtlos gleich noch ein Super-Studium hingelegt haben. Psychologie ist ja ein NC-Fach, also eh per definitionem nur für die leistungsmäig "Besten" bestimmt. (Diejenigen, die das nicht gepackt haben, aber trotzdem den inneren Drang verspüren, Einfluss auf ihre Mitmenschen auszuüben, die studieren dann halt Sozialpädagogik. Das darf und schafft jeder Dorfdepp.) Bestenfalls haben die bei der Abi-Feier mal an einem Joint gezogen, wobei ihnen tierisch schlecht wurde. Ansonsten sind die mit dem Thema "Sucht" ausschließlich theoretisch in Berührung gekommen, was sie natürlich zu absoluten Experten macht.
Natürlich gibt es Aushängeschilder für diese "Man-muss-Menschen-einfach-fallenlassen" Theorie. "Vorbilder", die in einer Krisensituation von allen möglichen Freunden und Familienmitgliedern oder wo immer sie einen Strohhalm gesucht haben knallhart fallen gelassen wurden, die dann durch irgendeinen glücklichen Zufall die Kurve gekriegt haben und jetzt durch ihr Bootcamp oder ihre Fernsehshow in der Öffentlichkeit präsent sind. Von den vielen anderen, die nicht soviel Glück hatten und die infolge des "Fallengelassenwerdens" am Ende schlichtweg verreckt sind .... von denen spricht wohlweislich niemand. Einfach deshalb, weil es nicht opportun ist.
Jetzt aber zu dir. Wenn meine Berechnung stimmt, lande ich früher oder später eh in der Klappse, weil scheinbar aller Welt eingeredet wurde, das sei das Beste für mich. Daher sei mir der vorige Exkurs gestatet, da ihr wohl eh lange von meinen Beiträgen verschont sein werdet.
Im weiteren Sinne zählt für die Psychologie zum Thema "Sucht" vermutlich auch die Sucht nach einem Menschen, nach schönen Erlebnissen mit diesem Menschen u.s.w. Also ist es aus dieser Sicht einfach nur GUT, wenn dieser Mensch dich dann konsequent fallen lässt und quasi knallhart von deiner Sucht nach ihm "entwöhnt". Klingt für dich jetzt sicher total blöd, oder?
NICHT gut (ich würde sagen: noch weniger gut) wiederum ist es, wenn der gute Mann astrein rumeiert und nicht so recht weiß, was, bzw. wen er eigentlich haben will. Am liebsten wird er wahrscheinlich euch beide parallel haben wollen, wenn er das irgendwie bewerkstelligen kann. So sind nun mal Männer (und durchaus auch Frauen, jaja)
Wenn das der Fall ist, dann wirst du das wohl in der Form erfahren, dass er mit der anderen regelmäßig ausgeht, dir aber erzählt, dass er immer noch an dir hängt und dich auch nicht verlieren will.
Ein todsicheres Zeichen dafür, dass er die andere attraktiver findet als dich, ist in diesem Fall, wenn er dir sagt, dass er dich "als Freundin" nicht verlieren will. Und das Schlimmste, was du dann machen kannst, ist, trotzdem mit ihm ins Bett zu gehen, weil du meinst, dass du ihn so doch noch irgendwie bei dir halten kannst. In Wahrheit willst du aber nur die schöne Vergangenheit nicht loslassen, die deine Welt zeitweise etwas bunter gefärbt hat als normal.
Was soll ich sagen? Irgendwann wird dir bewusst werden, dass du durch deine Rolle als "unzulässiges Wort" systematisch entwürdigt wirst und dass dem Typen das im Grunde seines Herzens nicht mal groß was ausmacht, solange er seinen Spaß mit dir hat. Du idealisierst das natürlich und redest dir, so lange es geht, ein, dass der ja doch noch insgeeim in dich verliebt ist.
Und dann hast du genau zwei Möglichkeiten. Entweder du reißt dich aus der beziehung los, lebst dein eigenes Leben und findest früher oder später einen neuen Partner.
Oder aber du spielst sein Spielchen mit, bis du es nicht mehr aushältst und einen Suizid planst ... auf dass er endlich mal zu sehen kriegt, was für ein mieses Charakterschwein er ist. Allerdings soll es Frauen geben, die wollten auch nach ihrem zehnten halbherzigen Versuch noch unbedingt an die Vergangenheit anknüpfen .... einfach deshalb, weil sie nichts anderes haben, das ihnen lebenswert erscheint.
Die Frage ist, ob du dir so eine Biografie für dich vorstellen kannst (und wilst).
Es gibt natürlich auch noch die Variante, dass die andere ihn rausschmeißt und er wieder reumütig zu dir zurück kommt, weil er nicht so recht weiß, wohin er sonst gehen soll. Sag mir auf einer Skala von eins bis zehn: Wie glücklich würde dich das machen, und ich sag dir, wie dumm und arm du bist.
Denn sowas könnte mit einer anderen natürlich jederzeit wieder passieren. Und dann würdest du wahrscheinlich wieder schmachten in der Hoffnung, dass dein Traumprinz zurückkommt.
Mein Schlussplädoyer:
Es ist ein Weg, passiv zu sein und duldsam das Fallengelassenwerden hinzunehmen, bis man denn irgendwann mal am Boden aufschlägt.
Es ist aber auch ein Weg, aktiv zu sein. Wie das aussehen soll, die Antwort ist in deinem Fall relativ einfach: Lasse DU IHN fallen.
Welchen Weg wirst du gehen?
EDIT: Ich hatte noch nie eine richtige Freundin. Vielleicht sehe ich deinen Fall deshalb so nüchtern ... und das, obwohl etliche leere Bierflaschen vor mir stehen.