Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Erloesung
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Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von Erloesung »

Anmerkung: Dies ist KEINE Empfehlung, sondern soll nur dazu dienen, dass man auch diese Philosophie kennenlernt und ggf. sich darüber austauschen kann. (Argumente/Gegen-argumente)

"Pro-Mortalism ist eine philosophische Ansicht, dass es fast immer besser ist, das Leben zu beenden."

Diese Philosophie basiert auf der Grundlage, dass das Leben grundsätzlich immer mit Leid verbunden ist - und die Fortführung des Lebens somit ebenfalls auch immer mit weiterem zukünftigen Leid verbunden ist.

Es gibt auch bereits wissenschaftliche Arbeiten zu dieser philosophischen Ansicht:
von der University of York (Großbritannien) ist folgende Arbeit veröffentlicht worden ->
"Better No Longer to Be" - Download des PDF-Artikels hier:
https://research.birmingham.ac.uk/porta ... _to_Be.pdf (Englisch)

Ausserdem eine Arbeit von einem Anti-natalisten und Pro-Mortalism Anhänger:
https://jiwoonhwang.wordpress.com/2018/ ... mortalism/ (Englisch)
whocares
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von whocares »

Wer das wirklich glaubt (dass fast - das berüchtigte `fast` - jedes Leben besser nicht mehr sei), der wird bei der Begegnung mit (fast...lol) jedem Menschen den (aus Liebe?) geborenen Wunsch verspüren, den anderen tot zu wünschen. (Kleiner Einschub hinsichtlich diesem `fast`. Auffallend ist ja zuweilen, dass es in Klammern gesetzt wird, warum eigentlich. Mir scheint solche Klammernsetzung ein Zweifaches suggerieren wollen (und ein Drittes ungwollt zu evozieren): dass dieses `fast` durch Klammernsetzung genauerhin als ein moralisch zu vernachlässigendes zu klassifizieren ist. Dem zugrunde liegend, dass dieses `fast` nicht mehr als eine - eigentlich unnötige - Binsenwahrheit ausspricht. Dem gegenüber hebt die Klammernsetzung das `fast` zumindest dem auf Subtiles Hinhörenden geradezu aus dem Satz hervor. Warum wird das `fast` in Klammern gesetzt, schreit es einem aus den sprach-sensiblen Hirnwindungen entgegen! (Dies Letztere muss wohl als entgegen der Intention der Klammern-Setzung vermutet werden.) Eine genauere Analyse kann an dieser Stelle freilich leider nicht geleistet werden. Angemerkt sei lediglich, dass solcher Einklammerung auch ein Schuldgefühl zugrundliegen kann, sei es weil dieses `fast` argumentativ nicht überzeugend `aufgehoben` wird oder aber, dass damit dem Insgesamt allen leidens- und lustfähigen Lebens, nicht gerecht wird. (Wobei fast (...siehe unten) alle psychologisierende `Genealogie` sich als blosse ad-hominem Argumente zurückweisen, ja, ignorieren liessen, wenn nicht in dieser Fragestellung die Grenze zwischen gültigen Argumenten und irrelevanten weniger klar gezogen scheint als üblicherweise.)
Solchen Liebesdienst selbst auszuführen (ohne Wissen und Schmerzen eines Betroffenen) verunmöglichen ihm mögliche `Kollateralschäden`. (So wenn solch hochmoralisches Tun Mode würde, da müsste ja jeder fürchten um sein so elendes Leben gebracht zu werden. Aber im Grunde genügte die Einhaltung der Regel niemanden wissend und schmerzufügend zu töten. Dann würde jeder mit einer höchst `lebendigen` Hoffnung leben, jederzeit zwar nicht dem Paradies zuzugehören, aber doch immerhin der Hölle entronnen zu sein. Freilich: für Lustmaximierer etwas enttäuschend im Vergleich mit Unlustminimierer, aber da niemand je darum wissen wird, scheint solche Differenz einerlei zu sein. Für Angehörige scheint das Problem auch mehr oberflächlicher Natur zu sein: wenn ihr Leben nicht den wenigen Ausnahmen zugehört - man könnte um das übergrosse Leidersparen willen diese Minderheit allenfalls als utilitaristisches Opfer in Kauf zu nehmen bereit sein - so düften deren Lieben (die sich gegenseitig warum eigentlich nicht längst gegenseitig ins Nichtsein befördert haben?) doch nur bedingt zur eigenen Lebenserhellung beisteuern wie auch nur aus je eigenen egoistischen Motiven. Usw. usw...
Eine Frage: Altenpflegern, die die ihren anvertrauten akuten und baldigen Moribunden in der Funktion hochmoralisch denkender `Todesengel` das letzte Leid ersparen (mittels schmerzlos wirkendem Todesnektar), müssten pro-Mortalisten ohne Zweifel beipflichten höchste moralische Standards aktualisiert zu haben. Oder etwa nicht? Kollateralschäden auf der Seite lassend, könnte selbst eine konsequenzialistische Ethik (auf die Gesinnung wird gepfiffen, d.h. ob hier aus höchster Liebe gehandelt wurde oder nicht) im konkreten Einzelfall bedenkenlos zustimmen.

Hartes Los und Brot ein pro-Mortalist zu sein. Zwar sich im Besitz des höchsten moralischen Ethos wissend aber selbst, d.h. hinsichtlich wirkmächtigem eigenen Tun bleibt es bei gross- oder kleinkotzigem Schwingen der philosophierenden Moralkeule (was mit Moral etwa soviel zu tun hat wie Luftgitarre-Spielen mit richtig Gitarre spielen) Und ich hege wenig Zweifel, dass die Gesetzeslage, Kollateralschäden und andere Sachzwänge ihnen - zumindest ihr eigenes Tun und Lassen betreffend - als nicht gänzlich unpassende Entschuldigungsgründe dienen. ABER: Müsste bei solch hehren Ansprüchen nicht wenigstens der eigene Suizid drin liegen? (Ich erinnere an einen Herrn Mainländer...die Annahme dass ein pro-Mortalist sich selbst gerade ausnimmt von den `fast allen`ist schier undenkbar: es liesse sich ja dann beinahe so lesen, als wollte er sagen "die allzuvielen Menschen ohne lebenswertes Leben würden am besten nicht mehr sein". Wer sich so exkludierete aus einer umfassenden Negation des sein Sollens fast aller, dem bliesen die ad-hominem Argumente ALS philosophisch valide Argumente nur so um die Ohren. Und wer sich explizit nicht exkludierte, könnte einer Projektion eigener Zuständlichkeiten verdächtigt werden. Besitzt wer so tief ins Glas eigenen Leidens schauen musste, noch die Klarsicht das Leid/Glück anderer ohne Verzerrung wahrnehmen zu können, oder das notwendig selbst-lose (also nicht vom eigenen Leid genährte!) Mitleid mit dem (all-)leidenden Leben? (Man sieht: die Gesinnung wird spätetens dann relevant wenn es kognitiv relevante Implikationen in sich trägt.)

Oder wurde da gänzlich missverstanden? Es sei doch ganz anders gemeint gewesen, gar nicht so rabiat-grob und doch mit viel philosophischer finess. (Nun dann, was letzteres betrifft später mehr...und tatsächlich: von ad hominem Unterstellungen können nur glassklare Argumente schützen, wehe dem aber dem solche fehlen...)
Peterchen
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von Peterchen »

whocares hat geschrieben:ABER: Müsste bei solch hehren Ansprüchen nicht wenigstens der eigene Suizid drin liegen? (Ich erinnere an einen Herrn Mainländer...die Annahme dass ein pro-Mortalist sich selbst gerade ausnimmt von den `fast allen`ist schier undenkbar: es liesse sich ja dann beinahe so lesen, als wollte er sagen "die allzuvielen Menschen ohne lebenswertes Leben würden am besten nicht mehr sein".
Jiwoon Hwang starb am 22. November. Er hatte am 11. September versucht, sein Leben zu beenden und lag danach über zwei Monate im Koma.
whocares
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von whocares »

Peterchen hat geschrieben:
whocares hat geschrieben:ABER: Müsste bei solch hehren Ansprüchen nicht wenigstens der eigene Suizid drin liegen? (Ich erinnere an einen Herrn Mainländer...die Annahme dass ein pro-Mortalist sich selbst gerade ausnimmt von den `fast allen`ist schier undenkbar: es liesse sich ja dann beinahe so lesen, als wollte er sagen "die allzuvielen Menschen ohne lebenswertes Leben würden am besten nicht mehr sein".
Jiwoon Hwang starb am 22. November. Er hatte am 11. September versucht, sein Leben zu beenden und lag danach über zwei Monate im Koma.

Danke. Das ist aus verschiedenen (bereits oben angedeuteten) Gründen eine wichtige Information, gerade auch hinsichtlich dessen, wie er argumentierte (da, wie angedeutet, Person und Argumente bei diesem Thema weit enger verzahnt scheinen als (auch) in anderen Bereichs-Ethiken.) Hätte ich mich versichern müssen, dass die Autoren der Artikel sich nicht suizidiert hatten? Ja...auch wenn ich bei meiner kritischen Frage mehr den prinzipiellen Sachverhalt im Auge hatte. (Wie kann man sein eigenes Leben als besser nicht mehr sein sollend bewerten und dennoch am Leben bleiben? Auch sage ich nicht, dass solche Konsistenz unbedingt gegeben sein muss, bei Pro-Mortalisten freilich weit eher als bei `blossen` Antinatalisten, da hier keine diesbezügliche Symmetrie besteht.)
Dass sein Suizid nicht wie gewünscht gelang, ist erstaunlich bei einem Menschen, der sich jahrelang mit dem Thema beschäftigte. Werde seinen Artikel noch lesen und entsprechend kommentieren.
whocares
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von whocares »

Mein Kommentar zur Argumentation Jiwoon Hwangs wird bestimmt 20-30 Seiten lang werden.
Wer Interesse daran hat, dem werde ich es zukommen lassen, allenfalls auch hier als
pdf-link posten (so möglich). (Den Text werde ich aber nicht als solchen in einem thread posten.)
Peterchen
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von Peterchen »

Wenn du kannst, dann schreib ihn auf Englisch. Dann kannst du ihn diversen Antinatalismus-Gruppen zu Lesen geben.
Erloesung
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von Erloesung »

Ja, Herr Hwang ist tot. Obwohl Herr David Benatar ihn im April 2018 in Prag noch überzeugen wollte, dass seine Entscheidung "falsch" wäre.

@whocares
In deiner Analyse kann ich vielen Punkten zustimmen. Jedoch ist deine Schreibweise auch sehr komplex, finde ich, so dass das lesen deiner Analysen mich überfordert.
Peterchen
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von Peterchen »

Erloesung hat geschrieben:Ja, Herr Hwang ist tot. Obwohl Herr David Benatar ihn im April 2018 in Prag noch überzeugen wollte, dass seine Entscheidung "falsch" wäre.
Den Antimortalismus von Benatar habe ich noch nie verstanden. Als gäbe es einen Unterschied zwischen der Nichtexistenz der Toten und der Nichtexistenz der Menschen, die nie geboren wurden.
Lovecraft
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von Lovecraft »

Peterchen hat geschrieben:
Erloesung hat geschrieben:Ja, Herr Hwang ist tot. Obwohl Herr David Benatar ihn im April 2018 in Prag noch überzeugen wollte, dass seine Entscheidung "falsch" wäre.
Den Antimortalismus von Benatar habe ich noch nie verstanden. Als gäbe es einen Unterschied zwischen der Nichtexistenz der Toten und der Nichtexistenz der Menschen, die nie geboren wurden.
...einen kleinen Unterschied gibt es dennoch - nämlich den, dass einige der Menschen, die existiert haben, Spuren hinterlassen, den Lauf der Dinge verändert haben - im Gegensatz zu denen, die nie existierten...hätte es z.B. keinen William Shakespeare, keinen Goethe, keinen Bach, keinen Mozart, keinen Beethoven, keinen Napoleon und keinen Hitler gegeben - dann wäre die Welt heute eine völlig andere...sicherlich trifft das nicht auf alle Menschen zu, sondern eben nur auf jene wenigen, die im guten oder schlechten - dieser Welt ihr Brandzeichen aufgedrückt haben...der Rest jedoch, die graue Masse der Mäuse, verschwindet, ohne jemals eine Spur zu hinterlassen, da macht "Sein oder Nichtsein" tatsächlich keinen Unterschied...
Erloesung
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von Erloesung »

Peterchen hat geschrieben:
Erloesung hat geschrieben:Ja, Herr Hwang ist tot. Obwohl Herr David Benatar ihn im April 2018 in Prag noch überzeugen wollte, dass seine Entscheidung "falsch" wäre.
Den Antimortalismus von Benatar habe ich noch nie verstanden. Als gäbe es einen Unterschied zwischen der Nichtexistenz der Toten und der Nichtexistenz der Menschen, die nie geboren wurden.
Verstehe ich - wie schon einmal hier erwähnt - auch nicht. Ich muss aber dazu sagen, dass ich Benatar's Buch nie gelesen habe.

Jedoch habe ich öfters mal in Antinatalisten-Gruppen genau diese Frage den anderen Usern mal gestellt. Und immer kam die Antwort, dass ich entweder sein Buch lesen soll - oder es kamen immer verwirrende Antworten von Usern zu dieser Frage.
RundUm
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von RundUm »

Wieder ein neues Wort dazugelernt
whocares
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Re: Pro-Mortalism - eine kontroverse Philosophie

Beitrag von whocares »

Muss auf weitere Beiträge von meiner Seite zu diesem und verwandten Themen verzichten. Nehme vielleicht zum letzten Mal
ein eigenständiges Werk (lol) mir vor aufs Papier zu bringen. Zeithorizont: 1-2 Jahre, wenn ich eine Minimaldisziplin aufrechterhalten
kann (momentan ganz gut im Plan.)
Bis dann allen möglichst wenig Leiderleben ....

whocares

PS: Nachfragen bezüglich Stand der Dinge per p.n. falls Interesse besteht. Ansonsten: bis irgendwann...
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