TheBest_Chan hat geschrieben:Lebensmüde hat geschrieben:
Schienensuizid ist und bleibt feige und egoistisch.
Man kann nicht andere Leben zerstören, nur um sein eigenes zuverlässig zu beenden.
Darüber hätte sich der Herr Co-Copilot evtl. auch mal so seine Gedanken machen sollen, bevor er 150 unschuldige Menschen mit in den Tot gerissen hat (Spätfolgen bei den Hilfskräften nicht mit eingerechnet).
Es gibt schon einen wesentlichen Unterschied zwischen Schienensuizidenten und dem Co-Piloten. Der Schienensuizident nimmt zwar die eventuelle Traumatisierung des Lokführers billigend in Kauf, um sein Leben (vermeintlich) sicher zu beenden. Allerdings ist diese Traumatisierung nicht sein Ziel, ihm geht es letztlich ausschließlich um die Erlösung von eigenem Leid. Der Herr Co-Pilot wollte (ebenso wie Amokläufer) nicht nur sich selbst, sondern auch Andere töten, also auch fremdes Leid verursachen.
Diese Sichtweise gilt übrigens unabhängig davon, ob es einen freien Willen gibt oder nicht.
Klar ist das ein (für die Involvierten an Wesentlichkeit wohl nicht zu überbietender) Unterschied, aber kein moralischer. Worin besteht denn der genannte Unterschied genau? In einer unterschiedlichen Determiniertheit (ohne freien Willen gibt es nur determiniert sein oder zufälliges Geschehen) die unterschiedliches Leid verursacht und nichts anderem (so wie ein Stein fallen oder ruhen kann mit entsprechend unterschiedlichen Wirkungen, je nach den auf ihn (ein)wirkenden Kräften). Deine Ausdrücke `billigend in Kauf nehmen`, `fremdes Leid verursachen`, vor allem das abschätzige `der
Herr Co-Pilot` zeigen dass du moralisch denkst/fühlst (also nicht bloss das unterschiedliche Leidausmass im Blick hast, denn die Ausdrücke zielen direkt auf Schuld, Zurechnungsfähigkeit, Verantwortlichkeit, Absicht und vermutlich Wunsch nach Bestrafung des Verursachers und nicht auf das `blosse` Entsetzen über das verursachte Leid), also sehr wohl einen freien Willen benötigst (oder eine andere Freiheitstheorie, die du a) mit ziemlicher Sicherheit nicht hast und b) mit noch viel grösserer Wahrscheinlicher nicht überzeugend Plausibilisieren könntest) um konsistent zu sein. Dass du zudem unterstellst, dass der Co-Pilot andere töten wollte, ist schlicht unverschämt-dumme Anmassung (nicht moralisch gemeint , nur deskriptiv). Was weisst du schon was er wollte und was nicht (oder hatte er seine Intention irgendwo kundgetan...und selbst wenn: ohne freien Willen wäre es nur mit kompatibilistischer Spitzfindigkeit als `sein freier Wille` interpretierbar, und schon gar nicht wenn man irgendeine(n) die Zurechnungsfähigkeit unterminierende Krankheit/Zustand annimmt)?
Ein typisches Beispiel wie man meint moralisch werten zu können (oder gar der Ansicht ist gar nicht zu werten) ohne einen freien Willen vorauszusetzen. Im Grunde verstehst du selber nicht was du da geschrieben hast (`schlimmer` in gewisser Hinsicht wenn du es wüsstest).
PS: Eine Knacknuss für jene die an einen `freien Willen` glauben: Warum begehen die meisten Suizidenten keine Amokläufe etc., involvieren also nicht absichtlich andere in ihr Tun? Falls ein freier Wille massgebend wäre, müsste das Verhältnis doch in etwa 50:50 sein (und dies betreffe im Grunde fast jeden Entscheid in welchem Handlungs-Kontext auch immer!), wie beim Zufall (vorausgesetzt, dass andere bestimmende Faktoren in etwa gleichermassen gegeben wären, also dass beide Optionen verwirklichbar wären...wer ein Auto besitzt könnte immerhin einen mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlichen Frontalcrash ohne allzu grossen Aufwand verursachen etc.). Dass dem aber offensichtlich nicht so ist, ist nur mit Determinanten zu erklären die das Handeln der Mehrzahl der Menschen/Suizidalen bestimmen und nicht `willentlich` auszuhebeln sind (ein biologisch und sozial vermitteltes Gefühl für die `goldene Regel` z.B.). Einen freien Willen vorausgesetzt wäre eine solche faktisch existierende ungleichmässige Verteilung ein völliges Rätsel und unerklärbar (wie jede Handlung die von einem solchen Willen verursacht würde: grundlos, ursachelos, reinste Willkür, rational nicht nachvollziehbar).
Und für alle Atheisten sei angefügt: wer an einen freien Willen glaubt, glaubt ebenso wie es der Gläubige tut...mit einem kleinen Unterschied: Gott ist denkbar, ein freier Wille nicht, fragt sich dann was irrationaler ist, wobei der Gläubige natürlich immer schon einen freien Willen voraussetzt, zumindest bei Gott. Es ist auffallend, dass die Negierung eines `freien Willens` wesentlicher scheint als die Negierung Gottes: Gott ohne freier Wille ist eine Absurdität, ein freier Wille ohne Gott aber (zumindest für all jene die sich mit einer rein diesseitigen Weltsicht arrangiert haben) keineswegs, zumindest im Sinne einer möglichen Negierung von Sinnhaftigkeit (für all jene die an ihn glauben und ihn benötigen: und das sind wohl alle die sich als ihre Zukunft bewusst gestaltende Individuen verstehen, sich selbst also nicht als rein determinierte Maschine wahrnehmen...ein in psychopathologischen Kategorien wohl krankhafter Zustand, die Wahrheit betreffend aber ein mit der Wirklichkeit übereinstimmender).