Fortpflanzung vs. Antinatalismus

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

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Lexx
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Registriert: Mittwoch 24. Juli 2024, 21:12

Fortpflanzung vs. Antinatalismus

Beitrag von Lexx »

Was sind eure persönlichen Gedankengänge, Überlegungen und Einstellungen zu diesem Thema:

An die Mütter und Väter-
Aus welchen Gründen habt ihr euch damals klar für euer Kind bzw. eure Kinder entschieden?

An die Kinderlosen-
Warum habt ihr euch vielleicht sogar ganz bewusst eindeutig gegen die Fortpflanzung entschieden?

In beiden Fällen-
Habt ihr eure Entscheidung jemals bereut; hat sich eure Einstellung im Laufe der Zeit eher verstärkt oder komplett verändert?
n°cturne
Beiträge: 289
Registriert: Freitag 12. November 2021, 00:21

Re: Fortpflanzung vs. Antinatalismus

Beitrag von n°cturne »

Ich war schon sehr früh der Meinung, dass Kinder in die Welt zu setzen, eher ein eigensüchtiger Akt ist. Natürlich bin ich in meiner Familie damit ziemlich angeeckt. Das hört ja nunmal keiner gern, der Kinder hat. Allerdings war die Überlegung damals noch theoretischer Natur. Ich hielt die Form von Egoismus vertretbar, da es sonst ja schließlich auch keine Kinder geben würde. Schon gar keine gewollten. Und dass es gewollt ist, ist ja nunmal essentiell für das Wohlergehen eines Kindes.

Ich selbst wollte sehr gerne Kinder, es gehörte für mich auch einfach zum Lauf des Lebens dazu. Und unter dem Aspekt, dass man seine Kinder gut behandeln würde, fand ich es auch in Ordnung, Kinder zu bekommen. Gerade in Hinblick darauf, seinen Kindern eine gute Ausgangsbasis bieten zu können, bot sich im Rat Race des Lebens allerdings nie so wirklich die Gelegenheit dazu, den Wunsch auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Und je älter ich wurde und je mehr meine rosarote Brille über den Zustand dieser Welt zerbrach, desto weniger fand ich es vertretbar, neue kleine Menschlein da hineinzusetzen. Irgendwann wusste ich auch gar nicht mehr, was ich diesen kleinen Menschlein eigentlich über diese Welt erzählen soll. Weder hätte ich es für vertretbar gehalten, sie im Unwissen zu lassen, noch ihnen die Wahrheit zu erzählen.

Ich kann es zwar nach wie vor sehr gut verstehen, wenn sich andere Kinder wünschen, aber ich sehe mit Besorgnis, dass sich viele aus den falschen Gründen Kinder wünschen: Weil zu Haus, Boot und Auto eben auch eine Bilderbuchfamilie dazugehört, zur genetischen Verewigung oder vor allem bei alleinstehenden Frauen auch sehr oft, um sich selbst zu retten und sich ein eigenes Menschlein auf diesem Planeten zu schaffen, das unweigerlich an sie gebunden sein wird. Und so wird das empfundene Leid letztlich einfach nur an die nächste Generation durchgereicht und das wollte ich auf keinen Fall. Letztlich bin ich selbst ein solches Kind und die Bürde ist einfach zu schwer. Es ist eben auch die Form von Reproduktionsegoismus, die ich nicht für vertretbar halte.

Aus heutiger Sicht bin ich sehr froh, dass ich in dieser Hinsicht keine Dummheiten gemacht habe. Mein Leben ist einfach nicht so verlaufen, als dass ich einem Kind je gerecht geworden wäre. Natürlich bin ich oft traurig, dass alles gekommen ist, wie es gekommen ist. Eine Welt aus Friede, Freude, Eierkuchen wäre mir natürlich sehr viel lieber. Aber was nützt es wiederum, wenn alles nur eingebildet ist und man in blinder Naivität ein Kind zeugt, das den Preis dafür zahlen muss. Ich weiß auch von einigen Eltern, die ihre Entscheidung, ein Kind in die Welt zu setzen, rückblickend sehr kritisch betrachten.
Epsilon
Beiträge: 117
Registriert: Montag 7. Februar 2022, 20:36

Re: Fortpflanzung vs. Antinatalismus

Beitrag von Epsilon »

n°cturne hat geschrieben: Dienstag 8. Oktober 2024, 15:21 Ich war schon sehr früh der Meinung, dass Kinder in die Welt zu setzen, eher ein eigensüchtiger Akt ist. Natürlich bin ich in meiner Familie damit ziemlich angeeckt. Das hört ja nunmal keiner gern, der Kinder hat. Allerdings war die Überlegung damals noch theoretischer Natur. Ich hielt die Form von Egoismus vertretbar, da es sonst ja schließlich auch keine Kinder geben würde. Schon gar keine gewollten. Und dass es gewollt ist, ist ja nunmal essentiell für das Wohlergehen eines Kindes.

Ich selbst wollte sehr gerne Kinder, es gehörte für mich auch einfach zum Lauf des Lebens dazu. Und unter dem Aspekt, dass man seine Kinder gut behandeln würde, fand ich es auch in Ordnung, Kinder zu bekommen. Gerade in Hinblick darauf, seinen Kindern eine gute Ausgangsbasis bieten zu können, bot sich im Rat Race des Lebens allerdings nie so wirklich die Gelegenheit dazu, den Wunsch auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Und je älter ich wurde und je mehr meine rosarote Brille über den Zustand dieser Welt zerbrach, desto weniger fand ich es vertretbar, neue kleine Menschlein da hineinzusetzen. Irgendwann wusste ich auch gar nicht mehr, was ich diesen kleinen Menschlein eigentlich über diese Welt erzählen soll. Weder hätte ich es für vertretbar gehalten, sie im Unwissen zu lassen, noch ihnen die Wahrheit zu erzählen.

Ich kann es zwar nach wie vor sehr gut verstehen, wenn sich andere Kinder wünschen, aber ich sehe mit Besorgnis, dass sich viele aus den falschen Gründen Kinder wünschen: Weil zu Haus, Boot und Auto eben auch eine Bilderbuchfamilie dazugehört, zur genetischen Verewigung oder vor allem bei alleinstehenden Frauen auch sehr oft, um sich selbst zu retten und sich ein eigenes Menschlein auf diesem Planeten zu schaffen, das unweigerlich an sie gebunden sein wird. Und so wird das empfundene Leid letztlich einfach nur an die nächste Generation durchgereicht und das wollte ich auf keinen Fall. Letztlich bin ich selbst ein solches Kind und die Bürde ist einfach zu schwer. Es ist eben auch die Form von Reproduktionsegoismus, die ich nicht für vertretbar halte.

Aus heutiger Sicht bin ich sehr froh, dass ich in dieser Hinsicht keine Dummheiten gemacht habe. Mein Leben ist einfach nicht so verlaufen, als dass ich einem Kind je gerecht geworden wäre. Natürlich bin ich oft traurig, dass alles gekommen ist, wie es gekommen ist. Eine Welt aus Friede, Freude, Eierkuchen wäre mir natürlich sehr viel lieber. Aber was nützt es wiederum, wenn alles nur eingebildet ist und man in blinder Naivität ein Kind zeugt, das den Preis dafür zahlen muss. Ich weiß auch von einigen Eltern, die ihre Entscheidung, ein Kind in die Welt zu setzen, rückblickend sehr kritisch betrachten.
Sehr guter Beitrag.
Ich würde auch vermuten, dass fast jeder Mensch Kinder aus einer eher "niederen" Motivation heraus zeugt. (z.B. "weil man es so macht", konstruieren eines Sinns, wollen bedingungslos geliebt werden, weitergabe eines Vermätnisses/Namens etc.).

Insbesondere Wenn die Umstände nicht wirklich, wirklich gut sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind viel leid erfährt, nicht niedrig. Und ob man dieses Risiko wirklich eingehen kann/darf (selbst wenn es gering ist), würde ich als sehr fraglich einstufen.
Dissolved_Alice
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Wohnort: irgendwo dazwischen

Re: Fortpflanzung vs. Antinatalismus

Beitrag von Dissolved_Alice »

n°cturne hat geschrieben: Dienstag 8. Oktober 2024, 15:21 Ich war schon sehr früh der Meinung, dass Kinder in die Welt zu setzen, eher ein eigensüchtiger Akt ist. Natürlich bin ich in meiner Familie damit ziemlich angeeckt. Das hört ja nunmal keiner gern, der Kinder hat. Allerdings war die Überlegung damals noch theoretischer Natur. Ich hielt die Form von Egoismus vertretbar, da es sonst ja schließlich auch keine Kinder geben würde. Schon gar keine gewollten. Und dass es gewollt ist, ist ja nunmal essentiell für das Wohlergehen eines Kindes.

Ich selbst wollte sehr gerne Kinder, es gehörte für mich auch einfach zum Lauf des Lebens dazu. Und unter dem Aspekt, dass man seine Kinder gut behandeln würde, fand ich es auch in Ordnung, Kinder zu bekommen. Gerade in Hinblick darauf, seinen Kindern eine gute Ausgangsbasis bieten zu können, bot sich im Rat Race des Lebens allerdings nie so wirklich die Gelegenheit dazu, den Wunsch auch tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Und je älter ich wurde und je mehr meine rosarote Brille über den Zustand dieser Welt zerbrach, desto weniger fand ich es vertretbar, neue kleine Menschlein da hineinzusetzen. Irgendwann wusste ich auch gar nicht mehr, was ich diesen kleinen Menschlein eigentlich über diese Welt erzählen soll. Weder hätte ich es für vertretbar gehalten, sie im Unwissen zu lassen, noch ihnen die Wahrheit zu erzählen.

Ich kann es zwar nach wie vor sehr gut verstehen, wenn sich andere Kinder wünschen, aber ich sehe mit Besorgnis, dass sich viele aus den falschen Gründen Kinder wünschen: Weil zu Haus, Boot und Auto eben auch eine Bilderbuchfamilie dazugehört, zur genetischen Verewigung oder vor allem bei alleinstehenden Frauen auch sehr oft, um sich selbst zu retten und sich ein eigenes Menschlein auf diesem Planeten zu schaffen, das unweigerlich an sie gebunden sein wird. Und so wird das empfundene Leid letztlich einfach nur an die nächste Generation durchgereicht und das wollte ich auf keinen Fall. Letztlich bin ich selbst ein solches Kind und die Bürde ist einfach zu schwer. Es ist eben auch die Form von Reproduktionsegoismus, die ich nicht für vertretbar halte.

Aus heutiger Sicht bin ich sehr froh, dass ich in dieser Hinsicht keine Dummheiten gemacht habe. Mein Leben ist einfach nicht so verlaufen, als dass ich einem Kind je gerecht geworden wäre. Natürlich bin ich oft traurig, dass alles gekommen ist, wie es gekommen ist. Eine Welt aus Friede, Freude, Eierkuchen wäre mir natürlich sehr viel lieber. Aber was nützt es wiederum, wenn alles nur eingebildet ist und man in blinder Naivität ein Kind zeugt, das den Preis dafür zahlen muss. Ich weiß auch von einigen Eltern, die ihre Entscheidung, ein Kind in die Welt zu setzen, rückblickend sehr kritisch betrachten.
Das unterschreibe ich zu hundert Prozent!
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