Es gibt Schlimmeres als den Tod. Den elenden Tod.
Verfasst: Freitag 10. April 2020, 18:49
https://www.zeit.de/kultur/2020-04/ster ... eit-triage
Der Tod ist nichts Schreckliches
Ich fürchte, wir müssen – auch in Deutschland – viel mehr über das reden, was in der Antike das allerselbstverständlichste Thema war: darüber, was ein "guter Tod" sein könnte. Indem wir den Tod als ebenso katastrophalen wie gewissermaßen peinlichen Störfall betrachten, den es um jeden Preis hinauszuzögern gilt, indem wir ihn als GAU behandeln, als größten anzunehmenden Unfall, bei dem unsere Individualität ihre Kernschmelze erlebt, machen wir ihn noch schockierender, als er ohnedies ist.
Norbert Elias veröffentlichte 1982 einen Essay, dessen Titel sich heute wie eine Prophezeiung liest: Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen. Der Soziologe, der sich sein Leben lang mit der Frage beschäftigt hat, wie sich der menschliche Zivilisationsprozess gestaltet, tritt uns in diesem Text als gelassener Neo-Stoiker gegenüber. "Der Tod ist nichts Schreckliches", schreibt er. "Man fällt ins Träumen, und die Welt verschwindet – wenn es gut geht. Schrecklich können die Schmerzen der Sterbenden sein und der Verlust der Lebenden, wenn ein geliebter oder befreundeter Mensch stirbt. Schrecklich sind oft die kollektiven und individuellen Fantasien, die den Tod umgeben. Sie zu entgiften, ihnen die einfache Realität des endlichen Lebens gegenüberzustellen, ist eine Aufgabe, die noch vor uns liegt."
Es ist Zeit, dass wir uns dieser Aufgabe stellen.