Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Erloesung
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Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Erloesung »

Guten Morgen,

jetzt geht's mal wieder um Philosophie. :)

Beginnen möchte ich den Thread mit einem Satz. Die deutsche Soziologin Jessica Düber hat geschrieben:
"Grundsätzlich anzunehmen, dass ein Todeswunsch Folge einer behandlungsbedürftigen Depression bzw. allgemein Ausdruck einer psychischen Erkrankung sei, halte ich für beleidigend."

Also:
Angenommen man ist komplett zu 100% "für" oder "gegen" das Leben.
Und angenommen man hat auch entsprechende "Vorbilder-Menschen", die z.B. sich gegen oder für das Leben entschieden haben. Aus Überzeugung (?!).

Jedenfalls:
Sollte man dann nicht das machen, wovon man komplett überzeugt?
Wenn z.B. ein Mensch 100 Jahre oder noch älter werden möchte, und er dies möchte aus Überzeugung, (weil er das Leben toll findet), dann sollte er dies doch tun.

Aber angenommen man ist 100% "gegen" das Leben und ist auch "radikal", (mit radikal meine ich jetzt nicht politisch, sondern im Denken ;) )
Sollte ein Mensch dann nicht DAS tun, wovon er überzeugt ist?
Peterchen
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Peterchen »

Erloesung hat geschrieben: Sollte man dann nicht das machen, wovon man komplett überzeugt??
Solange es nur das eigene Leben betrifft: Ja.

Wobei ich auch da Einschränkungen legitim finde, wenn jemand wirklich nicht Herr seiner Sinne ist. Wenn zum Beispiel ein Psychotiker nur sterben will, weil er glaubt, dass er von einem Zombie gebissen wurde, dann wäre das keine Grundlage für einen rationalen Suizid. Weil die Prämisse dieser Entscheidung einfach falsch wäre.

Aber wenn ein entscheidungsfähiger Mensch sein Leben beenden will, weil er es einfach witzlos findet, obwohl er körperlich gesund ist, dann sollte das akzeptiert werden.
Erloesung
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Erloesung »

Peterchen hat geschrieben:
Erloesung hat geschrieben: Sollte man dann nicht das machen, wovon man komplett überzeugt??
Solange es nur das eigene Leben betrifft: Ja.

Aber wenn ein entscheidungsfähiger Mensch sein Leben beenden will, weil er es einfach witzlos findet, obwohl er körperlich gesund ist, dann sollte das akzeptiert werden.
Mir gehts z.B. seit Jahren endlich wieder mal ziemlich gut gesundheitlich, und mir machen auch Dinge im Leben Freude, aber trotzdem finde ich, dass das Lebens-System einfach schlecht ist.
Zum Glück ist das Leben ja nur temporär -bisher jedenfalls-, ich hab ja auch schon öfters Bedenken geäußert, dass die Menschen bald das ewige Leben erfinden könnten.

Ich hab gestern auch einen Artikel über Transhumanismus gelesen und da wird auch gesagt, dass mit Transhumanismus das ewige Leben möglich wird.
Und wenn das wirklich eintreten SOLLTE, dann sollten die Menschen, die kein ewiges Leben möchten, lieber vorher nachdenken. :)
Peterchen
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Peterchen »

Ich glaube, das wird nicht passieren. Und wenn doch, dann wäre es vermutlich sauteuer. Warum sollte man es Leuten aufdrängen, die gar nicht wollen? Therapien ablehnen kann man selbst in unserer Gesellschaft.

Und so unsterblich, dass man sich nicht mehr aufhängen oder erschießen kann, wird eh niemand werden. Das ist immer noch die Wirklichkeit und nicht das Marvel Cinematic Universe.
Riesenschnauzer
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Riesenschnauzer »

"Transhumanismus (zusammengesetzt aus lateinisch trans ‚jenseits, über, hinaus‘ und humanus ‚menschlich‘) ist eine philosophische Denkrichtung, die die Grenzen menschlicher Möglichkeiten, sei es intellektuell, physisch oder psychisch, durch den Einsatz technologischer Verfahren erweitern will. Die Interessen und Werte der Menschheit werden als „Verpflichtung zum Fortschritt“ angesehen."

Ach du....ich glaube das ist realistischer als sich mancher vorstellen kann. Mit Denkverboten und gesellschaftlicher Ausgrenzung fängt es an. Unsere Freiheit ist nicht selbstverständlich.
Erloesung
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Erloesung »

Peterchen hat geschrieben:Ich glaube, das wird nicht passieren. Und wenn doch, dann wäre es vermutlich sauteuer. Warum sollte man es Leuten aufdrängen, die gar nicht wollen? Therapien ablehnen kann man selbst in unserer Gesellschaft.

Und so unsterblich, dass man sich nicht mehr aufhängen oder erschießen kann, wird eh niemand werden. Das ist immer noch die Wirklichkeit und nicht das Marvel Cinematic Universe.
Hm, ich weiss es nicht.
Ich weiss, das klingt jetzt sehr unrealistisch, aber es könnte ja auch sein, dass die Menschen irgendwann die Physik der Erde "verändern".
In der Hinsicht, dass, wenn z.B. angenommen, ein Mensch mit einer Pistole auf einen anderen schießt, dass dann die Kugel zwar den Körper durchdringt, aber dass der "angeschossene" Körper dann keinen Schaden davon trägt. (aufgrund der veränderten Physik)

Klingt jetzt total unrealistisch, ich weiss. :D
Aber: Wenn vor 5.000 Jahren ein Mensch gesagt hätte, "wir können in der Zukunft irgendwann zum Mond fliegen", dann hätten alle anderen Menschen damals gesagt: "Wie soll das bitteschön gehen, wir Menschen können doch nicht fliegen!"
Damals wäre so ein Gedanke auch vollkommen UNDENKBAR gewesen, aber wie man sieht, können Menschen nun zum Mond fliegen.

Naja..
Das ganze Leben ist einfach komisch.
Um zum Thema Suizid zurückzukommen:

Ich hab vor kurzem mit einer Frau geschrieben, deren Tochter sich mit 32 Jahren das Leben genommen hat. Und sie hat mir auch die ganz schrecklichen Details erzählt, (Hochhaus-Sprung aus'm 14. Stock.. ) Und sie war nicht sofort tot.. Ich will nicht mehr Details hier schreiben, aber es gibt Tage, da denk ich an solche Suizidenten - und es macht mich kaputt innerlich.
Wie ich schonmal geschrieben habe: dass was mich kaputt macht, ist nicht der Suizid ansich dieser Menschen. Es sind die Methoden, die mich so mitnehmen.

Und, zweiter Punkt ist: Dass solche Suizidenten ganz alleine waren, als sie ihr Leben beendet haben.
Wenn ich an sowas denke, dann macht mich das natürlich sehr traurig in dem Moment, aber bei mir setzen sich solche Schicksale auch fest.
Psychologen würden vermutlich sagen, "ja, Sie dürfen sich mit solchen grausamen Suizid-Details anderer Menschen nicht beschäftigen." - Aber nein, ich möchte die Schicksale kennenlernen und auch die grausamen Details. Ich möchte wissen, ob jemand in den letzten Minuten gelitten hat oder nicht. Nicht aus Neugierde, sondern vermutlich aus Empathie.

Ich wünschte, ich könnte die Zeit manchmal zurückdrehen und mit solchen "fremden" Suizidenten, kurz vor ihrem Suizid reden. Ich würde sie nicht retten wollen, aber ich würde ihnen noch ein letztes Mal zuhören wollen: warum genau, wieso etc. Und vorallem, ich würde ihnen von bestimmten "harten" Methoden abraten.
:(
Riesenschnauzer
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Riesenschnauzer »

Aber wieso sollten Pistolen dann gebaut werden, wenn man mit ihnen nicht mehr töten könnte? Glaube ich nicht, denn die Menschheit wird sich immer abschlachten wollen...das Zeug ist ja nicht primär als Suizidmittel gedacht :wink:

Bei der Sache mit den harten Methoden stimme ich dir absolut zu. Ich denke, der Sprung aus großer Höhe ist nur dann sofort letal (und schmerzfrei) , wenn man sich sofort die Wirbelsäule/Genick bricht oder so hart mit dem Kopf aufschlägt, dass man gleich bewusstlos ist :?
Dissolved_Alice
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Dissolved_Alice »

@ peterchen und erlösung :
geh total konform mit euren Beiträgen. ..

ich für mich persönlich kann nur sagen, dass ich das momentane leben viel besser annehmen u auch leben könnte, wenn ich wüsste, dass ich gehen dürfte und könnte, falls ich es gar nicht mehr aushalte...nicht noch gedanken um methoden u was weiss ich noch alles machen müsste. ..

ich bin auch sehr betroffen von den schicksalen, die mit harten methoden ihr leben beendet haben...sooo traurnig..
also nicht traurig, dass sie diese entscheidung getroffen haben, sondern dass man sie nicht in frieden ihren frieden finden gelassen hat...dass sie keine andere wahl mehr sahen, als den sprung vom hochhaus oder vor den zug..

dieser "lebenszwang", den man von überall aufgezwungen bekommt...ich kann gar nicht so viel kotzen wie ich gerne würde diesbezüglich!
Erloesung
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Erloesung »

Dissolved_Alice hat geschrieben:@ peterchen und erlösung :
geh total konform mit euren Beiträgen. ..

ich für mich persönlich kann nur sagen, dass ich das momentane leben viel besser annehmen u auch leben könnte, wenn ich wüsste, dass ich gehen dürfte und könnte, falls ich es gar nicht mehr aushalte...nicht noch gedanken um methoden u was weiss ich noch alles machen müsste. ..

ich bin auch sehr betroffen von den schicksalen, die mit harten methoden ihr leben beendet haben...sooo traurnig..
also nicht traurig, dass sie diese entscheidung getroffen haben, sondern dass man sie nicht in frieden ihren frieden finden gelassen hat...dass sie keine andere wahl mehr sahen, als den sprung vom hochhaus oder vor den zug..

dieser "lebenszwang", den man von überall aufgezwungen bekommt...ich kann gar nicht so viel kotzen wie ich gerne würde diesbezüglich!
1 zu 1 meine Gedanken. :(
Man könnte viel "entspannter" leben, wenn man wüsste, dass man jederzeit einen "Lebens-Abbruch" machen könnte.
Natürlich gibt es heutzutage auch viel Wissen über Methoden, aber angenommen man hättte dieses NaP-Medikament zu Hause:

1.) kann es via oraler Aufnahme immer noch scheitern. (deswegen sagt ja auch dieser Dr. Arnold, dass NaP intravenös viel sicherer ist)
2.) selbst wenn das Medikament im Körper verbleibt und so wirkt, wie es soll, können immer noch Mitmenschen einen dann den Suizid "ruinieren". (indem sie den Notarzt etc. rufen) Selbst wenn man KEINEM Menschen davon was sagt, können dumme Zufälle immer passieren, so dass man noch frühzeitig gefunden wird etc.

Also, selbst wenn man z.B. NaP in der Schublade HÄTTE, müsste man TROTZDEM immer noch Angst haben, dass man doch nicht sicher aus dem Leben scheiden kann, wenn man möchte.

Wobei die 2 Punkte jetzt eher geringes Risiko wären, aber trotzdem MÜSSTE dieses Risiko einfach nicht sein.
Wenn jemand einen Suizid gut vorbereiten, planen und durchführen möchte, und dies mit einer humanen Methode, dann ist dies eine seehr intensive Arbeit.
Deshalb können körperlich schwer kranke Menschen oder psychisch schwer kranke Menschen humane Methoden oft gar nicht durchführen.

Traurig, wirklich einfach nur traurig.
alycat
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von alycat »

Ja das ist wahr...wenn der Suizid so einfach planbar wäre, dann könnte man entspannter leben bis zu dem Tag wo man es durchführt...
furchtbar ...die meisten Menschen die sich noch nie mit Suizid beschäftigt haben, denken es wäre so einfach. Unterstellen einem, nur Aufmerksamkeit zu wollen weil man es nicht tut, sondern darüber spricht.
alycat
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von alycat »

Ja schade, dass es Leben nicht möglich ist , sich wie bei Facebook sich einfach so zu löschen;)
Riesenschnauzer
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Riesenschnauzer »

Erloesung hat geschrieben:Man könnte viel "entspannter" leben, wenn man wüsste, dass man jederzeit einen "Lebens-Abbruch" machen könnte.
Ich spiele mal den Advocatus Diaboli: Wenn man es jederzeit beenden könnte, würde der Anreiz sinken, selbst etwas zu ändern, um den Wunsch nach dem Ende zurückzudrängen. Gilt aber natürlich nur, soweit es (mindestens bis zu einem gewissem Grad) in der eigenen Macht steht, etwas zu ändern.

Ich sage nicht, dass ich so denke, aber wäre jedenfalls ein möglicher Einwand. Hat natürlich was von "schwarzer Pädagogik" und die Schwäche liegt wohl darin, dass man die Sache mit dem Anreiz und der Motivation sowieso nicht generalisieren kann.
Peterchen
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Peterchen »

Riesenschnauzer hat geschrieben:
Ich spiele mal den Advocatus Diaboli: Wenn man es jederzeit beenden könnte, würde der Anreiz sinken, selbst etwas zu ändern, um den Wunsch nach dem Ende zurückzudrängen.
Würde das nicht beweisen, dass die Mühen des Lebens in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen und diejenigen, die frühzeitig aussteigen, recht haben?
Riesenschnauzer
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Riesenschnauzer »

Ich würde sagen, da gilt dann auch das, was ich danach geschrieben habe. Für den Einen lohnt es sich, für den Anderen nicht. Das hängt dann sowohl von der jeweiligen Situation ab, wie auch von der psychischen Disposition desjenigen, der damit umzugehen hat. Naja, es können ja letzendlich immer nur Prognosen sein, soweit die Lage nicht objektiv völlig aussichtslos ist.p
Peterchen
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Re: Aus Überzeugung für/gegen das Leben

Beitrag von Peterchen »

Was heißt aussichtslos? Muss die Lage aussichtslos sein, damit der Freitod zu einer vernünftigen Option wird? Vielleicht hat man ja eine Aussicht, aber die besteht aus einem tristen Leben mit einem öden Job und banalen Sozialkontakten. Vielleicht hat man darauf keine Lust.
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