Depressionen haben kein Gesicht

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

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Abendstern
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Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Abendstern »

Dissolved_Alice
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Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Dissolved_Alice »

da sieht mans mal wieder...dass man mit den augen nicht ALLES sieht ...
Peterchen
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Peterchen »

Glaube aber schon, dass man den meisten ihren Zustand ansieht.

Die sozial bestens integrierten und fröhlich lachenden Schwerstdepressiven wird es zwar geben, aber ich denke, bei den meisten äußert sich die Kaputtheit schon in Verhalten und Lebensumständen.
Abendstern
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Abendstern »

Peterchen hat geschrieben:Glaube aber schon, dass man den meisten ihren Zustand ansieht.
Leider nein... Den Menschen, die ich durch Suizid verlor, oder denjenigen, die es versuchten, sah man es nicht an. Und seit ich selbst relativ offen über das Thema spreche, weiß ich von immer mehr Menschen aus meinem Bekanntenkreis, daß auch sie von suizidalen Empfindungen betroffen sind... Niemandem davon würde man es ansehen. Nur wenn man die Worte und Gedanken eines suizidalen Menschen kennt, kann man es manchmal zwischen den Zeilen lesen... Oft genug sind es gerade die Fröhlichen, die Mutigen oder Extravaganten; diejenigen, die trotz aller Widrigkeiten tapfer durch das Leben stapfen und es sich nach außen nicht anmerken lassen, wie es wirklich in ihnen und in ihrem Leben aussieht...
Erloesung
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Erloesung »

Allein nur durch Fotos kann man es schlecht beurteilen, finde ich.


Aber wie Peterchen schon schrieb, ich denke auch, dass man am Verhalten der jeweiligen Personen es erkennen kann.
Es kommt halt aber auch auf die Nähe an, mit der man verbunden ist mit der Person. Ich persönlich z.B. kann es immer nicht verstehen, dass oft Familienmitglieder sagen, dass sie überhaupt nichts gemerkt hätten etc. Ich denke, dass das bei einigen auch eine "Schutzbehauptung" ist. Denn wenn sie im nachhinein sagen würden "ja, ich habe was gemerkt, dass er depressiv ist etc.", dann kann dieser Person ja vorgeworfen werden, sich nicht genug um die suizidale Person gekümmert zu haben.

@Abendstern
Wie nah standest du diesen Menschen?

Also wenn man regelmäßig mit einem Menschen verkehrt, dann müsste man das schon erkennen, sofern man etwas Wissen über Depressionen, Suizidalität etc. hat.
Abendstern
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Abendstern »

Erloesung hat geschrieben:Ich persönlich z.B. kann es immer nicht verstehen, dass oft Familienmitglieder sagen, dass sie überhaupt nichts gemerkt hätten etc. Ich denke, dass das bei einigen auch eine "Schutzbehauptung" ist. Denn wenn sie im nachhinein sagen würden "ja, ich habe was gemerkt, dass er depressiv ist etc.", dann kann dieser Person ja vorgeworfen werden, sich nicht genug um die suizidale Person gekümmert zu haben.
Ja, das sehe ich schon auch so. Allerdings kann man auch dies nicht pauschalisieren. Viel ausschlaggebender finde ich, daß Suizid als gesellschaftliches Tabu weithin unter den Teppich gekehrt werden muß, sofern man keine sozialen Benachteiligungen erleiden will.
Erloesung hat geschrieben:@Abendstern
Wie nah standest du diesen Menschen? Also wenn man regelmäßig mit einem Menschen verkehrt, dann müsste man das schon erkennen, sofern man etwas Wissen über Depressionen, Suizidalität etc. hat.
Ich darf mich selbst zitieren:
Abendstern hat geschrieben:Nur wenn man die Worte und Gedanken eines suizidalen Menschen kennt, kann man es manchmal zwischen den Zeilen lesen...
Die Kenntnis darüber läßt mich Suizidalität mittlerweile sogar bei Menschen erkennen, die mir nicht nahestehen. Aber nicht alle Menschen verraten sich zwischen den Zeilen. Manche sind verdammt gut darin, die Fassade aufrecht zu erhalten. Und es ist jedenfalls nicht so, daß suizidale Menschen so heruntergekommen wirken und aussehen, wie sich das viele eben so vorstellen. Ein Außenstehender ohne nähere Einblicke in die Thematik erkennt es jedenfalls meist definitiv nicht. Schon gar nicht bei "high functioning" Depressiven.
Katzenfan
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Katzenfan »

Abendstern hat geschrieben:Ein Außenstehender ohne nähere Einblicke in die Thematik erkennt es jedenfalls meist definitiv nicht. Schon gar nicht bei "high functioning" Depressiven.
Gutes Beispiel: Robert Enke. Stand einen Tag vor seinem Suizid noch fehlerlos im Tor und gab nach dem Spiel routiniert ein Interview..
Erloesung
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Erloesung »

@Abendstern
Ja, stimmt. Ich würde aber nicht sagen, dass Suizid bei ab 70-Jährigen Menschen z.B. tabuisiert wird, ich finde, wenn die Menschen "alt genug" waren, dann ist da schon Verständnis in der breiteren Masse, hab ich den Eindruck.

Aber bei jüngeren Menschen ist das in der Tat immer noch ein Tabu. So wie ich das bisher festgestellt habe, ist das Tabu aus 2 Gründen da. Weil a) die Menschen GENERELL Angst vor dem Tod haben und niemand "möchte" jung sterben und b) weil bei Suizid bei jüngeren Menschen sehr oft argumentiert wird, dass da "in der Familie sicher nicht was gestimmt hat". Also sprich, viele Menschen denken, dass da irgendwas in der Familie des Suizidenten schief gelaufen ist. Sei es häusliche Gewalt oder größere Familien-Konflikte etc.

Wobei ich persönlich denke, dass dies auch tatsächlich oft der Fall ist. Eltern können halt sehr viel "falsch" machen.

@Katzenfan
Bei Robert Enke war es aber auch so, dass seine Frau von seiner Erkrankung wusste. Ich weiss jetzt nicht, ob er "fehlerlos" im letzten Spiel war. Ich glaub, das war doch ein 2:2 oder nicht?!
Und bei Toren wird nunmal oft der Torwart als Sündenbock genommen.

Es gab ja dieses letzte Interview von ihm, wo er von einem Reporter auch sehr "harte" Fragen gestellt bekommen hat. Die damaligen DFB Fußball-Chefs haben ja zu diesem Zeitpunkt entschieden, dass Enke NICHT als Nationaltorwart "gewählt" wurde.
Ich denke, diese Entscheidung hat ihn persönlich sehr getroffen.
Und das hat wohl das Fass zum überlaufen gebracht, denke ich.
Katzenfan
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Katzenfan »

Erloesung hat geschrieben: @Katzenfan
Bei Robert Enke war es aber auch so, dass seine Frau von seiner Erkrankung wusste. Ich weiss jetzt nicht, ob er "fehlerlos" im letzten Spiel war. Ich glaub, das war doch ein 2:2 oder nicht?!
Und bei Toren wird nunmal oft der Torwart als Sündenbock genommen.

Es gab ja dieses letzte Interview von ihm, wo er von einem Reporter auch sehr "harte" Fragen gestellt bekommen hat. Die damaligen DFB Fußball-Chefs haben ja zu diesem Zeitpunkt entschieden, dass Enke NICHT als Nationaltorwart "gewählt" wurde.
Ich denke, diese Entscheidung hat ihn persönlich sehr getroffen.
Und das hat wohl das Fass zum überlaufen gebracht, denke ich.
Ich glaube nicht, dass er an den Toren "schuld" war. Im Fußball sind ohnehin die meisten Tore nicht in der Verantwortung des Torwarts, vor allem nicht im Profifußball. Der Suizid war wahrscheinlich schon länger geplant und das war wohl auch der Grund wieso er zu den bevorstehenden Länderspielen abgesagt hatte. Oder diese Spiele waren bereits davor, ich erinnere mich gerade nicht mehr. Als Grund durften aber natürlich nicht "Depressionen" genannt werden, sondern eine Viruserkrankung.
Man kann sich das mit dem letzten Spiel ja bei YouTube anschauen, da sieht man wie er gerade noch ein Tor verhindert...und er war für die WM 2010 "gesetzt" als Nummer 1. Aber ich stelle mir so ein Leben als Profi-Torwart auch sehr brutal vor. Immer die Angst Fehler zu machen...und dann hatte er auch noch private Probleme. Seine Tochter ist glaube ich verstorben weil sie einen angeborenen Herzfehler hatte.
Erloesung
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Erloesung »

Ich will ja manchen "Depressiven" nicht zu nahe treten, aber ich denke, dass es auch bei Depressiven eine Skala gibt. (ähnlich wie in der Medizin die Schmerzskala von 0 bis 10) Also 0 = keine Schmerzen, und 10 = extremste Schmerzen. (also körperlich)

Und ich denke, dass manche (ich schreibe manche) Depressive nur die "Depressions-Skala" 2 oder so haben. Natürlich ist es schwer, Leid zu messen. Aber ich denke, dass manche schon ihre Szene übertreiben, ich hab manchmal das Gefühl, Depression wäre "Trend".
Lebensmüder
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Lebensmüder »

Erloesung hat geschrieben:Aber ich denke, dass manche schon ihre Szene übertreiben, ich hab manchmal das Gefühl, Depression wäre "Trend".
Genauso wie Adhs, Burnout, Laktoseintolleranz, Glutenunverträglichkeit ;-)
Erloesung
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Erloesung »

Lebensmüder hat geschrieben:
Erloesung hat geschrieben:Aber ich denke, dass manche schon ihre Szene übertreiben, ich hab manchmal das Gefühl, Depression wäre "Trend".
Genauso wie Adhs, Burnout, Laktoseintolleranz, Glutenunverträglichkeit ;-)
Ja. ^^
Aber interessant finde ich, dass ja "so viele" Menschen Depressionen haben, aber wenn es um Suizidgedanken geht, DAS haben dann wiederrum nur sehr wenige.
Oft wird ja in Zeitschriften getitelt "Volkskrankheit Depression", aber NIE wird getitelt "Volkskrankheit Suizidgedanken".

Deshalb finde ich das schon bisschen.. unglaubwürdig.
Peterchen
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Re: Depressionen haben kein Gesicht

Beitrag von Peterchen »

Erloesung hat geschrieben: Und ich denke, dass manche (ich schreibe manche) Depressive nur die "Depressions-Skala" 2 oder so haben. Natürlich ist es schwer, Leid zu messen. Aber ich denke, dass manche schon ihre Szene übertreiben, ich hab manchmal das Gefühl, Depression wäre "Trend".
Ich glaube schon, dass es viele unglückliche Menschen gibt. Ab wann man von einer Krankheit sprechen kann, ist eine Frage, die sich eh nur willkürlich beantworten lässt. Man sollte nicht glauben, dass die Diagnose einer Depression und die Abgrenzung von "normalem" Unglücklichsein viel mit Wissenschaft zu tun hätte.

Aber interessant finde ich, dass ja "so viele" Menschen Depressionen haben, aber wenn es um Suizidgedanken geht, DAS haben dann wiederrum nur sehr wenige.
So wenige auch nicht bei 100.000 Suizidversuchen im Jahr.

Und wäre der Freitod so akzeptiert wie Ehescheidung oder Abtreibung oder Auswanderung, dann gäbe es bestimmt noch viel mehr Menschen, die in diese Richtung denken würden.
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