Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

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Peterchen
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Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Peterchen »

Um euch den Welttag der Suizidprävention ein wenig zu versüßen ( :wink: ) - verlinke ich einen Artikel, in dem ich meine eigenen Gedanken über Evolution, Antinatalismus, Suizid und den (Un)Wert des Lebens wiedergefunden habe:

http://www.manuherran.com/the-big-lie/
Some may argue that most lives, both human and animal, are worthwhile, since most of them do not commit suicide. But there are very specific reasons why we should not commit suicide, even if this was the most rational option. In the first place, committing suicide is not easy. Technically, it is very difficult to do without suffering, so trying to commit suicide can make the situation even worse. On the other hand, for many it may be inconceivable. They simply do not raise it. In addition the very state of suffering can cloud reason and impede suicide.

Suicide can be a desperate but rational act. Those who commit suicide consider that their life is not worth it or that it is unbearable. If animals do not do it massively, I think it’s because suicide is complex, difficult. And for many humans, in my opinion, the same thing happens. At a deep level, I believe there is no significant difference between the reasons why non-human animals whose future lives are to be expected to be negative do not commit suicide and the reasons why most humans do not do so in similar circumstances. The reason is the same: we were not designed (metaphorically) to enjoy, but for the survival of our genes. Evolution produces the bias of believing that life is worthwhile, no matter what happens. We are designed to survive, not to enjoy. This is the great deception that evolution has caused to us: Evolution has designed us to believe that life is worth living, and that living is more important than avoiding suffering.
Diesen Gedanken hatte ich auch schon oft: Dass der Suizid die relative Ausnahme ist, liegt nicht daran, dass fast alle Menschen ihr Leben genießen, sondern daran, dass die Evolution uns den Glauben einprogrammiert hat, dass das Leben wertvoll ist, unabhängig davon, wie qualvoll und jämmerlich es in Wirklichkeit ist.

Dahinter steckt die traurige Tatsache, dass die Evolution uns nicht geschaffen hat, um glücklich zu sein, sondern um zu überleben und unsere Gene weiterzugeben. Wie sehr wir leiden müssen, spielt "für" die Evolution keine Rolle.

Das gesellschaftliche Dogma vom "unbedingten Wert des Lebens", der von der realen Lebensqualität völlig unabhängig sein soll, ist demnach die soziale Fortsetzung einer biologisch bedingten Täuschung.
Evolution has even designed us to have the feeling that there is more enjoyment than suffering. People wonder about the cause of poverty, when scarcity is the natural state of things. The misery is the normal thing: for what it is necessary to ask is about of the prosperity. Sadly, there is a lack of symmetry between enjoyment and suffering.
Katzenfan
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Katzenfan »

Wenn man es so nimmt, sind dann ausgerechnet die Kirche die obersten Evolutionsideologen :lol:
Abendstern
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Abendstern »

Peterchen hat geschrieben:At a deep level, I believe there is no significant difference between the reasons why non-human animals whose future lives are to be expected to be negative do not commit suicide and the reasons why most humans do not do so in similar circumstances.
Hm, na ja, in diversen Tierversuchen geben selbst Ratten in aussichtslosen Situationen irgendwann auf... Ich kann mich gerade nicht mehr an die genauen Namen der Tests erinnern, einer davon ist jedoch der so genannte Schwimmtest. Besonders der originale Versuch in den 50ern war wirklich grausam... Aber es gibt auch noch einen anderen Test, bei dem die Ratten an ihren Schwänzen aufgehängt werden. Auf Google findet man bestimmt etwas dazu...
Peterchen
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Peterchen »

Aufgeben, also nicht länger gegen einen Widerstand kämpfen ist ja noch mal was anderes als ein Suizid.

Im Allgemeinen kann man schon sagen, dass der Überlebenstrieb von Tieren auch in qualvollen Situationen funktioniert und sie dazu bringt, weiterzuleiden. Bei Menschen genauso. Und daran sieht man, wie wenig der Überlebenstrieb unserem eigentlichen Interesse entspricht und wie sehr wir gerade dann, wenn wir an einem aussichtslosen Leben festhalten, wie Marionetten sind, die von egoistischen Genen gesteuert werden.

Nun hat der Mensch durch seine Reflektionsfähigkeit die Chance, dieser genetischen Programmierung ein Stück weit zu entkommen. Das wird aber leider dadurch konterkariert, dass das der biologische Glaube an den Wert des Lebens durch ein gesellschaftliches Dogma gleichen Inhalts gestützt wird.
Katzenfan hat geschrieben:Wenn man es so nimmt, sind dann ausgerechnet die Kirche die obersten Evolutionsideologen :lol:
In gewisser Hinsicht ist das so. Auch beim Thema Reproduktion: "Seid fruchtbar und mehret euch".

Es gibt ja eine Parallele zwischen Suizid/Sterbehilfe und Geburtenkontrolle. Durch beides kann der Mensch seine biologische Programmierung durchbrechen. Und beides wird von z.B. von der katholischen Kirche abgelehnt.
whocares
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von whocares »

Peterchen hat geschrieben:http://www.manuherran.com/the-big-lie/
Some may argue that most lives, both human and animal, are worthwhile, since most of them do not commit suicide. But there are very specific reasons why we should not commit suicide, even if this was the most rational option. In the first place, committing suicide is not easy. Technically, it is very difficult to do without suffering, so trying to commit suicide can make the situation even worse. On the other hand, for many it may be inconceivable. They simply do not raise it. In addition the very state of suffering can cloud reason and impede suicide.

Suicide can be a desperate but rational act. Those who commit suicide consider that their life is not worth it or that it is unbearable. If animals do not do it massively, I think it’s because suicide is complex, difficult. And for many humans, in my opinion, the same thing happens. At a deep level, I believe there is no significant difference between the reasons why non-human animals whose future lives are to be expected to be negative do not commit suicide and the reasons why most humans do not do so in similar circumstances. The reason is the same: we were not designed (metaphorically) to enjoy, but for the survival of our genes. Evolution produces the bias of believing that life is worthwhile, no matter what happens. We are designed to survive, not to enjoy. This is the great deception that evolution has caused to us: Evolution has designed us to believe that life is worth living, and that living is more important than avoiding suffering.
Dazu könnte ich eine ebenso ausführliche Antwort scheiben wie die Kritik an Benatars A.-Argument lang ist. Die läge sogar fertig vor, zumindest als Kritik an Benatars These jedes Leben sei `very bad`. (Wobei der evolutionäre Bezug mir völlig irrelevant erscheint. Denn erklären tut er etwas was doch gar keiner Erklärung bedarf, wenn man denn rein phänomenologisch das zur Kenntnis nimmt, was in Bezug steht zu Suizid und entsprechende Hemmungen wie auch unabdingbar erscheinen Möglichkeitsbedingungen solcher Handlungen.)

Das Zitierte bietet nicht nur eine unnötige sondern den Sachverhalt verzerrende Erklärung. Durch die Reduktion auf evolutionäre Grundadaptionen, werden grundlehende Unterschiede zwischen Tier und Mensch hinsichtlich der Fähigkeit sich suizidieren zu können explizit negiert. Das Tier weiss nicht um seinen antizipiertes Sterben müssen bzw. solches bedingend um dessen grundsätzliche Tötbarkeit und weiter gedacht der Möglichkeit `Pfote an sich legen zu können`.

Ein allenfalls vorhandenes Ahnen des Todes als etwas Fremdes, Befremdendes, gar Ängstigendes würde einem Tier allenfalls bei entsprechenden Umweltreizen zum Bewusstsein kommen (beim Sterben von Artgenossen). Das Tier ist wohl nicht in der Lage willentlich sich zu erinnern oder Zukunft antizipieren zu können. Das dürfte DER entscheidende Unterschied zur menschlichen Verfasstheit ausmachen.

Der Mensch ist ein grundsätzlich sich in ekzentrischer Positionalität befinden (könnendes) Lebewesen, was dem Tier weitestgehend fehlt (ich rede immer von den komplexesten Tierarten). Das Tier ist immer Zentrum seiner Welt, der Mensch nicht, der sich von aussen betrachten kann, um seine Endlichkeit und alles andere, was solche Positionalität überhaupt erst ermöglicht, in den Blick zu bekommen.

Also: das Tier weiss nicht um die Möglichkeit sich bewusst töten zu können. Damit fehlt die eine unabdingbare Voraussetzung dafür sich entsprechend bewusst suizidieren zu können. Und es gibt meines Wissens keine empirischen Belege dafür, dass auch nur ein Tier sich je in bewusst suizidaler Absicht getötet hätte.
Des weiteren: der Mensch scheidet sich vom Tier als Werkzeughersteller. Auch darin spiegelt sich eine nur dem Menschen mögliche Weise zu denken. Explizite Zusammenhänge zu erkennen, sich vorstellen zu können, vorwegzunehmen, methodisch experimentell zu prüfen, was Tieren in einem weit geringeren Masse (falls überhaupt) möglich ist. Beim Tier handelt es sich, wo es überhaupt vorkommt/vorkommen kann, um Trial und error.

Per Zufall erwies sich etwas als nützlich, was dann von Generation zu Generation weitergegeben wird. Aber keine Akkumulation solchen Wissens um Verfahren Mittel zu Zwecken herzustellen und zu nutzen (auch kaum je das Vorkommen Werkzeuge zur Werkzeugherstellung zu gebrauchen.) Entweder weil es mit den Möglichkeiten, die eine entsprechende Tierart besitzt, weder `gedanklich`, noch `handwerklich` möglich ist solche Tools herzustellen, und/oder dass solche ihrer Lebensweise überhaupt relevant nicht dienlich sein könnten.

Solche Fähigkeit zum Mittel-Zweck Denken ermöglicht es doch erst dem Menschen sich suizidieren zu können. Wissen um eigene Tötbarkeit, wissen um Mittel, die einen solch gewünschten Tod ermöglichen (inkl. entsprechender Risikoabwägung etc.) Dem Tier fehlt aber solche Möglichkeit. Mittel-Zweck Zusammenhänge sind ihm beinahe gänzlich nur vermittels eigenen Erfahrungen zugänglich. Abstrakte Zusammenhänge wie jene von geeigneten Suizidmethoden hisichtlich eines hypothetisch angenommenen Suizidwunsches, sind schlicht jenseits dessen was er an Abstraktionsleistungen zu leisten fähig ist. Und selbst wenn: welche Methoden stünde dem Tier als durchführbare zur Verfügung. Dann ist bezüglich tierischen Leidens grundsätzlich zu sagen, dass das das grösste individuell Leiden je einzelner Tiere mit Sicherheit den Tieren von Menschen zugefügt wird. In der Natur gibt es kein längeres Leiden, da solches unweigerlich zum Tode führen würde. Einzefälle grausamsten Leidens für relativ kurze Zeit gibt es freilich auch in der Natur.

Wer solche Differenzen mit einem angeborenen Überlebenstrieb und einem entsprechend dienlichen Mechanismus das Leben schön zu reden (auch bei Tieren? Wirklich?) einebnet, scheint mir so untauglich differenziert denken zu können, wie es einem Tier unmöglich scheint sich bewusst suizidieren zu können.

Die Gründe zu benennen, warum sich ein Mensch angesichts gegenwärtigen und antizipierten nicht lebenswerten Lebens, vor einem Suizid zurückschreckt, sind vielfache (was einer gesonderter Erörterung bedürfte). Die These, dass man aber sein nicht lebenswertes Leben als besser interpretiert als es ist und darum sich nicht suizidiert, halte ich nicht nur für weitgehend falsch, sondern aus ethischer Perspektive für unbedenklich, wenn denn solches angebliche `Schönreden` gewissen Kriterien gerecht wird. Denn es ist offensichlich: ist solches `Schönreden` wirksam, dann fällt jeweiliges Erleben ins eins mit solchem `Schönreden, womit das Schönreden aufhört solches zu sein, oder es wirkt nicht und kann damit seiner Funktion nicht gerecht werden, d.h. je betroffene Subjekte können ihr Leben faktisch gar nicht Schönreden. (Und auch wenn es ad hominem sein sollte: ich kann mich des jeweiligen Eindrucks nicht erwähren, dass es sich hierbei auch um Versuche entsprechender Subjekte handelt, eigene kognitive Dissonanzen, mittels `Schlechtreden` des Lebens insgesamt, zu beschwichtigen bzw. aufzulösen).

Wer Interesse hat, dem kann ich meine entsprechende Kritik ebensolchen Argumentes von Benatar senden (in etwa so lang wie die entsprechende Kritik des A.-Argumentes).

Eine längere Kritik an S. Perrys adaptive Suizidthese läge auch noch herum, für Interessierte bestimmt erhellend. :twisted: Aber ich ahne schon, dass zu fein ziselierte Gedankenarbeit hier auf wenig Resonanz stossen wird.
Stummfilm
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Stummfilm »

Philosophische Haarspalterei, das Betrieb Benatar zum Glück nicht.

Ich halte die Betrachtung aus evolutionärer Perspektive für sehr sinnvoll. Selbst wenn man die Unterschiede zw. Mensch und Tier bejaht, so nur unter dem Gesichtspunkt, dass evolutionär gegen die Fortpflanzung des Individuums nachteilige Entscheidungen unwahrscheinlicher werden. Ja, der Mensch kann sich suizidieren genau so wie ein Vogel fliegen kann. Ein Vogel hat nun einmal die Anlagen dazu und ob es das tut, hängt für ihn wahrscheinlich genauso von seinem "Willen" ab wie für uns der Suizid oder der Griff zum Fernsehapparat. Im Traum glaube ich auch immer, Herr der Situation zu sein und weiß hinterher, dass ich nichts zu melden hatte. Vielleicht wache ich ja auch einmal aus diesem Alptraum auf und bin froh, davongekommen zu sein.

Tatsache ist: Es passiert so selten, dass hier eine evolutionäre Betrachtung angebracht ist statt irgendwelche absurden Theorien über den Willen anzustellen.

Der Wahrnehmungsfehler, naja, darüber kann man streiten, ist aber sinnlos. Viele Autofahrer schätzen sich weit besser ein, deshalb sind sie es nicht und dies lässt sich objektiv festmachen. Auch das Schönreden könnte man an objektiven Werten messen. So unterschiedlich ticken die Leute auch nicht, um zumindest eine Übereinstimmung über eine Mindestlebensqualität zu finden. Die Unterschiede kommen nur dadurch zustande, dass für die Meisten die Träume nun einmal nicht in erfüllung gehen und man, aufgrund der Tatsache, das Leben nicht auf Knopfdruck beenden zu können, eine Anpassungsleistung erbringen musste. Warum sonst sollte man doch Arbeit gut finden, Leid für nötig erachten, wieso werden Faulpelze nicht gewürdigt, obwohl in der unbelebten Natur völlig die Norm? Warum sollte man überhaupt etwas wollen? Das Sein erfordert es nicht. Der Mensch muss wollen, weil er sonst nicht wäre. Punkt.

Ich finde es ja schon seltsam, ein anderes Lebewesen verspeisen zu müssen und dass es mir schmeckt. Ich finde es nicht toll und würde das gern eher heute als morgen abstellen.
whocares
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von whocares »

Stummfilm hat geschrieben:Philosophische Haarspalterei, das Betrieb Benatar zum Glück nicht.

Ich halte die Betrachtung aus evolutionärer Perspektive für sehr sinnvoll. Selbst wenn man die Unterschiede zw. Mensch und Tier bejaht, so nur unter dem Gesichtspunkt, dass evolutionär gegen die Fortpflanzung des Individuums nachteilige Entscheidungen unwahrscheinlicher werden. Ja, der Mensch kann sich suizidieren genau so wie ein Vogel fliegen kann. Ein Vogel hat nun einmal die Anlagen dazu und ob es das tut, hängt für ihn wahrscheinlich genauso von seinem "Willen" ab wie für uns der Suizid oder der Griff zum Fernsehapparat. Im Traum glaube ich auch immer, Herr der Situation zu sein und weiß hinterher, dass ich nichts zu melden hatte. Vielleicht wache ich ja auch einmal aus diesem Alptraum auf und bin froh, davongekommen zu sein.

Tatsache ist: Es passiert so selten, dass hier eine evolutionäre Betrachtung angebracht ist statt irgendwelche absurden Theorien über den Willen anzustellen.

Der Wahrnehmungsfehler, naja, darüber kann man streiten, ist aber sinnlos. Viele Autofahrer schätzen sich weit besser ein, deshalb sind sie es nicht und dies lässt sich objektiv festmachen. Auch das Schönreden könnte man an objektiven Werten messen. So unterschiedlich ticken die Leute auch nicht, um zumindest eine Übereinstimmung über eine Mindestlebensqualität zu finden. Die Unterschiede kommen nur dadurch zustande, dass für die Meisten die Träume nun einmal nicht in erfüllung gehen und man, aufgrund der Tatsache, das Leben nicht auf Knopfdruck beenden zu können, eine Anpassungsleistung erbringen musste. Warum sonst sollte man doch Arbeit gut finden, Leid für nötig erachten, wieso werden Faulpelze nicht gewürdigt, obwohl in der unbelebten Natur völlig die Norm? Warum sollte man überhaupt etwas wollen? Das Sein erfordert es nicht. Der Mensch muss wollen, weil er sonst nicht wäre. Punkt.

Ich finde es ja schon seltsam, ein anderes Lebewesen verspeisen zu müssen und dass es mir schmeckt. Ich finde es nicht toll und würde das gern eher heute als morgen abstellen.
Lohnt es sich zu antworten? Mit Gedanken? Mit Argumenten? Wer unfähig und/oder unwillens ist, meine Argumente mit Gründen zu widerlegen oder auf entsprechende Mängel hinzuweisen, dafür `Haarspalterei`unterstellt, der sollte vielleicht besser einfach nicht antworten...

Zur Sache: Benatar hat schlicht viel Müll geschrieben (wenn man es genau wissen will), was ich hinsichtlich des Asymmetrie-Argumentes detailliert dargestellt habe (dass viele `Leser` ihre diffusen Dogmen diffus bestätigt sehen wollen, dürfte womöglich seinen Grund im (möglicherweise adaptiv erworbenem) Wohlgefallen an automatisierten Kopfnickbewegungen haben. Ja, ja, nicht lustig.

Leider war es mir unmöglich zu verstehen, was du geschrieben hattest hinsichtlich der Relevanz von Unterschieden bei Mensch und nicht-menschlichen Tieren hinsichtlich dem Suizid. Vielleicht kannst du etwas verständlicher formulieren?

Bezüglich dem Schönreden (dass je eigenes Leben nicht nur schlechter sei als vom jeweiligen Subjekt beurteilt, sondern, dass noch das beste Leben `very bad` sei) habe ich eine ebenso lange und stringente Kritik verfasst, wie hinsichtlich des Asymmetrie-Argumentes (und einigen weiteren, dem Antinatalismus zugehörige Themen). Aber solches hier zu posten werde ich mir und den `Lesern` wohl besser ersparen. Aber bereits in der Kritik des Asymmetrie-Argumentes habe ich ja die relative Irrelanz der von Benatar genannten, angeblich `objektiv` zu erfüllenden Kriterien für ein lebenswertes Leben kritisiert. (Der Kritik am Asymmetrie-Argument vorausgehend, habe ich ein ganzes `Kapitel` der Frage gewidmet, worauf ideal `objektive` und bedingt auch je real gefällte je subjektive Bewertungen eigenen Lebens gründen (sollten).

Im übrigen scheinen mir evolutionäre Spekulationen oftmals trivial und/oder vorhersehbar (alles MUSS adaptiv nützlich gewesen sein und entsprechend interpretiert werden. Ich frage mich da, ob das Denkvermögen darunter nicht grundsätzlich Schaden erleiden muss. Man nehme das Axiom `adaptive Nützlichkeit` und interpretiere alles entsprechend seiner Kompatibilität damit. Autsch.) An praktischen Folgerungen lässt sich dabei bedingt praktisch Relevantes ableiten. Dann aber unter Umständen auch Gemeingefährliches (man lese diesbezüglich S. Perrys abwegige Spekulation vor allem hinsichtlich der praktischen Forderungen, die sie damit zu stützen versucht. Das ist auch die einzig plausible Erklärung, warum sie eine so schwachsinnige These vortragen würde. Denn so dumm kann sie eigentlich gar nicht sein. Weit eher aber so `verblendet` im Bemühen kognitive Dissonanzen aufzulösen. Wobei solches wilde Herumspekulieren mir schon auch eine allgemeine Versuchung zu sein scheint im Bereich soziobiologischer `Erklärungen`.)

Apropos dem gar nicht haarspalterischen Fleisch essen müssen (?!) und meiner Argumentation, dass kein indeterminiert-selbstbestimmter Wille existieren kann. Absurder, wie auch ethisch bedenklicher und einer entsprechend empörten Reaktion würdig (freilich wer nicht frei wählen kann, verdient weder Lob noch Tadel, es sei denn als bewusst eingesetzte Manipulationswerkzeuge), scheint mir da weit eher die Tatsache, dass ein Mensch, der sich zum Leid (der Tiere) seine Gedanken macht, nicht fähig ist auf Fleisch zu verzichten. Vergleichsweise scheint mir eine absolut unwiderlegbar-stringente Argumentation zu verfassen, konsistent und ergo intelligent zu sein, wie auch ethisch weniger bedenklich... keiner MUSS irgendetwas lesen und schon gar nicht verstehen. (Aber womöglich ist der Verzicht auf Fleisch so sehr anti-adaptiv - zumindest für bestimmte Personen ? - wie es der Suizid womöglich ist, obwohl es mehr Vegetarier/Veganer gegen dürfte als Suizide. Ja, der Mensch taugt offenbar nur sehr bedingt zur Ethik, auch das wohl adaptiv unvermeidlich. Seufz.)

Übrigens hat sich der Soziobiologe Wuketits hinsichtlich solcher Illusion (es wird ja nicht die Existenz des Wollens negiert, solches würde z.B. ein Epiphänomanalismus implizieren, sondern ein indeterminiert-selbstbestimmtes Wollen), sich seine adaptiv-nützlichen Gedanken gemacht...lol. Dass solche Spekulation auf eben solchem (oder mehr spekulativen, sprich: neurobiologischen) argumentativem Aufweis der Unmöglichkeit (sprich: Absurdidät!) der Existenz eines solchen Wollens beruht, dürfte klar sein.

Man vergleiche das Ernst nehmen des Sachverhalts, dass ein solches indeterminiert-selbstbestimmte freie Wollen nicht existieren kann (es wäre absurd ein solches Wollen als existierend anzunehmen...und du sprichst von absurd!) auf seine praktischen Konsequenzen. Zumindest was die Justiz und deren Strafpraxis angeht, hätte es potentiell als sensationell aufgeklärt-human zu bezeichnende Implikationen.

Freilich stehen dem Denk-und Reaktionsweisen entgegen, die den Mensch als schlicht `unverbesserlich` stigmatisieren. Ob diese adaptiv erworben wurden oder nicht, ist bezüglich der Frage ob der Mensch sein Denken, Fühlen, Wollen diesbezüglich radikal ändern kann, so gut wie irrelevant (da solcher Sachverhalt jedem an sich selber und anderen täglich x-fach demonstriert wird, wie auch der Unfähigkeit solches zu verändern. Vergleichsweise wäre der Fleischverzicht ebenso viel einfacher als ein Heroinentzug. D.h. relevant ist ob der Mensch sein Verhalten ändern kann oder nicht, und dazu braucht es keine adaptiven Thesen, die ja letztlich nur, deren Genese betreffend, bestätigen können, was man so und nicht anders erlebt).
Stummfilm
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Stummfilm »

Ich habe schlicht keine Lust auf philosophische Diskussionen und haue in die Tasten, wie und wann es mir passt. Vom AN halte ich wenig, weil praktisch veranlagt und der AN völlig undurchführbar. Schön und großteils überzeugend, aber wäre der Mensch so frei, wäre er nicht.
Deine langen und stringenten Antworten kannst du deshalb gerne für dich behalten.
Ich rate dir ohnehin, mit deinen Argumenten in die Öffentlichkeit zu gehen, ist ja schade für so ein Genie, dass nur das Dignitas-Forum in den Genuss deiner geistigen Höhenflügen kommt.
whocares
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von whocares »

Stummfilm hat geschrieben:Ich habe schlicht keine Lust auf philosophische Diskussionen und haue in die Tasten, wie und wann es mir passt. Vom AN halte ich wenig, weil praktisch veranlagt und der AN völlig undurchführbar. Schön und großteils überzeugend, aber wäre der Mensch so frei, wäre er nicht.
Deine langen und stringenten Antworten kannst du deshalb gerne für dich behalten.
Ich rate dir ohnehin, mit deinen Argumenten in die Öffentlichkeit zu gehen, ist ja schade für so ein Genie, dass nur das Dignitas-Forum in den Genuss deiner geistigen Höhenflügen kommt.

Stimme mit dir überein bezüglich meiner gedanklichen Bemühung um Stringenz (ohne garantierbare Unfehlbarkeit freilich) meiner Argumente (obwohl du das ja nicht zu prüfen willens bist, selbst wenn du es könntest).

Genie? Kaum, aber in der Lage (?) und willens (d.h. dazu determiniert) eigenständig zu denken.
Keine Lust auf philosophische Diskussionen? Dein gutes Recht. Aber unterstelle dann nicht, dass was ich schreibe absurd oder Haarspalterei sei.

Beim Asymmetrie-Argument Benatars stimmen weder die Prämissen 1 und 2 (die zwar nicht gänzlich falsch sind, aber weil nicht kontextualisiert, führen sie zu völlig verzerrten Folgerungen.)

Auch ziemlich offensichtlich, bzw. anders nicht recht erklärbar, ist, dass er 1 und 2 auf die Kompatibilität mit 3 und 4 hin formuliert hat, was natürlich ein äusserst, um es milde zu formulieren, fragwürdiges Vorgehen ist. Dann ist 3 völlig falsch (allenfalls für extremste existenzielle Lebenserfahrungen `gültig`, und selbst 4 ist nicht verallgemeinerbar. Sein `very bad`-Argumet ist ebenso falsch und impliziert sogar unakzeptable ethische Implikationen. Haarspalterei? Lesen - Verstehen - Kritisieren (du hast wohl nicht einmal Bedingung 1 erfüllt.)

Warum liest du überhaupt philosophische Bücher, wenn du unwillig bist das Gelesene in Frage zu stellen (d.h. eine innere Diskussion mit dem Gelesenen zu führen)? Ich und absurd?

Und ja, ich werde die fertige Arbeit irgendwie publik zu machen versuchen. Leider ist das philosophische (und entsprechend publizistische) Interesse im deutschsprachigen Raum an entsprechender Thematik (im Gegensatz zum angelsächsischen) kaum vorhanden.

Warum ich es hier gepostet habe? Weil andere User mehrfach Benatars Buch thematisiert hatten. Freilich (meist) im Modus automatisierter Kopfnickerei...d.h. natürlich ohne wirkliches Interesse, solche Motorik in Frage stellen zu lassen. Mein Fehler. Aber man hofft ja immerzu auf evolutionäre Entwicklung einzelner Individuen, aber selbst auf individuell-kultureller Ebene scheint das illusorisch. Schopenhauer hatte wohl recht, wenn er meinte, dass Menschen sich nicht verändern, sondern lediglich älter werden. Wobei genau bedacht, negiert solches ja nur einen Modus möglicher Veränderung, nämlich einen selbstbestimmten gegenüber einer dem passiven Individuum `zustossenden`. Insofern das grundsätzliche gerechtfertigt sein, der Intention (lol) meiner arroganten Aufdringlichkeit (eigenständiges Denken in Gang zu setzen).

Freilich bedachte ich zu wenig die grundlegenden physikalische Tatsachen betreffs der Trägheit von Bewegungszuständen und der Gesetzmässigkeit von actio und reactio. Es scheint beinahe so, als liesse sich das menschliche Verhalten weitgehend auf physikalische Gesetzmässigkeiten `reduzieren`.

Anyway, who cares, nicht wahr?
Erloesung
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Erloesung »

Peterchen hat geschrieben: Dass der Suizid die relative Ausnahme ist, liegt nicht daran, dass fast alle Menschen ihr Leben genießen, sondern daran, dass die Evolution uns den Glauben einprogrammiert hat, dass das Leben wertvoll ist, unabhängig davon, wie qualvoll und jämmerlich es in Wirklichkeit ist.
Ich bin ja auch ein starker Anhänger des Antinatalismus, jedoch denke ich, dass bei den meisten Menschen die positiven Dinge im Leben schon überwiegen.
Die Natur hat es natürlich auch tricky gemacht. z.B. findet ja fast jeder Mensch sexuelle Interaktion gut bzw. genießt es. Oder das konsumieren von gutem Essen.

Das sind jetzt nur 2 Tricks, die die Natur "eingebaut" hat. Beim Sex um die Fortpflanzung zu garantieren (deshalb das gute Gefühl auch..) und das Essen, um zu garantieren, dass der Körper am Leben bleibt. (und Essen empfinden die meisten Menschen ja auch als was schönes)

Achja.. Ich finde aber auch, dass geschätzte 85% der Menschen diese Mechanismen, die wir hier besprechen, gar nicht kennen. Das finde ich am traurigsten eigentlich. Denn wenn man die Mechanismen KENNT, ist man auch in der Lage sie auszuhebeln.
Stummfilm
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Stummfilm »

@ Whocares: Richtig. Who Cares? Für philosophische unzulässiges Wort habe ich wenig über. Sehr wohl aber für praktische Argumente. Mir ist es gleich, ob das Leben für die meisten very bad oder durchschnittlich gut ist. Mir reicht es schon, dass das Leben die Möglichkeit in sich trägt, very bad zu sein und dass ein Mensch sich den Tod wünschen kann.
Zudem halte ich geboren zu werden, im günstigsten Fall die Aufs und Abs des Lebens mit seinen Wald- und wiesenkrankheiten durchzumachen, um am Ende doch nur sinnlos zu sterben, für eine ziemlich überflüssige Angelegenheit. Eine Weitergabe lohnt sich nicht. Ganz zu schweigen davon, dass für einen Menschen Kinderkriegen eine Zumutung darstellt. Das Niveau unter Müttern ist so tief, dass durchschnittlich intelligente Menschen die Flucht ergreifen nach einem kurzen Plausch. Kein Wunder. Jahrelanges Hinternwischen ebnet selten den Weg zum Nobelpreis. Am Ende halten sie ihren Zwerg für ein Genie, bloß weil dieser mit 1,5 Jahren Papa und Mama sagt und 3 aufs Töpfchen setzen lässt.

Glaubste nicht? Setz dich halt im Sommer 1 Monat auf einen belebten Kinderspielplatz und lausche den Gesprächen.
whocares
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von whocares »

Stummfilm hat geschrieben:@ Whocares: Richtig. Who Cares? Für philosophische unzulässiges Wort habe ich wenig über. Sehr wohl aber für praktische Argumente. Mir ist es gleich, ob das Leben für die meisten very bad oder durchschnittlich gut ist. Mir reicht es schon, dass das Leben die Möglichkeit in sich trägt, very bad zu sein und dass ein Mensch sich den Tod wünschen kann.
Zudem halte ich geboren zu werden, im günstigsten Fall die Aufs und Abs des Lebens mit seinen Wald- und wiesenkrankheiten durchzumachen, um am Ende doch nur sinnlos zu sterben, für eine ziemlich überflüssige Angelegenheit. Eine Weitergabe lohnt sich nicht. Ganz zu schweigen davon, dass für einen Menschen Kinderkriegen eine Zumutung darstellt. Das Niveau unter Müttern ist so tief, dass durchschnittlich intelligente Menschen die Flucht ergreifen nach einem kurzen Plausch. Kein Wunder. Jahrelanges Hinternwischen ebnet selten den Weg zum Nobelpreis. Am Ende halten sie ihren Zwerg für ein Genie, bloß weil dieser mit 1,5 Jahren Papa und Mama sagt und 3 aufs Töpfchen setzen lässt.

Glaubste nicht? Setz dich halt im Sommer 1 Monat auf einen belebten Kinderspielplatz und lausche den Gesprächen.
Du isst Fleisch, ja? Nur soviel bezüglich praktischen Argumenten.
Wie rechtfertigst du das (oder fällt das auch unter unzulässiges Wort) ?

PS: Dass du mir antinatalistische Argumente "anbietest", finde ich witzig. Aber da bleib ich doch lieber bei meiner unzulässiges Wort,
wenn es um die kognitive Verarbeitung empirischer Evidenzen geht. (Sinnloses und Debiles zu finden, dürfte jedem
halbwegs kritischen Menschen wenig Probleme bereiten. Philosophie geht aber ein wenig darüber hinaus, sie zielt auf Allgemeingültiges. Und ohne
unzulässiges Wort geht da gar nichts).
Katzenfan
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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

Beitrag von Katzenfan »

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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

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Re: Evolution und der (Un)Wert des Lebens

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