Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Abendstern
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Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Abendstern »

http://www.tagesspiegel.de/themen/repor ... 12316.html

Aber weil das Reden über unzulässiges Wort in Deutschland selbst als gefährlich gilt, geht es hier auch um ein großflächig zugeschnittenes Tabu. Denn wegen des befürchteten Nachahmereffekts ist es verschrien, über spezifische unzulässiges Wort zu schreiben. Dieses Tabu, das unzulässiges Wort verhindern soll, sei in Wahrheit der schwerwiegendste Grund dafür, dass unzulässiges Wort unbemerkt bleiben, weil die Gefährdeten sich niemandem anvertrauen. Es treibe sie in die Isolation. Malte Diester hält das für lebensgefährlich. Was aber ist zu tun, wenn das vermeintlich präventive Beschweigen in Wahrheit einsame Entscheidungen fördert? Ist Totschweigen im Wortsinn möglich?

Schon die Dimension des Problems ist den meisten gar nicht bewusst: 10.000 Menschen nehmen sich durchschnittlich in Deutschland im Jahr das Leben, davon 600 junge Leute unter 25 Jahren. Das sind jeweils mehr, als durch Autounfälle und Drogen zusammen sterben. Haben wir die alle totgeschwiegen? Als Gesellschaft?

... Suizidgedanken haben Ursachen, und um die gehe es in den Mails häufiger als um die Sache selbst, sagt Diester. ... Es falle vielen leichter, Gleichaltrigen zu vertrauen als einer älteren Autorität, dann auch noch anonym im Netz. „Professionelle“ Hilfe würden sie gar nicht suchen, sagt Diester. Trotz aller Erfolge komme „harter Gegenwind von Professionellen“. Meist fürchteten Psychologen, dass ihnen jemand den Rang ablaufe. „Klar, wir sind nicht professionell.“ Aber darum geht es eben: Die Hemmschwelle zu senken, keine Autorität zu sein. Der Kontakt soll freundschaftlich sein.

... Alles, was normalerweise über unzulässiges Wort öffentlich werde, sei negativ, sagt Gleiniger: der bedrohliche Werther-Effekt. Der Zugausfall am Morgen. Das Sterben als Zumutung für andere. Und erst die trauernden Angehörigen! Wie könne einer das verantworten! Bei Waisenkindern und sogar Obdachlosen sehe jeder ein, dass jemand unverschuldet in eine Situation hineingeraten sei. Aber beim Suizid? Der war im christlichen Abendland über Jahrhunderte Todsünde. Die Schuld lag beim Unglücklichen selbst.

Statt sich an den Statistiken über Nachahmer festzuklammern und deshalb das Thema insgesamt zu meiden, müsse sich die Gesellschaft eingestehen, „dass man Suizid verhindern kann“, sagt Gleiniger. Schon Depressionen würden nur teilweise anerkannt. Das Problem beginne da, wo man auf ein „Wie geht es Dir“ eigentlich nur ein „Gut“ erwarte.
Peterchen
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Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Peterchen »

Lustig, dass die Foren-Zensur bei "Selbst.mord" aktiv wird, aber gegen unzulässiges Wort und den Plural unzulässiges Wort nichts einzuwenden hat ;)

Na jedenfalls: Menschen, die ihr Leben beendet haben, sprachlich in die Nähe von Schwerstverbrechern zu rücken, zeugt schon mal von keiner großen Sensibilität gegenüber der Thematik :roll:
glycerine

Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von glycerine »

Ich wünschte es würde mehr über Suizid geredet ohne dass man dafür gleich weggesperrt wird. Diese Hilfe von der hier geschrieben wird sollte überall angeboten werden, es würden sich bestimmt Freiwillige dafür finden lassen.
coldtime

Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von coldtime »

Es hilft nie darüber zu reden, sei es Freunde, Familie oder Ärzte. So in nem Forum oder per chat, schon eher möglich.

Verdammte unzulässiges Wort!
Abendstern
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Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Abendstern »

coldtime hat geschrieben:Es hilft nie darüber zu reden, sei es Freunde, Familie oder Ärzte. So in nem Forum oder per chat, schon eher möglich.
Ich persönlich finde es viel schlimmer, darüber schweigen zu müssen... Leider sind Freunde, Familie und Ärzte in der Tat meist nicht die passenden Ansprechpartner... Gerade da das Thema so tabuisiert ist... Und genau darum geht es ja in obigem Artikel...
coldtime

Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von coldtime »

Man muss nicht darüber schweigen, verlangt ja auch keiner. Wegen Suizidgedanken wirst nicht eingesperrt. Nur leider stößt du meist nur auf Ablehnung und Unverständnis, falls du drüber redest. Bist dann entweder einfach krank oder faul und lustlos und damit nicht ernst zu nehmen. Da kommen die Vorwürfe schnell, es wird nur von sich aus reflektiert.

Suizidgedanken (allgemein Gedanken an und über den Tod) existieren schlichtweg für die meisten Menschen nicht. Und wie sie Stolz sind wenn sie mal ein paar schlechte Tage in ihrem Leben hatten und dir erzählen wollen, das sie solche Gedanken kennen und überwunden haben. Ja die meisten hatten natürlich auch Depressionen, auch easy allein mit Willenskraft überwunden, also kriegst zuhören wie schwach du bist und das dich gefälligst zusamnenreißen sollst. Einfach zusammenreißen, zähne zusammenbeißen, ? zukneifen, rücken grade halten, dann wird das schon. Das Allgemein-Wundermittel. Für mich zutiefst verachtenswert!

Aber was nützt das aufregen, nicht die Mühe wert.
Habs nun aber trotzdem..
Abendstern
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Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Abendstern »

Ja, verstehe vollkommen, was Du meinst...
Und wie sie Stolz sind wenn sie mal ein paar schlechte Tage in ihrem Leben hatten und dir erzählen wollen, das sie solche Gedanken kennen und überwunden haben.
Hierzu fand ich diese Aufschlüsselung ganz interessant:
http://forum.dignitas.ch/viewtopic.php?f=9&t=7704

Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß es völlig unterschiedliche Arten von Gedanken- und Impulsintensitäten gibt... Jemand, der das Thema nur einmal an der Oberfläche angekratzt hat, kann dies in der Tat meist leider nicht nachvollziehen...

Daß man bei Erwähnen von Suizidgedanken nicht gleich zwangseingewiesen wird, will ich so nicht unterschreiben. Man ist in jedem Fall - h a a r s c h a r f - dran. Das kann auch böse ausgehen ...
Abendstern
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Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Abendstern »

Springer

Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Springer »

Abendstern hat geschrieben: Daß man bei Erwähnen von Suizidgedanken nicht gleich zwangseingewiesen wird, will ich so nicht unterschreiben. Man ist in jedem Fall - h a a r s c h a r f - dran. Das kann auch böse ausgehen ...
Es kommt auf die Formulierung an. Man muss es halt immer so umschreiben, dass man zumindest noch in keinen konkreten Planungen steckt.
Abendstern
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Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Abendstern »

Springer hat geschrieben:
Abendstern hat geschrieben: Daß man bei Erwähnen von Suizidgedanken nicht gleich zwangseingewiesen wird, will ich so nicht unterschreiben. Man ist in jedem Fall - h a a r s c h a r f - dran. Das kann auch böse ausgehen ...
Es kommt auf die Formulierung an. Man muss es halt immer so umschreiben, dass man zumindest noch in keinen konkreten Planungen steckt.
Das ist richtig, aber im Zweifel würde ich mich nicht darauf verlassen ...
Abendstern
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Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Abendstern »

Alles, was normalerweise über unzulässiges Wort öffentlich werde, sei negativ, sagt Gleiniger: der bedrohliche Werther-Effekt. Der Zugausfall am Morgen. Das Sterben als Zumutung für andere. Und erst die trauernden Angehörigen! Wie könne einer das verantworten! Bei Waisenkindern und sogar Obdachlosen sehe jeder ein, dass jemand unverschuldet in eine Situation hineingeraten sei. Aber beim Suizid? Der war im christlichen Abendland über Jahrhunderte Todsünde. Die Schuld lag beim Unglücklichen selbst.
Und hier haben wir wieder ein solches Beispiel:
https://www.vice.com/de/article/ich-hab ... ewhatsappt

In den Medien wird in Zusammenhang mit Suizid meist nur von Mördern oder sonstigen Irren berichtet (es sei denn, es springt mal ein Promi in den Tod)... Und exakt mit solchen Gestalten soll man dann als suizidaler Traumapatient auf die Geschlossene...
Julchen
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Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Julchen »

. Wegen Suizidgedanken wirst nicht eingesperrt.

Das stimmt so nicht ganz. In Bayern gibts das Gesetz sprichst du vorm Therapeuten sowas aus muss er im Fall der Fälle beweisen, dass er alles getan hat um dies zu verhindern. Deswegen sind die da sehr empfindlich! Als ich es ausgesprochen hatte durfte ich nur gehen weil wir einen "Vertrag" aufgesetzt haben indem stand dass ich mich nicht bis zur nächsten Sitzung umbringen werde. Hätte ich diesen nicht unterschrieben hätte er die Zwangsweisung angeordnet.
Ich finde es ist schon ein Tabu Thema und mir tut es auf jedenfall gut darüber zu reden
Springer

Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Springer »

Julchen hat geschrieben:Hätte ich diesen nicht unterschrieben hätte er die Zwangsweisung angeordnet.
Tja seltsame Verträge sind das, wo man bei Verweigerung der Gegenleistungsverpflichtung keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat :mrgreen:
Last Escort
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Re: Artikel: "Warum es hilft, über Suizid zu reden"

Beitrag von Last Escort »

Wenn man über Suizid redet, kommt man wohl sehr schnell auf die Ursachen zu sprechen. Und darüber zu reden, das hilft.
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