Schuldgefühle gegenüber Familie

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Peterchen
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Schuldgefühle gegenüber Familie

Beitrag von Peterchen »

Gibt es noch jemanden hier, der in der gleichen Situation ist?

Habe eine chronische Krankheit und mein Leben ist ruiniert. Bin mir zu 100% sicher, dass ich mit der Nichtexistenz besser dran wäre als mit allem, was ich jetzt noch vom Leben zu erwarten habe. Habe richtig Lust, den Abgang zu machen.

Aaaaaber... da sind meine Eltern. Die auch angeschlagen sind, und deren Leben ich in den letzten Jahren durch meinen Suizid vermutlich in einen Alptraum verwandeln würde. Und das konnte ich bis jetzt nicht übers Herz bringen.

Mich persönlich regt das furchtbar auf. Eigentlich sollten Eltern doch am Wohl ihrer Kinder interessiert sein, und wenn es für mich am besten ist, mich hinzulegen und mich dauerhaft auszuschlafen... warum lässt man mich nicht? Warum haben wir in unserer Kultur diese dämliche Mentalität, die den Tod als größtmögliche Katastrophe ansieht und nicht als Erlösung? Warum haben wir keine Mentalität, die das Leben als "Leben auf Probe" ansieht, das im ungünstigen Fall wieder aufgehoben werden kann, ohne dass man den, der sich befreit hat, deswegen bedauert oder seine Selbsterlösung als Unglück empfindet?

Aber wie auch immer. Geht es euch ähnlich? Das bekackte Mitleid mit den Angehörigen als einziger, widerlicher Hinderungsgrund?
Lebensmüde

Re: Schuldgefühle gegenüber Familie

Beitrag von Lebensmüde »

Peterchen hat geschrieben:Gibt es noch jemanden hier, der in der gleichen Situation ist?
Geht es euch ähnlich? Das bekackte Mitleid mit den Angehörigen als einziger, widerlicher Hinderungsgrund?
Momentan schon, ja.
Ich bin zwar gesundheitlich eigentlich fit (jedenfalls im Vergleich zu einigen anderen hier), aber die immer wieder aufkeimenden Depressionen und die Inhalts- und Sinnlosigkeit des eigenen "Lebens" machen mir phasenweise extrem zu schaffen.

Von meiner Familie und Verwandtschaft sind fast alle gestorben.
Meine Schwester ist mit den Kindern vor Jahren weggezogen. Das hat mir extrem zugesetzt.
Meine Mutter ist dieses Jahr an Krebs erkrankt. Momentan sieht es recht gut aus. Für sie. Nicht für mich.
Das hört sich verdammt hart an, ich weiß :oops:

Innerlich habe ich mich im Frühjahr schon darauf eingestellt, das Ganze spätestens zum Jahresende sauber abschließen zu können.
Jetzt werde ich halt noch einige Jahre länger durchhalten müssen.
Denn vor ihr gehen kann ich nicht. Das möchte ich ihr nicht antun.

Also geht das Spiel halt weiter. Wenigstens steht das Frühjahr vor der Türe :mrgreen:
Peterchen
Beiträge: 742
Registriert: Freitag 30. Januar 2015, 13:02

Re: Schuldgefühle gegenüber Familie

Beitrag von Peterchen »

Wenn ich gesund wäre, und "nur" ein verpfuschtes Leben hätte, dann würde es mir nicht schwer fallen, noch 10 oder 20 Jahre durchzuhalten. Dann würde ich vielleicht in eine WG mit irgendwelchen runtergerockten Leuten ziehen, viel zocken, viel lesen, viel spazieren gehen, Filme gucken... und irgendwie die Zeit totschlagen.

Aber mit dieser Krankheit ist das Leben echt sehr unerfreulich.

Naja... ein paar Jahre halte ich wohl noch durch :D
Thorsten3210
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Re: Schuldgefühle gegenüber Familie

Beitrag von Thorsten3210 »

Naja... ein paar Jahre halte ich wohl noch durch
Der Gedanke, dass man sich jederzeit umbringen kann, hat etwas sehr tröstliches und hilft, das Leben trotz seelischer und körperlicher Qualen noch ein wenig zu ertragen. So gehts mir zumindest. Ebenso, wir der Austausch über das Thema gut tut, es hilft (wenn auch nur kurz).
Lebensmüde

Re: Schuldgefühle gegenüber Familie

Beitrag von Lebensmüde »

Thorsten3210 hat geschrieben:Der Gedanke, dass man sich jederzeit umbringen kann, hat etwas sehr tröstliches und hilft, das Leben trotz seelischer und körperlicher Qualen noch ein wenig zu ertragen
Noch schöner wäre es, wenn man sich jederzeit die entsprechende Dosis auf Rezept besorgen könnte.
Aber dazu wird es in diesem Land wohl leider nie kommen.
Das Wissen, das man einfach zu jeder Zeit in Würde abtreten könnte, wäre sicher extrem hilfreich.
Thorsten3210
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Re: Schuldgefühle gegenüber Familie

Beitrag von Thorsten3210 »

Lebensmüde hat geschrieben:Noch schöner wäre es, wenn man sich jederzeit die entsprechende Dosis auf Rezept besorgen könnte
Finde ich auch. Es wäre ausserst beruhigend, solche Medikamente in der "hauseigenen Apotheke" zu wissen, und sie Im Fall des Falles sofort verfügbar zu haben. Aber das wird wohl nicht so kommen.
MissDestruktiv
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Re: Schuldgefühle gegenüber Familie

Beitrag von MissDestruktiv »

Peterchen hat geschrieben:Aaaaaber... da sind meine Eltern. Die auch angeschlagen sind, und deren Leben ich in den letzten Jahren durch meinen Suizid vermutlich in einen Alptraum verwandeln würde. Und das konnte ich bis jetzt nicht übers Herz bringen.

Mich persönlich regt das furchtbar auf. Eigentlich sollten Eltern doch am Wohl ihrer Kinder interessiert sein, und wenn es für mich am besten ist, mich hinzulegen und mich dauerhaft auszuschlafen... warum lässt man mich nicht? Warum haben wir in unserer Kultur diese dämliche Mentalität, die den Tod als größtmögliche Katastrophe ansieht und nicht als Erlösung? Warum haben wir keine Mentalität, die das Leben als "Leben auf Probe" ansieht, das im ungünstigen Fall wieder aufgehoben werden kann, ohne dass man den, der sich befreit hat, deswegen bedauert oder seine Selbsterlösung als Unglück empfindet?

Aber wie auch immer. Geht es euch ähnlich? Das bekackte Mitleid mit den Angehörigen als einziger, widerlicher Hinderungsgrund?
Ja, mir geht es ähnlich, allerdings wäre das nicht der einzige Hinderungsgrund für mich. Klar, sollte der Wille des Betroffenen Vorrang über die Gefühle der Angehörigen haben. Ich meine, einerseits würden die schon irgendwie in absehbarer Zeit damit umgehen können und andererseits stirbt man sowieso eines Tages - die Trauer ließe sich also nicht vermeiden, denn früher oder später wird jeder einmal betrauert werden müssen (so rede ich mir das zumindest immer wieder ein). Dennoch kann ich nachvollziehen, dass es z.B. den Eltern nicht leicht fallen würde, den Freitod ihres Kindes zu verkraften. Wer verliert schon gerne einen geliebten Menschen? Allen voran, wenn noch die Chance bestanden hätte, demjenigen zu helfen?

Der Grund, warum ich dies aber meiner Familie nicht unbedingt zumuten mag, ist, dass jeder von ihnen generell psychisch ,,angeknackst'' ist. Ich habe z.B. Angst, dass mein unzulässiges Wort jemanden davon triggern könnte, es dann ebenfalls zu tun. Immerhin sind einige in meiner Familie genauso suizidal wie ich...
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