Authentisch leben?

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

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Thanatos
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von Thanatos »

Um auch meine eigene Ansicht kundzutun: Für mich bedeutet Authentizität, sich selbst gefunden zu haben und das, was man da fand, auch umzusetzen. Sein Fähnlein nicht nach dem Wind zu drehen; auch nicht zwangsläufig gegen den Strom zu schwimmen, sondern dorthin, wo man es für sich als richtig betrachtet.
Das Hauptproblem erscheint mir dabei, sich selbst überhaupt erst zu finden, zu wissen, wer man eigentlich ist (und wenn ja, wie viele?). Überdies täuscht man sich ja gerne in sich selbst, macht sich oft selbst etwas vor...
Das Ausleben seiner Authentizität kann allerdings verheerende Folgen haben, wenn zum Beispiel die Authentizität, die man in sich entdeckte, dem in der jeweiligen Gesellschaft Üblichen zu sehr widerspricht. Würde ich zum Beispiel in mir das Bedürfnis entdecken, die Menschheit auszurotten, um das restliche Leben auf Erden vor dem Untergang zu schützen.....und würde ich da gleich beim Nachbarn anfangen wollen, authentisch zu sein, wäre das nicht so gut - weder für den Nachbarn noch für mich. :wink:
Deadly Snowflake

Re: Authentisch leben?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben:Um auch meine eigene Ansicht kundzutun: Für mich bedeutet Authentizität, sich selbst gefunden zu haben und das, was man da fand, auch umzusetzen. Sein Fähnlein nicht nach dem Wind zu drehen; auch nicht zwangsläufig gegen den Strom zu schwimmen, sondern dorthin, wo man es für sich als richtig betrachtet.
Das Hauptproblem erscheint mir dabei, sich selbst überhaupt erst zu finden, zu wissen, wer man eigentlich ist (und wenn ja, wie viele?). Überdies täuscht man sich ja gerne in sich selbst, macht sich oft selbst etwas vor...
Das Ausleben seiner Authentizität kann allerdings verheerende Folgen haben, wenn zum Beispiel die Authentizität, die man in sich entdeckte, dem in der jeweiligen Gesellschaft Üblichen zu sehr widerspricht. Würde ich zum Beispiel in mir das Bedürfnis entdecken, die Menschheit auszurotten, um das restliche Leben auf Erden vor dem Untergang zu schützen.....und würde ich da gleich beim Nachbarn anfangen wollen, authentisch zu sein, wäre das nicht so gut - weder für den Nachbarn noch für mich. :wink:
Du erwähnst zwei Punkte: sich selber sein und es umsetzen. Ersteres ist aus meiner Sicht eben blosse dogmatisch-subjektive Selbstinterpretation...um zu wissen, dass man sich gefunden hat, braucht man im Grunde schon vorgängig das Wissen wer man eigentlich ist (oder aber es ist vermittelt durch ein Gefühl der Selbstevidenz). Wie kannst du wissen, dass dein gefundenes Selbst sich nicht morgen schon als falsches erweist: bleibt man ehrlich, kann man das nicht wissen und man ist zum Skeptizismus verurteilt...was bezüglich Selbst zu einem provisorischen-abgründigen Zustand führt (Das Gefühl eine Maske zu tragen dahinter sich nichts befindet). Also wäre der Skeptiker der authentische Mensch? Vermutlich empfindet man sich primär dadurch als sich selber, weil man es zuvor nicht war, bzw. weil man eine Wandlung durchgemacht hat, welche suggeriert nun mehr sich selber zu sein als früher (oder weil man sich schlicht wohl fühlt in seiner Haut)...aber nochmals: welche Kriterien erlauben eine solche Zuschreibung? Wie weiss ich, dass ich mich gefunden habe?
Glaubt man z.B. den reduktionistischen Hirnforschern ist unser Selbst etc. nur ein Epiphänomen, wie kann man da von einem Selbst oder gar von Authentizität überhaupt reden? Doch nur, wenn man das Hinterfragen an irgendeiner Stelle willkürlich abbricht oder als für das konkrete Leben irrelevant erachtet oder anders: wenn man sich etwas vormacht.
Ich habe ein echtes Problem damit dem Begriff etwas Sinnvolles abgewinnen zu können...Menschen die authentisch sind, sind ja auch irgendwie eins mit sich selber, und das heisst doch auch: sie stellen sich nicht in Frage, ihnen mangelt es an skeptischer Distanz sich selber gegenüber...ist Authentizität nicht Ausdruck einer Unredlichkeit, einer Unfähigkeit sich selbst (und das was dieses Selbst ausmacht) in Frage zu stellen? Schwierig, schwierig...ein Ansatz wäre Authentizität nicht über ein wahres Selbst zu definieren, sondern als Wahrhaftigkeit: man behauptet nicht mehr sein wahres Selbst gefunden zu haben, sondern lediglich seinem provisorischen Selbst nach Aussen Ausdruck zu verleihen...oder realistischer: zumindest keine falschen Impressionen seines momentanen Zustandes zu vermitteln (was in der Realität aber vermutlich auch schlicht nicht möglich ist).
Lullaby
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von Lullaby »

Deadly Snowflake hat geschrieben:Ich habe ein echtes Problem damit dem Begriff etwas Sinnvolles abgewinnen zu können...Menschen die authentisch sind, sind ja auch irgendwie eins mit sich selber, und das heisst doch auch: sie stellen sich nicht in Frage, ihnen mangelt es an skeptischer Distanz sich selber gegenüber...ist Authentizität nicht Ausdruck einer Unredlichkeit, einer Unfähigkeit sich selbst (und das was dieses Selbst ausmacht) in Frage zu stellen? Schwierig, schwierig...ein Ansatz wäre Authentizität nicht über ein wahres Selbst zu definieren, sondern als Wahrhaftigkeit: man behauptet nicht mehr sein wahres Selbst gefunden zu haben, sondern lediglich seinem provisorischen Selbst nach Aussen Ausdruck zu verleihen...oder realistischer: zumindest keine falschen Impressionen seines momentanen Zustandes zu vermitteln (was in der Realität aber vermutlich auch schlicht nicht möglich ist).
Wie kann man denn authentisch sein - und ich denke jetzt, dass Authentizität sich nur in direktem Kontakt äußert, ein Gegenüber braucht, das mich als solches erlebt und an dem ich mich erlebe - und gleichzeitig sich selbst geegnüber skeptisch distanziert? Das sind doch aufeinanderfolgende Akte (nennt man das so?) letzteres Teil eines Reflektionsprozesses, oder?

Um mal die Frage konkret zu beantworten: ich selbst fühle mich eigentlich nie authentisch, kann nicht mal sagen woran das liegt. Würde aber auch nicht sagen, dass ich mich bewusst verstelle. Trotzdem bekomme ich manchmal Rückmeldungen authentisch zu sein. Authentizität ist vielleicht mit einer gewissen Natürlichkeit gleichzusetzen und Unbefangenheit. Etwas worüber man sich eben nicht permanent einen Kopf machen muss - entsprechend also nicht zu bewerten, oder? Es "kommt" wenn man nicht permanent darüber nachdenkt. So verstehe ich es zumindest.

berlinichbins: Mich würde interessieren, wie du das machst: Mit dir in Kontakt sein und mit Deiner Umgebung. Kannst Du das an einem praktischen Beispiel beschreiben?
berlinichbins
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von berlinichbins »

Jemand der authentisch in meinem bilde ist, hat Kontakt mit seinen gefühlen und fühlt ganz genau, dass was er dort lebt ist stimmig oder nicht. also, man muss es vorher nicht wissen, was man selbst ist, sondern "nur" offen in der eigenen gefühlswahrnehmung. jeder säugling ist es, aber es geht allmählich verloren, das macht krank. das führt zur selbstentfremdung. nicht selten wird es in unserer gesellschaft durch geld oder Intellekt versucht auszugleichen. es geht meistens nicht richtig auf - denn wenn man sich die menschen genau ansieht, dann sind sie oft nicht glücklich, eher süchtig und nicht herzensverbunden.
authentisch sein bedeutet nicht: sich selbst total gefunden zu haben, in dem sinne, dass man sich nicht mehr entwickeln muss oder sich gar in frage stellt. denn das ist grundvoraussetzung für Offenheit: fragen an die welt, an andere menschen und sich selbst zu richten und auch über sich nachzudenken und zu gucken, ob man sich damit wohlfühlt. und sich immer weiterzuentwickeln.

@lullaby: wenn ich z.b. in das reformhaus gehe, dann bin ich dort angekommen, mit meinen gedanken und gefühlen offen. offen bedeutet ich kann gerade heraus fragen, wie die verkäuferin weihnachten verbringt, auch wenn wir uns bisher nur vom sehen her kannten. wenn es mich interessiert, frage ich einfach, ohne innere Rezension. so gehts mir auch in der s-bahn. wenn jmd. mit hund da ist und ich lust habe diesen hund zu streicheln oder zu sprechen, dann nehme ich kontakt auf. innerlich nehme ich dann mein bedürfnis wahr und setze es direkt um. eigentlich mache ich da kaum schlechte Erfahrungen, denn wenn jmd mies drauf ist, dann entwickelt sich bei mir meistens auch kein bedürfnis dem jenigen näher zu kommen. letztens saß ich bei einem obdachlosen und habe ganz interessante dinge erfahren. man könnte sagen, ich habe keine angst und bin dort mutiger, wo ich mich damals zurückzog oder gar nicht erst wahrnahm. das nennt man dann wohl "Selbstvertrauen" und das wiederum kann sich aufbauen, wenn man sich wirklich tief im inneren annimmt. manchmal entwickelt sich das erst, wenn ein anderer mensch oder mehrere einen ganz annehmen konnten, d.h. ein kleinkind, was mit voller annahme aufgewachsen ist, hat auch später diese Offenheit - du nennst es unbefangenheit und sich keinen kopf machen, sich nicht selbst bewerten - ja genau, das ist es :D meine umwelt kann mir schon sagen, wenn was doof ist, da muss ich mir nicht vorher schon innerlich die kante geben.

und nun zum selbstkontakt ganz direkt: egal, wo ich bin und was ich mache, lasse ich nie mein gefühl außer acht: d.h. wenn ich mich unwohlfühle, dann schaue ich, wie ich was daran verändern kann: z.b. gehe ich mit meiner verabredung nicht noch mit nach oben, weil ich schon die nase voll habe, auch wenn es ein großer wunsch der verabredung scheint. oder ich verbringen mein weihnachten nicht in einer angespannten familienatmosphäre auch wenn das menschen verletzen könnte, weil ich nicht komme. oder ich spüre in einem Gespräch: och nö, eigentlich reichts mir - dann beende ich es. oder ich spüre: ich habe lust mit meiner musik im ohr zu summen, dann mache ich das auf offener straße. oder: ich bin gerade in der glücklichen lage aus finanziellen gründen nicht arbeiten zu müssen und entschied mich für was kleines ehrenamtliches. einige bekannte sind fast empört darüber, weil doch jeder arbeiten muss und es doch toll sei, weil in meiner branche so viele gesucht werden. mag alles stimmen, aber das hat eher was mit denen zu tun und nicht mit meinem bedürfnis mich wohl im leben zu fühlen und mcih nicht 40 stunden die woche meines Lebens berauben zu lassen mit einer tätigkeit, die ich nicht mag und dann auch noch das geld nicht brauche.eines der besten argumente von denen: "ja, aber du musst doch wenigsten für die rente arbeite!" ich:"nee, wenn ich wirklich dann kein geld habe und es nicht so hinbekomme, dass ich mich im notfall auch mit dem wenigen geld arrangieren kann, dann bleibt mir immernoch die option nicht weiterzuleben.lieber lebe ich jetzt, wo ich 40 jahre jung bin, als die letzen 20 jahre in rente mit vielen gebrechen." aber das verstehen die dann, nicht. wie denn auch? sie gehen anders mit sich selbst um.
ich entscheide da für mich und nicht das, was die norm ist. hmmm....reicht das an Beispielen? frag ruhig gern, wenn du noch was wissen magst.
Thanatos
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von Thanatos »

Aha, nun kamen doch noch einige sehr interessante Beiträge hinzu. :)
Hier mal kurz eine der 134,8 Definitionen von Authentizität: „Sich treu bleiben, Echtheit, Zuverlässigkeit oder Verbürgtheit. Eine authentische Person handelt im Einklang mit ihren Überzeugungen, Wertvorstellungen und Gefühlen.“ Letzteres ist ja berlinichbins sehr wichtig.
Wie ich oben andeutete, müsste man „sich selbst“, sein „Selbst“, sein „Ich“ oder etwas in dieser Art gefunden haben, um überhaupt die Bedingungen für Authentizität erfüllen zu können. Ich schließe aus Deadlys Worten, dass man berechtigte Zweifel daran haben kann, ob so etwas wie „Ich, Selbst...“ überhaupt existiert. Einen Thread zu diesem Thema hatte wir mal, wenn ich mich recht erinnere. Ich bin auch der Meinung, dass ein Ich als solches nicht existiert.
Wie dem auch sei, viele Menschen behaupten, sich selbst gefunden zu haben – und falls nicht, werden eben noch ein paar „Selbstfindungsseminare“ besucht. Selbstverständlich ist das, was sie fanden, ein rein subjektiver Fund. Nichtsdestotrotz spricht, meiner Meinung nach, nichts dagegen, aus diesem subjektiven Fund heraus die oben genannten Bedingungen für Authentizität zu erfüllen. Ich schließe mich da nicht mit ein, sondern meine nur, dass jenes möglich ist.
Beste Grüße,
Thanatos
Deadly Snowflake

Re: Authentisch leben?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Authentizität ist eine Illusion...eine Selbstzuschreibung (oder Fremdzuschreibung) welche willkürlich und nach Kriterien erfolgt, welche man nicht begründen kann...aber wen interessiert es wirklich? Was würde man wählen: ein zufriedenes und glückliches Leben aber unauthentisch, oder ein authentisches aber unglückliches? Niemand würde letzteres wählen (es sei denn er setzt authentisch sein und glücklich sein in eins oder er belügt sich selber).
Obiges illustriert nur den wirklichen Stellenwert (eingebildeter) edler Tugenden und Eigenschaften (bestes Beispiel Willensfreiheit contra Handlungsfreiheit)...vielleicht hat ja solche nüchtern-desillusionierte Erkenntnis etwas mit "Authentizität" zu tun?
Thanatos
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von Thanatos »

Deadly Snowflake hat geschrieben:... (es sei denn er setzt authentisch sein und glücklich sein in eins oder er belügt sich selber).
...
Eben, es könnte doch jemand sein Lebensglück davon abhängig machen, ob es ihm gelingt, „authentisch“ zu sein – entsprechend einer ihm genehmen Definition von Authentizität.
Es könnte auch jemand ein rückgratloser Anpasser sein und immer im Strom mitschwimmen. Wenn er das aus tiefster Überzeugung tut, ist er auch im Einklang mit sich (in seinem illusionären) selbst, also authentisch.
Was das selbst belügen betrifft, tun wir das nicht alle auf irgendeine Art?
Wie auch immer, ich betrachte Authentizität als eines von vielen „Fahrgeschäften“ auf dem Jahrmarkt der Wertvorstellungen. Da kann sich also jeder aussuchen, wo er einsteigen möchte und wo nicht....
berlinichbins
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von berlinichbins »

versucht man das authentische mit dem Intellekt zu erfassen, dann wird es sehr kompliziert. auf einer anderen ebene passen authentisch sein und glücklich sein sehr gut zusammen, auch ohne, dass man sich was vormacht.aber es ist ein bisschen so als wenn hier der eine chinesisch spricht und der andere kuwaidiu. es sind zwei unterschiedliche welten. wie wäre es wohl, wenn man loslassen könnte und zugibt, nicht zu wissen, was es wirklich bedeutet authentisch zu sein anstatt es zu verurteilen und so sehr "geschlossene" thesen aufzustellen?
Deadly Snowflake

Re: Authentisch leben?

Beitrag von Deadly Snowflake »

berlinichbins hat geschrieben:versucht man das authentische mit dem Intellekt zu erfassen, dann wird es sehr kompliziert. auf einer anderen ebene passen authentisch sein und glücklich sein sehr gut zusammen, auch ohne, dass man sich was vormacht.aber es ist ein bisschen so als wenn hier der eine chinesisch spricht und der andere kuwaidiu. es sind zwei unterschiedliche welten. wie wäre es wohl, wenn man loslassen könnte und zugibt, nicht zu wissen, was es wirklich bedeutet authentisch zu sein anstatt es zu verurteilen und so sehr "geschlossene" thesen aufzustellen?
Schon klar, dass wir da von unterschiedlichen Ebenen aus sprechen. Ich negiere einfach, dass man sicher sein kann, dass man sich nichts vormacht (und schon gar nicht wenn man das Denken/die Reflexion einfach links liegen lässt)...diese Sicherheit nimmst du hingeghen (offenbar) für dich in Anspruch...also besser nicht dem anderen vorwerfen "geschlossene" Thesen hinzustellen.
Zudem schreibe ich ja nicht, dass authentisch sein (was auch immer das sein mag) und glücklich sein einander ausschliessen, lediglich, dass bei Wahl zwischen beiden, niemand der Authentizität grösseren Wert beimessen würde. Nur dank der Koinzidenz (?...oder eben Illusion, weil man einfach die Lebensform welche glücklich macht als authentische bezeichnet), dass Authentizität auch Glücklichsein mit sich bringt, beruft man sich darauf...im Grunde geht es aber nur ums Glücklichsein und wie man die zu erreichen glaubt.
Deadly Snowflake

Re: Authentisch leben?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben: 1)Eben, es könnte doch jemand sein Lebensglück davon abhängig machen, ob es ihm gelingt, „authentisch“ zu sein – entsprechend einer ihm genehmen Definition von Authentizität.
2)Es könnte auch jemand ein rückgratloser Anpasser sein und immer im Strom mitschwimmen. Wenn er das aus tiefster Überzeugung tut, ist er auch im Einklang mit sich (in seinem illusionären) selbst, also authentisch.
3)Was das selbst belügen betrifft, tun wir das nicht alle auf irgendeine Art?
Zu 1)Hier unterliegst du einem Trugschluss. Die Definition welche jemand der Authenzitität gibt, ist davon abhängig was ihn glücklich macht bzw. wie er sich imaginiert sein zu müssen um glücklich zu werden. Keiner definiert Authentizität für sich im luftleeren Raum (so gesehen sehr treffend: genehme Definition). Du verwechselst hier schlicht Ursache und Wirkung bzw. Grund und Folge. Zuerst kommt eine Vorstellung dessen was glücklich macht und dem entsprechend definiert jemand Authentizität für sich (wenn ihm dieses Ideal denn überhaupt wichtig ist).
Zu 2)Auch hier: die Überzeugung bezieht sich auf das was glücklich macht, nicht auf Authentizität. Er ist vom Angepasstsein (=bewusstes und gewusstes nicht authentisch sein!) überzeugt weil es ihn glücklich macht (bzw. weil er davon überzeugt ist, dass es ihn glücklich macht). In diesem Beispiel zeigt sich eben glasklar was ich bereits ausgeführt habe: wenn jemand weiss, dass er sich anpasst, weiss er auch, dass er im Grunde unauthentisch ist, ist aber dennoch (des Glückes wegen) überzeugt das Richtige zu tun. Du verwechselst hier sein Überzeugtsein mit Authentizität, denn sein Überzeugtsein besteht trotz seines Unauthentischseins (und das Wissen darum). Der Knackpunkt ist u.a. deine Formulierung "mit tiefster Überzeugung", die eigentlich ausschliesst, dass überhaupt ein Unterschied besteht zwischen Anpassung und seinem wirklichen Selbst...nur fehlt dann natürlich die Pointe deiner Argumentation (wofür du allerdings mit ihrer Unplausibilität zahlst. Auf weniger konsequenter Weise verhält sich allerdings jeder der in der Gesellschaft leben will/muss ein Stück weit nach diesem Motto...allerdings geht es dann um Kompromisse die man wohl zu minimieren trachtet und die auch nicht mit tiefster Überzeugung erlebt werden, sondern von Ambivalenz geprägt sind).
Zu 3)Im praktischen Leben ja, falls ein radikalen Skeptizismus in der Praxis nicht zu verwirklichen ist...wobei Lügen doch eine bewusste und auch nicht notwendig erfolgende Verdrehung der Wahrheit beinhaltet und dem würde ich das gar-nicht-anders-können entgegenstellen.

Eine Minimaldefinition von Authentizität würde in etwa so lauten: nicht etwas anderes, als was man zum jeweiligen Zeitpunkt zu seinem Selbst gehörend erachtet, nach Aussen kundzutun. (Als Kopfmensch ist man nun mal verurteilt solche Sätze von sich zu geben...)
berlinichbins
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von berlinichbins »

ich denke, herz, verstand(somit denken und reflexion) und alle anderen anteile des menschen sollten zusammenarbeiten und sein dürfen. somit werfe ich lieber nichts beiseite:-), auch wenn es sich so anhörte. ich bin nur innerlich "mehr" dem umsetzen zugeneigt als lang für mich über etwas zu grübeln, wobei ich das auch gut kann. das “machen“ bringt die Erfahrung, die erfahrung ist direkter, geht ins befühl. aber das nur zu meiner Lebensgestaltung.
Lullaby
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von Lullaby »

berlinichbins - Danke für die Ausführungen :D

Ich habe dir eine PN geschrieben.
so-lebt-der-lurch
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von so-lebt-der-lurch »

Thanatos hat geschrieben:Ich stieß auf eine interessante Aussage zum Thema:
„Das Schlimmste, was man sein kann, ist authentisch. Man hat eine Kunstfigur zu sein, um anderen nicht auf die Nerven zu gehen.“ (Harald Schmidt)
Herrn Schmidt mag ich auch sehr. Er kann so herzerfrischend (bewusst) arrogant sein :)
Deadly Snowflake

Re: Authentisch leben?

Beitrag von Deadly Snowflake »

berlinichbins hat geschrieben:ich denke, herz, verstand(somit denken und reflexion) und alle anderen anteile des menschen sollten zusammenarbeiten und sein dürfen. somit werfe ich lieber nichts beiseite:-), auch wenn es sich so anhörte. ich bin nur innerlich "mehr" dem umsetzen zugeneigt als lang für mich über etwas zu grübeln, wobei ich das auch gut kann. das “machen“ bringt die Erfahrung, die erfahrung ist direkter, geht ins befühl. aber das nur zu meiner Lebensgestaltung.
Ich bleibe dabei: Gefühl und Denken lassen sich nicht harmonisieren.
Aber jeder hat natürlich das Recht sein Leben so zu gestalten und zu interpretieren wie es für ihn stimmt.
berlinichbins
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Re: Authentisch leben?

Beitrag von berlinichbins »

lieber deadly snowflake, das ist sehr schade, dass es dort keinen weg in dir gibt, der beides miteinander verbinden kann.
aber stimmt dein leben so für dich, wie es jetzt ist?
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