Ist Leben freiwillig?

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

berlinichbins
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von berlinichbins »

@lena-marie und so lebt der lurch: ich glaube, dass sich niemand das leben nehmen würde nach dem lesen eines buches, wenn es nicht auch in ihm existiert. der mensch geht mit dem in ressonanz in seiner umwelt, was auch in ihm gerade vorallem von bedeutung ist.

von einem "freiwilligen" leben für einen menschen, der das leben eigentlich beenden möchte, gehe ich nicht aus. hat man zuviel angst, existiert man einfach weiter. "frei" ist das nicht. als freiwillig würde ich es wirklich bezeichnen, wenn jeder eine wahl hat:zu jeder zeit-in jedem alter. eine wahl, wie z.b. "schalte ich jetzt den lichtschalter an oder aus."
Thanatos
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Thanatos »

„Wenn Sterben möglich ist, wirklich möglich auf bloßen Entschluss hin, dann ist Leben freiwillig.“ (Peter Baumann, Autor des Buches „Suizid und Suizidhilfe“)
Deadly Snowflake

Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben:„Wenn Sterben möglich ist, wirklich möglich auf bloßen Entschluss hin, dann ist Leben freiwillig.“ (Peter Baumann, Autor des Buches „Suizid und Suizidhilfe“)
Ist hier Willensfreiheit oder Handlungsfreiheit gemeint? (Bei Baumann dürfte Handlungsfreiheit gemeint sein. Aber wie oben schon gesagt: ohne eine zumindest implizite Interpretation, bleiben solche Aussagen unklar und zweideutig).
Thanatos
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Thanatos »

Deadly Snowflake hat geschrieben:
Thanatos hat geschrieben:„Wenn Sterben möglich ist, wirklich möglich auf bloßen Entschluss hin, dann ist Leben freiwillig.“ (Peter Baumann, Autor des Buches „Suizid und Suizidhilfe“)
Ist hier Willensfreiheit oder Handlungsfreiheit gemeint? (Bei Baumann dürfte Handlungsfreiheit gemeint sein. Aber wie oben schon gesagt: ohne eine zumindest implizite Interpretation, bleiben solche Aussagen unklar und zweideutig).
Ja, Deadly, mir ist klar, dass wir zunächst definieren müssten, was gemeint ist, damit geklärt ist, worüber wir eigentlich reden, und dadurch zu vermeiden, aneinander vorbeizureden.
Mir geht es hier allerdings nur darum zu erfahren, was den Leuten zum Thema des Threads einfällt, unabhängig davon, wie sie die Frage „Ist Leben freiwillig?“ auffassen; jeder ganz wie der möchte.
Das Peter-Baumanns-Zitat ist die Antwort auf seine eigene Frage. Denn auch er fragte sich, ob Leben freiwillig ist.
Da ich schon Peter Baumann erwähnte, hier ein Link zu einem Video, das zwar nicht ganz neu ist, aber vielleicht interessiert es jemanden.
http://www.alpenparlament.tv/playlist/2 ... tabu-thema

Schönen Tag noch,
wünscht Thanatos
berlinichbins
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von berlinichbins »

das video habe ich mir gleich mal angesehen(danke dafür :D ), besonders in gedanken ist mir folgendes geblieben:

- menschen werden in der geschlossenen psychiatrie zur urteilsunfähigkeit gespritzt
- jmd der suizid begeht, dem wird tendenzielle urteilsunfähigkeit unterstellt
- jmd mit einer psychiatrischen vergangenheit(sei es auch "nur" mal eine psychotherapie gewesen) bekommt ebenfalls schnell den stempel urteilsunfähig aufgedrückt

:x stampf. es ist dieser teufelskreis: wenn ein mensch nicht mehr leben möchte, dann kommt die antwort der gesellschaft "depression" schnell herausgeplautzt und eh man sich versehen kann, ist man psychisch krank und kommt da nicht mehr raus. hilfsangebote gibts vorallem für psychisch erkrankte. was wäre, wenn die gesellschaft noch andere antworten auf einen suizidwunsch hätte?

ich denke,es geht sogar so weit, dass menschen so manipuliert werden, dass sie sich selbst eine psychische erkrankung auferlegen, nur weil es für ihre gedanken und schlussfolgerungen keinen anderen platz in der gesellschaft gibt. ich finds skandalös. was berechtigt andere menschen dazu, jemanden in diagnosen einzuordnen? selbst wenn dieser jemand tabletten schluckt und therapie macht, weil es das einzige angebot auf suizidwünsche in deutschland ist, ist es meines erachtens nicht das garant dafür jmd in die schublade "psychisch krank" zu stecken. es geht so schnell, nicht mehr ernst und entscheidungsfähig anerkannt zu werden. da verbiegen sich meine gehirnwindungen - weil es so inhuman ist! der stempel kommt drauf, das wegsehen danach geht schnell. hier spielen macht, verdrängung und ohnmacht eine große rolle. wie wäre es wohl, wenn menschen wirklich offen und ernst miteinander umgehen würden? wenn es in psychiatrien keine machtgefälle gäbe, wenn dieser name abgeschafft würde, wenn der mensch nicht zum pillenschluckenden automaten sich entwickelte? wenn es einfach sein dürfte wirklich "freiwillig" zu leben mit der allzeitigen möglichkeit sich auch human gegen das leben zu entscheiden? :P
Seelenschmerz
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Seelenschmerz »

Ich finde nicht, dass Leben freiwillig ist.

Das Leben existiert halt. Die Welt als (blinder, wuchernder) Wille und (subjektive, illusionäre) Vorstellung, so nannte es Schopenhauer, wenn ich richtig verstehe. Wahrscheinlich wie eine Art großes Krebsgeschwür. Lebt Krebs freiwillig?

Man wird in die Welt geschissen, ohne gefragt worden zu sein.

Und es gibt diese ganzen Phänomene, wenn man sterben will, wie Lebenstrieb, Todesangst, Schmerzen, Schuldgefühle, Scham, Kosten, katholische Kirche, gesellschaftliche Konventionen, Erziehung zur Unfreiheit, Verbot von aktiver Sterbehilfe durch Ärzte (jedenfalls von der Ärztekammer, jedenfalls nicht für alle Menschen)..

Und was ist mit dem Querschnittsgelähmten, der sich nicht töten kann?

Und es ist erwiesen, dass wir nicht Herr im eigenen Haus sind, das menschliche Gehirn und das Unterbewusstsein gaukelt uns ständig was vor, unser Ich, auch den freien Willen.

Und zum freien Willen, hat schon mal jemand versucht, eine Stunde lang nicht zu denken? Wenn ich meine eigenen Gedanken und Gefühle nicht stoppen oder ändern kann, sind es dann überhaupt meine?
Deadly Snowflake

Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben:
Mir geht es hier allerdings nur darum zu erfahren, was den Leuten zum Thema des Threads einfällt, unabhängig davon, wie sie die Frage „Ist Leben freiwillig?“ auffassen; jeder ganz wie der möchte.
Ja, ist ja auch legitim. Nur...um zu einer möglichst plausiblen Antwort zu gelangen, bedarf es eben der Gedankenklärung (siehe: Benatar :wink: ). Darin sehe ich auch den (von mir aus auch nur kleinen) Wert der Philosophie.
Schon die Frage ist ja recht eigen: Ist das Leben freiwillig? Welches Leben? Wenn man sich nicht die Mühe macht zu fragen, was eine solche Frage eigentlich intendieren kann/tut (und was nicht), dann verpasst man auch eine möglicherweise erhellende Antwort.
Aber wenn dich vor allem die je (allenfalls auch recht unreflektierte) subjektive Meinung interessiert, ist die dargelegte Vorgehensweise natürlich nicht erforderlich.
Thanatos
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Thanatos »

Deadly Snowflake hat geschrieben:
Thanatos hat geschrieben:
Mir geht es hier allerdings nur darum zu erfahren, was den Leuten zum Thema des Threads einfällt, unabhängig davon, wie sie die Frage „Ist Leben freiwillig?“ auffassen; jeder ganz wie der möchte.
Ja, ist ja auch legitim. Nur...um zu einer möglichst plausiblen Antwort zu gelangen, bedarf es eben der Gedankenklärung (siehe: Benatar :wink: ). Darin sehe ich auch den (von mir aus auch nur kleinen) Wert der Philosophie.
Schon die Frage ist ja recht eigen: Ist das Leben freiwillig? Welches Leben? Wenn man sich nicht die Mühe macht zu fragen, was eine solche Frage eigentlich intendieren kann/tut (und was nicht), dann verpasst man auch eine möglicherweise erhellende Antwort.
Aber wenn dich vor allem die je (allenfalls auch recht unreflektierte) subjektive Meinung interessiert, ist die dargelegte Vorgehensweise natürlich nicht erforderlich.
Vielleicht geht es mir bei diesem Thread mal ganz und gar nicht ums Philosophische, sondern ums Psychologische? Aus dem, wie die Beitragenden die Frage auffassen, lässt sich eventuell schließen, wie sie ticken – natürlich auch wieder rein subjektiv. :wink:
Es grüßt der Thanatos
Deadly Snowflake

Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben: Vielleicht geht es mir bei diesem Thread mal ganz und gar nicht ums Philosophische, sondern ums Psychologische? Aus dem, wie die Beitragenden die Frage auffassen, lässt sich eventuell schließen, wie sie ticken – natürlich auch wieder rein subjektiv. :wink:
Es grüßt der Thanatos
Einverstanden...und den Oberlehrer spielen will ich ja auch nicht (der alles rot markiert was ihm als argumentativ unzulässig erscheint).
Lena-Marie
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Lena-Marie »

so-lebt-der-lurch hat geschrieben:
Lena-Marie hat geschrieben:
Lena-Marie hat geschrieben: Schlimm finde ich nur, dass er mit seinen "suizidalen Ergüssen" bestimmt viele Menschen, die sich in ihrer Entwicklungsphase befanden, beeinflusst hat, die sich nach dem Lesen seiner Bücher dann das Leben nahmen :evil:
Lena, bei solchen Argumenten, die auf vorgeschobenem Verantwortungsbewusstsein für andere basieren, wird mir immer übel.
Ich halte das nicht für ehrlich. Würdest du sonst höchstpersönlich Ratschläge in einer für alle frei zugänglichen Methodendiskussion geben? :roll:
Ich finde, es ist ein grosser Unterschied, ob so ein hilfloser, verzweifelter Mensch wie ich hier in einem solchen Forum seine stupiden Gedankenergüsse abläd, oder ob ein Mensch mit Sendungsbewusstsein meint, seine ureigenen Gedanken in Form von Bücher-Botschaften unter die Menschheit bringen zu müssen wie Cioran.

Seine Bücher werden als Botschaften verstanden von seinem Publikum. Es sind suizidale Botschaften. Und am meisten davon angesprochen fühlen sich junge Leute, Menschen in ihrer Entwicklungsphase. Für die es verheerende Folgen haben kann, da sie nicht über dieses stoische* Gemüt verfügen, wie es Cioran gehabt haben muss, um diese, seine Gedanken zu überleben! :evil: Das muss man sich erstmal erarbeiten, dazu braucht es Jahrzehnte, die hatten viele dieser Menschen nicht.

Wkipedia: * ""Für den Stoiker als Individuum gilt es, seinen Platz in dieser Ordnung zu erkennen und auszufüllen, indem er durch die Einübung emotionaler Selbstbeherrschung sein Los zu akzeptieren lernt und mit Hilfe von Gelassenheit und Seelenruhe zur Weisheit strebt."

Mir fällt dazu immer Goethe ein, dieser feine Sack, der seinen dicken Wanst so gerne mit "Frankfurter grünen Sosse" gefüllt hat und seinem Erguss "Die Leiden des jungen Werther". Ihr wisst bestimmt auch um diesen Umstand: http://de.wikipedia.org/wiki/Werther-Effekt

Beide, Cioran und Goethe, sind übrigens 84 Jahre alt geworden! (und ich möcht nicht wissen, wieviele ihrer Leser nichtmal 20 Jahre alt geworden sind nach dem Lesen ihrer Lektüre. Es kotzt mich an. (Ruhm auf Leichen aufzubauen). Natürlich denke auch ich, dass all diese jungen Leute schon unzulässiges Wort waren, aber diese Lektüre war dann zusätzliche Motivation. Es betraf doch eh immer nur die, die sich eh in einer Sinnkrise befanden!

Die, die darüber längst hinweggefunden hatten (Cioran, Goethe), konnten "locker" über Suizid und Sinnlosigkeit des Lebens palavern, die waren nicht mehr in Gefahr!

Ich finde schon, dass, wer Bücher schreibt, eine gewisse Verantwortung gegenüber seiner potentiellen Leserschaft hat. (auch wenn dir jetzt übel wird, Deadly, ich steh dazu!)

(Ich glaub, Ciorans und Goethes Verhalten sind ein Nebenkriegsschauplatz für mich: Ich selbst hab grosse Angst davor, so ein Palaverer zu werden, zu sein, und in 10 Jahren immer noch hier über Suizid zu palavern. Ich verachte dieses Herumgeeiere. Ich kann nicht so "drüber stehen" wie Cioran und Goethe (und mal wieder Grüne Sosse essen, ein Buch schreiben usw.), ich werd dabei nicht 84, ich geh dabei zugrunde). Das hält meine Psyche nicht aus und meinen Körper, diesen armen, treuen Weggefährten, der jeden Tag alles dafür tut, dass ich funze, ? ich damit.
Lena-Marie
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Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Lena-Marie »

Deadly Snowflake hat geschrieben:
Lena-Marie hat geschrieben:Meine Meinung:

1)Deshalb halte ich auch überhaupt nichts von Patientenverfügungen, wonach nach man niederschreibt, dass man nicht am Leben erhalten werden möchte.
Ich bin der Überzeugung, dass man Niemanden am Leben erhalten kann, der nicht leben möchte. Ob mit Beatmung oder sonstwas.
2)Ich weiss, dass mein Lebenswille ganz direkt mit meinem Immunsystem verbunden ist, das in dem Moment, wo ich beschliesse, nicht mehr leben zu wollen, auch seinen "Dienst" aufgibt.
3)Und wer noch darüber spekuliert, welcher Grillanzünder der Beste (oder schadstoffärmere :mrgreen: ) ist, der ist noch nicht "willig".
4)Wer noch lebt, will noch leben, sonst wäre er tot. (es gibt genug Möglichkeiten, für Jeden!)
Zu 1) Gute Nacht wenn eine solche, im schlechtesten Sinn, esoterische Argumentation Gewicht hätte (im entsprechenden Diskurs).
Dieser Satz "Ich bin der Überzeugung, dass man Niemanden am Leben erhalten kann, der nicht leben möchte. Ob mit Beatmung oder sonstwas." stammt von einem Neonatologen einer Säuglingsintensivstation und ich spürte beim Hören dieses Satzes ein "Das stimmt!" Ob das nun eosterisch ist oder nicht, darüber hab ich mir keine Gedanken gemacht (und werds auch nicht)
Zu 2) Deine Aussage impliziert, dass auch komatöse Menschen noch entscheiden können, das ist völlig unplausibel. Es gibt tatsächlich das Phänomen des psychogenen Todes (auch bei Tieren) nur spielt die eigene bewusste Entscheidung da kaum eine Rolle (und bei komatösen Menschen kann wohl plausiblerweise davon ausgehen, dass sie überhaupt keine Entscheidungen mehr treffen können).
Wir brauchen da jetzt überhaupt nicht fachsimpeln, denn ob das so ist oder nicht, wissen wir beide nicht. Aber ich gehe davon aus, dass auch diese Menschen eine gewisse Form der Bewusstheit haben.
Und vorallem einen Lebenswillen oder -unwillen.
Zu 3) Warum? Wenn jemand befürchtet, dass ein gewisser Anzünder die Produktion von CO mindert, ist das ein Zeichen dafür, dass die Handlungsfreiheit noch gegeben ist bzw. gewisse Bedingungen für eine rationale Entscheidung.
Da hast du natürlich recht, das seh ich (heute!) beim Nochmal-Lesen auch so. (kann auch nur in Anlehnung dessen verstanden werden, dass ich mir selbst an diesem Tag/dieser Nacht des unermüdlichen Palaverns über Suizid überdrüssig war)
Zu 4) Auch falsch. Denkbar ist der Fall, dass jemand lieber Tod wäre, aber der Suizid in welcher Form auch immer für ihn ein (psychisch) unüberwindbares Hindernis darstellt. Zudem kann ein Weiterleben von ständiger oder partieller Ambivalenz bestimmt sein.
Das stellt die erbärmlichste Form von Leben dar m.E.

Das ist psychischer Suizid auf Raten, aber auch der (entgegen deiner Meinung!) gelingt! Es dauert nur viel länger!

Irgendwann sagt sich jedes Immunsystem "Ich mach hier doch nicht jeden Tag den Depp, wenn der garnicht mehr will!"

Glaubs mir! Das nennt sich PSYCHOSOMATIK: http://de.wikipedia.org/wiki/Psychosomatik

Ist inzwischen 100%ig bewiesen....
Rasiel
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Registriert: Freitag 26. November 2010, 14:23

Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Rasiel »

Lena-Marie hat geschrieben:So "freiwillig" ist es meiner Ansicht nach:


Jetzt bist du schon gegangen, Kind,
Und hast vom Leben nichts erfahren,
Indes in unsern welken Jahren
Wir Alten noch gefangen sind.

Ein Atemzug, ein Augenspiel,
Der Erde Licht und Luft zu schmecken,
War dir genug und schon zuviel;
Du schliefest ein, nicht mehr zu wecken.

Vielleicht in diesem Hauch und Blick
Sind alle Spiele, alle Mienen
Des ganzen Lebens dir erschienen,
Erschrocken zogst du dich zurück.

Vielleicht wenn unsere Augen, Kind,
Einmal erlöschen, wird uns scheinen,
Sie hätten von der Erde, Kind,
Nicht mehr gesehen als die deinen.

Hermann Hesse


:roll: (was für eine Gnade)

So so, du würdest es als Gnade empfinden, wenn sich dein Kind das Leben nimmt ? :shock:
Nichts anderes beschreibt das Gedicht !
Deadly Snowflake

Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Lena-Marie hat geschrieben: 1)Dieser Satz "Ich bin der Überzeugung, dass man Niemanden am Leben erhalten kann, der nicht leben möchte. Ob mit Beatmung oder sonstwas." stammt von einem Neonatologen einer Säuglingsintensivstation und ich spürte beim Hören dieses Satzes ein "Das stimmt!" Ob das nun eosterisch ist oder nicht, darüber hab ich mir keine Gedanken gemacht (und werds auch nicht)

2)Wir brauchen da jetzt überhaupt nicht fachsimpeln, denn ob das so ist oder nicht, wissen wir beide nicht. Aber ich gehe davon aus, dass auch diese Menschen eine gewisse Form der Bewusstheit haben.
Und vorallem einen Lebenswillen oder -unwillen.

3)Das stellt die erbärmlichste Form von Leben dar m.E.
Das ist psychischer Suizid auf Raten, aber auch der (entgegen deiner Meinung!) gelingt! Es dauert nur viel länger!
Irgendwann sagt sich jedes Immunsystem "Ich mach hier doch nicht jeden Tag den Depp, wenn der garnicht mehr will!"
Glaubs mir! Das nennt sich PSYCHOSOMATIK: http://de.wikipedia.org/wiki/Psychosomatik
Ist inzwischen 100%ig bewiesen....
Zu 1) Wer etwas sagt, ist mir ziemlich Wurst...auch Fachleute sind nicht gefeit vor Vorurteilen oder Irrtümern. Wenn dein Gefühl dir sagt: "Das stimmt!"...kein Problem. Auch brauchst du nicht darüber nachzudenken wo Esoterik beginnt, aber was eine solche "Argumentation" an praktischen Folgen für alle Betroffenen (welches keine Neugeborenen sind sondern Menschen, die, meist im Alter, Sterbehilfe wollen) hätte, darüber lohnt es sich alleweil nachzudenken. Die Folge wäre, dass man rechtlich und moralisch legitimiert wäre jeden künstlich am Leben zu erhalten. Es würde dazu führen, dass jede Forderung nach passiver oder aktiver Sterbehilfe (bei bewusstlosen Menschen die vorgängig ihren Willen geäusert hätten) als gegenstandslos betrachtet werden dürfte, da die Behandlung so oder so nie in Konflikt zum Willen des Betroffenen stehen könnte...und das nur auf Grund einer völlig unplausiblen Behauptung.
Zu 2)Du meinst lieber völlig unbegründete, subjektive Gefühlsurteile als "Fachsimpeln". Man kann durchaus mittels der Vernunft Dinge erörtern welche a priori absolut gewisse Antworten ausschliessen. Ich bevorzuge Antworten welche sich der Vernunft bedienen (und dies würde beim gegenwärtigen Stand des Wissens wohl dahin tendieren, dass Komapatienten keinen Willen haben).
In Fragen welche alle Betreffen geht es letztlich doch gar nicht anders als durch einen auf Vernunft und Empirie gestützten Diskurs (Wie wollte man auch einen Konsens finden, wenn jeder darauf besteht was sein Gefühl ihm diktiert...mit Gefühlen lässt sich nun mal schlecht argumentieren).
Zu3)Man kann natürlich alles dermassen verwässern, dass alles im selben Korb Platz findet. Was Psychosomatik mit Tod zu tun hat, habe ich ja bereits gesagt: es gibt den sog. psychogenen Tod. Aber deine Antwort hat damit nichts zu tun (ebensowenig mit der ursprünglichen Frage). Ein jahrelanges (oder jahrzehntelanges) ambivalentes am Leben kleben, weil man den suizidalen Akt nicht schafft, als Suizid auf Raten zu bezeichnen, ist doch einfach abstrus. Warum Beihilfe zum Suizid wenn doch eh jeder Sterbewunsch erfüllt wird (und sei es halt nach Jahrzehnten des dahinleidens)? Ein bischen mehr Differenzierung wäre schon angebracht (und würdest du in der Praxis doch auch nicht ausser Acht lassen...hoffe ich).
Deadly Snowflake

Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Lena-Marie hat geschrieben:Ich finde schon, dass, wer Bücher schreibt, eine gewisse Verantwortung gegenüber seiner potentiellen Leserschaft hat. (auch wenn dir jetzt übel wird, Deadly, ich steh dazu!)
Soviel ich weiss, habe ich dazu nirgends explizit Stellung bezogen und Bücher habe ich auch keine geschrieben...und übel ist mir auch nicht geworden (Ich finde deine Ansichten bezüglich Autor und Verantwortlichkeit immerhin noch ein wenig plausibler als deine Ansichten auf welche ich oben geantwortet habe...die, in die Realität umgesetzt, fände ich dann schon zum kotzen...sorry).
Lena-Marie
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Registriert: Mittwoch 16. Mai 2012, 07:50

Re: Ist Leben freiwillig?

Beitrag von Lena-Marie »

Rasiel hat geschrieben:
Lena-Marie hat geschrieben:So "freiwillig" ist es meiner Ansicht nach:


Jetzt bist du schon gegangen, Kind,
Und hast vom Leben nichts erfahren,
Indes in unsern welken Jahren
Wir Alten noch gefangen sind.

Ein Atemzug, ein Augenspiel,
Der Erde Licht und Luft zu schmecken,
War dir genug und schon zuviel;
Du schliefest ein, nicht mehr zu wecken.

Vielleicht in diesem Hauch und Blick
Sind alle Spiele, alle Mienen
Des ganzen Lebens dir erschienen,
Erschrocken zogst du dich zurück.

Vielleicht wenn unsere Augen, Kind,
Einmal erlöschen, wird uns scheinen,
Sie hätten von der Erde, Kind,
Nicht mehr gesehen als die deinen.

Hermann Hesse


:roll: (was für eine Gnade)

So so, du würdest es als Gnade empfinden, wenn sich dein Kind das Leben nimmt ? :shock:
Nichts anderes beschreibt das Gedicht !
Nein!

Wenn du dir dieses Gedicht GENAU !!! durchliest, wirst du erfahren, dass Hermann Hesse von einem NEUGEBORENEN spricht, das direkt nach seiner Geburt stirbt!

Er beschreibt damit sein eigenes Kind, das direkt nach der Geburt damals starb.

Nicht mehr und nicht weniger! Es steht nirgends was von Suizid und nirgens was davon, dass es sich um ein älteres Kind, oder gar einen Jugendlichen handelt.

Dann hätte er nicht geschrieben:

"Ein Atemzug, ein Augenspiel,
Der Erde Licht und Luft zu schmecken,"
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