Leiden an der Wirklichkeit

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Nemotron
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Nemotron »

Hey Orgeluse,

ich muss gestehen, von deiner Garstigkeit bin ich ein wenig betroffen. Geht es dir vielleicht gerade überhaupt nicht mehr zum Aushalten? :(

Deine Vorwürfe an Lena-Marie bzgl. des Kinderkriegens finde ich vollkommen unberechtigt. Wenn da bei dir mal nicht ein ganz besonders großer Haufen an Übertragungsgefühlen mitspielt... Oder hast du gesicherte Informationen darüber, dass Lenas Kinder unter ihrem Leben leiden, so, wie du und ich und viele andere hier? Und selbst wenn es so wäre, was bringen denn Vorwürfe? Und woher willst du wissen, wie es deinen Kindern ergangen wäre, wenn du welche bekommen hättest? Das Leben ist nicht planbar.
Rasiel hat geschrieben:wenn ich lese
Lena-Marie hat geschrieben:Dann hab ich mich jahrzehntelang mit Kinderkriegen und -erziehen abgelenkt und nun steh ich wieder da und denke: Nein! Es hat sich nichts verändert seitdem. Nicht die Welt und nicht meine Betrachtung dieser.
stehen mir auch die Haare zu berge.
Hallo Rasiel,

warum stehen dir da die Haare zu Berge? Willst du in die gleiche Kerbe hauen wie Orgeluse? Auch dir steht das nicht zu, meine ich. Niemandem steht das zu. Denn keiner trägt des Anderen Last, nicht wahr, Orgeluse?


Für mich bedeutet das, was Lena da oben geschrieben hat, bestenfalls eine bittere Einsicht, dass sie sich wahrscheinlich falsche Vorstellungen und Hoffnungen gemacht hat, was aber nicht heißt, dass sie ihre Kinder vernachlässigt hat, ich vermute eher das Gegenteil.


Müde Grüße an alle,
Nemo
Sadness
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Sadness »

@Lena: Die Szene in "findet Nemo" fand ich auch so sehr schlimm und traurig, ich hab da auch geheult. Ich find es nicht lächerlich.... ich finde es eher traurig, dass anscheinend viele so abgestumpft sind dass sie da nicht mitfühlen.
ch hab mir als Kind schon "seine Schöpfung" angeschaut und immer nur gedacht: Das ist Sch...., wie er das gemacht hat!
Später konnt ich nicht mehr an ihn glauben, da ich davon ausgehe, dass jemand, der allmächtig ist, nicht so etwas fabriziert. Ich kann nicht anders denken. Würde ich an ihn glauben, müsste ich davon ausgehen, dass da sadistische Züge zum Vorschein kommen.
So sehe ich das auch. Ich bin ebenfalls nicht gläubig. Erstens habe ich den Glauben einfach verloren mit der Zeit und zweitens ist da so wahnsinnig viel Schreckliches auf dieser Welt, das läßt sich für mich mit einem gütigen Gott nicht vereinbaren. Ich möchte mich auch nicht blind und taub machen für das Schreckliche was geschieht jeden Tag. Die Vorstellung, dass "irgendwer" es so bestimmt hat und es schon richten wird, nein, das ist mir zu feige. Irgendwie. Erinnert mich vielelicht auch an alte Erfahrungen...Naja, andere Diskussion...
Vielleicht ist es auch, weil ich auf viel, viel Grauen hinter mir habe. Zu viel gesehen und erlebt habe, was manch anderer sich inchtmal vorstellen kann. Wie Du Lena-Marie ja wohl auch. Und noch viele andere.
Meinst du, das es daran liegt? Du machst mich gerade ganz unsicher....
Wir können doch nicht, nur weil wir viel Grauen erlebt haben, eine ganz andere Welt sehen, als die, die ist?
Natürlich sind wir wahrscheinlich viel sensibilisierter für Leid als Menschen, die weniger Leid erlebt haben, aber deren Welt muss doch dieselbe sein, die wir sehen!
Die Welt ansich ist dieselbe, ja. Aber ich glaube schon, dass durch fortwährende Traumatisierungen die Sensibilität steigt und man quasi dünnhäutiger wird. So dass die Realität mit all ihrer Härte sofort bis nach Innen durchdringt. Vielleicht kann man sich auch einfach besser einfühlen. Wer Todesangst erlebt hat weiß, wie das Tier sich fühlt das weiß dass es in den nächsten Sekunden gerissen wird. Ich denke, mit nem Haufen Altlasten im Gepäck wird man da angreifbarer...

Liebe Grüße
Sadness
Lena-Marie
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Lena-Marie »

Rasiel hat geschrieben:Muss man denn alles so eng sehen ?

Wenn ich zig-mal lese " ich antworte dir nicht mehr" um dann im nächsten Beitrag gehts munter weiter, so hat das schon einen Unterhaltungswert.
Da hast du natürlich vollkommen recht. Ich werde heute nicht denselben Fehler machen.
Ausserdem hat Orgeluse recht, wenn ich lese
Dann hab ich mich jahrzehntelang mit Kinderkriegen und -erziehen abgelenkt und nun steh ich wieder da und denke: Nein! Es hat sich nichts verändert seitdem. Nicht die Welt und nicht meine Betrachtung dieser.
stehen mir auch die Haare zu berge.
Ich denke, wer meine Geschichte (vorallem auch in bezug auf die Kinder) hier:

http://www.dignitas.ch/for/viewtopic.php?f=7&t=4190

gelesen hat, hat verstanden, dass diese Entscheidung für die Kinder meine glücklichste war.

Die Formulierung "abgelenkt" war zu salopp ausgedrückt, ich dachte aber, dass die User hier aber bestimmt auch meine Geschichte dazu gelesen haben und es nicht falsch verstehen werden.

Ist halt schwierig im Internet, sich richtig verständlich zu machen :(

Aber wer was falsch verstehen will, wird das natürlich dennoch und immer tun.
Lena-Marie
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Lena-Marie »

Danke für deinen Beitrag Sadness, es tut gut zu lesen, dass man nicht alleine so denkt.

Liebe Grüsse

Lena
Lena-Marie
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Registriert: Mittwoch 16. Mai 2012, 07:50

Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Lena-Marie »

Rasiel hat geschrieben:
Dann hab ich mich jahrzehntelang mit Kinderkriegen und -erziehen abgelenkt und nun steh ich wieder da und denke: Nein! Es hat sich nichts verändert seitdem. Nicht die Welt und nicht meine Betrachtung dieser.
stehen mir auch die Haare zu berge.
Ein genaueres Bild meiner "Ablenkung" habe ich auch in einer Unterhaltung mit And in einem anderen Thread beschrieben und stell es nochmal hier ein, für die, denen diese Information (noch) fehlt:
And hat geschrieben:es gibt noch ein extrem gutes buch von Jean Liedloff - "auf der suche nach dem vorlorenen glück". sie betrachtet die emotionale zerstörung des kindseins & der zivilisation aus biologisch-natürlicher sicht (continuum concept), nachdem sie lange bei steinzeitlich lebenden indios in südamerika gelebt hat.
Lena-Marie hat geschrieben: Dieses Buch ist meine "Bibel", in bezug auf Kinder. Ich hab es leider erst entdeckt, als ich mit dem Zweiten schwanger war. (wenigstens hatte ich beim Ersten schonmal richtig gemacht, dass sein Bettchen bei uns im Schlafzimmer stand).

Nach dem Lesen dieses Buches flog als aller Erstes unser Ehebett raus und stattdessen kam eine Art Familienbett rein (drei ein Meter breite Matratzen), die dritte fürs Neugeborene. Oben war Schlafplatz und unten war Wickelplatz und ich war so froh, dass ich keine Nacht mehr aufstehen musste.

Und sofort hab ich mir ein Tragetuch gekauft. Gegen den Willen unseres Kinderarztes, der das unmöglich fand und wollte, dass ich wenigsten warte, bis es das Köpfchen halten konnte (hab ich dann auch gemacht, mehr aber nicht).

Was mich aber total erstaunt hatte, war die Resonanz aus der Umgebung (Verwandte, Bekannte). Die schauten mich nur entsetzt an und sagten "Wie sind doch keine Indianer, das kannst du doch "hier" nicht verwirklichen" usw.) DOCH, das kann/konnte man! Nachdem ich dieses Buch gelesen hatte, war es eines meiner Ideale, die es zu verwirklichen galt!

Ich war übrigens auch so ein Kind wie du And: Bettnässen usw. Gerade deshalb und in Ermangelung positiver Vorbilder war das Buch von Jean Liedloff so unglaublich wichtig für mich. Ich hab es mehrfach verschenkt und gepriesen, aber wie schon gesagt: Die Resonanz war schwach. Stattdessen bekamen diese Kinder ein super ausgestattes Kinderzimmer mit allem Firlefanz (das sie überhaupt nicht brauchen und wollen) und die Mütter beklagten sich beim Kindernachmittag darüber, dass sie wieder fünfmal aufgestanden sind in der Nacht.

Alles, was kleine Kinder wirklich brauchen, steht in diesem Buch!
Ich war wirklich sehr, sehr glücklich in diesen vielen Jahren. Deshalb ist der momentane Zustand mit Blick auf die Realität auch so besonders schmerzhaft.

Und wie ich schon in meinem Vorstellungsthread schrieb: Meine Kinder stehen felsenfest und ohne Depressionen im Leben und können sich (zum Glück) nicht in mein Leid einfühlen. Sie wissen es, da wir Gespräche darüber führen, aber nachempfinden können sie es nicht, da sie nicht meine Entstehungsgeschichte haben.

LG Lena

PS.:
Rasiel hat geschrieben:stehen mir auch die Haare zu berge.
Ich hoffe, dass meine beiden erklärenden Beiträge von heute dazu beigetragen haben, dass deine Frisur wieder gut sitzt, Rasiel.
Orgeluse
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Orgeluse »

Oh, der Käptn,

ahoi!
Nemotron hat geschrieben:ich muss gestehen, von deiner Garstigkeit bin ich ein wenig betroffen. Geht es dir vielleicht gerade überhaupt nicht mehr zum Aushalten?
Wenn meine hiesige "Garstigkeit" Dich "ein wenig betroffen" macht, so finde ich das ja ganz rührend.
Doch kann ich Dir versichern, dass es mir grundstürzlerisch gut geht, so im freien Fall: Da hat man viel Luft um die Nase und atmet ganz anders als im Leben!
Nemotron hat geschrieben:Deine Vorwürfe an Lena-Marie bzgl. des Kinderkriegens finde ich vollkommen unberechtigt.
Das ist Dein gutes Recht.
So wie meines darin besteht, ihre Aussagen über ihre Kinder absolut grauenvoll und mir einen Ekel bescherend zu "finden" (das Nicht-Tröstenkönnen während des "Findet Nemo"-Besuches, das ich, und ich wiederhole mich, nicht etwa lächerlich, sondern wirklich tragisch finde, da Eltern das können sollten - und leider so oft selbst noch ungetröstetes Kind sind; das Kinderkriegen, um "abgelenkt" zu sein, welches LM nunmehr als "zu salopp formuliert" hier wieder zurückzunehmen versucht samt überkompensierender Rechtfertigungsaktion mit diesem hier breitgeschilderten Lektüre-Erlebnis über Familienbetten und Tragetücher und sonstigem kindergeborgenheitsangelesenem Tralala - intuitiv klappt da offenbar wenig ...)

Aber Du und ich, wertgeschätzter Tieftaucher, wir reden da ja wie die Blinden von der Farbe. (Dass indes Eltern von ihren Kinder oft reden wie ein Ungezeugter vom Leben, das wirst Du mir vielleicht konzedieren? Und LM gehört für mich zu diesen Eltern.)

Gute Fahrt da unten!


Hallöchen, Lenchen!
Lena-Marie hat geschrieben:habe ich auch in einer Unterhaltung mit And in einem anderen Thread beschrieben und stell es nochmal hier ein, für die, denen diese Information (noch) fehlt
Lena-Marie hat geschrieben: ich dachte aber, dass die User hier aber bestimmt auch meine Geschichte dazu gelesen haben und es nicht falsch verstehen werden. Ist halt schwierig im Internet, sich richtig verständlich zu machen
In der Tat, diese lebensentscheidende Information fehlte mir bislang - und fehlt mir immer noch! Wenn ich sie doch nun endlich einmal nachgelesen hätte, verdammt aber auch!
Doch Du weißt ja selbst, wie es einem so ergehen kann, auch wenn man alles sehr beflissen vor- und nachliest: Manche Sätze, manche Worte, manche Wortbestandteile, die überliest man halt im Feuer des Eifers. Doch ich muss noch viel Schlimmeres gestehen: Mir mangelte es komplett an dergleichen Eifer: Was Du mir hier von Dir und über Dich offenbart hast, raubte mir jegliche Entdeckerneugier auf Deine weiteren postings oder gar Threads.
Aber so ist Internet: Nicht nur ist es schwierig, sich darin richtig verständlich zu machen, hinzu kommt, dass ein Forum kein/e Betkreis/Poesiealbum/Mitternachtsparty ist und erst recht kein "guter Freund".
Wenn Dein Leben so viel leeren Platz bietet, dass Du hier Dich "monatelang" einlesen kannst (und dabei doch so viel überliest), dann geht es Dir halt so (ich glaube nicht, dass das etwas ist, zu dem Du Dir selber Glückwünsche wünschst).
Internetforum heißt: Man liest einen anderen in solchem Forum punktuell, und das, was dieser Punkt dem Lesenden dann offenbart, das schenkt oder raubt dem Lesenden, je nachdem, die Neugier auf den Gelesenen.

Mir hat dieser Punkt oder Teil des Threads hier die Neugier auf Dich geraubt
Bild.

Mit einem herzlichen Gruß in die Runde (und namentlich an Rasiel) sich hier wieder vom Acker machend, nein: von ihm immer noch stürzend - in den nächsten Höllenkreis
Orgeluse
Lena-Marie
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Lena-Marie »

Es ist mühsig, wenn nicht gar sinnlos, sich mit einer Frau, die keine Kinder hat über das "Kinderhaben" zu unterhalten, da du dies ja vom Gefühl her garnicht nachvollziehen kannst.

Diese schreckliche Bösartigkeit aus deinen Zeilen lässt mich vermuten, dass auch der Neid eine gewisse Rolle spielen könnte, da es (vermutlich?) jetzt zu spät für dich ist, dieses in deine Lebensplanung miteinzubeziehen.

Man spürt recht deutlich eine gewisse Härte in dir, die du wahrscheinlich hättest überwinden können, wenn du Mutter geworden wärest. Es macht Frauen weicher, empfindsamer.

(Aber wozu schreib ich dir Dinge, die du nicht nachvollziehen kannst.)

Wir sollten uns einfach aus dem Wege gehen. Ich mag Frauen wie dich nicht und du Frauen nicht, die sind wie ich, das ist nicht weiter schlimm. :wink:

LG Lena
Zuletzt geändert von Lena-Marie am Montag 23. Juli 2012, 07:30, insgesamt 2-mal geändert.
Lena-Marie
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Lena-Marie »

Orgeluse hat geschrieben:
Lena-Kindchen,

Ach, Lenchen
Menschen, die ihren Gesprächspartner "Klein-machen" müssen, haben (so sagt es die Psychologie Bild) ein -meist unbewusstes- grosses Problem mit der "Grösse" ihres Gesprächspartners (worin auch immer die liegen mag Bild )

Denk mal drüber nach, könnte eine nicht unwichtige Botschaft für dich selber drin verborgen liegen..... :wink:

Hier nachzulesen, falls du nicht weisst, was ich meine:

http://de.wikipedia.org/wiki/Projektion ... analyse%29

(aber nun möcht ich mir wirklich nicht mehr selber in den Rücken fallen und endlich mal dazu stehen, dass ich dir nicht mehr schreiben wollte.) Aber Spass machts irgendwie schon, muss ich gestehen. *mich-selber-mal-am-Riemen-reiss* :wink:


Bild
Lena-Marie
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Lena-Marie »

Sadness hat geschrieben:@Lena: Die Szene in "findet Nemo" fand ich auch so sehr schlimm und traurig, ich hab da auch geheult. Ich find es nicht lächerlich.... ich finde es eher traurig, dass anscheinend viele so abgestumpft sind dass sie da nicht mitfühlen.
Hallo Sadness,

möcht darauf auch nochmal eingehen, geht mir sowieso seit Stunden nicht mehr aus dem Kopf, diese Szene im Kino damals (vorallem in bezug auf die "heftigen Reaktionen", die ich mir damit eingehandelt habe)

Erst nochmal zum Film: Das Erschreckende war, dass der Übergang von total glücklich zu total schrecklich so plötzlich kam, innerhalb von wenigen Sekunden. Das ist vorallem für kleine Kinder ganz furchtbar, die kommen dann ihren Gefühlen garnicht mehr hinterher. (da sieht man, wie schwer es ist, sich als erwachsener Filmemacher bei seinem "Endverbraucher" -der Film war ab Kindergartenalter zugelassen- einzufühlen.)

Mein Problem damals war:

1. Wurde ich ganz unverhofft damit konfrontiert, dass mein kleinstes Zwergli so fürchterlich in Tränen ausbrach, womit ich garnicht umgehen konnte, weil mir immer so wichtig war, dass meine Kinder nicht weinen müssen. Das hat mir (zusätzlich) die Kehle zugeschnürt, das zu sehen.

2. Wurde ich selbst mit einem meiner grössten Probleme konfrontiert: Leben beginnt und vergeht gleich wieder. Das verkrafte ich nicht. Da steht diese bescheuerte "Sinnfrage", die man leider nicht aus seinem Kopf eliminieren kann, nicht nur wie ein riesengrosses Fragezeichen, sondern auch in Form eines riesengrossen Schmerzes, den ich kaum bewältigen kann, plötzlich vor mir. Und leider kann ich für mich ein "Gott hats gegeben - Gott hats genommen" nicht akzeptieren. Zum Glück habe ich das nie mit einem meiner Kinder erleben müssen, aber leider schon oft mit meinen Tieren, dass Leben viel zu früh endet. Und auch da befremden mich ich immer wieder Kondolenzen in meinem Tierforum wie "Jetzt, wo es über die Regenbogenbrücke gegangen ist, kann es sich vergnügt mit allen anderen verstorbenen Tieren auf grünen Wiesen tummeln" :shock: In meinem Weltbild gibt es weder eine Regenbogenbrücke, noch ein Sternenkinderland, noch sonstwas dergleichen. Ich sehe nur, dass unser Garten inzwischen zum Tierfriedhof mutiert, sonst garnichts. :(

3. War mir in diesem Moment vollkommen klar, dass Sprüche, wie ich sie in meiner Kindheit als Reaktion Erwachsener in vergleichbaren Situationen erhielt "Stell dich nicht so an!". "So ist das Leben halt mal" usw. ich meinen Kindern niemals antun würde. Diese Form von "Überlegenheit" ist einfach aufs Schrecklichste Uneinfühlsam und stellt die Gefühle meines weinenden Kindes in Frage. Es fühlt sich nicht verstanden und es fühlt sich zwiegespalten in seinem Gefühlserleben und vorallem: Diese -vermeintlich- "überlegenen" Sprüche, die manche Eltern meinen, dann absondern zu müssen, trennen das Kind in diesem Moment elementar von den Eltern.

Das Schlimme daran: Es denkt, wenn es so etwas gesagt bekommt, seine Gefühle sind nicht richtig! Und da setzt sich ein prägender psychopathologischer Vorgang in Bewegung, der nicht sein darf! SO bin ich grossgeworden und bearbeite immer noch -seit Jahrzehnten- diese Wunden!

Ich denke heute, nach so vielen Jahren und nachdem ich jetzt fast zwei Nächte darüber nachdenken konnte, es war richtig, ihn damals einfach nur in den Arm zu nehmen und mit ihm zusammen die vielen kleinen Fischbabys, die nun nie leben durften, zu beweinen. Ich steh dazu! Und ein Versagen kann ich nicht erkennen. Ich selbst hätte gerne eine Mutter gehabt, die meine Gefühle als für richtig empfunden hätte.

Ich hab die meiste Zeit meiner Therapie damit verbracht zu lernen, dass meine Gefühle, so wie sie sind, in Ordnung sind. Im Grunde genommen eine Selbstverständlichkeit, so etwas bei der Erziehung der Kinder ihnen zu vermitteln, aber mir blieb es versagt. Ich wurde dadurch ein Mensch, der permanent an seinen Gefühlen zweifelte, anstatt zu erkennen, wie wichtig sie für mich sind:

Sie sind mein ureigenster Wegweiser durch mein Leben! An ihnen erkenne ich meinen Weg, den ich gehen muss und erkenne die Menschen, die mir auf diesem Weg behilflich sein können und die, die es nicht sind (Bild). Ich habe so unglaublich viele Jahre verloren, indem ich mir das mühsam mit Therapeuten erst (wieder) aneignen musste.

Meine Kinder müssen das nicht, das sehe ich tagtäglich und ich beneide sie darum.


LG Lena
Lacuna
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Lacuna »

Durch euer Schreiben über "Findet Nemo" musste ich gerade an den Film "In einem Land vor unserer Zeit" denken. Damals saßen sowohl Kinder, als auch Erwachsene im Kino, die bitterlich anfingen zu weinen, als "Littlefoots" Mutter starb und das war gut so. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Kinder vermittelt bekommen, dass ihr Weinen, ihre Traurigkeit etwas Schlechtes sei, das sie verbergen müssten. Gute Eltern zeigen Gefühle und weinen auch mal mit ihren Kindern, als sie mit ihren Empfindungen alleine zu lassen oder ihnen sogar den Eindruck vermitteln, Weinen sei etwas Verbotenes. Man kann gleichzeitig mitweinen und trösten, das eine schließt das andere nicht aus.
Orgeluse
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Orgeluse »

Lacuna hat geschrieben:Man kann gleichzeitig mitweinen und trösten, das eine schließt das andere nicht aus.
- Ganz recht! Man muss es nur KÖNNEN:
Lena-Marie hat geschrieben: Mein Jüngster, der mich in der Szene zuvor ebenso glücklich wie die Eltern angesehen hatte, fing spontan zu weinen an und ich konnt ihn nicht trösten, weil es mir genauso schlecht ging wie ihm. [...] Aber mein Schmerz sass tief, da ich mit dem Teil der Wirklichkeit konfrontiert worden bin, mit dem ich nicht zurechtkomme. Schon schlimm, wenn man sich nicht mal einen Kinderfilm anschauen kann, ohne dass es einen zerreisst dabei.


Orgel
Sadness
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Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Sadness »

@Lena:
möcht darauf auch nochmal eingehen, geht mir sowieso seit Stunden nicht mehr aus dem Kopf, diese Szene im Kino damals (vorallem in bezug auf die "heftigen Reaktionen", die ich mir damit eingehandelt habe)
Ich denke, es ist nicht falsch, wenn eine Mutter mit ihrem Kind weint. Denn wie Du schreibst und auch Lacuna, so erlebt das Kind dass auch Traurigkeit sein darf und Weinen sein darf, genau wie alle anderen Gefühle sein dürfen. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn Dir in dem Moment möglich gewesen wäre Deinem Kleinen zu vermitteln dass durch den Tod eines Lebewesens wiederum andere Lebewesen weiterleben dürfen und dass der Tod schlimm ist und traurig, aber eben auch ein notwendiger Teil dieser Welt. Dass man ihnen beweinen darf, er aber nicht zwangsläufig etwas Schlechtes an sich ist. Aber so wie es aussieht sind Deine Kinder ja sehr gesund und kämpfen eben nicht mit diesem Mist sich seiner Gefühle nciht klar zu sein oder sie mit aller Macht verhindern zu müssen, und nicht zuletzt das zeigt doch, dass Du es gut und richtig gemacht hast.
Leben beginnt und vergeht gleich wieder. Das verkrafte ich nicht. Da steht diese bescheuerte "Sinnfrage", die man leider nicht aus seinem Kopf eliminieren kann, nicht nur wie ein riesengrosses Fragezeichen, sondern auch in Form eines riesengrossen Schmerzes, den ich kaum bewältigen kann, plötzlich vor mir.
Ich sehe das Vergehen von Leben als Teil eines Kreislaufs. ich glaube auch nicht an Himmel, weitere Leben oder ähnliches, aber ich weiß, dass durch den Tod eines Tieres beispielsweise andere Lebewesen ernährt werden. Zum einen da Tier, dass das Lebewesen frißt oder seine Jungen damit ernährt. Würde eine Löwin keine Gazelle erlegen, könnte sie ihre eigenen Jungtiere und sich selbst nicht ernähren und diese würden sterben. Aber selbst ein Tod ohne Gewalt ernährt andere Lebewesen, die z.B. an der Zersetzung des Körpers beteiligt sind. Der Sinn ist für mich also schon da, wenn auch sehr pragmatisch. Dass das Leben zuende geht erlebe ich aber auch weniger schlimm als die Qual und Todesangst, die oftmals daran beteiligt ist. Ich finde es weniger schlimm, dass ein Tier stirbt und von einem anderen gefressen wird, aber ich finde es furchtbar, welche Angst und Schmerzen das Tier erleben muss in seinen letzten Minuten. Und eben die Trauer der zurückbleibenden.
Wenn ich so darüber schreibe merke ich, dass es für mich die Gefühle sind, die das Problem daran ausmachen. Weil ich nie gelernt habe, mit Gefühlen wie Angst und Trauer udn Verlustgefühlen adäquat umzugehen. Und weil ich mitleide, mich vielleicht ein Stück weit unbewußt auch identifiziere mit dem gejagten/gequälten Tier...keine Ahnung.

Liebe Grüße
Sadness
Siegelringträger
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Registriert: Samstag 27. August 2011, 12:35

Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Siegelringträger »

Werte Frau Orgeluse,

oh Born unerschöpflich praller Giftdrüsen, entleertes Selbst nähret vergeblich aufgeplustertes Ego von fremder Pein und wird doch niemals satt. Kaum verkümmert indes ein gefräßig Haupt, schon wachsen zwei mit weit aufgerissenem Schlund nach Verwüstung trachtend.
Orgeluse, arbeite an Dir, an Deinem Selbst, nicht an Deinem Ego. Dein Selbst ist wahrhaftig, Dein Ego austauschbar und sinnentleert. Du weißt viel und bist Deiner über vierzig durchlebten Lenze zum Trotz kein bisschen weise, gefangen in Subjektivität. Deshalb liegt es jenseits Deines Fassungsvermögens, dass der eigene Schmerz während der Erziehung der Kinder natürlicherweise in den Hintergrund tritt. Die Natur schützt das Überleben der Arten.

Hochachtungsvoll
Siegelringträger
suizidal
Beiträge: 824
Registriert: Montag 10. Oktober 2011, 10:30

Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von suizidal »

Siegelringträger hat geschrieben: an Deinem Selbst, nicht an Deinem Ego.
Wosn da der Unterschied?
Rasiel
Beiträge: 1380
Registriert: Freitag 26. November 2010, 14:23

Re: Leiden an der Wirklichkeit

Beitrag von Rasiel »

Würde sagen das eine ist "innerlich" das andere trägst du nach aussen.

Wobei ich bei Orgel da keinen Bedarf sehe.
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