Taub...

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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Schwarzdenker
Beiträge: 3
Registriert: Montag 22. August 2011, 12:56

Taub...

Beitrag von Schwarzdenker »

Ich fühle mich taub..., betäubt vom sogenannten Abenteuer "Leben".
Schlussendlich dachte ich bei mir, das alles wird. Seit einiger Zeit scheint mein Leben eine positive Wendung zu nehmen. Äußerlich!
Aber kennt Ihr das Gefühl, wenn sich die Bedingungen äußerlich positiv verändern, aber innerlich die Taubheit zunimmt?

Dieses Gefühl lähmt mich seit Jahren und es ist das erste Mal, dass ich nicht mit einer Therapeutin darüber spreche, sondern in diesem Forum meinen Gefühlen eine Plattform geben möchte. Kopflastige Menschen, wie ich, werden taub. Alle positiven Gefühle scheinen von mir abgefallen zu sein, schon als junges Mädel.
Nur die Negativen, die sind geblieben...

Was tut Ihr, wenn Ihr Euch "taub" fühlt? Gibt es Momente, die Euch "lähmen"?
Thanatos
Beiträge: 1580
Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Re: Taub...

Beitrag von Thanatos »

Was du als taub bezeichnest, nenne ich irreal. Ich lebe, ich funktioniere noch halbwegs, ich empfinde zeitweise sogar so etwas wie Freude am Leben. Dennoch merke ich in stillen Momenten, dass all jenes irreal ist, dass ich das gar nicht bin, sondern eher eine Marionette, die „lebt“, „funktioniert“ und „Freude empfindet“. Nur in der Einsamkeit, im Grübeln, in der Sehnsucht nach dem Ende darf ich ich sein, authentisch, real, nicht taub.
so-lebt-der-lurch
Beiträge: 247
Registriert: Freitag 22. Juli 2011, 18:34

Re: Taub...

Beitrag von so-lebt-der-lurch »

Unverwurzelt - so komme ich mir im Leben vor.
Die normalen, die nicht am Sinn ihrer Existenz zweifeln nehmen ihre Rolle, ihr Leben als eine Selbstverständlichkeit wahr, so scheint es mir. Als gäbe es nicht den geringsten Zweifel, dass sie dort wo sie gerade sind, hingehören und das ist so sicher, wie dass morgens die Sonne aufgeht und abends wieder unter.
Ich dagegen fühle mich in dieser Welt wie ein Baum, dessen Wurzeln nur Atrappen sind, der aber von irgendwoher gerade genug Nahrung bekommt um sich äußerlich nicht von den anderen Bäumen zu unterscheiden.
Wäre ich aber tatsächlich dieser Baum, so würden die anderen Bäume merken, dass mit mir was nicht stimmt. Nicht so die Menschen. Die sind so einfach zu täuschen. Sie glauben das, was man ihnen zeigt und kommen gar nicht auf den Gedanken, dass das nur eine Hülle ist.
Dort wo ich gerade nicht hingehöre aber dort sein muss, glauben alle, ich hätte keine Probleme weil ich immer gute Laune vortäusche. Sie freuen sich, dass ich immer gute Laune mitbringe. Sie erzählen mir so gerne von ihren Sorgen weil ich ihnen so gerne geduldig zuhöre und manchmal sogar noch Ratschläge geben kann. Ich höre mir gerne ihre Sorgen an weil mich das von meinen eigenen ablenkt und ich in dieser Zeit das sterben-wollen ausblenden kann und weil ich froh bin, dass ich nichts über mich erzählen muss. Denn die Wahrheit kann ich nicht erzählen und eigentlich lüge ich gar nicht gerne. Also nehme ich den Mittelwege und verschweige das was eben sowieso niemand hören will und verkaufe weiter Atrappen als Wurzeln.
anderswelt
Beiträge: 201
Registriert: Freitag 23. Juli 2010, 12:52

Re: Taub...

Beitrag von anderswelt »

ich kenne diesen zustand ganz gut:

die fassade hält dicht, aber innen drin ist schon alles zusammengebrochen.

ich kann lachen, auf der arbeit ein schwätzchen mit den kunden halten usw. aber innerlich tut sich da nichts mehr. das war früher mal anders, ich kann mich erinnern, aber ich weiß nicht mehr, wie es sich anfühlt.
Thanatos
Beiträge: 1580
Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Re: Taub...

Beitrag von Thanatos »

Wenn ich auch nicht gewiss weiß, wer ich eigentlich bin, so weiß ich zumindest, dass ich hier, in diesem Dasein, nichts zu suchen habe.
phobika
Beiträge: 4
Registriert: Donnerstag 29. Dezember 2011, 20:20

Re: Taub...

Beitrag von phobika »

Thanatos hat geschrieben:Nur in der Einsamkeit, im Grübeln, in der Sehnsucht nach dem Ende darf ich ich sein, authentisch, real, nicht taub.

Besser könnte ich es auch nicht beschreiben. Dieses "taub" oder gar nicht richtig da sein ,kenne ich auch nur zu gut.
Ich kann positive Lebensereignisse schon so lange nicht mehr wahrnehmen, dass sie mich mittlerweile sogar eher ängstigen. Es darf einfach nicht sein dass es mir gut geht! Das wurde im Laufe der Zeit mein 1. Gesetz. Und das passiert völlig unterbewusst...
Seelenschmerz
Beiträge: 401
Registriert: Montag 28. Dezember 2009, 16:35

Re: Taub...

Beitrag von Seelenschmerz »

Wenn man erst mal erkannt und selbst erfahren hat, wie vergänglich, willkürlich, ungerecht, brutal und sinnlos letztlich alles sein kann, ist es dann nicht normal, dass man so eine Leere in sich hat?
Das Leben kommt mir nicht viel anders vor wie ein Film, wo die Mehrheit mitfiebert, mitbangt, sich mitfreut, mitheult, und ich denke, was soll das alles, das ergibt keinen Sinn, wozu die Aufregung, es ist doch nur ein Film, es hat keine Substanz. Ich bin nur Zuschauer, die anderen identifizieren sich aber total naiv mit diesen banalen Dingen. Deswegen fühle ich mich am einsamsten, wenn ich mit anderen Menschen zusammen bin.

Und mir geht es auch so, wenn ich einen großen Kummer spüre und am heulen und brüllen bin vor Schmerz, dann, nur dann, bin ich ganz bei mir, was auch ein unglaublich tolles, reinigendes Gefühl von Ganzheit ist. Leider will die ganze Welt immer nur, dass man fröhlich ist und nicht weint, weil sie es nicht ertragen können, sogar Therapeuten.
memento mori
Beiträge: 96
Registriert: Samstag 17. April 2010, 10:56

Re: Taub...

Beitrag von memento mori »

anderswelt hat geschrieben:ich kenne diesen zustand ganz gut:

die fassade hält dicht, aber innen drin ist schon alles zusammengebrochen.

ich kann lachen, auf der arbeit ein schwätzchen mit den kunden halten usw. aber innerlich tut sich da nichts mehr. das war früher mal anders, ich kann mich erinnern, aber ich weiß nicht mehr, wie es sich anfühlt.
Ich hätte es nicht besser formulieren können.
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