Lebensmüdigkeit

Themenbezogene Diskussionen, die sich nicht nur auf eine Person beziehen; Ursachen und Auslöser für Depressionen und Daseins-Ängste; Bewältigungsstrategien bei Lebensmüdigkeit; psychische Krankheitsformen; Suchtkrankheiten; Alkohol-, Drogen- und Medikamenten-Abhängigkeit; Beziehungsprobleme

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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n°cturne
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Lebensmüdigkeit

Beitrag von n°cturne »

Kennt Ihr das? Unabhängig davon, was Euch an diesen Punkt geführt haben mag, hat sich bei Euch auch eine generelle Lebensmüdigkeit eingestellt? Sich gefühlt zum hunderttausendsten Mal die Zahnbürste in den Mund zu stecken und damit herumzuschubbern, sich gefühlt zum hunderttausendsten Mal unter die Dusche zu stellen und anschließend diese ungemütliche nasse Kälte auf der Haut zu spüren, überhaupt dieses ganze Um-sich-kümmern-müssen und diesen Körper mit sich herumschleppen zu müssen. Irgendwie hat es mich schon immer gestört, in diesem Ding eingesperrt zu sein. Oft habe ich das Gefühl, wir gehören eigentlich gar nicht zusammen, mein Körper und ich. Es ist eher, wie sich um diesen einen nervigen Freund zu kümmern. Ständig ist irgendetwas: Hunger! Durst! Ich muss Pipi! Aua Bauchweh! :roll: Und dann soll man auch noch tausend Sachen machen, um sich fit zu halten, auf die man auch keine Lust hat. Mittlerweile habe ich oft noch nicht einmal mehr Lust, meine Augen scharf zu stellen. Als würde ich immer mehr in mich selbst verschwinden und nur noch meine Hülle spazierentragen. Geradezu mechanisch tut man das, was halt getan werden muss. Aber so richtig Lust hat man eigentlich keine mehr. Habe auch nicht das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben in meinem Leben. Vielmehr kommt es mir so vor, als hätte ich schon mehr als genug erlebt. Manchmal wundere ich mich direkt, dass ich immer noch da bin. Als wäre ich eigentlich schon viel zu lange auf der Welt.
Zuletzt geändert von n°cturne am Montag 16. Januar 2023, 08:36, insgesamt 1-mal geändert.
OutofOrder
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Re: Lebensmüdigkeit

Beitrag von OutofOrder »

Das kenne ich auch verdammt gut, schon fast mein ganzes Leben. Ich hab manchmal das Gefühl, dass ich einfach zu kompliziert und tiefsinnig bin, um mich für all die sogenannten "Nichtigkeiten" (wie ich sie gerne bezeichne) und Oberflächlichkeiten bzw. sich ständig wiederholenden Abläufe begeistern zu können. Mich interessiert fast nichts mehr, was sich im Leben ständig wiederholt, auch nicht die ganzen jährlichen "Feierlichkeiten" und Rituale (wie Sylvester, Weihnachten, Fasching, Ostern, etc.), die find ich persönlich einfach nur zum Kotzen!

Und ich sehe mich auch in dem Sinne, dass man zum größten Teil nur unbedeutende Dinge wiederholt, ob beruflich oder privat, hängt natürlich auch damit zusammen, dass ich durch meinen psychischen Leidensweg weder beruflich noch privat jemals etwas gefunden hab, was mich innerlich wirklich begeistert oder inspiriert..(im Sinne von Leidenschaft oder tiefer Überzeugung)..was nicht heißt, dass ich nicht einige Interessen hab, aber die sind eher wissenschaftlicher und spiritueller Natur..also nichts, was ich direkt mit "mir selbst" in Verbindung bringen kann..

Ich hab mir übrigens schon früh im Leben (ich glaub so mit 20) gewünscht, ich könnte ein körperloses Wesen sein, das nur aus reiner Energie bzw. reinem Bewusstsein besteht. Denn die "Körperlichkeit" ist etwas, was mir seit meiner Kindheit eigentlich nur Kummer und Angst bereitet. Und mitlerweile auch durch so manche körperlichen Beschwerden. Ich fühle mich sowieso als "körperlicher Mensch" im Leben häufig wie ein Phantom, ein Geist, jemand der halt irgendwie da ist, aber mehr unsichtbar und auf irgendeiner übergeordneten Sphäre dahinschwebt..ist natürlich im Rahmen meiner jahrelangen Einsamkeit auch ein echter Teufelskreis und Selbstläufer!

Gibt übrigens in dem Zusammenhang auch den Begriff der "alten Seele". Das sind Menschen, die schon zu oft reinkarniert sind, um sich für so manche "normalen" Dinge des Lebens noch ernsthaft begeistern zu können. Häufig auch Menschen mit übergroßen Idealen und einem erheblichen Maß an Selbstkritik und Moralvorstellungen..
Scotti
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Re: Lebensmüdigkeit

Beitrag von Scotti »

Ich kenne dieses Gefühl leider auch. Etwas, was uns zeigt, dass wir viel mehr sind, als dieser Körper. In meinen schlimmsten Stunden habe ich mir immer nur eines gewünscht, ich will aus diesem unzulässiges Wort Ding einfach raus! Mir war bewusst, du wirst nicht sterben, du gehst nur nach hause, nachdem wir dieses Kostüm abgelegt und die Bühne verlassen haben.
Es ist wirklich schlimm zu spüren, wie belastend all dies ist und ja, den Begriff der alten Seele kenn ich zu gut. "Die Reisen der Seelen" oder auch Destiny of Souls von Michael Newton gibt da eine wunderbare Erklärung für und das ist typisch für alte Seelen, dass sie eben ein Leben wählen, was anderen hilft, man selber aber oft leiden muss, damit man anderen helfen kann.
n°cturne
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Re: Lebensmüdigkeit

Beitrag von n°cturne »

OutofOrder hat geschrieben: Samstag 14. Januar 2023, 21:50 Ich hab mir übrigens schon früh im Leben (ich glaub so mit 20) gewünscht, ich könnte ein körperloses Wesen sein, das nur aus reiner Energie bzw. reinem Bewusstsein besteht. Denn die "Körperlichkeit" ist etwas, was mir seit meiner Kindheit eigentlich nur Kummer und Angst bereitet. Und mitlerweile auch durch so manche körperlichen Beschwerden. Ich fühle mich sowieso als "körperlicher Mensch" im Leben häufig wie ein Phantom, ein Geist, jemand der halt irgendwie da ist, aber mehr unsichtbar und auf irgendeiner übergeordneten Sphäre dahinschwebt..ist natürlich im Rahmen meiner jahrelangen Einsamkeit auch ein echter Teufelskreis und Selbstläufer!
That hits home.

Ich war auch schon immer eher der vergeistigte Typ und habe mir bereits von Kindheit an vorgestellt, wie es wohl wäre, ohne diesen Ballast von Körper zu existieren, quasi als rein sphärisch-ätherisches Wesen. Dabei war ich körperlich durchaus fidel. Aber irgendwie fand in diesen Körper schon immer etwas überflüssig. :roll:
OutofOrder hat geschrieben: Samstag 14. Januar 2023, 21:50 Gibt übrigens in dem Zusammenhang auch den Begriff der "alten Seele". Das sind Menschen, die schon zu oft reinkarniert sind, um sich für so manche "normalen" Dinge des Lebens noch ernsthaft begeistern zu können. Häufig auch Menschen mit übergroßen Idealen und einem erheblichen Maß an Selbstkritik und Moralvorstellungen..
Vielleicht sollte ich mich doch wieder spirituellen Weltanschauungen zuwenden. Denn das passt so gut, dass es schon wieder erschreckend ist.
Scotti hat geschrieben: Sonntag 15. Januar 2023, 08:07 Ich kenne dieses Gefühl leider auch. Etwas, was uns zeigt, dass wir viel mehr sind, als dieser Körper.
Ja, das ist das Verrückte daran. Obwohl ich mittlerweile ja eher glaube, dass mit dem Tod des physischen Körpers auch alles andere aus ist, ist genau das der Punkt, der mich sehr zum Grübeln bringt. Denn wie kann man schon in seinem irdisches Dasein eine solche Sehnsucht nach einer unkörperlichen Existenz verspüren, wenn es eine solche gar nicht gibt? Andererseits kann ich mir auch vorstellen, wie ein Vogel zu fliegen, und bin doch keiner. :|
OutofOrder
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Re: Lebensmüdigkeit

Beitrag von OutofOrder »

n°cturne hat geschrieben: Montag 16. Januar 2023, 09:28

Ich war auch schon immer eher der vergeistigte Typ und habe mir bereits von Kindheit an vorgestellt, wie es wohl wäre, ohne diesen Ballast von Körper zu existieren, quasi als rein sphärisch-ätherisches Wesen. Dabei war ich körperlich durchaus fidel. Aber irgendwie fand in diesen Körper schon immer etwas überflüssig. :roll:
Kann ich bestens nachvollziehen. Ich glaube einfach, dass komplexer strukturierte und vielschichtige Menschen es generell schwerer in der Gesellschaft haben, vor allem, wenn diese Gesellschaft in auffälliger Weise von Normen, Pseudowerten und Dogmen diktiert wird, die im besten Falle dazu geeignet sind, die individuelle Freiheit und Selbstbestimmung einzuschränken, wo es nur geht. Von meinen jahrelangen Mobbing-Erfahrungen in der Schulzeit will ich da gar nicht erst anfangen. Mir fällt da häufig der viel zitierte Ausspruch von Jiddu Krishnamurti ein: "Es ist kein Anzeichen seelischer Gesundheit, sich an eine zutiefst gestörte Gesellschaft anpassen zu können".
n°cturne
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Re: Lebensmüdigkeit

Beitrag von n°cturne »

OutofOrder hat geschrieben: Mittwoch 18. Januar 2023, 16:23 "Es ist kein Anzeichen seelischer Gesundheit, sich an eine zutiefst gestörte Gesellschaft anpassen zu können".
Sehr wahr.
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