Das neue Buch von David Benatar

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Peterchen
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Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Peterchen »

Falls es jemanden interessiert: David Benatar, der Autor von "Better never to have Been" und sozusagen der Begründer des Antinatalismus, hat ein neues Buch geschrieben. Es heißt "The Human Predicament". Also auf Deutsch so viel wie: "Die menschliche Zwickmühle" oder "Das menschliche Dilemma".

Ich hab's noch nicht gelesen, aber es klingt interessant. Seltsam finde ich, dass Benatar anscheinend auch den Tod in seinen Pessimismus einbezieht. Also einerseits das Leben für ein Übel hält, andererseits den Tod, also das Nicht-Leben ebenfalls:

"Despite some limited consolations, the human condition is in fact a tragic predicament from which none of us can escape, for the predicament consists not mereley in life but also in death."

Das klingt für mich nicht überzeugend, da ich zwischen der Nichtexistenz von Menschen, die tot sind, und der Nichtexistenz von Menschen, die nie gelebt haben, keinen Unterschied sehe. Aber Benatar ist anderer Meinung:

"Whereas pre-conception non-existence or the non-existence of possible people who never become actual is not something which happens to anybody, death (the cessation of existence) is something that happens to somebody."

Mich überzeugt das gar nicht. Aber trotzdem bin ich gespannt auf die Lektüre.
Thanatos
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Thanatos »

Ich las gerade die Beschreibung des Buches bei A. Dazu fiel mir ein: banal! :wink:
Wer seinen Schopenhauer, Cioran und jüngere Autoren in dieser Richtung kennt – und sich jahrelang in diesem Forum rumtreibt – hat doch die Antworten. Wie ich mich kenne, fürchte ich allerdings, dass ich mir dieses Buch doch anschaffen werde, sobald es als gebundene Ausgabe erschienen ist. Also, danke für den Tipp.
Es grüßt,
Thanatos
Peterchen
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Peterchen »

Also "Better never to have been" fand ich schon interessant. Zumal das Buch den Antinatalismus ja wirklich zu einer gewissen Bewegung (jedenfalls im Internet :D) gemacht hat.

Was ich nicht verstehe ist diese Tod-kritisch Einstellung von Benatar. Für mich ist klar, dass die Nichtexistenz nach dem Tod identisch ist mit der Nichtexistenz von Menschen, die nie geboren wurden, und dass es, nachdem man gestorben ist, keine Rolle mehr spielt, ob man gelebt hat oder nie geboren wurde. Benatar hingegen ist sowohl der Auffassung, dass nie gelebt zu haben das Beste ist, als auch der Meinung, dass der Tod ein Übel darstellt.

Das finde ich seltsam.
whocares
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von whocares »

Peterchen hat geschrieben:Falls es jemanden interessiert: David Benatar, der Autor von "Better never to have Been" und sozusagen der Begründer des Antinatalismus, hat ein neues Buch geschrieben. Es heißt "The Human Predicament". Also auf Deutsch so viel wie: "Die menschliche Zwickmühle" oder "Das menschliche Dilemma".

Ich hab's noch nicht gelesen, aber es klingt interessant. Seltsam finde ich, dass Benatar anscheinend auch den Tod in seinen Pessimismus einbezieht. Also einerseits das Leben für ein Übel hält, andererseits den Tod, also das Nicht-Leben ebenfalls:

"Despite some limited consolations, the human condition is in fact a tragic predicament from which none of us can escape, for the predicament consists not mereley in life but also in death."

Das klingt für mich nicht überzeugend, da ich zwischen der Nichtexistenz von Menschen, die tot sind, und der Nichtexistenz von Menschen, die nie gelebt haben, keinen Unterschied sehe. Aber Benatar ist anderer Meinung:

"Whereas pre-conception non-existence or the non-existence of possible people who never become actual is not something which happens to anybody, death (the cessation of existence) is something that happens to somebody."

Mich überzeugt das gar nicht. Aber trotzdem bin ich gespannt auf die Lektüre.
Ja, ja...der hat halt immer noch nicht erkannt wie wenig plausibel er in seinem ersten Buch argumentiert hatte...denn mit obigem Argument ist es nicht anders bestellt, ganz im Gegenteil, strukturell genau gleich. Er kommt nicht weg vom Ziel das Leben allgemein als schlecht, besser nicht seiend zu begründen vermittels angeblich allgemeingültiger Behauptungen. Schon absurd solch plumper Versuch. Wobei es durchaus andere Ansätze geben könnte um solche These zu stützen (d.h. ein Verebben zu begründen). Da ich selber eine Argumentation am ausarbeiten bin, kann/will ich dazu nichts weiter sagen.
Peterchen
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Peterchen »

whocares hat geschrieben: Er kommt nicht weg vom Ziel das Leben allgemein als schlecht, besser nicht seiend zu begründen vermittels angeblich allgemeingültiger Behauptungen.
Was das angeht, bin ich ja seiner Meinung.

Ich würde zwar nicht so weit gehen wie Benatar, der selbst ein Leben, das vollkommen glücklich verläuft bis auf einen Nachmittag mit leichten Kopfschmerzen, als besser nicht seiend bezeichnet, aber so wie das Leben der meisten Menschen wirklich abläuft, kann ich der Formel "Better never to have been" nur zustimmen.

Was ich nicht verstehe, ist die angebliche Minderwertigkeit der post-mortem-Nichtexistenz gegenüber der Nichtexistenz von Menschen, die nie gelebt haben.

Ich würde sagen: Die Geburt war zwar ein Fehltritt, aber dieser Fehltritt wird durch den Tod rückgängig gemacht. Benatar dagegen ist der Meinung, dass das Leben schlecht ist und der Tod auch schlecht ist und man dem Verhängnis nur entgehen kann, indem man gar nicht erst anfängt zu existieren.
Da ich selber eine Argumentation am ausarbeiten bin, kann/will ich dazu nichts weiter sagen.
Bin gespannt.
Stummfilm
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Stummfilm »

Ich würde noch weiter gehen als Benatar. Nicht nur ist das menschliche Leben ein Übel, sondern das Leben als Ganzes. Theoretisch ist zumindestens seinen Thesen vollkommen zuzustimmen. Der Antinatalismus scheitert aber kläglich in der Praxis und ich will nicht bloßen Theorien nachjagen.
Aber aus der Überzeugung heraus, dass auch das bestmögliche Leben nicht zeugenswert ist, werde ich keine Kinder haben.
Springer

Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Springer »

Warum sollte das menschliche Leben an sich ein Übel sein? Ein Übel ist es doch nur, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Peterchen
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Peterchen »

Springer hat geschrieben:Warum sollte das menschliche Leben an sich ein Übel sein? Ein Übel ist es doch nur, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Dass jedes menschliche Leben ein Übel ist, würde ich auch nicht sagen. Aber ich vermute, das Leben der meisten Menschen auf diesem Planeten ist nicht lebenswert.
Stummfilm
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Stummfilm »

Benatar sagt auch nicht, dass jedes Leben an sich übel ist. Es enthält jedoch das Potenzial, jederzeit zu einem Übel zu werden und wird es meistens auch.
Das ist eben das Übel an jedem Leben. Mit Sicherheit enthält es schon das Übel, dass das schönste Leben enden wird, was ja auch nicht gerade erheiternd ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein lebensfroher und kerngesunder Mensch sich in den Sarg legt und meint, dass es Zeit wäre zu gehen.

Ich bin da radikaler. Für mich ist tatsächlich jedes Leben ein Übel, unnötig und nicht zeugenswert. Hunger, Langeweile und Bauchschmerzen empfindet jeder. Und nicht zu vergessen: Schule, Arbeit, Haushalt. Hier begehen viele den Fehler, solche gefühle für gut zu befinden. Hunger sei gut, weil das Essen dadurch besser schmecke. Langeweile führe zu Tatendrang und bringe tolle Erfindungen hervor.

Ob es lebenswert ist, entscheidet sich erst am Ende, eben aufgrund des unvorhersehbaren Verlaufs. Aber nicht zeugenswert ist es auf jeden Fall und von Beginn an.
In der Tat ist auch der Tod ein Übel, weil er den Lebenskampf verstärkt. Zudem wollen die meisten nicht sterben und erleiden zuvor monate- bis jahrelange Qualen an Leib und Seele. Selbst Suizidale gehen nicht fröhlich in den Tod, in den allermeisten Fällen ist es das schreckliche Ende eines schrecklichen Lebens, das man, trotz seiner Widrigkeiten, gerne behalten hätte. Daher gilt das Argument nicht, dass man im Zweifel sein Leben beenden könne und selbst das schrecklichste Leben ein gutes Ende hätte. Es gilt, den Tod zu vermeiden.
Springer

Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Springer »

Kann ich alles nicht teilen. Ich würde mir auch nicht anmaßen zu verkünden, dass das Leben an sich schlecht ist. Wer bin ich? Jedenfalls kein Messias. Aber meines empfinde ich nicht als schön.
Stummfilm
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Stummfilm »

Tja. Als Stummfilm traue ich mir eben mehr zu als du dir, wie es scheint.
Ich würde es auch nicht ausschließen, der Messias zu sein.
Peterchen
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Peterchen »

Stummfilm hat geschrieben:
In der Tat ist auch der Tod ein Übel, weil er den Lebenskampf verstärkt. Zudem wollen die meisten nicht sterben und erleiden zuvor monate- bis jahrelange Qualen an Leib und Seele.
Das stimmt, und ich finde es auch ignorant, wenn Eltern völlig ausblenden, dass ihr Kind irgendwann alt sein und Krebs oder Alzheimer bekommen wird. Trotzdem würde ich anmerken, dass man diese Nachteile des Leben durch einen aufgeklärten Umgang mit Tod und Freitod deutlich abmildern könnte.
Selbst Suizidale gehen nicht fröhlich in den Tod, in den allermeisten Fällen ist es das schreckliche Ende eines schrecklichen Lebens, das man, trotz seiner Widrigkeiten, gerne behalten hätte.
Dieser Gedanke ist mir ehrlich gesagt völlig fremd geworden. Wäre da nicht die hässliche Tatsache, dass meine Eltern durch meinen Suizid traumatisiert werden, was dem Ganzen tatsächlich eine bittere Note verleiht, dann glaube ich, dass ich fröhlich in den Tod gehen würde.
Daher gilt das Argument nicht, dass man im Zweifel sein Leben beenden könne und selbst das schrecklichste Leben ein gutes Ende hätte. Es gilt, den Tod zu vermeiden.
Aber du stimmst mir doch zu, dass die Situation nach dem Eintritt des Todes sich nicht von der Nichtexistenz der Niegeborenen unterscheidet, oder? Und eben da ist Benatar anderer Meinung, was ich nicht nachvollziehen kann.

Anderes Thema: Denkt ihr "Better never to have been" ist ein gutes Geschenk zum Muttertag? :lol: Kleiner Scherz am Rande.
Thanatos
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Thanatos »

Peterchen hat geschrieben:...
Anderes Thema: Denkt ihr "Better never to have been" ist ein gutes Geschenk zum Muttertag? :lol: Kleiner Scherz am Rande.
Ein besseres Geschenk zum Muttertag wäre: Every Cradle Is a Grave. :mrgreen:
Nein, ich habe nichts gegen meine Mutter, sondern gegen diese viehische Zeugerei im Allgemeinen. :wink:
Thanatos
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Thanatos »

Peterchen hat geschrieben:...
Dass jedes menschliche Leben ein Übel ist, würde ich auch nicht sagen. Aber ich vermute, das Leben der meisten Menschen auf diesem Planeten ist nicht lebenswert.
Vielleicht doch noch etwas zum Thema.... Das Wort „lebenswert“ brachte mich darauf. Was soll das überhaupt bedeuten? Wer oder was bestimmt, was „lebenswert“ oder des Lebens wert ist?
Wenn ich an „Better Never to Have Been “ zurückdenke... Aus philosophischer Sicht erschien mir Benatars Argumentation stichhaltig – auch wenn sie manche partout nicht verstehen können oder nicht verstehen wollen, weil sie ihrem Narzissmus widerstrebt. Kann ich unter „Meinungsfreiheit“ verbuchen...
Was ich aber sagen will: Der Mensch und dessen Leben lässt sich eben nicht aus „philosophischer Sicht“ über einen Kamm scheren. Da Menschen nun mal Individuen sind, sollte man jedem Menschen seine Sichtweise gönnen, und das betrifft auch die Ansicht, ob einem sein Leben gefällt oder nicht, ob man Kinder in die Welt setzen will oder nicht, ob man sich umbringt, weil man von einer Erkältung geplagt wird, oder doch besser bis zum Krebs im Endstadium wartet (und selbst in diesem Zustand empfinden manche Menschen ihr Leben noch als „lebenswert“).
Auch wenn ich Schopenhauer mag und mir Benatars Buch gefiel – vielleicht wird mir auch sein neustes Buch gefallen –, ich lasse mir dennoch nicht vorschreiben, ob sich mein Leben rechnet oder nicht. Logisch betrachtet rechnet es sich gewiss nicht, aber ab und zu habe ich doch noch ein wenig Spaß daran. Sogar meinen letzten Suizidversuch, im März, brach ich ab... Okay, Forenwächter werden nun sagen, dass das nicht hierher gehört, sondern in einen anderen Thread. Dennoch hängt mein Leben oder Nicht-Leben auch mit der Frage nach dem „Wert“ und somit auch mit Benatar zusammen....
Es grüßt,
ein heute etwas gelangweilter Thanatos
Peterchen
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Re: Das neue Buch von David Benatar

Beitrag von Peterchen »

Thanatos hat geschrieben: Ein besseres Geschenk zum Muttertag wäre: Every Cradle Is a Grave. :mrgreen:
Oder wenigstens diese Grußkarte:

https://scontent.ftxl1-1.fna.fbcdn.net/ ... e=59780342
Was ich aber sagen will: Der Mensch und dessen Leben lässt sich eben nicht aus „philosophischer Sicht“ über einen Kamm scheren. Da Menschen nun mal Individuen sind, sollte man jedem Menschen seine Sichtweise gönnen, und das betrifft auch die Ansicht, ob einem sein Leben gefällt oder nicht, ob man Kinder in die Welt setzen will oder nicht, ob man sich umbringt, weil man von einer Erkältung geplagt wird, oder doch besser bis zum Krebs im Endstadium wartet (und selbst in diesem Zustand empfinden manche Menschen ihr Leben noch als „lebenswert“).
Das Besondere am Kinderkriegen ist eben, dass man andere Menschen mit reinzieht, die überhaupt nicht gefragt werden, und möglicherweise lebenslang leiden müssen.
Auch wenn ich Schopenhauer mag und mir Benatars Buch gefiel – vielleicht wird mir auch sein neustes Buch gefallen –, ich lasse mir dennoch nicht vorschreiben, ob sich mein Leben rechnet oder nicht.
Natürlich kann am Ende nur jeder selbst beurteilen, ob sein Leben lebenswert ist. Die Frage ist trotzdem, ob diese Beurteilung in den meisten Fällen aufrichtig erfolgt.
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