Wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte...

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Forlorn
Beiträge: 110
Registriert: Freitag 18. Mai 2012, 12:31

Wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte...

Beitrag von Forlorn »

...würde ich verhindern, dass sich meine Eltern kennen lernen.
Abendstern
Beiträge: 621
Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte...

Beitrag von Abendstern »

Bei dem Gedanken war ich in den letzten Tagen auch schon einmal ... Wie man es dreht und wendet, alles beginnt mit meiner Geburt. Bei Eltern, die einmal einen schönen Traum davon hatten, wie doch ein Kind ihr Leben bereichern würde ... sich aber nie überlegt haben, daß ein Kind auch Eltern braucht ...
TraurigER
Beiträge: 147
Registriert: Samstag 27. März 2010, 12:12

Re: Wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte...

Beitrag von TraurigER »

Und wieder ein Thread, der unsere Unfähigkeit zu gehen ausdrückt, gepaart mit der (zumindest bei mir) täglich wiederkehrenden Frage was wäre gewesen wenn....

Das mit der Unfähigkeit soll keine Kritik sein, nicht an euch, wenn überhaupt an mir, dass ich immer noch da bin, dass ich es immer noch nicht geschafft habe, mir immer wieder neue Hürden aufbauen. Aber da ich das „was, wäre, wenn“-Spiel täglich in verschiedenen Varianten spiele, möchte ich mich hier gerne äußern.

Zuerst einmal möchte ich bei der Überlegung auf das so genannte Großvaterparadoxon eingehen. Kurz erklärt: Du könntest nicht das Kennenlernen deiner Eltern verhindern, da du dadurch nicht geboren werden könntest und folglich deine Eltern nicht am Kennenlernen hindern könntest.

Also meinen Eltern den Spaß am Kennenlernen und allem anderen was dazu gehört abzusprechen, fände ich zudem extrem egoistisch. Und dass aus dieser großen Liebe (die auch heute noch, mehr als 50 Jahre später immer noch hält), irgendwann mal der Wunsch nach einen Kind entsteht, ist logisch. Auch hier würde ich nicht dagegen sprechen. Sofern es möglich wäre und dann ein anderer Mensch heraus kommen würde, so wäre ich schon glücklich, wenn nicht genau dieses kleine Spermium auf genau diese Eizelle getroffen wäre. Von den Millionen seiner Nachbarn hätte es doch ein anderes sein könne, eines, das einen emotional starken Menschen hervorbringt und nicht so einen Deppen wie mich.

Aber auch das will ich noch nicht mal so sehr bemängeln. Ich hatte eine wundervolle Kindheit, Eltern, die sich um mich gekümmert haben, die mir alles was möglich war, möglich gemacht haben und die immer für mich da waren. Also lassen wir ihnen diesen Spaß und sagen, ich wäre auch in einer anderen Vergangenheit geboren worden.

Würde ich in die Vergangenheit reisen, würde dies unter allen Umständen vor dem 23.10.1993 geschehen müssen, denn danach erst geriet mein Leben völlig aus den Fugen. Was vorher alles wundervoll und bunt war und was im Grunde dem Paradies gleichkam, wurde schwarz und ist bis heute wenn überhaupt nur an einigen Tagen ein wenig grau geworden. Im Grunde müsste der Besuch in der Vergangenheit bereits dem vor 01.09.1989 stattfinden.

Wann und wo genau spielt dabei keine Rolle, die Frage ist, was würde sich ändern? Würde ich meinem jungen Ich sagen, es soll sich umbringen, weil der schwärzeste Tag kommen wird? Mein junges Ich wäre genauso schwach, wie sein Pendant im hier und jetzt, es würde also nichts bringen. Oder sollte ich ihm sagen, dass es an diesem einen verhängnisvollen Tag nicht zu dieser Zeit an diesem Ort sein soll, da es dann niemals zu einem Kennenlernen mit „ihr“ kommen wird? Da dies ein schleichender Prozess war, wäre die Angabe eines genauen Datums oder eines genauen Ortes nicht möglich.

Was mein junges Ich tun müsste, wäre meine Eltern zu überzeugen, 1976 nicht von Ort A in den Ort B zu ziehen. Da aber auch dabei die Gefahr des Kennenlernens bestanden hätte, hätte ich sie im Alter von 6 Jahren dann überzeugen müssen, nicht nur nicht nach Punkt B zu ziehen, sondern 100 Kilometer weg von Punkt A. Ein unmögliches Unterfangen. Und was wäre dann gewesen? Dann wäre mir dasselbe vielleicht bei Punkt C passiert, denn das Leben ist bekanntlich ein ...loch.

Will sagen: Unter Beachtung des Großvaterparadoxons ist es somit fast unmöglich den richtigen Moment auszumachen, bzw. müsste ich nicht, was sich da ändern sollte, denn das was mir passiert ist, droht immer, egal wo man ist.

Aber ich möchte das Thema noch kurz weiter spinnen und erweitern:

Ohne Rücksicht auf das Großvaterparadoxon würde ich vermutlich auch so weit zurück gehen und so egoistisch sein, dass sich meine Eltern nie kennen lernen würden. Vielleicht sogar noch eine Generation weiter zurück, so dass sich beide Großelternpaare nie begegnen würden. Ja vielleicht würde ich sogar so weit zurück gehen, dass auf dieser Erde gar keine Menschen existieren würden, da wir diesem Planeten leider alles andere als gut tun. Aber das Problem wird die Natur irgendwann von selbst regeln, also egal, ich kann mich ja nicht um alles kümmern.

Und könnte ich mir einen Ort und eine Zeit in der Vergangenheit suchen, an dem ich sein könnte ohne die Geschehnisse zu wissen, ich säße am 11.09.2001 um 8:46 Uhr Ortszeit in meinem Büro im 95. Stock an der Nordseite des WTC1, mit dem Rücken zum Fenster und würde entspannt Zeitung lesen oder im Internet surfen und Kaffee trinken.

Dann hätte ich schon seit mehr als 15 Jahren meinen Frieden...
Abendstern
Beiträge: 621
Registriert: Montag 28. September 2015, 08:03

Re: Wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte...

Beitrag von Abendstern »

TraurigER hat geschrieben:Aber das Problem wird die Natur irgendwann von selbst regeln, also egal, ich kann mich ja nicht um alles kümmern.
:lol: :lol:

Sehr schöne Analyse! Da sich meine Eltern gegenseitig nur unglücklich gemacht haben, wäre es für mich glücklicherweise moralisch kein Problem, sowohl deren Kennenlernen als auch meine Entstehung zu verhindern. Die beiden hätten sich und mir wirklich einen immensen Gefallen getan, wenn sie die Finger von einander gelassen hätten und nicht noch dazu auf die Schnapsidee gekommen wären, ein Kind in die Welt setzen zu wollen. Ich war noch nicht einmal da, als völlig klar war, das geht schief... Und dann sein Leben lang wechselweise mit Haß, Liebe und Psychoterror überschüttet zu werden, den Eltern für die eigene Existenz etwas "schuldig" zu sein und am Ende noch beleidigt alleine seinem Schicksal überlassen zu werden, da man das Ergebnis der ganzen Misere war (das man dummerweise nicht wie einen Besen zurück in den Schrank stellen kann)... Na, vielen Dank aber auch... :?
Jay2016
Beiträge: 71
Registriert: Samstag 18. Juni 2016, 14:13

Re: Wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte...

Beitrag von Jay2016 »

Forlorn hat geschrieben:...würde ich verhindern, dass sich meine Eltern kennenlernen.
Nein, ich würde nur meine Zeugung verhindern.
Oder besser gesagt, meine Zeugung verschieben müsste, eigentlich auch
schon reichen, dass Ich nicht rauskomme.

In meiner These müsste eine zeitliche Verschiebung der Zeugung
immer ein anderer Mensch rauskommen, da sich jeden Augenblick
unsere Körper verändert.
Selbst eineiige Zwillinge sind ja zwei verschiedene Menschen, obwohl man
davon ausgeht, dass sie eine identische DNA haben.
Miu
Beiträge: 383
Registriert: Montag 4. Mai 2020, 02:50

Re: Wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte...

Beitrag von Miu »

.... würde ich mir eine liebende Mutter und einen liebenden Vater geben.
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