1. Teil zum Thema `Überlebenstrieb` bzw. `leben Wollen`.

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whocares
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1. Teil zum Thema `Überlebenstrieb` bzw. `leben Wollen`.

Beitrag von whocares »

1. Hinweise an den (un)geneigten Leser.
2. Fragestellung.
3. Formale Analyse (aussagenlogisch, `formal`-semantisch) der beiden Sätze.
4. Inhaltliche Bestimmung der beiden relevanten Ausrücke `Überlebenstrieb` bzw. `leben Wollen`.
5. `Fallbeispiele` zur Illustrierung der, durchaus auch kontra-intuitiven, Bandbreite möglicher (d.h. existierender/existieren Könnender) Konstellationen. (Unter Beispiel 3 ein kurzes Eingehen auf S. Perrys adaptive Suizidthese, und meine, beinahe von alleine, sich aufdrängende Gegenthese ...für allfällig Interessierte...inkl. meiner Vermutung warum Perry genau die absurde Adaptiv-These vertritt, die sie vertritt).
6. Mögliche bzw. notwendige ein- oder gegenseitige Implikationen der beiden Ausdrücke `Überlebenstrieb` resp. `leben Wollen`.
7. Mögliche Korrelationen zwischen Ü. e und Ü. w.
8. Überlegungen hinsichtlich der Kompatibilität unterschiedlich `mächtiger` Ü. e. und Ü. w. (damit an Punkt 6. und 7. anknüpfend.) 9. Eine innehaltende Reflexion und mögliches Ende der `Studie`)


1. EINIGE HINWEISE FÜRS BESSERE (?) VERSTEHEN UND FÜR DEN ANGEMESSENEN `(NICHT-)GEBRAUCH`:

"Solange der Überlebenstrieb ungeheuer mächtig ist, wollen Menschen leben", wie auch seine Umkehrung, erscheinen prima facie recht simple Aussagen zu sein. Und ohne Zweifel kann man, mit etwas gesundem Menschenverstand, zu einer ersten durchaus plausiblen Einschätzung, bezüglich der Legitimität ihrer Geltungsansprüche gelangen. Mir ging es mehr darum zu schauen, was mir mehr oder wenger apontan in den Sinn käme, beim Reflektieren dieser Sätze. D.h. ich habe nur einzelne Wörter gegoogelt, ansonsten bewusst keine Infos zum Thema gesucht, was natürlich naheliegend gewesen wäre (und für eine richtige `Studie` unabdingbar). Es war also nicht meine primäre Intention`die` Wahrheit (so es eine solche geben sollte) zu eruieren.

Mir ist auch bewusst, dass nicht jede/-r die Zeit, die Lust, das Interesse, die Nerven, die Aufmerksamkeitsspanne, das frei Sein von Leiden etc. hat, um Beiträge dieser Länge als goutieren zu können. Es im Gegenteil sogar als schlicht überflüssig, trivial oder Schlimmeres einstufen.
Sei dem wie es ist, und jedem sein Recht für gut oder schlecht zu befinden, wie es ihm gefällt oder aufgezwungen wird: wer es nicht lesen mag, soll bzw. kann es als nicht existierend behandeln. Wer einen Versuch wagt (bis wohin auch immer, und auf eigene Gefahr Zeit zu verchwenden): es wird dem Text nicht schaden.Ich musste mir dies oder jenes etwas expliziter vor Augen führen beim Schreiben: vielleicht mein (eingebildeter) Nutzen. Allerdings ging ich nicht systematisch vor, sondern mehr dem Fluss der Gedanken folgend. Auch habe ich nicht vor, auf Fragen betreffs Inhalte gross einzugehen. Diesbezüglich ist es als blosses Angebot gedacht, sich evtl. selber weitere Gedanken darüber (und anderes) zu machen. Auf Vollständigkeit, DIE Wahrheit, ja, nur schon auf Konsistenz erhebe ich keinen Anspruch. Auch wenn die beiden zuletzt genannten Kriterien als Forderungen immer implizt mitgegeben sind (alles andere wäre etwas gar abstrus).

Also: leave it or read it...keiner wird zu irgendetwas genötigt.


2. FRAGESTELLUNG: Hier folgend also eine ansatzweise Skizze, als Beitrag zur Klärung des Wahrheitsanspruches der beiden zitierten Sätzen (gefunden in einem User-Beitrag):

Satz 1: „Solange Menschen leben wollen, ist der Überlebenstrieb ungeheuer mächtig."
Satz 2: „Solange der Überlebenstrieb ungeheuer mächtig ist, wollen Menschen leben.“


3. FORMALE ANALYSE DER SÄTZE: ( wer sich vor allem für die inhaltlichen Aspekte interessiert, kann diese Passagen ohne relevante Erkenntniseinbusse überspringen.)

Aussagenlogisch handelt es sich um Subjunktionen, die beanspruchen Implikationen zu sein (also im Vordersatz eine hinreichende Bedingung ausdrückend). Dies wird ersichtlich wenn der Ausdruck `Solange` durch den Ausdruck `(dann) wenn...` ersetzt wird. Falls ersetzt durch `dann und nur dann wenn` - d.h. also analog `solange` durch `nur solange` - dann hätte man es mit einer hinreichenden und notwendigen Bedingung zu tun (und also nicht mehr nur mit einer einfachen Implikation). Da aber schon die Interpretation des Satzes als hinreichende Bedingung eine prima facie starke These zu sein scheint, kann die noch stärkere ignoriert werden (dennoch sollen im weiteren Verlauf auch Beispiele, die gegen den Geltungsanspruch solch stärkerer These sprechen, erwähnt werden).

Worin besteht die strukturelle Ungleichheit? In Satz 1 ist der Vordersatz spezifiziert, der Folgesatz allgemein. In Satz 2 besteht das gegenteilige Verhältnis. Lässt solches eine Folgerung zu, bezüglich einer tendenziell unterschiedlichen Gewichtung der Vordersätze? (d.h. ob einer der Vordersätze eher als hinreichende Bedingung gelesen werden kann und damit eine stärkere These behauptet)? Formallogisch scheint es so zu sein, dass je allgemeiner eine Bedingung ist, umso eher sie dann auch eine hinreichende und/oder notwendige Bedingung ist (ein ähnliches, aber umgekehrt-proportionales Verhältnis scheint hingegen für einen spezifizierten Vordersatz nicht zu gelten).

Wie auch immer: formallogisch wäre aufzuweisen, was mögliche Implikationen sind bei unterschiedlich allgemein formulierten Vordersätzen (bzw. Bedingungen), zuletzt dann noch die Implikationen für entsprechend kombinierbare ganze Konditionalsätze. Dazu kann ich nichts weiter sagen (zu vermuten ist aber, dass eine rein formale Betrachtungsweise hier eh zu kurz zielen würde, d.h. dass die Stellung der Vordersätze primär (stärker) von den entsprechenden Inhalten der Ausdrücke bestimmt wird.) Würde man hingegen beide Sätze als gleichermassen wahr behaupten, würde dies solche unterschiedliche Allgemeinheit der Teilsätze ignorieren, wie überhaupt dazu führen, dass die beiden zentralen Ausdrücke `ungeheuer starker Überlebenstrieb` und `leben Wollen` in eins fielen, d.h. sie hätten eine identische Bedeutung. Dann hätte man es mit zwei identischen (inhaltsleeren) Tautologien zu tun (eine andere Bestimmung der Tautologie wäre, wenn man behauptete, dass beide Satzteile gleichermassen hinreichende und notwendige Bedingungen für den entsprechend anderen Satzteil formulieren, im Sinne von: `Wenn es regnet, dann regnet es`...mir ist nicht bekannt ob es Sätze mit solch wechselseitigem Bedingungsverhältnissen gibt, die mehr sind als bloss logische Wahrheiten...wie oben genannter aussagenlogischer oder semantisch-definitorischer Art: `Wenn jemand ein Junggeselle ist, dann ist er ein unverheirateter Mann` etc.).

Da dies bestimmt nicht intendiert ist und sich damit jede weitere Analyse erübrigen würde, werden die Ausdrücke entsprechend unterschiedlich zu bestimmen sein. Solche Sichtweise ist aber nicht zu identifizieren mit einer, bei der der Vordersatz zugleich eine hinreichende und notwendige Bedingung gelesen wird. Es wird sich aber im weiteren Verlauf zeigen, dass die Prämissen nur im Sinne hinreichender Bedingungen gelesen werden können, sollen sie die Plausibilität der jeweilig behaupteten Implikationen (wenn auch in unterschiedlichem Mass) stützen können.

Offen bleibt noch die Natur der Bedingungsverhältnisse. Es könnte eine (einseitig oder wechselseitige) kausale oder logisch-semantische (also nur auf Grund der logischen Struktur und der Bedeutung der verwendeten Begriffe/Ausdrücke) sein. Eine kausale Relation scheint das Naheliegende. Eine semantische würde implizieren, dass einer der beiden Begriffe ein Unterbegriff des anderen wäre, dies wird in den unten erfolgenden Begriffsbestimmungsversuchen aber als nicht zutreffend aufgewiesen (zu diesem Problem auch: Punkt 6.).

Die Feststellung welche empirischen Sachverhalte denkbar bzw. aufweisbar sind, ist entscheidend für die Klärung der betreffenden Frage. Behauptet man eine Korrelation (Punkt 7.), dann behauptet man u.U. mehr als die Sätze tatsächlich implizieren bzw. intendieren (Korrelationen sind spezifisch geartete Beziehungen zwischen Grössen, so dass bei Zunahme/Abnahme der einen Grösse die andere entweder auch zunimmt/abnimmt oder aber abnimmt/zunimmt, meist (umgekehrt) proportional). Dass eine Korrelation tatsächlich vorliegt, ist aber ablesbar an der Bestimmungen `ungeheuer mächtig`. Zwar existiert kein ihm zuordenbarer Ausdruck im anderen Satzteil (`leben wollen`), aber dieser ist dennoch implizit gegeben, ansonsten der Ausdruck `ungeheuer mächtig` schwer in seiner sinnvollen Funktion zu entziffern wäre. Als Alternative zu einem Korrelationsverhältnis böte sich lediglich an `ungeheuer mächtig` als notwendige Bedingung zu interpretieren, was aber empirisch unsinnig wäre. Eine Korrelation behauptet als solche nichts über die Natur der vorliegenden Kausalverhältnisse. Aber wir können an dieser Stelle von einem existierenden wechselseitigem (wenn auch unterschiedlich starkem) Kausalverhältnis ausgehen (ein Sachverhalt der weiter unten erhärtet werden wird). Allerdings kann nur von einer tendenziellen Korrelation gesprochen werden, da Ausnahmen hier den blossen Regelcharakter bestätigen.

Soviel zu mehr formalen Aspekten der in Frage stehenden Sätze (weder wird auf Vollständigkeit noch auf Wahrheit obiger Ausführungen Gewähr gegeben...Raum für Kritik besteht also alleweil).

4. INHALTLICHE BESTIMMUNGSVERSUCHE DER BEIDEN RELEVANTEN AUSDRÜCKE `ÜBERLEBENSTRIEB` BZW. `LEBEN WOLLEN`:

Um über mögliche Relationen, Implikationen etc. der beiden Ausrücke spekulieren zu können, muss man wissen worüber man redet. Zumindest bezüglich den, die Fragestellung betreffenden, relevanten Aspekten. Die Begriffsbestimmungen dürfen wie oben bereits erklärt nicht in eins fallen. Solches in eins fallen ist aber hier kein weiter zu erörterndes Problem, da die empirischen Sachverhalte diesbezüglich eine klare Sprache sprechen. Die Definitionen müssen den tatsächlichen biologisch, psychologischen, sozialen Sachverhalten hinreichend gerecht werden, wie auch der Intention der verwendeten Ausdrücke Rechnung tragen. Darüber hinaus einer Analyse so weit wie möglich entgegenkommen, ohne zuvor genannte Aspekte in unzulässiger Weise zu negieren. Methode ist also einzig eine empirische, primär (biologisch-)psychologische, basierend auf Introspektion, psychischen Regelhaftigkeiten und einem weiten Feld von unterschiedlichen Fallbeispielen.

1. Bestimmungsversuch des Ausdrucks `Überlebenstrieb`: hier könnte man unterscheiden zwischen einer mehr unbewussten Disposition (einem Instinkt vergleichbar), die in entsprechenden Situationen, oder entsprechend interpretierten (also solchen, die eine Gefährdung des Lebens zu enthalten scheinen oder tatsächlich tun), als entsprechendes Erleben und/oder als mehr angeborenes oder erlerntes Verhalten/Handeln sich manifestiert. Oder mehr in Richtung eines Triebes, der in periodischem Anwachsen und befriedigt Werden seine ihm gemässe Struktur besitzt und als solches identifiziert werden kann (Trieb und Instinkt würden sich darin unterscheiden, dass ein Trieb etwas ist, das nach Befriedigung, sich wieder aufbaut um erneut befriedigt zu werden etc.. Der Instinkt hingegen würde nur punktuell-situativ aktualisiert werden. Gemäss solcher Interpretation wäre der wohl passendere Ausdruck `Überlebensinstinkt`. Einen entsprechenden `Trieb` könnte man, zumindest oberflächlich betrachtet, dort unterstellen, wo Menschen sich periodisch in Gefahrensituationen begeben müssen, solches Erleben (der Bewältigung entsprechender Gefahrensituation) dann eine gewisse Zeitspanne `für Ruhe sorgt` um sich als Bedürfnis langsam wieder zu bilden.

Extremsportarten und einige ihrer Exponenten würden ihre Wahrnehmung zumindest betreffend dem Periodizität durchaus so umschreiben, wobei hier auch gleich wieder zu relativieren wäre: was einst Instinkt war, wird nicht zum Trieb...ein periodisch anschwellendes Bedürfnis wäre hier nur eine Scheinform, hinter dem sich wohl etwas anderes verbirgt. Andere Interpretation solchen Tuns: dass wir (emotionell) genetisch immer noch angepasst seien auf ein Leben in der Natur mit all ihren potentiellen Gefahren. Dieses Erbe wirkt in manchen Menschen dahin, gerade angesichts künstlicher Umwelten, die die mehr natürlichen Gefahrensituationen zu minimalisieren trachten, sich als bewusstes Bedürfnis und entsprechendem Verhalten äussert (freilich, auch die Idee von `Adrenalin-Junkies scheint zu passen...wobei hier kein Gegensatz gegeben sein muss: gerade die Erlebensstruktur `Gefahr-Überleben-Euphorie` kann hier das genetisch treibende Motiv sein. Aber: auch die `Schnittstelle` zum Ausdruck `leben Wollen` ist hier offensichtlich: gerade bei diesem Beispiel scheint ein komplexes `Gemisch` der Motive Überlebenstrieb – in engerer und weiterer Definition - und `leben Wollen` vorzuliegen.)

Ob eine bewusste Einflussnahme auf solch angenommenen `Trieb` möglich ist, kann zunächst nur vermutet werden (als Vermutung würde man wohl dahin tendieren zu glauben, dass dies nur in recht beschränktem Umfang und auf indirektere Art und Weise, auf welchen Wegen auch immer...). Der Überlebensinstinkt (mir scheint dieser Begriff der passendere zu sein...wo ich dennoch von `Überlebenstrieb` spreche, ist etwas mehr Instinkthaftes intendiert) dürfte bereits im Alltag (oft unerkannt) manifest sein: in allen, als potentiell gefährlich interpretierten Situationen (interpretiert darum, weil faktisch lebensbedrohliche Situationen ja längst nicht mehr nur in wenigen genetisch verankerten arttypische (Reiz)situationen bestehen). Kleinkinder haben auch schon diesen in Teilen angeborenen `Instinkt`, erkennen aber nur bedingt welche Situationen gefährlich sind: einerseits scheint es `Zeitfenster` für die Entwicklung solch spezifischen Bewisstseins zu geben, wie auch unsere künstliche Umwelt das erlernen Müssen von Gefahrensituationen notwendig macht (die Frage nach angeborenem Trieb/Instinkt und erworbenem Wissen um Gefahrensituationen und ihrem Konvergieren bzw. sich Ergänzen, hat eine Analogie in der erkenntnistheoretischen Frage ob das Wissen/die Gewissheit um die eigene Sterblichkeit erworben und/oder angeboren ist.)

Selbst wenn man annimmt, dass ein Überlebensinstinkt angeboren ist, ist seine Aktualisierung doch stark abhängig vom Lernen und Erkennen lebensgefährlicher Situationen (dies trifft schon bei Tieren in unterschiedlichem Ausmass zu, auch wenn hier die spezifische Anpassung an arttypische Umweltgefahren in grossen Teilen genetisch vorgegeben ist...hier also ein Konvergieren von Gefahrensituation und entsprechendes Verhalten nicht erlernt werde muss).
Beim Menschen, der in einer weitgehend künstlichen `Umwelt` lebt, spielt das Erlernen eine weit massgebendere Rolle. Darin wurzeln dann auch Fehlleistungen im nicht Erkennen oder im falschen Einschätzens real existierender Gefahrenpotentiale. Beim Menschen bestimmt das bewusste Wissen also massgeblich den Überlebensinstinkt bzw. dessen Manifestationen.

Der Ausdruck `Überlebenstrieb` kann aber auch weiter gefasst werden, als nur bezogen auf die Abwehr bzw. das Vermeiden direkt lebensgefährlicher Situationen. So in Form des Besitzens von Fähigkeiten inkl. der Bereitschaft diese einzusetzen, die es ermöglichen, sich im Daseinskampf (`survival` (!) of the fittest) zu behaupten. Diesbezüglich könnten, je nach Festlegung der Definition von `Überlebenstrieb`, die Wahrheitsansprüche der beiden in Frage stehenden Sätze in einem anderen Licht erscheinen. Ein auf `Überleben der Fittesten` bezogener Begriff `Überlebensinstinkt`, würde einen wesentlich weiter gefassten Inhalt haben. Dies würde Überschneidungen mit dem Ausdruck `leben wollen` wahrscheinlicher machen, und damit eine klare Abgrenzung erschweren. Festzuhalten ist, dass ein Mensch, der über eher schwach ausgeprägte `survival`-Eigenschaften verfügt - zuvorderst ist an eine gewisse Aggressionsbereitschaft zu denken - , dennoch über einen ungebrochenen Überlebensinstinkt verfügen kann. Dies im Sinne von Todesfurcht mit entsprechen-den Handlungsweisen (hierzu auch Punkte 6. - 8.).

Es ist überhaupt erstaunlich, wie gerade Menschen, die im sozialen Überlebenskampf zur Gruppe der schlecht Weggekommenen zählen, ob nun auf Grund fehlender mentaler oder physischer Eigenschaften oder aber durch schieres Pech (oder beides), dennoch ein äusserst hartnäckiges Beharrungsvermögen an den Tag legen können (wobei es oftmals etwas ist was ihnen geschieht). Ihr überdurchschnittlich leidhaftes bzw. unerfülltes Dasein impliziert nicht notwendig es los werden zu wollen: "Der Überdruss am Leben lastete schwer auf mir, aber gleichschwer auch die Furcht vor dem Sterben" (Augustinus)...eine Aussage, die sich einer spezifischeren `Fingerübung` wohl als würdig erweisen würde. Ohne Zweifel spielt hier eine isoliert gegen den eigenen Tod, das eigene Nichtsein gerichteter Instinkt eine massgebliche Rolle (wobei unterschiedliche Motive hier eine Rolle spielen...je komplexer ein Individuum, desto komplexer wohl auch solcher Faktorenkomplexe).

Auch kann die blosse Imagination genügen um sich solcher instinktiven Todesfurcht, einer Nichtsangst bewusst zu werden (wenn auch seltenst auf solche Weise die Panik entstehen wird, die in akut lebensgefährlichen Situationen, so der Raum gegeben ist um darauf reflektieren zu können, oft spontan und unkontrollierbar entstehen wird).

Vielleicht müsste man hier innerhalb eines gegen den Tod/ das Sterben gerichteten Instinktes noch weiter differenzieren: auf einer tiefst denkbaren Ebene ein beinahe rein physiologischer Widerstand, ein `animalisch-oganischer` Widerstand. Vielleicht mit verantwortlich für sich hinzögernde Sterbeprozesse und sie begleitende Agonien. Ob eine solche Ebene `rein` existiert sei dahingestellt...wobei sie sicherlich ein variabler Faktor im Vergleich einzelner Individuum ist (es gibt ja auch spekulative Thesen, die dem bewusstlosen `reinen` Leben eine Neigung nicht nur zum Leben hin, sondern gerade auch zum Tode hin unterstellen, Stichwort: `Todestrieb` bei Freud). Wie dem auch sei, in er Regel wird man es mit Phänomenen zu tun haben, die doch irgendwie auch von mentalen, halbbewussten oder sehr bewussten, Komponenten begleitet sind.

Festzuhalten ist aber hier an eine Abgrenzung gegen den bewussten Bereich hin, der dann bereits in Richtung des noch zu bestimmenden Ausdrucks `leben wollen` bzw. `nicht leben wollen` geht. Dies auch dann, wenn ohne Zweifel gegenseitige Beeinflussungen vorhanden sind in je spezifisch-individueller Ausprägung bei interpersonellem Vergleich. Ob also Überlebeninstinkt und `leben Wollen` je in reiner Form vorliegen; kann mit Recht bezweifelt werden, ohne darum aber auf eine, in der Sache begründete, klare Abgrenzung verzichten zu müssen. Ein allfällig existierender reiner Überlebensinstinkt schiene, falls überhaupt, nur vorstellbar als ein völlig instinkthaftes, d.h. physisch-physiologisches Widerstreben gegen das Sterben, d.h. ohne mentale Vorstellung des Nichtseins, eigenen sterben Könnens oder dessen was man an Leben(sinhalten) zu verlieren hat.

Bei Tieren lässt sich oftmals so etwas wie eine `Akzeptanz` dem eigenen Sterben gegenüber, inter-pretierend, feststellen (wobei solche `Akzeptanz` mehr als das Fehlen mentalen Widerstandes, als die Existenz mentaler Zustimmung zu deuten wäre. Interessant diesbezüglich, dass Menschen die sehr plötzlich, und das heisst: ohne Zeit um über das sich ereignende Geschehen reflektieren zu können, oftmals keine Angst empfinden, auch wenn sie sehr klar wahrnehmen, dass der Tod unmittelbar bevorstehen könnte...vielfach dokumentiert z.B. bei Abstürzen in den Bergen. Hier also das Paradox, dass das objektive Geschehen unerwartet eintritt und nur wenige Sekunden dauert...der Betroffene aber `subjektiv` ein Bewusstsein des Geschehens und möglicher Konsequenzen haben kann und dennoch keine Todesfurcht erlebt.

Der Erklärungen gibt es mannigfache: rein physiologische bis hin zu solchen, die die Grenze emoirisch bestätigbaren überschreiten.) Der Sterbeprozess bei Tieren mag sich hinziehen, aber kaum so wie gegebenenfalls beim Menschen feststellbar. Hier scheint die Annahme nicht unplausibel, dass ein mentaler Widerstand in den physischen Bereich hineinwirkt und dadurch den Sterbeprozess beeinflussen kann (wobei das Gegenteilige ebenso zu existieren scheint: dass ein Mensch den Tod herbeisehnt, der Körper aber hier das Sterben bzw. den Eintritt des Todes zu verhindern scheint (oder könnten es unbewusste Widerstände sein, die geäusserten Wünschen konträr entgegenstehen und -wirken können?) . Ob sich darin also ein `reiner` körperlicher Widerstand äussert zu sterben sei dahingestellt (scheint aber umso plausibler, je tiefer die Bewusstlosigkeit ist). Was solch mehr vermutbar-spekulative Annahmen hinsichtlich subtilerer Zusammenhänge betrifft, bewegt man sich schnell einmal in einem Bereich die intersubjektiven Zugängen verschlossen sind. Allerdings: der kausale Bezug mentaler Phänomene hinsichtlich dem Sterben ist in anderen Kontexten sehr gut dokumentiert.

Erinnert sei an das Phänomen des psychogenen Todes (dokumentierte Fälle zeigen recht erstaunliche Wirkweisen, d.h. wenn man überhaupt bereit ist sich solche These zu eigen zu machen. Denn die Feststellung eines psychogenen Todes scheint doch recht weitgehend auf dem Ausschlussprinzip zu beruhen, was nie recht befriedigen kann. Aber bedenkt man andere, als gegeben akzeptierte, gut dokumentierte psychosomatische Phänomene, dürften auch solche Phänomene nicht gar so unwahrscheinlich scheinen...und ebenfalls plausibel dann anzunehmen eine analoge, aber konträr lebenserhaltende oder heilende Wirkweise des Mentalen. Erinnert sei hier an Placebo- bzw. Nocebo-Effekte).

Was könnte das Fazit solcher Reflexion auf den Begriff eines `Überlebensinstinktes` sein?

Vorwegnehmen und in Abgrenzung zum Ausdruck `leben Wollen` liegt es nahe eine zunächst rein negative Umschreibung zu wählen. Die Bestimmung wäre dann eine, die von einer hypothetisch angenommenen, rein instinkthaft-physischen (angeborenem), Disposition gegen das Sterben ausgeht. Dann weiterhin hineinwirkt oder übergeht zu Phänomenen bewusster Todesfurcht, Nichtsangst in entsprechend (erlernten und/oder) interpretierten Gefahren-Situationen. Solches Erleben dann oftmals gekoppelt an auffälliges Verhalten (das sich aber auch paradox anmutend im Verhalten äussern kann: z.B. nicht handeln Können, Schock, Erstarrung, Passivität...wobei schon das Erleben selbst solch paradoxe Erscheinung annehmen kann: Euphorie, Ruhe etc. Gerade solch paradoxes Erleben /Verhalten kann mannigfach erklärt werden, so auch als Verdrängung resp. Schönreden, und/oder (oder drauf beruhender) Wirkungen hirnphysiologischer Vorgänge?

Dies letztere auch ein mögliches Interpretationsschema für oben erwähntes Erleben in potentiell tödlichen Abstürzen). Die obere (Bewusstseins-) Grenze bildete dann jener Phänomenenbereich der sich dem Ausdruck `(nicht) leben Wollen` annähert bzw. dann bereits zuzuordnen wäre. Nimmt man also zunächst (weil es die Analyse wesentlich erleichtert, wobei zu beachten bleibt, dass solche Pragmatik empirische Gegebenheiten nicht unangemessen vereinfachen darf).

Ein solcherart (`rein` negativ) verstandener `Überlebensinstinkt` strebt dann keinen positiven Wert an sich an. Es sei denn in der sprachlichen Variante einer doppelten Verneinung (`duplex negatio affirmat`: eine doppelte Verneinung bejaht), also: `Der Überlebenstrieb will das nicht-Nichtsein, oder will das nicht nicht-lebendig-sein`. Wollte man aber einen Instinkt, der bloss auf ein `nacktes (Über)leben` gerichtet ist, also doch nur auf die Negation/Vermeidung eines Zustandes zielt (nämlich `tot zu sein` bzw. `am nackten Leben zu bleiben`) mit einem positiven Inhalt füllen, dann wäre man genötigt, dem nackten `am-Leben-sein` einen positiven Wert beizumessen, ungeachtet der konkret vorliegenden Inhaltlichkeit eines spezifisch betroffenen Lebens. Dies scheint aber aus mehreren Gründen unplausibel zu sein.

Ein von allen konkreten (positiven) Inhalten losgelöstes Leben: ein inhaltlich völlig unbestimmtes (oder nur negativ bestimmtes), scheint weder begrifflich noch psychologisch als in irgendeiner Weise positiv interpretierbar. Was wären denkbare Erklärungen? 1) Angesichts des Todes, können psychologische Mechanismen einsetzen, die im normalen Leben nicht (oder nicht in solcher Ausprägung) beobachtbar sind. Angesichts des baldigen Todes, kann die Psyche das nackte, bzw. an positiven Inhalten noch so leeres Dasein, einen Wert beilegen, den es zu erhalten gilt. Dies scheint wenig überraschend und mit unterschiedlichen psychologischen Thesen erklärbar zu sein: Auflösung `kognitiver Disssonanz`, die Bewahrung des Gewohnten, die schlichte Angst vor dem Unbekannten. Konfrontiert mit dem real mglichen Tod können mannigfache Mechanismen das zu `gewinnende` Leben als wertvoller erscheinen lassen als es faktisch ist: also im Vergleich zur Bewertung des Betroffenen diesseits real erlebter Todesgefahr. (hier könnte man philosophische Thesen im Kontext des `sterben Müssens`, auch das memento mori oder analoge `Künste`, annüpfen.

Gerade hinsichtlich der intendierten Wirkungen eines sich, auf welche Art auch immer, Aussetzens, Vergägenwertigens, Vorlaufens, Imaginieres, Meditierens des eigenen, mit Gewissheit irgendwann eintretenden, Todes. Im Grunde der Versuch ein, dem Menschen noch im alleralltäglichsten bekanntes, Phänomen zu unterlaufen oder aufzuheben: das nicht Schätzen des fraglos Gegebenen, das Verfallen in ein `uneigentliches` Dasein etc. (wer sich hierfür interessiert: Kierkegaard, Heidegger, Jaspers um nur einige zu nennen). Oder aber man sähe sich gezwungen in Richtung mystischen Erlebens zu suchen (um ein `nacktes`, blosses Dasein als ein positiv anstrebbares bzw. zu erhaltendes rational rechtfertigen zu können). Mystische Erfahrungen sind aber, in der Regel wenn nicht sogar immer, zumindest auch mit positiven Inhalten verbunden (die Sichtweise des `Heiligen` als fascinosum und tremens kann durchaus solches Erleben widerspiegeln freilich auch erst bestimmen: set, setting), mögen diese auch nur ungenügend an einer diesseitig empirischen Welt ausgerichteten Sprache kommunizierbar sein, ja, sich tatsächlich oftmals jeglicher positiven sprachlichen Bestimmungen enthalten (noch abwägiger ist solche Erklärung, wenn man sich des relevanten Kontextes erinnert: dass gerade solche Erfahrungsweisen das irdisch-vergängliche Dasein in seinem Wert zu relativieren tendiert. Womit jedes Anhaften am Leben, bei Vorhandensein solchen Erlebens, gemindert sein sollte). Oder aber man unterstellt (mehr spekulativ), dass dem Überlebensinstinkt, in Einzelfällen, eine unterschwellig positive Bewertung überhaupt am Leben zu sein zu Grunde liegt. Aber man hätte erhebliche Schwierigkeiten solches plausibel zu machen (als allgemeingültige Annahme eh unhaltbar).

Alle positiven Bestimmungen eines Lebens scheinen ihren Ausdruck in einem bewussten subjektiven Werturteil `leben zu Wollen` zu haben. Also gerade nicht in einem, von positiven (oder negativen) Inhalten, absehendem Überlebensinstinkt. Die hierher gehörige Fluchtreaktion, als eine mögliche spezifische Reaktionsweise (auf interpretierte Todesgefahr), würde vielleicht am deutlichsten, zumindest symbolisch, die rein negative Natur solchen Überlebensinstinktes zur Anschauung bringen.

Eine mehr aggressive (Abwehr-)Reaktion liesse sich prima facie hingegen auch in Richtung einer Handlungsdisposition rücken, die einer weiteren Definition des Ausdrucks `Überlebenstrieb` entspräche: als Handlungsweise, die nützlich sein könnte im viel allgemeineren Kontext eines `Kampfes ums Dasein` und einem entsprechenden `Survival of the fittest`. Freilich, in modernen Sozialstaaten ist `Überleben` und/oder Fortpflanzung nicht mehr das primär zu gewinnende (oder zu verlierende) Gut. Das nackte physische Überleben wird grundsäzlich jedem Bürger garantiert, wie auch das sich Fortpflanzen nicht mit dem Grad gesellschaftlicher `Fitness` zu korrelieren braucht. Auf diese weitere Bestimmung des Ausdrucks `Überlebenstrieb`, als die Fähigkeit und die Bereitschaft sich in einer Gesellschaft durchsetzen zu können (gerade hinsichtlich des erfolgreichen Erlangens und Befriedigens von Inhalten/Wünschen etc., die das Leben eines Individuums Wert verleihen. D.h. in seinen Bezügen zu den Bestimmungen des Ausdrucks `leben Wollen`).

Die rein negative Ausrichtung des Überlebensinstinktes wäre ja gerade sein Kennzeichen, und oft gerade als ebensolche erfahren, als problematische Gegebenheit. Unbesehen (zumindest scheinbar) einer möglichen (Un-)Werthaftigkeit des Lebens, kann der Überlebensinstinkt sich als relativ autonomes Geschehen, im Einzelfall, voll zur Geltung bringen. Und unglücklicher Weise gerade auch dort, wo ein Leben nur noch sehr spärlich positive Erlebensmöglichkeiten und -perspektiven enthält (hier wäre einzugehen auf Faktoren, welche ein Akzeptieren unumgänglichen Todes erleichtern helfen würde: das älter Werden, ein erfülltes Leben, aber gerade auch Faktoren, die im Bereich bewisster Gestaltung des Menschen liegen...oben wurde bereits auf das `Vorlaufen in den Tod` und verwandte `Techniken` hingewiesen).

Hier kann es dann wohl auch zu Einflüsen auf/von anderen psychischen Faktoren kommen. Faktoren, die dazu führen, dass im Einzelfall auch dann noch an einem perspektivlosen Leben mit Händen und Füssen festgehalten wird (und im unglückseligsten Falle noch das Sterben zur Agonie werden lassen). Aber auch da Gegenteilge: dass ein antagonistischer Kampf entsteht von Überlebensinstinkt contra Wunsch (endlich) geen zu können. Wie auch immer ein mögliches positives Moment im Überlebensinstinkt gegeben sein mag, abzugrenzen ist es von explizit-bewussten Bewertungen eines Lebens als positiv, als wert gelebt zu werden. Wer auf der Basis konkret benennbarer positiver wie realistischer Perspektiven, Aufgaben, Erlebensmöglichkeiten, Sinngehalten etc. sein Leben bewahren will, steht auf anderem Boden als jemand, der auch bei Ermangelung solcher Inhalte, sich angsterfüllt-ohnmächtig an sein Leben klammert. (Hier findet auch eine weitere tendenzielle Ungerechtigkeit statt: dass wer ein erfülltes Leben hatte, in der Regel weit eher fähig ist Abschied zu nehmen. Denn ohne Zweifel ist hier eine weitere Erklärung für krampfhaftes nicht loslassen Können zu verorten: wer sein Leben nie als erfüllt erfahren konnte, wer das ständige Gefühl hat zu kurz gekommen zu sein, oder nie richtig gelebt zu haben, wird allenfalls, entgegen aller Logik, gerade darum nicht loslassen können, da der Tod das irreversible Siegel auf solch erlebtes und bewertetes Leben bedeutet. Etwas was im Einzelfall unakzeptabel sein kann für ein Individuum, so sinn- weil hoffnungslos solche nicht Akzeptanz auch sein mag.

Also: Der `Überlebensinstinkt` ist ein zunächst rein Negatives. Eine sich im Verhalten, Fühlen etc. so oder so sich manifestieren könnende Disposition, gerichtet gegen etwas, eine `Intention` etwas zu vermeiden um des Vermeidens willen. Positiv formulierbar allenfalls als bewahren Wollen des nackten `am Leben seins` an sich. Die Differenz der beiden Ausdrücke ist ja bereits sprachlich gegeben: `leben Wollen` gegenüber `überleben Wollen`. Dieser sprachlichen Dichotomie wird hier, bei klarem Wissen darum, dass diese Phänomene in der Realität, in solch klarer Abgrenzung, selten (falls überhaupt) gegeben sind. (Der Begriff des `leben Wollens` impliziert notwendig auch ein gewisses Mass an `überleben Wollen`. Bezüglich Implikationen etc., siehe auch Punkte 6-8).

Anzumerken ist noch, dass die angedeutete Unterscheidung einer engeren und weiteren Bestimmung des Ausdrucks `Überlebensinstinkt` in der weiteren Analyse eine wesentliche Rolle spielen wird. Dies weil die entsprehende Differenzierung erweiterte Aufschlüsse, die beiden zur Disposition stehenden Sätze betreffend, verspricht.

2. Bestimmungsversuch des Ausdrucks `leben Wollen`: Die wesentlichste Differenz zur Bestimmung des Ausdrucks `Überlebenstrieb bzw. -instinkt` besteht darin, dass `leben Wollen` auf einer bewussten, und insgesamt bejahenden Stellungsnahme zum eigenen (gegenwärtigen und in unterschiedlichem Grade antizipiert künftigem) Leben beruht. Solche positive Bewertung kann aufgrund recht unterschiedlicher Konstellationen erfolgen: weil das gegenwärtige (was immer schon eine gewisse Zukunft inkludiert und seien es nur Minuten) Leben konkret benennbare Inhalte enthält. Falls nicht, wird mit solchen für die Zukunft gerechnet.

Offen bleibt, weil nur beim je einzeln Betroffenen, soweit überhaupt möglich, zu erhellen, ob solches Urteil auf realistischen Einschätzungen beruht, oder mehr einer eher irrationalen Hoffnung oder gar offensichtlichem Schönreden geschuldet ist (freilich: wo `Schönreden` effektiv genug stattfindet, kann es Wirklichkeit konstituierend sein: ob Realität verändernd oder nicht erkennbar `verklärend`). Dass ein geschöntes Urteil eher dahin tendieren wird desillusioniert zu werden, versteht sich von selbst. Hierhin gehören natürlich dann jene Fragen, ob und inwiefern solche Urteile auf dem Boden eines`wohlverstandenen bzw. aufgeklärten Eigeninteresse` gefällt wurden.

Hier soll aber folgendes festgehalten werden: es wird in dieser Bestimmung nicht notwendig davon ausgegangen, dass wer das Urteil fällt, dass er/sie `leben will` auch tatsächlich hinreichende Gründe hat um dies auch legitimieren zu können. Zugleich aber unterstellt, dass sich realitätsfernere Urteile in der Regel als nicht `nachhaltig` erweisen werden.

Wie schon bei der Bestimmung des Ausdrucks `Überlebenstrieb` kann analog auch hier eine sprachliche Formulierung gewählt werden, die `leben Wollen` rein sprachlich in grösstmögliche Nähe zum Ausdruck `Überlebenstrieb` bringt: `nicht sein Leben (an sich) verlieren Wollen`. Aber wirklich relevant sind nicht solche sprachlichen Annäherungen, sondern, dass sich die (biologische, psychologische und soziale Aspekte enthaltenden) realen Sachverhalte `leben Wollen` und `Überlebenstrieb` wechselseitig zu beeinflussen in der Lage sind und es faktisch tun. In dieser Hinsicht ist auch die Differenzierung des Begriffs `Überlebenstrieb`, wie oben kurz umschrieben, relevant, da beide Bestimmungen ihre je eigenen Auswirkungen und Beeinflussungen haben (können), die weder in Stärke noch Natur identisch sein müssen (sich also nicht wechselseitig implizieren).

Wie man `Überlebenstrieb` bestimmt, hat eben gewichtige Konsequenzen betreffs der Plausibilität der zu analysierenden Sätze. Berücksichtigt man auch die `weitere` Bestimmung - dass ein starker `Überlebenstrieb` darin besteht, `lebenstauglich` zu sein – wird die Analyse freilich auch komlexer, da nun drei Faktoren in ihren ein- oder gegenseitigen Verhältnissen zu bedenken sind. `Überlebenstrieb` im weiteren Sinn (Abk.: Ü. w. gegenüber Ü. e.) also die Fähigkeiten und Bereitschaft, die es gestatten, sich im `Kampf ums Dasein` durchzusetzen. Die Relation zum Ausdruck `leben Wollen` ist offensichtlich: wer Interessen, Wünsche etc. hat, deren Realisierung allererst einen sich durchsetzenden Einsatz (gegen welche Hindernisse auch immer) voraussetzt, ist abhängig von solcher Befähigung. Ohne solche bleibt man tendenziell ein `Träumer seines Lebens`, langfristig meist in Frustration endend. Aber: nicht jeder Sinn vemittelnder Lebensinhalt setzt notwendig solche Tauglichkeit voraus. Und eine entsprechende Diskrepanz wird man bestmöglich einzuebnen versuchen (auch hier gilt allerdings: solche Auflösung `kognitiven Dissonanz` ist wohl selbst schon zu ebensolcher `Tauglichkeit` zu rechnen...eine Art `Inkompetenzkompensations-kompetenz`.)

Auch wenn es in modernen Sozialstaaten beim `struggle for existence` nicht mehr um Leben/Fortpflanzung und Tod geht (zumindest nicht direkt), so ist doch nahe liegend anzunehmen, dass ein lebenswertes Leben tendenziell eher dann möglich ist, wenn man eben `lebenstauglich` ist (wobei `Tauglichkeit` nicht in eins fällt mit einem `guten Leben` noch ein solches garantieren muss). Um konkrete Werte im Leben zu schaffen und/oder zu aktualisieren, braucht man in der Regel eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit im weitesten Sinn. Solcher Sachverhalt wäre z.B. ein Argument um Satz 1 ("Solange der Überlebenstrieb ungeheuer mächtig ist, wollen Menschen leben") zu stützen. Aber um es zu wiederholen: hier handelt es sich bestimmt nicht um ein hinreichendes Bedingungsverhältnis (wenn auch fast immer, im grösseren oder kleinerem Mass, um ein notwendiges).

Damit kann ein Kritikpunkt vorweggenommen werden, der sich am Schluss der Betrachtung als für beide Sätze (wenn auch vielleicht in untrschiedlichem Grad) zutreffend erweisen wird: als Allgemeingültigkeit beanspruchende sind sie beide falsch. Dies kann kaum überraschen, bedenkt man nur schon die Gesamtanzahl menschlicher Individuen. Was an, mögliche Regelhaftigkeiten widersprechende, Konstellationen denkbar sind, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vom einen oder anderen Individuum aktualisiert worden sein. Dem Bemühen zu eruieren welchem der Sätze eine grössere Plausibilität zukommt, tut dies keinen Abbruch.

Es wird also nicht gross thematisiert (dies wäre eine eigene Analyse wert) bzw. differenziert zwischen mehr realistisch und mehr illusorisch scheinenden (ob zu einer zu positiven oder negativen Beurteilung hin) Urteilen. Oder anders: die Aussage `ich will leben` impliziert nur, dass der/die Betreffende subjektiv ihr/sein Leben insgesamt als lebenswert erfährt/einschätzt. Hier gibt es grundsätzlich ein Primat des Subjektiven.

Erfährt jemand sein Leben als lebenswert, dann ist es lebenswert, völlig unabhängig davon, wie diese Erfahrung/Einschätzung zustande kommt. Hier würde also das Subjektive und das Faktische in eins fallen. Das (momentane) Fällen des Urteils (nicht aber deren Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit, Falsifizirbarkeit) `leben zu wollen` impliziert unabdingbar, dass das Leben subjektiv, als gegenwärtiges und/oder künftig antizipiertes, als lebenswert erfahren/eingeschätzt/beurteilt wird (wobei Erfahrung hier aus dem gesamten Komplex möglicher Bewusstseinsakte hinsichtlich solchen Urteils bestünde). Unabdingbar zwar, aber eben auch hinreichend (wenn auch ein grösseres Risiko falsifiziert zu werden mit sich tragend).


Mit diesen Ausführungen scheint eine hinreichende Abgrenzung zum Begriff `Überlebenstrieb` erfolgt zu sein (ohne die rein sprachlich denkbaren Annäherungen noch die faktisch gegebenen Möglichkeiten wechselseitiger Beeinflussung, ja Amalgamierung zu negieren).
Es geht mir nicht um wahre Bestimmungen (so es solche überhaupt gibt oder aber die ihnen korrespondierenden Entitäten). Sie sollen lediglich dem Kontext der Fragestellung angemessen sein und biologisch bzw. psychologisch gegebenen Sachverhalte hinreichend genügen. Dies wird ja dort sehr explizit, wo zwischen einer engeren bzw. weiteren Bestimmung des Ausdrucks `Überlebens-trieb` differenziert.

Noch einige wenige Worte hinsichtlich der Positionierung der drei Ausdrücke `leben Wollen`, `Überlebenstrieb bzw. -instinkt` im engen und weiteren Sinn. Es liegt nahe den Ü. w. als zwischen den beiden anderen Begriffen platziert zu denken. Die Bezüge Richtung `leben Wollen` wurden angedeutet (natürlich nur unzureichend. So ist formal ein Ü. w. nicht nur als Mittel zum Zweck denkbar, sondern auch als Selbstzweck - siehe Beispiele - , oder aber fähig andere Werte zu erschaffen.) Von welcher Art ist er Bezug von Ü. w. zu Ü. e.? Und kann Ü. w. als eine Art Mittler zwischen den beiden `äusseren` Begriffen verstanden werden? Oder ist die angemessenere Relation jene vom Dreieck illustrierte, mit allseitig wirksamen Beeinflussungen (anstelle einer Geraden mir dem Ü. w. als mittlerem Glied)? Gedanken dazu siehe Punkte 6. - 8. Aber angemerkt sei, dass das Dreieck (wechselseitige Beziehungen, Implikationen etc. vorausgesetzt) auf simple Weise, die verschiedenen Konstellationen illustrieren könnte (mit zuhilfenahme von farbigen und/oder unterschiedlich langen Schenkeln etc.) Bezogen auf die beiden Sätze wäre dann `lediglich` eine inhaltliche Zuordnung der möglichen bzw. plausiblen Dreiecke zu den entsprechenden Aussagen vorzunehmen (Anzumerken ist, dass solche(s) Dreieck/Dreiecke unterschiedliche Bezüge illustrieren kann: Implikationen, Korrelationen, Kompatibilitäten, Kausalität...ohne, dass diese notwendigerweise klar voneinander zu trennen wären.

Die Überlagerung all solcher Bezüge ergäbe dann das relevante Dreieck hinsichtlich der allgemein-tendenziellen Beantwortung der hier interessierenden Frage). Und noch ein zu erörterndes Rätsel: wo positionieren sich (wirkursächlich) weltanschauliche Faktoren wie Optimismus/Pessimismus/Nihilismus etc.? Sind sie Ausfluss eines entsprechend gearteten Ü. e. bzw. w. oder doch mehr auf die Seite des `leben Wollens` zu stellen, ja, gar Folge eines solchen Wollens? Vermutlich gibt es auch hier eine individuelle Variationsbreite von einger Relevanz (so man nicht reduktionistisch einem Faktor/Faktorengruppe den Vorzug gibt...ein solches würde a prori oder mit Argumenten dafür votieren den basaleren, evtl. unbewusst(er)en, Antrieben die stärkeren oder auch einzig relevanten zuzuschreiben. Eine Folge könnte sein, alles Weltanschauliche, und gerade solchem, welches dem basalen `Lebenstrieb` zuwiderläuft, als eben Folge schlichter individueller `Lebenstauglichkeit` zu interpretieren. Mit unserer offenen Fragestellung (und ebensolchen letztlich offenen Antwort) haben wir aber einer solchen, aus phänomenologischer und `common sense` Warte unplausiblen Sichtweise, bereits – zumindest in ihrer a priorischen bzw. ideologisch-reduktiven Version - als schlicht irrelevant für eine unvoreingenommene Fragestellung eingestuft, wenn auch nicht als falsch widerlegt. Aber gerade hinsichtlich tendenziell `negativer` Weltanschauungen bzw. deren Bewertung muss gesagt werden: Nicht das Mass individueller `Lebensuntauglichkeit` ist relevant für deren Plausibilität, sondern alleine ihre Begründbarkeit mittels guter Gründe. Genese und Geltung sind hier, will man nicht beides a priori in eins setzen, fein säuberlich zu trennen.

Ob ein Mainländer nun eher ein Fall für den Psychopathologen sei oder nicht, ist unabhängig von dessen Weltanschauung zu bestimmen, es sei denn seine weltanschauliche Sicht zeigte unzweideutige Zeichen solcher Pathologie selbst: als Mangel `richtigen` Denkens im weitesten Sinn, als offenbarer Verlust der Fähigkeit die Realität `objektiv` wahrzunehmen, Inkonsistenzen etc. D.h. denkbar wäre also, dass eine Weltanschauung mit Hand und Fuss daherkommt, obwohl ihr Verfasser korrekt als ein `psychopathologischer` Fall (so denn nicht bereits solche Kategorie willkürlich daherkommt) eingestuft werden dürfte (freilich nicht mit der Begründung, da er sich suizidiert habe, ergo und per definitionem sei eine Subsummierung unter die Kategorie des `Pathologischen` legitimiert.) Aber auch das Gegenteilige ist denkbar: dass der Gefahr ihrer Psychopathologosierung Unverdächtige weltanschaulich nur äusserst schlecht begründetes von sich geben (letzteres zu illustrieren erübrigt sich wohl). Abschliessend sei das Zentrale wiederholt: dass die individuelle Stellungnahme zum `Ganzen des Seins` im Einzelfall kein unerheblicher Wirkfaktor drstellen kann, der sich keinem unserer zwei bzw. drei Leitausdrücken einfachhin einverleiben lässt. Auch hier: jedes Individuum stellt ein Komplex ganz eigener Wirkfaktoren wie deren Verflächtungen dar.
whocares
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Re: 1. Teil zum Thema `Überlebenstrieb` bzw. `leben Wollen`.

Beitrag von whocares »

Das Ganze ist auf 56 Seiten angewachsen, d.h. etwa 15 mal mehr als die erste Post.
Definitiv nichts für hier.

MfG
whocares
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Re: 1. Teil zum Thema `Überlebenstrieb` bzw. `leben Wollen`.

Beitrag von whocares »

(Kleiner Ersatz für die zu lange `Studie` bezüglich Überlebenstrieb/leben Wollen.)

Vorwarnung: Nur für solche, die die Wahrheit ertragen können oder die gegen noch so evidente Wahrheiten immun sind.

Argumentation warum ein `freier Wille` undenkbar ist:

1) Ein freier Wille kann nicht determiniert sein. D.h. erst die Entscheidung legt die bzw. meine betreffende Zukunft fest (mein Entscheid ist also nicht die zwangsläufige die Folge aller kausal wirksamen psychischen Faktoren und Umweltbedingungen, sondern mein `Ich` kann unabhängig von diesen - zumindest im Rahmen meiner grundlegendsten Interessen/Werten/Überzeugungen - entscheiden). Man kann hier schon feststellen: da ich mich nicht frei dazu entscheiden kann, etwas zu tun was meinen grundlegendsten Interessen entgegensteht (z.B. jemanden oder sich umbringen, einfach so...), kann man rein empirisch konstatieren, dass jeder Entscheid an irgendwelche Determinanten gekoppelt bleibt (in welcher Form auch immer). Schon diese Beobachtung alleine scheint zu Ende gedacht einen Determinismus zu fordern.

Freilich: man kann auch unfähig sein ein elementares Interesse zu wählen, z.b. ein lebensunwertes Leben zu beenden. Nur: hier wird jedem Betreffenden sein determiniert sein wohl unabweisbar vor Augen geführt. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, sich irgendwann gegen entsprechende Widerstände durchzusetzen...wenn man oder er sagen würde: jetzt handelte er aus freiem Willen, dann allenfalls im Sinne einer Handlungsfreiheit. Denn offensichtlich kann derselbe freie Wille (im Sinne gleicher Freiheit und gleichem Ziel) nicht gestern etwas nicht zustande gebracht haben, später aber dennoch, ohne dass dies einer Erklärung bedürfte. Und eine solche kann nur in determinierenden Faktoren bestehen, die zwischen damals und jetzt sich so verändert haben (natürlich aus deterministischen Gründen), dass eine andere Wahl möglich wird. Negiert man solches, bleibt nur übrig zu behaupten: früher wollte ich ja nicht wirklich, jetzt schon. Aber jeder wird solches als leeres Geschwätz einstufen müssen oder aber so interpretieren, dass es keine Relevanz hinsichtlich der Begründung eines ind.-selbstbestimmten Willens
besitzt.

Festzuhalten ist also: ein `freier Wille` ist indeterminiert (trotz seiner Gebundenheit an Determinanten, aber dies liesse immer noch zu, dass ich innerhalb dieses Horizontes frei wählen kann...also zwischen Möglichkeiten welche mit meiner Grundinteressen etc. kompatibel sind. Der Haken: wenn ein Unterschied besteht zwischen nicht-Interessen und Interessen, dann wohl analog auch zwischen schwachen und starken Interessen...)


2) Genügt dies? Nein, denn auch der Zufall ist indeterminiert. Aber unter einer freien Wahl versteht man nicht etwas Zufälliges, sondern etwas, was `Ìch` entschieden habe (wie und auf Grund von was auch immer, aber nicht willkürlich-zufällig). D.h. ein freier Entscheid ist indeterminiert und selbstbestimmt. Ich, mein Selbst, ich selbst (...) entscheide, es ist mein Entscheid und nicht jener eines zufällig-anonymen Wirkens...ansonsten ich ebenso gut Würfeln könnte hinsichtlich dessen was ich jeweils wähle. Also: ein `freier Wille` ist indeterminiert und selbstbestimmt.

3) Welche Instanz entscheidet? Man kann es `Ich` oder `Selbst` nennen (auf alle Fälle muss es unterschieden sein von dem Gesamt psychisch wirksamer Faktoren, ansonsten es diese psychischen Gegebenheiten wären, die die Wahl alternativlos bestimmen. Bestreitet man dies, dann muss man erklären wie identische Ursachen unterschiedlichen Wirkungen hervorbringen können...allenfalls in der Quantenphysik gibt es Vergleichbares, freilich ist hier der kausale Probabilismus massgebend und den Zufall haben wir ja bereits als untauglich aufgezeigt. Der kausale Probabilismus ist eine Form von zufälliger Wahrscheinlichkeit). Also: `Ich` entscheide.

4) Wie kann dieses Ich gedacht werden? Es gibt genau zwei Alternativen: a) entweder ist das Ich identisch mit dem Gesamt aller psychisch (kausal) relevanten Faktoren oder mit einem Teil derselben (z.B. den argumentativ rationalen Gründen denen dann die Trieb-Wunschsphäre entgegenstünde...ein naheliegendes Modell). b) Oder aber das `Ich` ist gänzlich frei von psychisch wirksamen Faktoren, am ehesten vorstellbar als reiner Beobachter (so wie ein Spiegel lediglich spiegelt was sich vor ihm befindet). `Rein`: d.h. ohne Interessen, ohne Neigungen, ohne grundlegendste Werte und Überzeugungen etc. Ohne Tendenz zu irgendetwas hin, ein Ich das keinen Unterschied machen würde, kausal völlig wirkungslos da frei von jeglichen Motiven etc.

a) Das unlösbare Problem bei ersterer Variante: wie schon unter 3) angedeutet, wäre ein Ich welches identisch gedacht wird mit allen psychisch wirksamen Faktoren in sich determiniert, eine Wahl wäre zu 100% abhängig von den psychisch relevanten Faktoren und deren Stärke. (...oder einem Teil derselben...dies macht bezüglich der Argumentation gegen/für einen `indeterminierten Willen` keinen Unterschied, nur in kompatibilistischen - also Freiheit und determiniert Sein als kompatibel behauptende - Freiheitstheorien kann diese Differenzierung unterschiedlicher psychischer Determinanten von Bedeutung sein).

Es lässt sich nicht erklären, wie dieses Gesamt der psychisch wirksamen Faktoren eine Entscheidung nicht determinieren könnte. Denn diese Faktoren haben ihre je eigene Tendenz und Gewichtung und diese genügen vollauf um eine Entscheidung herbeizuführen, und vor allem: nichts anderes spielt eine Rolle (das Ich welches diese Faktoren gewichtet, gegeneinander abwägt etc. wäre reiner Spiegel, d.h. zu glaben, dass das Ich die Faktoren in ihrer Relevanz bestimmt, ist einem Fehlschluss, einer Fehlwahrnehmung geschuldet: die Faktoren werden allenfalls anhand übergeordneter Werte etc. gemessen, aber auch diese werden vom Ich nur gespiegelt (auch wenn es sich gerne eben mit diesen identifiziert...darum auch die prima facie nahe liegende Idee Freiheit so zu definieren: als bestimmt sein durch Gründe, und nicht durch Impulse, Triebe etc.

Vor allem im Denken erleben wir uns als aktiv und scheinbar frei und unsere Entscheidungen lenkend...zumindest im Vergleich zu Impulsen, Affekten. Aber: diesse Werte, Gründe, Prinzipien sind ebenso gegeben, sowohl in ihrem Dasein wie in ihrem Sosein. Dort wo das Ich glaubt frei zu entscheiden, spiegelt es wiederum nur, nun diese diese Werte etc.) Jene Wertungen, Überzeugungen die am stärksten sind, werden den Entscheid in ihre Richtung. Einziger Ausweg besteht darin ein vorgelagertes Ich zu postulieren, der das erstere (auf Grund in ihm enthaltener höherrangiger Prinzipien, Werte...) bestimmt.

Dann könnte man behaupten, dass die Art und Weise der Bestimmtheit des ersteren Ich bzw. der Bewertung der ihn konstituierenden Faktoren das Resultat eines übergeordneten und vorgeordneten Ichs sei der das niedere bestimmt. Dies führt natürlich in einen unendlichen regress, da jedes höherrangige Ich jeweils wieder ein ihn bestimmendes Ich benötigt um die so angestebte indeterminiert-selbstbestimmte Freiheit zu garantieren. Und zudem ist empirisch evident: so verhält es sich nicht (ganz davon abgesehen dass diese Vielheit von Ichen mehr Fragen generieren würden als sie beantworten).
Dieses Konzept kann im Rahmen des Kompatibilismus dafür dienen eine Differenz innerhalb des Determinismus selbst zu bestimmen, dann freilich ohne einen infiniten Regress (meist in der Form: eine Ebene der Argumente, rationaler Gründe über einer Ebene von Wünschen, Interessen etc.) Zu was solche Differenzierung taugt, jenseits des evident Trivialen, sei dahingestellt.

b) Das Ich als frei von psychischen Faktoren gedacht. Hier wurde schon oben bei der Umschreibung eines solchen Ich-Modells (das Ich als reiner Beobachter, reine Spiegelung ohne inhärente Werte, Überzeugungen etc.) klar: was leer ist von entscheidungsrelevanten Inhalten (und ein leeres Ich ist leer von jeglichen Inhalten) macht keinen Unterschied.

Ein solches `leeres` Ich würde nie kausal wirksam werden. Es wäre reine Passivität, alles gleichermassen und `indifferent` zur Kenntnis nehmend (und genau das ist es auch. auch wenn wir uns, unser Ich, gerade beim Denken als sehr aktiv erleben...reine Täuschung: es sind die psychisch gegenwärtigen Faktore, die in Eigenregie ihr Spiel spielen. Wer das negiert, dreht sich im Kreis: er muss dartun, wie ein leeres Ich eine Entscheidung determinieren kann (vermittels der Bevorzugung gewisser psychischer Entitäten) oder aber, wie ein inhaltlich massgebenderes Ich ein niederes bestimmen kann, ohne in sich selbst determiniert zu sein.

Mehr gibt es auch nicht zu sagen dazu. Diese Argumente sind mittels rationalem Denken nicht zu widerlegen. Auffallend wie alle Theorien, die trotzdem ein indeterminiert-sebstbestimmtes Wollen behaupten, einen dieser zwei Voraussetungen unter der Hand in Anspruch nehmen (leeres aber dennoch wirksames Ich oder ein inhaltlich bestimmtes - massgeblicheres - Ich bzw. Teil-Ich welches dennoch nicht in sich determiniert und determinierend sei.) Das Kunststück besteht dann lediglich (nicht zu unterschätzen solche Fähigkeit...) darin das `unter der Hand` mit inhaltsleerem Geschwafel zu überdecken bzw. davon abzulenken.

So...das ein Versuch, im Sinne von so lange wie notwendig und so kurz wie möglich, das Dilemma bezüglich eines indeterministischen Freiheitskonzepts zu umreissen. Und wird man sich diesem Sachverhalt wirklich bewusst (und es scheint mir dermassen einfach und dennoch evident argumentiert, dass ein nicht Verstehen nur wenige Erklärungen zulässt: ungewollte Dummheit, bewusstes sich Dummstellen bzw. Unredlichkeit - letztere beide etwas präker aufgrund dessen, dass es eine Selbstlüge zu implizieren scheint - Böswilligkeit oder Krankheit. An Motiven hingegen mangelt es nicht, denn es ist ein philosophisches `Nihilisma` reinster Güte und stellt dem Sinnstifter bzw. -finder einen gehörigen Brocken in den Weg, der meines Erachtens unüberwindlich ist...dies nur dann nicht, wenn ein Sinnkonzept ohne die Annahme eines solchen Willens überzeugen könnte...und selbst mit solcher Annahme wäre solche Aufgabe schwer genug, aber: ...froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein Theologe, ein Dummkopf oder Schlimmeres.) Also: wenn man sich diesem Sachverhalt bewusst ist, wird man kaum überrascht sein zu hören, dass 95% aller Philosophen Kompatibilisten sind (natürlich selber ein hochgradig fragwürdiges Rettungsmanöver, der zumindest eine moralische Verantwortlichkeit unmöglich überzeugend begründen kann. Ich frage mich jeweils nur wer schlimmer ist: jene die den alten Wein in alten oder jene die ihn in neuen Schläuchen trinken.)

Von allen nihilistischen Tatsachen/Argumenten scheint mir diese nach wie vor eine der gewichtigsten zu sein (nicht zuletzt seines Sinn-Kontextes und seiner Unwiderlegbarkeit wegen).

Wer kann mir obiges Dilemma dennoch argumentativ auflösen...nun ja...der Quadratur des Kreises ähnlich (nur, dass die Unmöglichkeit des letzteren erst aufwendig bewiesen werden musste.)
Last Escort
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Re: 1. Teil zum Thema `Überlebenstrieb` bzw. `leben Wollen`.

Beitrag von Last Escort »

Quadratur des Kreises - Who Cares?
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