"Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

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Abendstern
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"Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Abendstern »

Zitat Peter Brock im ZDF bzgl. der sozialpsychologischen Beurteilung zur potentiellen Suizidgefährdung des Häftlings Jaber Al-Bakr:

"Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Er hätte nach potentieller Hafterleichterung gefragt - ergo, seine Zukunft geplant. Deshalb sei nicht mit einem Suizid zu rechnen gewesen.

Was für ein Quark. Das ist ja wieder einmal unfaßar. Die reinste Hausfrauenpsychologie.

Ein interessanter Artikel dazu:

http://www.n-tv.de/politik/Wer-ist-suiz ... 52571.html

Der beste Satz:

"Jeder hat das Recht auf unzulässiges Wort."

(Auch wenn der Satz im Zusammenhang mit einem unzulässiges Wort natürlich ein zweischneidiges Schwert ist.)

Ah, ich sehe in der Vorschau, das unschöne Wort wird hier automatisch in "Selbsttötung" gewandelt. Mein Lob. Des wörtlichen Zitats wegen umgehe ich an dieser Stelle jedoch die Umwandlung.
chris84

Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von chris84 »

Na das ist doch mal eine sehr schöne Aussage: „Jeder hat das Recht auf unzulässiges Wort. Es gibt Grenzen dessen, was die Menschenwürde an Kontrolle zulässt im Hinblick auf Suizidverhinderung.“
Das sollte man mal den ganzen Psychiatern und Psychiatriemitarbeitern erklären, die ihre Patienten oft fixieren und (meist gegen ihren Willen) mit Psychopharmaka, Neuroleptika usw. voll pumpen. Auch wenn es sich hier um einen etwas anderen Fall handelt.
Abendstern
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Abendstern »

"Jeder hat das Recht auf Selbsttötung."
Hm! Ich begrüße es ja wirklich, daß das 'böse' Wort hier umgewandelt wird. Mir ist dessen Verwendung ebenfalls aufgestoßen. Aber genau dies zeigt ja auch die Problematik auf. Insofern halte ich ein wörtliches Zitat an dieser Stelle durchaus für gerechtfertigt.
Abendstern
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Abendstern »

chris84 hat geschrieben:Das sollte man mal den ganzen Psychiatern und Psychiatriemitarbeitern erklären, die ihre Patienten oft fixieren und (meist gegen ihren Willen) mit Psychopharmaka, Neuroleptika usw. voll pumpen. Auch wenn es sich hier um einen etwas anderen Fall handelt.
Dem kann ich nur zustimmen. Vor allem bin ich der Meinung, daß es leider schlimmere Zustände gibt als den Tod. Der Tod kann wirklich auch eine Erlösung sein. Und so grausam die Natur oft erscheinen mag, aber in der freien Wildbahn ist der tötende Nackenbiß eines Beutejägers für ein krankes/verletztes Tier oft sicherlich eben dies: Die Erlösung vom Leid. In dem Bestreben, den Tod als unerwünschtes Übel völlig aus unserem Leben auszuklammern, haben wir diesen Aspekt leider völlig verdrängt.
Thorsten3210
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Thorsten3210 »

Jeder hat das Recht auf unzulässiges Wort
Also das verstehe wer will, sagen nicht die ganzen Psycho-Onkels immer, dass Suizid fast immer eine Folge von Depressionen sind, die man wiederum prima behandeln kann? Naja, diesen Satz sagte auch ein sog. "Kriminologe" und kein Psychiater.
chris84

Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von chris84 »

Psychiater lehnen ja auch den Begriff „Bilanzsuizid“ strikt ab. Solche Leute kennen halt nix anderes als ihr Psycho-Studium. Die Geschichte wo ich damals den Stress mit den beiden Typen vom Sozialpsychiatrischen Dienst hatte, die kennt ihr ja bereits. Der Psychiater hatte damals auch nur sein Psychisch-Kranken-Gesetz im Kopf und versuchte vergeblich es auf mich anzuwenden. Obwohl ich ihm freundlich drauf hingewiesen habe, wo er sich sein Psychopathen-Dingsda-Gesetz hinschieben kann, konnte er es nicht lassen mich weiter damit zu nerven, obwohl keine direkten Beweise für eine psychische Erkrankung oder eine Suizidgefährdung vorlagen.
Das kann man schon ein bisschen mit Religion vergleichen. Die einen haben ihre Bibel oder ihren Koran, die Psychiater haben ihr Psych.-KG.
Peterchen
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Peterchen »

Ich finde es auch immer erfrischend, wenn so eine Äußerung es gelegentlich in die Öffentlichkeit schafft. Passiert leider viel zu selten.
Thanatos
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Thanatos »

chris84 hat geschrieben:.... Solche Leute kennen halt nix anderes als ihr Psycho-Studium. ...
Dabei erinnere ich mich an die lange Unterhaltung, die ich vor einiger Zeit mit einer jungen Psychologiestudentin hatte. Sie war voll begeistert von dem, was sie im Studium lernte, wirklich so voller Enthusiasmus - und Naivität -, dass ich nicht wagte, ihr ernsthaft zu widersprechen. Ich wollte der jungen Dame eben nicht ihr schönes Weltbild kaputtmachen. :wink:
Im Grunde bestätigte sie mit ihrem Bericht übers Studium meine Einschätzung der Psychotherapie: Sobald der Selbsttäuschungsmechanismus nicht mehr richtig funktioniert, geht man zum Therapeuten, der einem beibringt, sich wieder was vorzumachen.
Nur eines, was sie sagte, fand ich versöhnlich: „Vielleicht lacht man in einigen Jahren über das, was wir heute im Studium lernen.“
Ich hätte am liebste geantwortet: „Ich lache heute schon darüber.“ Aber, wie gesagt, ich wollte ihr nicht ihr Weltbild kaputtmachen. Sonst hätte sie dann vielleicht schon eine Therapie gebraucht. :mrgreen:
Abendstern
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Abendstern »

Thanatos hat geschrieben:Im Grunde bestätigte sie mit ihrem Bericht übers Studium meine Einschätzung der Psychotherapie: Sobald der Selbsttäuschungsmechanismus nicht mehr richtig funktioniert, geht man zum Therapeuten, der einem beibringt, sich wieder was vorzumachen.
1A-Punktlandung!!
Thanatos
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Thanatos »

Das tägliche Lob von Abendstern. Vielen Dank, das tut gut. :)
Was machen wir jetzt eigentlich mit der Erkenntnis, dass das Leben ein einziger (Selbst-) Betrug ist ?
Cioran meinte: „Alles durchschaut haben und trotzdem am Leben bleiben – es gibt keinen unmöglicheren Zustand.“ Er brachte sich übrigens nicht um.
Falls du es nicht schon kennst, das könnte dich interessieren:
https://www.youtube.com/watch?v=NLP4-Bs-Rn4
Was den Titel dieses Threads betrifft, so muss ich da mal einen kleinen Protest anmelden: Wer seine Zukunft plant, kann sich sehr wohl umbringen. Man kann nämlich seinen Suizid für die Zukunft planen! :wink:
Thorsten3210
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Thorsten3210 »

Interessante Tonaufnahmen von Cioran. Bemerkenswerte Aussage ab 12:27 min: "Meine Lebensgefühl, ein völlig unbrauchbarer Mensch. Ich bin zu nichts nütze und will zu nichts brauchbar sein. Es ist misslungen alles was ich gemacht habe, aber es musste so sein.... Und es musste misslingen, weil alles mißlungen ist......Das Scheitern ist wichtiger als der Tod".......Er schrieb mal zum Thema unzulässiges Wort: "Ohne die Idee des unzulässiges Wort hätte ich mich seit langem getötet. Damit wollte ich sagen: diese Idee ist eine unglaubliche Hilfe. Das Leben wird dadurch erträglich, weil man sich sagt, ich kann mich töten, wenn ich will. Mit so einer Hoffnung kann man fast alles aushalten.“
Rasiel
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Rasiel »

Es gibt auch Aussagen von Menschen in schwierigen Lebenssituationen ohne dass sie an Suizid denken:

Was soll es, irgendwann ist es eh vorbei !

Eigentlich glaube ich dass jeder dieses Gefühl schon hatte, in Anbetracht der Welt und ihrer höheren Schöpfung. :?
Peterchen
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Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von Peterchen »

Geht ja nicht nur darum, ob man noch Kraft hat um zu kämpfen, sondern auch darum, ob es noch etwas gibt, für das es sich zu kämpfen lohnt.
glycerine

Re: "Wer seine Zukunft plant, bringt sich nicht um."

Beitrag von glycerine »

Kämpfen würde ich meinen Weg nicht mehr nennen, Ziele hatte ich leider nie welche, keine realistischen zumindest. Muss man sich denn ständig fragen wofür ich lebe, den Sinn des ganzen finde ich vielleIcht nie, aber man könnte hoffen, dass man nicht leidet, das man einfach lebt um zu Leben, was will ich denn immer der Norm entsprechen, es reicht doch, dass ich nicht frieren muss, ein Bett habe und genug zu Essen
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