Stimmt wohl teilweise, aber mit Sicherheit nicht ganz. Suizidant und Methode stehen wohl auch in einem inneren nicht zufälligen oder frei austauschbaren Verhältnis zueinander. Selbst wenn Barbiturate völlig frei zugänglich wären, würde es Menschen geben die sich vor einen Zug werfen.Peterchen hat geschrieben:Ich würde keinen Schienensuizid in Betracht ziehen. Das liegt aber vor allem daran, dass mir andere, schonende Methoden zur Verfügung stehen. Viele Menschen sind diesbezüglich in einer schlechteren Situation, und deshalb kann ich es nachvollziehen, wenn jemand lieber den Zug nimmt als eine langsame, unsichere oder schmerzhafte Methode zu wählen.
Die Schuld für Schienensuizide sehe ich daher vor allem bei unserer paternalistischen Gesellschaft, die Menschen mit allen Mitteln zum Weiterleben nötigt und die Freigabe von geeigneten Medikamenten verweigert. Wenn man Personen, die unerträglich leiden, im Leben "einsperrt", dann darf man sich nicht über brutale Ausbruchsversuche wundern.
Auch dies bestenfalls teilweise zutreffend, aber definitiv eine mangelhafte Fallunterscheidung. Erstens: wer ist die Gesellschaft...und wird über solche Sachen überhaupt entschieden, und falls ja: wie und von wem?Im Übrigen sollte die Gesellschaft sich entscheiden. Entweder man macht Suizidenten für ihre Handlung verantwortlich: Dann betrachtet man sie offenbar als zurechnungsfähig und dann gibt es keine Grundlage für Zwangspsychiatrisierung. Oder man betrachtet den Suizid als psychopathologischen Unfall: Dann gibt es keine Grundlage für moralische Kritik.
Wer sich je mit der Willensproblematik beschäftigt hat, weiss: es kann keinen freien Willen geben im Sinne, dass Personen hätten anders handeln können als sie es taten...damit fällt die Möglichkeit moralischer Wertung auf einer ganz grundlegenden Ebene (so man ehrlich ist) weg. Es sei denn: alle würden sich trotz solchem Faktum als moralisch beurteilbare Subjekte definieren wollen (erst dann wären kompatibilistische Freiheitstheorien rechtens). Nur auf solcher `Vereinbarkeitsebene` kann überhaupt von Zurechenbarkeit gesprochen werden (was faktisch auch der Fall ist). Es geht hier um Kriterien der Zurechenbarkeit und solche gehen quer durch die Einteilung in psychisch krank/gesund hindurch. Es gibt psychische Krankheiten die einen vernünftigen Willensbildungsprozess tangieren und solche die es nicht tun.
Das mag stimmen, nur: deine obigen Alternativen zielen ebenso an der Wirklichkeit vorbei. Ursache des einer Sache nicht gerecht Werdens, ist ja oft eine unzulässige Verallgemeinerung (es sei denn diese kann wirklich stichhaltig als wahr aufgezeigt werden).Aber in Wirklichkeit ist die Psychopathologisierung des Freitods nur die Fortsetzung der moralisch-religiösen Ächtung mit anderen Mitteln. Und deshalb gibt es eben beides: Suizidenten werden als krankhaft bezeichnet, weil man damit Bevormundung und Freiheitsentzug begründen kann, aber gleichzeitig verachtet und verurteilt. Es gab ja hier im Forum schon mehrfach Berichte von Leuten, die einen Suizidversuch überlebt hatten, und im Krankenhaus von den Schwestern wie Dreck behandelt wurden.