Germanwings-Flug 4U9525

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MajorDepression
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von MajorDepression »

Großkatzen. Ich mag die Damenwahl ja sehr.
Zuletzt geändert von MajorDepression am Mittwoch 8. April 2015, 01:51, insgesamt 1-mal geändert.
Orgeluse
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Orgeluse »

@ Girlxxx

Ich lasse stehen, was ich schrieb.
Und ergänze: Der Firnis. :mrgreen:

Nun antworte erst mal Du, falls Du magst.
Und: Falls ich dann noch leben sollte, werde ich Dir antworten.

(Edit: Nur für die gegenseitige Erwartungsbrücke: Hast Du Freuds "Das Unbehagen in der Kultur" gelesen?)

Gut Nacht
orgel
Girlxxx

Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Girlxxx »

Orgeluse hat geschrieben:@ Girlxxx

Ich lasse stehen, was ich schrieb.
Und ergänze: Der Firnis. :mrgreen:

Nun antworte erst mal Du, falls Du magst.
Und: Falls ich dann noch leben sollte, werde ich Dir antworten.

(Edit: Nur für die gegenseitige Erwartungsbrücke: Hast Du Freuds "Das Unbehagen in der Kultur" gelesen?)

Gut Nacht
orgel
Doch, aber das liegt auch schon Jahre zurück.
Was verstehst du denn unter einem entwickelbaren freien Willen? Ich habe mich da eher an phil. Konzepte orientiert und vor allem das Hirngespinst inkompatibilistischer freier Wille als undenkbares (wenn auch verstehbares!) Konzept negiert. Du scheinst eher etwas im Sinn zu haben was die Gegensätze unbewusst-bewusst, irrational-rational trifft. Oder aber das sich Erarbeiten von Handlungsmöglichkeiten und -kompetenzen, Krisenmanagement-Knowhow, Flexibilität und Mobilität, Anpassungsfähigkeit, seine Handlungsspielräume erweitern, Sublimierungs-und Kanalisierungskompetenzen, Kompensationskompetenzen und Kompromissbildungsgeschmeidigkeit, Anthropotechniken....trans-und posthumanistische Neuro-Enhancement-Techniken...ne, im valschen Leben gibt`s kein richtiges...stöhn.
Orgeluse
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Orgeluse »

Statt eines full quote beschränke ich mich, wie es allenthalben so gern gesehen wird, und zitiere nur the main point:
Girlxxx hat geschrieben: ...ne, im valschen Leben gibt`s kein richtiges...stöhn.
So sind wir uns also vollkommen einig, und das noch mit Adorno - heijeijei, wer kann sich denn noch an den erinnern?

Mehr ist nicht zu sagen. (Vielleicht nur noch dies: Ich stöhne nicht mehr. Aber ich bin vermutlich auch deutlich älter als Du.)

orgel und ab
pida
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von pida »

das folgend aus dem gesamttext gekürzte bedeutet aber, dass personen, die sich über internet oder mobiltelefon vor einem suizid über diese medien informieren oder kommunizieren den browser-verlauf dann entweder löschen oder sowohl rechner als auch mobil-telefon unauffindbar entsorgen.
gruss, pida

Mediator hat geschrieben:Die These vom Selbsttötung des Germanwings-Copiloten . . . . . . . . . . . bewusst zum Absturz brachte.
Die Hinweise auf seine Recherchen im Internet fanden die Ermittler auf dem Tablet-Computer, der in der Wohnung des 27-Jährigen Lubitz beschlagnahmt worden war. Den Ermittlern sei es gelungen, die Internetsuchanfragen auf dem Gerät in der Woche vor dem Absturz zu rekonstruieren, da der Browserverlauf nicht gelöscht gewesen sei, sagte Ralf Herrenbrück, der Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.
Marissano
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Marissano »

Wie intensiv der eigene Todeswunsch auch sein mag: Das, was da geschehen ist, geht einfach gar nicht. Unschuldige Menschen, die das Leben lieben, mit hinein zu nehmen, ist ein Unding. Niemals würde ich sowas tun können, weder direkt noch indirekt (deshalb könnte ich mich auch nie auf Bahngleise legen).
Girlxxx

Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Girlxxx »

Marissano hat geschrieben:Wie intensiv der eigene Todeswunsch auch sein mag: Das, was da geschehen ist, geht einfach gar nicht. Unschuldige Menschen, die das Leben lieben, mit hinein zu nehmen, ist ein Unding. Niemals würde ich sowas tun können, weder direkt noch indirekt (deshalb könnte ich mich auch nie auf Bahngleise legen).
"Das geht einfach gar nicht!"...erinnert mich an einen Comic: da sieht man in einem Bild die Mutter mit dem erhobenen Zeigefinger vor ihrem Buben stehen, dieser mit Pfeil und Bogen in der Hand. Das nächste Bild zeigt einen am Boden liegenden Mann mit einem Pfeil im Rücken.
Was ich ansonsten zu deinem Kommentar denke, ist in meinen obigen Beiträgen bereits (begründet) dargelegt.
MajorDepression
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von MajorDepression »

Ihr versteht das nicht. Wenn man im Schulbus und von den Eltern jeden Tag nieder gemacht wird, und zu Höchstleistungen gezwungen wird und alles in die Freiheit über den Wolken setzt in einer der schwersten Ausbildungen der Welt und das erreicht hat, dann kracht die Seele zusammen. Sinnvoller Kampfmodus aus, Routine an. Routine sagt sich dann, negative Gedanken, obwohl ich mehr erreicht habe als die ganzen Leute, die mich fertig gemacht haben. Seele kracht zusammen, Widersacher sind dann Opfer, Schulbus oder Airbus. Unschuldig war auch er, so wie die Opfer des Airbus auch unschuldig sind.
Stummfilm
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Stummfilm »

Ich kann das mit den unschuldigen Menschen auch nicht mehr hören. Es gibt keine unschuldigen Menschen, es gibt nur Menschen.
Ebenso habe ich auch kein Verständnis für die Zahlungen an Hinterbliebene. Was soll denn Germanwings machen? Wie wäre das Geschrei gewesen, wenn sie einen depressiven nicht genommen hätten? Von den Rückzahlungen geht ein ziemlich schlechtes Signal aus. Es war ein Unglück und daran müssen sich die Leute gewöhnen. Germanwings hat sich am Tod der Passagiere nichts zu Schulden kommen lassen, und das hätte man auch bei aller Tragik signalisieren müssen.
Ich will nicht mit der angeblichen Traumatisierung belästigt werden. Das wären ohne Flugunfall die Leute, die uns traumatisierten erzählt hätten, dass das Leben doch weitergeht und bla.
Girlxxx

Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Girlxxx »

Stummfilm hat geschrieben:Ich kann das mit den unschuldigen Menschen auch nicht mehr hören. Es gibt keine unschuldigen Menschen, es gibt nur Menschen.
Ebenso habe ich auch kein Verständnis für die Zahlungen an Hinterbliebene. Was soll denn Germanwings machen? Wie wäre das Geschrei gewesen, wenn sie einen depressiven nicht genommen hätten? Von den Rückzahlungen geht ein ziemlich schlechtes Signal aus. Es war ein Unglück und daran müssen sich die Leute gewöhnen. Germanwings hat sich am Tod der Passagiere nichts zu Schulden kommen lassen, und das hätte man auch bei aller Tragik signalisieren müssen.
Ich will nicht mit der angeblichen Traumatisierung belästigt werden. Das wären ohne Flugunfall die Leute, die uns traumatisierten erzählt hätten, dass das Leben doch weitergeht und bla.
Wenn man `unschuldig` sagt impliziert man, dass es potentiell durchaus `schuldige` geben kann...und das ist ja mit auch die Intention (d.h. das Verbrecherische der Tat möglichst gross und unwiderlegbar erscheinen zu lassen: wer Unschuldige tötet, ist `böser` als wenn er Schuldige töten würde: wer so denkt, hat zumindest indirekt und partiell auch ein Argument für die Todesstrafe). Zu fragen wäre aber dann: inwiefern hätten sie in diesem Kontext überhaupt schuldig sein können, rein theoretisch gefragt (ganz abgesehen vom Problem der Willens(un)Freiheit): hätten sie alle den Tod von Menschen verursacht haben müssen, oder was (selbst in Ländern mit Todesstrafe wird nicht jedes Verbrechen so bestraft)? Und wenn alle Schuldig gewesen wären: hätte das die Tat besser legitimiert (da der Täter von der möglichen Schuld der Opfer ja kaum hätte wissen können)?
Ist man entgegenkommender, könnte man das `unschuldig` auch als Ausdruck für die schlichte und korrekte Feststellung der grundsätzlichen Ungerechtigkeit und Absurdität des Lebens nehmen (und damit das Tragische, aber zum Leben notwendig dazugehörende, betonen). Wer allerdings so weit denkt/fühlt, dem werden vermutlich auch die ganzen Kategorien von Schuld, freier Wille, Sinn suspekt vorkommen, sprich: er wird sich nur reflexhaft-emotional mit seinen möglichen Anschuldigungen etc. identifizieren können (solche Reaktionen sind als reflexhaft-emotionale natürlich auch nachvollziehbar...dass man erst als `Opfer` darauf Gewicht legt, ist wohl allzumenschlich).
Stummfilm
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Stummfilm »

@ Girlxxx: Naja. Wenn dich jemand mit einem Messer anspringt, wird man Verständnis aufbringen, wenn du deine Waffe zückst. Damit meint man in der Alltagssprache das Wischiwaschiwort Schuld. Freilich müsste dein Angreifer nicht schuldhaft gehandelt haben im rechtlichen Sinne, also dass ihm die Tat auch vorwerfbar sein müsste. Und trotzdem dürftest du dich gegen einen Angriff wehren. Ich will nicht über die Notwehr diskutieren, nur darauf hinaus, dass es mehr für das Verständnis des Tötens gibt außer für die Todesstrafe zu sein.

Mich ärgert in dem Fall nur, dass der Unglückscharakter des Unfalls umgewandelt wird in eine Verantwortlichkeitsfrage.

Zudem fehlt es mir eindeutig an Mitleid. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass für viele der Umtausch Angehöriger gegen Bares kein schlechtes Geschäft sein dürfte. Aber die widerwertigen Seiten des Menschen darf man ja nicht hervorkehren. Ach, wenn hier jemand im Gericht arbeitete...
Und nein, das sind keine Ausnahmen. Wir haben kein Problem damit, dass für unseren Lebenswandel tagtäglich Tausende sterben müssen. Hätten wir auch nur ein kleines Problemchen, gäbe es dieses System nicht. Mit welchem Recht erheben sich die Leute bloß über diesen Kopiloten und auch über meine Meinung dazu?
Girlxxx

Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Girlxxx »

Stummfilm hat geschrieben:@ Girlxxx: Naja. Wenn dich jemand mit einem Messer anspringt, wird man Verständnis aufbringen, wenn du deine Waffe zückst. Damit meint man in der Alltagssprache das Wischiwaschiwort Schuld. Freilich müsste dein Angreifer nicht schuldhaft gehandelt haben im rechtlichen Sinne, also dass ihm die Tat auch vorwerfbar sein müsste. Und trotzdem dürftest du dich gegen einen Angriff wehren. Ich will nicht über die Notwehr diskutieren, nur darauf hinaus, dass es mehr für das Verständnis des Tötens gibt außer für die Todesstrafe zu sein.
Ich ging von der Situation aus, dass die Bezeichnung der Passagiere/Crewmitglieder als unschuldig, falls wörtlich genommen, impliziert, dass, wären sie schuldig, dies den Charakter der Tat ändern würde. Und wer das behauptet, dass also das Töten von Schuldigen die Schwere der Tat mildere (bzw. die Angemessenheit des Geschehens insgesamt erhöhe) , impliziert, dass das Töten von Schuldigen irgendwie legitimer bzw. akzeptabler ist als das von Unschuldigen (und insofern das Töten von Schuldigen auch als Strafe zumindest irgendwie billigen können muss. Wäre es anders spielte der Status der Getöteten als schuldig/unschuldig überhaupt keine Rolle, da dann das Töten von wem auch immer(ausgenommen Notwehr etc.) gleichrangig (!) illegitim wäre. Und diverse Verfassungen behaupten genau dies: dass die Würde jedes (!) Menschen unverlierbar bzw. unantastbar sei, folglich dann auch die Todesstrafe verboten sei). Nimmt man Schuld hier wörtlich (genauer: so wie es am häufigsten verwendet wird), so scheint das die notwendige Implikation, ansonsten mir nicht klar ist welchen Sinn es überhaupt macht von unschuldigen Opfern zu reden.
Du beziehst dich hingegen auf das Recht unschuldig Angegriffener (und da frage ich mich ob ein `Schuldiger` kein Recht auf Notwehr hätte, zumindest wenn seine Schuld nicht der direkte Auslöser seines angegriffen Werdens entspränge und insofern der Ausdruck `unschuldig` auch in diesem Kontext zumindest explizierungsbedürftig wäre). Aber wenn man die Opfer als unschuldig bezeichnet hat, so tat man das doch sicherlich nicht um zu betonen, dass sie den Co-Piloten hätten unschädlich machen dürfen/sollen, sondern um die Schwere der Tat zu betonen (also gerade auch irgendwie die Schuld des Täters implizierend!) oder aber der Ausdruck `unschuldig` wird nicht wörtlich genommen und mehr als Metapher gebraucht (also um das `Unverdiente` der unterschiedlichen Lebensgeschicke mit ihren Zufälligkeiten anzuzeigen oder doch zumindest solch offensichtlich unterschiedslos in Mitleidenschaft ziehender Ereignisse ...allerdings wäre das Wort `unschuldig` dann eher unglücklich gewählt).
Mich ärgert in dem Fall nur, dass der Unglückscharakter des Unfalls umgewandelt wird in eine Verantwortlichkeitsfrage.
Du hast den Status des Piloten/der Fluggesellschaft im Auge, spricht man aber von der Unschuld der Opfer (siehe oben) geht es aber natürlich auch um jenen der Opfer.
Ein behauptetes sich gegenseitig Ausschliessen von Schuld und Unglück wäre im übrigen auch bei einem unterstellten freien Willen gar nicht gegeben. Jede freie Tat, da nicht erklärbar sondern nur als Willkür zu verstehen, hätte den Status eines zufälligen Unglücks bzw. eines eben solchen auslösenden.
Zudem fehlt es mir eindeutig an Mitleid. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass für viele der Umtausch Angehöriger gegen Bares kein schlechtes Geschäft sein dürfte. Aber die widerwertigen Seiten des Menschen darf man ja nicht hervorkehren. Ach, wenn hier jemand im Gericht arbeitete...
Nun, wenn ein Familienvater gestorben ist und die Familie mit einschneidenden finanziellen Engpässen rechnen muss, dann hat eine finanzielle Entschädigung natürlich ihren Sinn. Auch ist es die einzig denkbare `Wiedergutmachung` die ein Unternehmen überhaupt anzubieten hat (angenommen gerade auch wenn sie Schuld (im Sinne einer Verletzung von Sorgfaltspflichten) mittrüge am Geschehen). Auch weiss ich persönlich nichts über das faktisch vorhandene Leid/Mitleid betroffener Angehöriger oder ihrer Motive um finanzielle Entschädigung zu verlangen. Anzunehmen, dass für einige das Geld mehr wiegt als das Leben des Betreffenden muss nicht einmal unbedingt als niederträchtig interpretiert werden: vielleicht war ein Gestorbener im Leben ein `Scheusal` der sein Frau und Kinder misshandelte...(dies auch apropos `Unschuld` der Opfer). Dann wäre dies durchaus im Sinne einer Genugtuung bzw. Erleichterung über `stellvertretend` erfolgte `Notwehr` mit dauerhafter Unschädlichmachung des Täters verstehbar...der Denkmöglichkeiten sind viele und darum das in-den-gleichen-Topf-schmeissen zu vermeiden.
Und nein, das sind keine Ausnahmen. Wir haben kein Problem damit, dass für unseren Lebenswandel tagtäglich Tausende sterben müssen. Hätten wir auch nur ein kleines Problemchen, gäbe es dieses System nicht. Mit welchem Recht erheben sich die Leute bloß über diesen Kopiloten und auch über meine Meinung dazu?
Sie erheben sich vermutlich zunächst bewegt durch instinkthafte Notwehr(!)-Reflexe über den Piloten: wer solches verursachen kann, darf legitimerweise unschädlich gemacht werden. Wer allerdings mittels implizitem `freien Willen` argumentiert (wohinter oftmals schlichte Vergeltungswünsche sich verstecken), der müsste eben darlegen können inwiefern seine Prämissen überhaupt standhalten gegenüber kritischen Einwänden (aber eben: auch die Idee des `freien Willens` beruht wohl auf einer Art gesellschaftlichen Konsens, allerdings wäre er für eine emotional aufgeklärtere Menschheit gar nicht notwendig um den Schutz der Gesellschaft zu garantieren, wohl aber um ihr eigenes Bild als Handelnder aufrecht zu erhalten ...wobei ich zuletzt in `Psychologie heute` las, dass die Verabschiedung eines `freien Willens` für Täter vermutlich, d.h. vermutete, schlimmere Konsequenzen bzw. entsprechende gesellschaftliche Praxis hätte als beim Status quo...was ich bezweifle). Ich glaube schon, dass man allgemein die Kollateralschäden unserer Gesellschaft als Problem empfindet (intensiv allerdings erst dann wenn man sehr direkt betroffen wird), für Verkehrssicherheit wird ja z.B. viel Geld ausgegeben, nur: es geht da um Güterabwägung und da z.B. das, Kollateralschäden verursachende, Autofahren zu verbieten (oder generell Höchstgeschwindigkeit 20km/h einzuführen) wäre in der Güterabwägung nachteilig für die Grosszahl der Mitglieder der Gesellschaft bzw. deren subjektiv gemachten Güterabwägung wie auch für die Gesellschaft als Ganzes. Es würde ja implizieren in eine vormoderne Gesellschaftsform zurückzufallen (in eine die nicht funktional differenziert ist, und das scheint grundsätzlich nicht möglich zu sein, da diese autopoietisch sich selbst erhaltend sind...) oder doch zumindest dass massiv nachteilige Umstellungsprobleme zu (er)tragen wären. Kurzum: Problembewusstsein kann zugleich damit existieren Einzusehen, dass solche Kollateralschäden unvermeidlich sind (was allerdings nicht geht, ist ein Problembewusstsein zu haben und zu glauben, dass es auch ohne Problemlösung keine Kollateralschäden zu geben bräuchte bzw. für solche immerzu nach Schuldigen Ausschau zu halten).
Stummfilm
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Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Stummfilm »

@ Girlxxx: Ich stimme dir großteils zu. Hinter dem unschuldig steckt, wenn es sich nicht gerade um Notwehr handelt, ein Rachewunsch. Aber dass du das erkennst spricht dafür, dass auch du so tickst, eben wie ein Mensch.
Das klassische Beispiel: Wenn dein Kind Opfer eines Mörders ist... Kennt man ja.
Ich kann es durchaus verstehen und würde nicht in eine Krise stürzen, wenn ein Mobber nach einem jahrelangen Martyrium deren Leben auslöscht. Fällt auch nicht unter Notwehr und bezieht sich auch nicht auf ein konkretes Ereignis. Nach unserem Rechtssystem hätten die Täter nichts zu befürchten. Die Vorwürfe wären zu vage und man könnte nichts hieb- und stichfest nachweisen. Und trotzdem würden sich die meisten denken, dass man den Amokläufer irgendwie verstehen kann.

Das ist meine emotionale Seite. Würde es bei der Todesstrafe immer die richtigen treffen und wäre sie effektiv, wäre ich durchaus für sie. Sie ist es aber nicht. Im Gegenteil. Die hartnäckigsten Kämpfer für sie hätten sie am ehesten verdient.

Ich befürworte also nicht, dass man den Rechtsstaat den Emotionen opfert. Die Todesstrafe und das Lynchen müssen aus gutem Grund verboten bleiben. Und das wissen viele, nehme ich an.

Zum anderen Part: Es wird aber auch Frauen geben, die ihren Gatten schon so loswerden wollten. Ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn man die Lebensdauer einer heutigen Ehe berücksichtigt. Das Universum ist nicht gerecht, gut möglich, dass der gegangene erlöst wurde.

Ich gäbe ihnen konkret nichts. Und zwar allen. Die Leute werden wieder fliegen, weil sie müssen. Und wenn die Hinterbliebenen wirklich nicht mehr fliegen wollen, mei. Es gibt genug Nachschub.

Man denke nur an die unzähligen Skandale in Supermärkten. Ein bisschen rauschen im Medienwald, das wars dann. Die Leute kaufen weiter dort ein. Vielleicht sollte man den gegen die Wand Gelaufenen auch mal klar machen, dass sie sich nicht zu echaufieren brauchen, weil sie keine Macht haben, die haben sie nämlich freiwillig abgegeben.
Girlxxx

Re: Germanwings-Flug 4U9525

Beitrag von Girlxxx »

Stummfilm hat geschrieben:@ Girlxxx: Ich stimme dir großteils zu. Hinter dem unschuldig steckt, wenn es sich nicht gerade um Notwehr handelt, ein Rachewunsch. Aber dass du das erkennst spricht dafür, dass auch du so tickst, eben wie ein Mensch.
Das klassische Beispiel: Wenn dein Kind Opfer eines Mörders ist... Kennt man ja.
Für mich steckt, in Gewichtung entsprechend der Reihenfolge, vermutlich Folgendes dahinter: 1. Metapher (also das `unverdient`-irrationale Los hervorhebend), 2. das Unerhörte der Tat betonend, mit impliziter Schuldunterstellung (und hier nur ganz am Rande und eher unplausibel das Notwehr-Argument, zuvorderst aber basierend auf Wut, Hass, Ohnmacht, Trauer etc. die Schuldzuweisung auch um seinen Gefühlen ein Zielobjekt geben zu können...wobei das hier natürlich ins Leere läuft).
Ich habe mich moralisch nie über Jedermann gestellt. Ich habe lediglich gesagt, dass eine völlige Identifikation mit einer `freien Willen`-Argument und deren Folgerungen meinerseits nie eintreten wird, weil die nicht-Existenz eines freien Willens mir als Erkenntnis vor über 20 Jahren ins Hirn gebrannt wurde durch Erkennen dessen Undenkbarkeit. Sag niemals nie trifft aber für den Skeptiker alleweil auch zu...
Aber dein Argument scheint mir grundsätzlich nicht stichhaltig: allenfalls könnte man unterstellen, dass ein Betreffender der sich so äussert, irgendwann auch so `getickt` hat, mehr nicht (und selbst dies scheint nicht mir nicht notwendig erforderlich).
Ich kann es durchaus verstehen und würde nicht in eine Krise stürzen, wenn ein Mobber nach einem jahrelangen Martyrium deren Leben auslöscht. Fällt auch nicht unter Notwehr und bezieht sich auch nicht auf ein konkretes Ereignis. Nach unserem Rechtssystem hätten die Täter nichts zu befürchten. Die Vorwürfe wären zu wage und man könnte nichts hieb- und stichfest nachweisen. Und trotzdem würden sich die meisten denken, dass man den Amokläufer irgendwie verstehen kann.
Du meinst Gemobbter?
Das ist meine emotionale Seite. Würde es bei der Todesstrafe immer die richtigen treffen und wäre sie effektiv, wäre ich durchaus für sie. Sie ist es aber nicht. Im Gegenteil. Die hartnäckigsten Kämpfer für sie hätten sie am ehesten verdient.
Ich bin mir da noch nicht definitiv im Klaren. Ich bin nicht dogmatisch (wohl aber mit starker Tendenz auf Grund der Argumente die mir bekannt sind...eine zentrale Frage ist ob Todesstrafen den Strafzweck erfüllen oder nicht, was ja stark umstritten ist) gegen die Todesstrafe. Allerdings gegen das Argument `verdient haben`. Das ist wie gesagt grundsätzlich unbrauchbar bzw. setzt nicht begründbare Prämissen voraus.
Ich befürworte also nicht, dass man den Rechtsstaat den Emotionen opfert. Die Todesstrafe und das lynchen müssen aus gutem Grund verboten bleiben. Und das wissen viele, nehme ich an.
Rechtsstaat und Emotionen sind nicht zu trennen. Warum strafen wenn kein emotionales Bedürfnis danach bestünde? Ich bin mir nicht sicher wie die geltenden Straftheorien in den einzelnen Staaten formuliert werden: weder bezüglich der Form des vorausgesetzten Freiheitskonzepts noch bezüglich der Funktion von Strafen...ob bei letzterem z.B. die Idee von Vergeltung (die Hand in Hand ginge mit Zurechnungsfähigkeit, also eigentlich nur mit einem inkomp. freien Willen kompatibel wäre) Teil des deutschen Strafrechtes bzw. deren Begründung ist. Allerdings spricht die Forderung, dass Strafen der Tat angemessen sein müssen stark für ein vergeltungstheoretisches Moment...und nur die dem Vergeltungswunsch zugrunde liegenden Emotionen/Bedürfnisse sind die problematischen.
Auch ist, wie gesagt, die Todesstrafe nicht a priori abzulehnen (zumindest wäre auch das argumentativ aufzuzeigen), aber das Insgesamt der Gründe spricht wohl dagegen. Lynchen ist wiederum mit einem Rechtsstaat und entsprechender Gewaltenteilung inkompatibel.
Zum anderen Part: Es wird aber auch Frauen geben, die ihren Gatten schon so loswerden wollten. Ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn man die Lebensdauer einer heutigen Ehe berücksichtigt. Das Universum ist nicht gerecht, gut möglich, dass der gegangene erlöst wurde.
Wie? Mittels Flugzeugabsturz? Kann eine Frau nachweisen, dass sie seit Jahren misshandelt wird und in einer völligen Ohnmachtssituation lebte (nicht aber notwendig im Affekt handelte!) wird dies mit Sicherheit als strafmildernd in Rechnung gestellt (und das was sonst als kaltblütiger Mord erschiene evtl. sogar im Extremfall als Notwehr taxiert).
Ich gäbe ihnen konkret nichts. Und zwar allen. Die Leute werden wieder fliegen, weil sie müssen. Und wenn die Hinterbliebenen wirklich nicht mehr fliegen wollen, mei. Es gibt genug Nachschub.
Warum nicht? Falls die Airline gemäss Gesetz als unschuldig frei gesprochen wird, dann erübrigt sich die Sache. Besteht aber der Verdacht, dass sie fahrlässig ihre Pflichten nicht nachkam, dann muss natürlich auch die Airline bestraft werden. Und die sinnvollste Weise dies zu tun, scheint dass die direkt Verantwortlichen bestraft werden (so sie denn auszumachen sind). Die Airline müsste verpflichtet werden ihre Standards zu erhöhen und zumindest an finanziell stark betroffene Hinterbliebene Geld zu zahlen, da müsste die Airline für die direkt Verantwortlichen einstehen (sehr problematisch dann aber nicht allen Hinterbliebenen gleich viel zu geben...oder pro gestorbenem Angehörigen und in Anbetracht dessen noch anzunehmender Lebenserwartung...lassen wir das).
Man denke nur an die unzähligen Skandale in Supermärkten. Ein Bisschen rauschen im Medienwald, das wars dann. Die Leute kaufen weiter dort ein. Vielleicht sollte man den gegen die Wand gelaufenen auch mal klar machen, dass sie sich nicht zu echaufieren brauchen, weil sie keine Macht haben, die haben sie nämlich freiwillig abgegeben.
Das ist nicht der Punkt. Strafen sollen eben über das blosse Weh-tun hinaus (oder gar nur) einen positiven Effekt haben, hier dass sich Warenhäuser um die gesetzlich geforderten Standards bemühen müssen und nicht auf Kosten von Angestellten oder Kunden ihre Taschen mit Geld vollstopfen und dafür hat man Macht bestimmt nicht freiwillig abgegeben (wie das faktisch niemand tut...man wird in Gesellschaften geboren deren Gesetze etc. man zu akzeptieren hat, wollen hin oder her und was ist schon freiwillig? Aber lassen wir auch das: das führte weit in den Dschungel kompat. Freiheitsargumentation hinein ). Ansonsten müsste man ja auch für einen Laisser-faire Kapitalismus votieren...Gott bewahre (den kennt man ja und wer fände den wünschenswert?).
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