Wieso glauben manche Menschen fast alles?

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Thanatos
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Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Thanatos »

...wenn man es ihnen richtig verpackt. Da ich gestern wieder einmal ein Erlebnis mit Frömmlern hatte, das mich fast zur Verzweiflung brachte, erlaube ich mir heute eine kleine Umfrage.
Ob nun religiös, ideologisch oder wie auch immer: Was geht im Kopf von Menschen vor, die offenbar einfach alles glauben, wenn es sich für sie gut anhört? Vor einigen Monaten dachte ich, die Antwort gefunden zu haben, aber mittlerweile scheint sie mir nicht mehr ausreichend.
Schreibt bitte einfach, was euch dazu einfällt, völlig egal was. Helft mir bitte, Verblendete zu verstehen!
Thorsten3210
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Thorsten3210 »

Das liegt wohl (auch) an dem Wunsch, von anderen geliebt zu werden (=Mensch als soziales Wesen). Je nach dem, wie das Bedürfniss nach sozialen Kontakten (und des Selbstwertgefühls) beim Einzelnen ausgeprägt ist, und was für ein Verhältnis zwischen emotionaler und rationaler Steuerung vorliegt, so liegt das Maß der Beeinflussbarkeit unterschiedlich hoch. Und mit zunehmendem Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein steigt die Unabhängigkeit von der Meinung anderer.....Wenn die erste schwere menschliche Enttäuschung kommt, ist es oft vorbei mir der Leichtgläubigkeit. Der Mensch wird misstrauischer, und gibt nicht mehr so leicht jemanden einen Vertrauensvorschuss.
Zuletzt geändert von Thorsten3210 am Freitag 9. Januar 2015, 12:50, insgesamt 1-mal geändert.
Thanatos
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Thanatos »

Gute Antwort, danke. Näheres später.
Deadly Snowflake

Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben:...wenn man es ihnen richtig verpackt. Da ich gestern wieder einmal ein Erlebnis mit Frömmlern hatte, das mich fast zur Verzweiflung brachte, erlaube ich mir heute eine kleine Umfrage.
Ob nun religiös, ideologisch oder wie auch immer: Was geht im Kopf von Menschen vor, die offenbar einfach alles glauben, wenn es sich für sie gut anhört? Vor einigen Monaten dachte ich, die Antwort gefunden zu haben, aber mittlerweile scheint sie mir nicht mehr ausreichend.
Man könnte ergänzend fragen warum manche Menschen alles glauben was sich für sie schlecht anhört...
Natürlich ist es die Ausprägung der Ratio (im Verhältnis zur Ausprägung irrationaler Tendenzen) die hier die Empfänglichkeit für Irrationales steuert (ob optimistisch oder pessimistisch), daneben aber auch das Gewicht dessen was man zu verlieren hat...sowohl wer viel zu verlieren hat als auch wer nichts zu verlieren hat, kann davon betroffen sein (ersteres würde auf Plausibilität, Konsistenz eben Vernünftigkeit rekurrieren, letzteres wäre mitentscheidend für das Aufrechterhalten von psychischen Abwehrmechanismen aber auch rationalen Immunisierungsstrategien). Viele Pessimisten können ihre Position doch argumentativ nur schlecht begründen, auch da also eine Dominanz des Gefühls über die Ratio (wobei das Motiv der Favorisierung von Theorien letztlich immer sub-rational ist).
Unter dem Strich, und damit die Ausgangsfrage beantwortend: jeder wählt auf einer Metaebene (quasi Interesse 2. Ordnung) immer das was für ihn das Beste ist (selbst wenn es sich für ihn schlecht anhört, ist das gültig)...in der Regel ist aber das solcherart konkret Favorisierte (Interesse 1. Ordnung) optimistisch gefärbt weil das Beste auf der konkreten Ebene psychischen Erlebens in der Regel das Lebensbejahende und Glücksverheissende ist (hierzu andere Thesen auch bei: Hagendorff `Pessimismus`) und dies weil Menschen in der Regel faktisch gerne leben (ob nun eingebildet oder nicht).
Im übrigen halte ich wenig von einer permanenten Entlarvungs-Einstellung anderen gegenüber (es sei denn man selber steht im Focus solcher Betrachtung oder die Fremdbeobachtung dient letztlich und primär der Selbsterkenntnis): a) wird es doch irgendwann einfach langweilig und repetitiv und b) erweckt es die kaum abweisbare Vermutung man wolle (man hat seine Gründe) nicht vor der eigenen Haustüre kehren (auch der Nihilist und Pessimist versteckt seine Dogmen unter dem Talar...auf alle Fälle hat mich noch kein Nihilismus/Pessimismus überzeugt...JEDER beruht notwendigerweise auf gesetzten Voraussetzungen und Annahmen, da gibt es keinen Weg dran vorbei, darum auch die Skepsis als notwendige Ingredienz jeder Weltanschauung).
Zuletzt geändert von Deadly Snowflake am Samstag 10. Januar 2015, 01:19, insgesamt 5-mal geändert.
Deadly Snowflake

Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thorsten3210 hat geschrieben:Das liegt wohl (auch) an dem Wunsch, von anderen geliebt zu werden (=Mensch als soziales Wesen). Je nach dem, wie das Bedürfniss nach sozialen Kontakten (und des Selbstwertgefühls) beim Einzelnen ausgeprägt ist, und was für ein Verhältnis zwischen emotionaler und rationaler Steuerung vorliegt, so liegt das Maß der Beeinflussbarkeit unterschiedlich hoch.
Das sind sicher Motive und Eigenschaften unter vielen (und die Nennung eines speziellen scheint immer etwas willkürlich, wobei gerade der Pessimist Schopenhauer z.B. den Herden- (bzw. Sozial-)trieb nicht als einen primären Trieb des Menschen einstufte, sondern als Kompensationsgeschehen). Zudem sind Herdentrieb und Irrationalität ja nicht notwendig (wenn auch tendenziell) korreliert: es gibt x Gruppierungen die sehr rational ausgerichtet sind (wie es ja überhaupt um an `das Gute glauben` geht und ob solches irrationaler ist als das Gegenteil muss immer zuerst rational begründet und nicht bloss behauptet werden) . Aber, man will in der Regel irgendeinen Herdenanschluss bewahren und selbst der Einsame wird zunächst nach Kompensation für solches Ausschau halten (und sei es im pesssimistischen Lager und sei es nur ideell-virtuell). Die Tendenz zum Lebens-und Glücksbejahenden (und damit tendenziell zum Glauben an das Gute) greift wesentlich tiefer; mit dem Verlust sogar jeglicher Herdenzugehörigkeit müssen die Würfel noch nicht gefallen sein (der Einsamste und Leidendste kann prädestiniert sein zum Gottsucher)...noch der Suizident will nicht unnötig leiden...von Ausnahmen abgesehen, aber auch da überwiegt letztlich immer ein Lustkalkül im weitesten Sinn...da gleichen sich eben alle ohne Unterschied, was idealistische Pessimisten natürlich nicht gerne zur Kenntnis nehmen: verständlicher Weise, da kaum jemand verblendungslos zu leben vermag, vielleicht und mit hoher Wahrscheinlichkeit: niemand. Was hiesse das denn: ohne Verblendung zu leben?! Das sind doch die entscheidenden und interessanten Fragen, nicht jene die einem beim Beschnüffeln des Nachbarn/Nächsten in den Sinn kommen...die Tierchen wollen doch nur glücklich sein, wie auch der Pessimist, ansonsten er keinen Grund hätte Pessimist zu sein...und mit pessimistischer Weltanschauung lebt es sich nun mal vorläufig besser als ohne (wobei solches trügen kann wenn erst mal ein Teufeskreis in Schwung kommt). Schnüffeln als Propädeutik mag ja durchgehen, aber man will/sollte doch auch mal `vorwärtskommen`.

PS: Apropos leichtgläubige `Frömmler`: die meisten Gläubigen wurden früh damit infiziert...was als Kind geglaubt wurde ist nur schwer abzuschütteln auch gegen jede möglicherweise vorhandene Rationalität (bei `Bekehrungen` im Erwachsenenalter wird es oft deutlich: der neue Glaube wird mit ungewöhnlicher Vehemenz vertreten wohl auch um den störrischen Kinderunglauben zum Schweigen zu bringen).
TheBest_Chan
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von TheBest_Chan »

Ich denke, Eigenschaften wie Naivität oder der Wunsch geliebt zu werden, greifen hier zu kurz. Die hier angesprochenen Religionen/Ideologien haben meist ja ein stark ausgeprägtes aggressives Element, das freilich meist verdeckt wird, z.B. durch ein ständiges, aber hohles Geplapper von 'Liebe'. Ausdruck davon ist z.B. die bereitwillige Unterwerfung der Mitglieder der Religion/Ideologie unter eine Autorität (z.B. den Guru einer Sekte). Ich denke, dass diese Menschen häufig über stark destruktive Persönlichkeitsanteile verfügen, und für diese ein Ventil benötigen.
Weitere Gründe sind meiner Meinung nach: Man darf sich als etwas Besonderes fühlen, als einer der wenigen Auserwählten, die die absolute Wahrheit kennen und nach ihr leben (Überkompensation eines Minderwertigkeitskomplexes), sowie die Suche nach einfachen und absoluten Antworten angesichts einer komplexen, vielschichtigen und verwirrenden Realität.
Thanatos
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Thanatos »

Deadly Snowflake hat geschrieben:...

PS: Apropos leichtgläubige `Frömmler`: die meisten Gläubigen wurden früh damit infiziert...was als Kind geglaubt wurde ist nur schwer abzuschütteln auch gegen jede möglicherweise vorhandene Rationalität ...
Das mag im Allgemeinen so sein, aber in der kleinen Gruppe fundamentalistischer Christen, die ich hin und wieder ertragen muss, ist es nicht der Fall. Es handelt sich da offenbar durchweg um traumatisierte Personen, die in der Religion Halt fanden, also nicht als Kind infiziert wurden.
Ich verstehe sie insofern, als dass sie dadurch, dass sie in der Religion Zuflucht fanden, auch wieder einen Halt im Leben bekamen. Ich will ihnen ihren Glauben ja nicht nehmen. Aber wenn sie mich schon einladen, müssen sie auch auf die eine oder andere Kritik von mir gefasst sein.
Bis vor Kurzem reichte mir noch folgende Antwort: Das Bedürfnis nach emotionaler Sicherheit kann so groß werden, dass sogar intelligente Menschen die Realität verleugnen, sich in Widersprüche verstricken, ohne es zu merken, wenn es dieser Sicherheit förderlich ist. Diese Antwort erscheint mir heute zu einfach.
Überdies nervt es mich, dass diese Fundamentalisten offenbar nicht in ihrem Glauben bleiben und dort ihr Leben leben können, sondern dass sie ständig damit beschäftigt sind, ihre Wahnideen anderen überstülpen zu wollen. Sogar eine Lehrerin nebst Enkelkind war anwesend. Für diese Dame sind Aufklärung und Evolutionstheorie schuld, dass die „heutige Welt“ so schlecht ist, und alles, was ihrem Weltbild widerspricht, ist „vom Teufel, dem Vater der Lüge“. Außerdem bemerkte ich, wie sie diesem armen Kind, etwa zwei Jahre alt, schon ihre Religion überzustülpen begann! Nein, dazu äußerte ich mich nicht. Ein gerütteltes Maß an Taktgefühl habe ich noch. Als Ausgleich habe ich ja euch, um mich auszuweinen. :wink: Danke fürs Zuhören.
Gruß vom Thanatos
Zuletzt geändert von Thanatos am Samstag 10. Januar 2015, 18:29, insgesamt 2-mal geändert.
Thanatos
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Thanatos »

TheBest_Chan hat geschrieben:Ich denke, Eigenschaften wie Naivität oder der Wunsch geliebt zu werden, greifen hier zu kurz. Die hier angesprochenen Religionen/Ideologien haben meist ja ein stark ausgeprägtes aggressives Element, das freilich meist verdeckt wird, z.B. durch ein ständiges, aber hohles Geplapper von 'Liebe'. Ausdruck davon ist z.B. die bereitwillige Unterwerfung der Mitglieder der Religion/Ideologie unter eine Autorität (z.B. den Guru einer Sekte). Ich denke, dass diese Menschen häufig über stark destruktive Persönlichkeitsanteile verfügen, und für diese ein Ventil benötigen.
Weitere Gründe sind meiner Meinung nach: Man darf sich als etwas Besonderes fühlen, als einer der wenigen Auserwählten, die die absolute Wahrheit kennen und nach ihr leben (Überkompensation eines Minderwertigkeitskomplexes), sowie die Suche nach einfachen und absoluten Antworten angesichts einer komplexen, vielschichtigen und verwirrenden Realität.
Auch eine gute Antwort, vielen Dank.
Übrigens: bei dem „hohlen Geplapper“ kommen außer „Liebe“ auch auffällig häufig die Vokabeln „Herz“ und „Gefühl“ vor. Mit „Liebe, Herz und Gefühl“ und zusätzlichen rhetorischen Tricks sind charismatische Prediger bestens bewaffnet. Vorher noch eine dreiviertel oder eine ganze Stunde Lobpreismusik, die dafür sorgt, dass die Emotionen rauf und der Verstand (sofern vorhanden) runter gefahren werden, und die Schäfchen werden fast alles glauben, was ihnen der Prediger erzählt.
Deadly Snowflake

Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Deadly Snowflake »

TheBest_Chan hat geschrieben:Ich denke, Eigenschaften wie Naivität oder der Wunsch geliebt zu werden, greifen hier zu kurz. Die hier angesprochenen Religionen/Ideologien haben meist ja ein stark ausgeprägtes aggressives Element, das freilich meist verdeckt wird, z.B. durch ein ständiges, aber hohles Geplapper von 'Liebe'. Ausdruck davon ist z.B. die bereitwillige Unterwerfung der Mitglieder der Religion/Ideologie unter eine Autorität (z.B. den Guru einer Sekte). Ich denke, dass diese Menschen häufig über stark destruktive Persönlichkeitsanteile verfügen, und für diese ein Ventil benötigen.
Weitere Gründe sind meiner Meinung nach: Man darf sich als etwas Besonderes fühlen, als einer der wenigen Auserwählten, die die absolute Wahrheit kennen und nach ihr leben (Überkompensation eines Minderwertigkeitskomplexes), sowie die Suche nach einfachen und absoluten Antworten angesichts einer komplexen, vielschichtigen und verwirrenden Realität.
Na ja, kommt halt immer drauf an von wem genau die Rede ist. Rede man von Islamisten welche ihre Gewaltbereitschaft mittels echter oder vorgetäuschter Religiosität und entsprechen selektiver Lesart des Korans legitimieren...oder die Masse friedlicher Gläubiger die sehr wohl intellektuell naiv sein müssen (zumindest im Bereich des Geglaubten...dies kann aber auch für reflektiertere Pessimisten/Nihilisten etc. zutreffen) in der Regel aber das Gute wollen (dass jeder irrationale Glaube grundsätzlich andere destruktive Potenzen mobilisieren oder legitimieren kann, ist wohl richtig, aber da spielt dann wirklich der konkrete Glaubensinhalt eine Rolle und/oder die Tendenz einen Führer, Schriftausleger mit Kadavergehorsam zu begegnen...im Islam gibt es eine solche unfehlbare Instanz gar nicht, im Gegensatz zum Katholizismus z.B.).
Destruktiv sind nicht nur Gläubige und warum sie durchschnittlich aggressiver sein sollten als nicht Gläubige will mir nicht recht einleuchten...da könnte man so oder so argumentieren. Bezüglich sich als etwas Besonders fühlen: mein Gott. die Gläubigen sind doch weltweit in der Überzahl, da könnten allenfalls Ungläubige sich dünken die Ausnahme zu sein...und solches ist weit verbreitet unter Pessimisten, Nihilisten und sonst wie Desillusionierten, die ihre Mechanismen der Kompensation haben und pflegen.
Bezüglich einfachen Antworten: das stimmt bestimmt, Komplexitätsreduktion etc., aber das trifft ebenso auf Pessimisten und Nihilisten zu.

Ich denke die Frage war, warum Personen positiv-optimistische Heilslehren leichtgläubig als wahr akzeptieren. Und da bleibe ich dabei: weil Menschen gerne leben oder gern ein lebenswertes Leben hätten, glauben sie Lehren die solches garantieren. Der ganze Selbsterhaltungstrieb, die Lebenslust mit seinen ihn stützenden Verfahren und Konzepten ist das Movens solchen Glaubens. Delikater wäre da schon die Frage warum Menschen bereit waren moralisch-aufgeklärte Werte im Faschismus und Nationalsozialismus zu `vergessen` (wiederum nur partiell, wie auch manch Gläubiger nur partiell die Ratio verabschiedet), da sie damit die `eingebläute` Verknüpfung von Gutsein/Erlösung zerschnitten, was der regulär durchschnittlich-naiv Gläubige nicht zu tun braucht. Aber darum waren im Nazismus auch weit stärkere Repressionsandrohungen von Nöten um die Menschen solcherart manipulieren zu können...aber das ginge etwas gar weit.
Zuletzt geändert von Deadly Snowflake am Samstag 10. Januar 2015, 19:21, insgesamt 1-mal geändert.
Deadly Snowflake

Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben: Übrigens: bei dem „hohlen Geplapper“ kommen außer „Liebe“ auch auffällig häufig die Vokabeln „Herz“ und „Gefühl“ vor. Mit „Liebe, Herz und Gefühl“ und zusätzlichen rhetorischen Tricks sind charismatische Prediger bestens bewaffnet. Vorher noch eine dreiviertel oder eine ganze Stunde Lobpreismusik, die dafür sorgt, dass die Emotionen rauf und der Verstand (sofern vorhanden) runter gefahren werden, und die Schäfchen werden fast alles glauben, was ihnen der Prediger erzählt.
Wer keinen oder wenig Verstand hat wird deshalb nicht gleichermassen alles glauben. Es gibt Gründe weshalb alle Religionen Erlösungsreligionen sind. Selbst der Hinayana-Buddhismus will Erlösung (also: einen besseren `Zustand` und sei dieser auch bloss als Ende des Leidens umschrieben oder gar als völlige Auslöschung). Auch weltverneinende Konzepte (Gnosis) kompensieren mit einer überirdisch-geistigen Heimat. Und solches gilt letztlich auch noch für Pessimismen und Nihilismen. Tu dir einen Gefallen und moniere nicht das allzu offensichtlich Naive und Kindische in Glaube und Religion. Grabe etwas tiefer und du findest ein gemeinsames Fundament auf dem ihr steht (Gläubige und nicht-Gläubige)...ich weiss: ein unerträglicher Gedanke sich gedanklich dem Glaubenspöbel nicht überlegen zu dünken, aber wer`s mit der Wahrheit und Redlichkeit ernst meint...aber: überlegen wird man sich selbst nach solch redlicher Sekunde immer wieder fühlen, weil es das Ego einfach braucht...nur schon angesichts solcher fast schon allgegenwärtiger anthropologischer Gegebenheiten (wieder ein gemeinsames Fundament) könnte man zum Pessimisten werden...wobei der Pessimist natürlich Recht daran tut sich nicht von solchen Eigenschaften zu emanzipieren ansonsten er ja (ungewollt) allenfalls noch Optimismus bezüglich der menschlichen Natur oder deren Überwindbarkeit vermitteln würde (Schopenhauer muss das geahnt haben).
Thanatos
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Thanatos »

Deadly Snowflake hat geschrieben:...
Wer keinen oder wenig Verstand hat wird deshalb nicht gleichermassen alles glauben. Es gibt Gründe weshalb alle Religionen Erlösungsreligionen sind. ...
Wenn er es gerade gebrauchen kann, wird er es glauben, mit oder ohne Verstand - auch als Nihilist, Optimist, Pessimist oder welcher Mist auch immer. Trotzdem kann man sich um intellektuelle Redlichkeit bemühen, selbst wenn sie nie voll erreicht werden kann.
Erdlösungsreligionen lösen nebenbei auch den Verstand auf, was wiederum sehr nützlich sein kann, um das Leben zu ertragen. :mrgreen:
Auch dir mein Dank.
Bis demneulich,
Thanatos
Deadly Snowflake

Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Deadly Snowflake »

Thanatos hat geschrieben: Wenn er es gerade gebrauchen kann, wird er es glauben, mit oder ohne Verstand - auch als Nihilist, Optimist, Pessimist oder welcher Mist auch immer. Trotzdem kann man sich um intellektuelle Redlichkeit bemühen, selbst wenn sie nie voll erreicht werden kann.
Wenn nicht zur Redlichkeit so doch zur Menschenkenntnis gehört, dass man nur sich selbst (wenn überhaupt) verändern kann. Warum definierst du deine Redlichkeit im Spiegel absoluten Stumpfsinns, der vermutlich gar nicht begreift was Redlichkeit überhaupt ist? Und ich meinte, dass der Pessimismus an sich eine Erlösungsfunktion hat bzw. kompensatorische Mechanismen bereitstellt und nicht, dass der Pessimist ab und zu sehnsüchtig aber vergeblich (die Redlichkeit lässt es nicht zu) ins andere Lager hinüberäugt (was aber ganz verständlich wäre und keinesfalls verächtlich, und schon gar nicht wenn er sich solches eingesteht).
Erdlösungsreligionen lösen nebenbei auch den Verstand auf, was wiederum sehr nützlich sein kann, um das Leben zu ertragen.
Auch Nihilismen und Pessimismen sind Erlösungskonzepte (wenn auch aus der desillusionierteren Not geborene...Erlösungs- und Bewältigungskonzepte für jene die auf Grund ihres rationalen nicht anders Könnens am Abgrund stehen)...ersichtlich am Mangel der Konsistenz und argumentativen Schwäche solcher Anschauungen (natürlich nicht ernst gemeint der Umkehrschluss). Siehst du den Erlösungsaspekt und den Kompensationscharakter solcher Lehren wirklich nicht? Wobei sie sich gerne auch irgendwann ins Gegenteilige verkehren, zumindest weit eher als übliche Religionen (in dem Sinn wäre auch Mainländers Schreiben und anschliessender Suizid allegorisch deutbar).
Auch dir mein Dank.
Willst du mir danken, dann lese mich LANGSAM und lerne...(sprach mein Ego :? )
Thanatos
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Thanatos »

An Deadly:
Vielleicht kurz etwas Allgemeines, warum ich mich überhaupt noch mit solchen Leuten, nämlich christlichen Fundamentalisten, abgebe: Weil ich diese Leute mag, zumindest die kleine Gruppe, die ich hin und wieder aufsuche. Wenn man jemanden mag, sei es Kind, Eltern, Geliebte oder Freunde, tut es nun mal weh zu beobachten, wenn sie sich daneben benehmen, in gewissen Situationen einfach nur Unsinn von sich geben, ihren Verstand - zumindest zeitweise – an der Garderobe abgeben oder Ähnliches. Vielleicht brauche ich es auch, mich ab und zu mal über das Tägliche hinaus ärgern zu dürfen. Weiß ich's? :wink:
Die Kritik, die ich dort äußere, hält sich in Grenzen. Nur die Lehrerin muss sich mehr gefallen lassen, weil ich bei ihr von einem höheren geistigen Niveau ausging, zumal sie überdies mit einem Wissenschaftler verheiratet ist. Aber gerade sie erscheint mir mittlerweile als die extremste Fundamentalistin. Eben dieses Phänomen bildet jetzt meinen „Forschungsgegenstand“.
Ich erzähle dir das, weil es mir leichter erscheint, dir dadurch ein deutlicheres Bild zu vermitteln, als wenn ich auf jeden deiner Kritikpunkte einginge.
Und, ja, auch meinen Pessimismus, Nihilismus oder was du mir noch so unterstellst, darfst du als eine Art Erlösungsfunktion oder „kompensatorischen Mechanismus“ bezeichnen, wenn's dir Spaß macht. Ich gründe aber daraus keine Religion, gehe nicht damit evangelisieren oder versuche generell, mein Weltbild anderen überzubraten.
Ich sehe auch die Nützlichkeit vieler Aspekte von Religionen. Kurz: Viele Leute haben eben nichts anderes als ihre (Erlösungs-) Religion, woran sie sich (fest-) halten können. Religion kann also eine nützliche Lebensbewältigungsstrategie sein. Allerdings halte ich den religiösen Fundamentalismus für brandgefährlich, weil der Übergang vom Fundamentalismus zum Fanatismus fließend ist. Diese „Frömmler“, mit denen ich es zu tun habe, sind eindeutig Fundamentalisten - nicht vergleichbar mit Gläubigen der Landeskirche, denen es offenbar eher um Rituale und Zusammengehörigkeitsgefühl geht als um den Inhalt eines heiligen Buches. Bei Letzteren befürchte ich eben nicht, dass sie alsbald mal wieder einen „Kreuzzug gegen das Böse“ führen.
Du kannst dir mit der Antwort Zeit lassen, wenn du magst, denn ich werde in den nächsten Tagen kaum Zeit für eine längere Erwiderung haben.
Gruß vom Thanatos
TheBest_Chan
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Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von TheBest_Chan »

Deadly Snowflake hat geschrieben: Bezüglich sich als etwas Besonders fühlen: mein Gott. die Gläubigen sind doch weltweit in der Überzahl, da könnten allenfalls Ungläubige sich dünken die Ausnahme zu sein...
Ich bezog mich mit meinem Beitrag nicht auf den ordinären Gläubigen (ein aufrichtiger und konstruktiv ins Leben integrierter Glauben ist mir im Gegenteil gar nicht mal unsympathisch), sondern auf Auswüchse (christliche/muslimische Fundamentalisten, Sekten etc.).
Deadly Snowflake

Re: Wieso glauben manche Menschen fast alles?

Beitrag von Deadly Snowflake »

TheBest_Chan hat geschrieben:
Deadly Snowflake hat geschrieben: Bezüglich sich als etwas Besonders fühlen: mein Gott. die Gläubigen sind doch weltweit in der Überzahl, da könnten allenfalls Ungläubige sich dünken die Ausnahme zu sein...
Ich bezog mich mit meinem Beitrag nicht auf den ordinären Gläubigen (ein aufrichtiger und konstruktiv ins Leben integrierter Glauben ist mir im Gegenteil gar nicht mal unsympathisch), sondern auf Auswüchse (christliche/muslimische Fundamentalisten, Sekten etc.).
O.k., dann liegst du wohl nicht ganz daneben...
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