Buchtipp

Private Interessensgebiete, Hobbies, Freizeit, Soziales, Berufliches, Umwelt; eigene Überlebens- und Problembewältigungs-Strategien; empfehlenswerte Literatur- und Medienbeiträge zum Thema Suizid, Selbstbestimmung, freier Wille usw.

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Girlxxx

Re: Buchtipp

Beitrag von Girlxxx »

And hat geschrieben:
Girlxxx hat geschrieben: Thanks...bestellt.
ich hab´ zu danken...
Eindrückliche und berührende Schilderung deiner `Erziehung` und was folgte. Meine Fragen: der letztere Teil des Buches ist ja optimistischer gestimmt, wie sieht deine jetztige Wirklichkeit gemessen daran aus. D.h. siehst du, dass du irgendwie weiterkommst im Sinne des Verzeihens oder bezüglich einer Sinnhaftigkeit des Ganzen also evtl. auch eines Einverständnisses bezüglich des Gefühls `nie gelebt zu haben`(dieser Aspekt scheint mir das Buch am wenigsten zu vermitteln...du wirkst in den Beschreibungen auf mich dauernd irgendwie sehr `lebendig`...was wohl vor allem an den Beschreibungen von Situationen äusseren lebendig seins wie auch an den retrospektiven Interpretationen liegt, die ich durchaus nicht alle verstand...und wie ich ahne an meiner eigenen Zombie-haften Existenz die alles ausser mir als lebendig vermutet)? Auch würde mich interessieren wie deine heutige `Beziehung` zu deinen Eltern/Schwester aussieht...nicht im Sinne von realem Kontakt, sondern vor allem bezüglich deinen Gefühlen ihnen gegenüber (das war ein weiterer Aspekt der mich traf und irgendwie erschütterte: dass du lange unfähig warst deine Mutter zu hassen bzw. auf sie wütend zu sein, auch dass hier eine Sehnsucht nach Lieben/Geliebt werden/Verzeihen können lebendig blieb und dominiert, trotz allem.) Auch sehr gut geschildert und erkannt fand ich das Dilemma einerseits das Verhalten deiner Eltern verstehen, erklären, damit aber auch entschuldigen zu wollen/müssen und der Gefahr dadurch dich selbst zu verlieren/aufzugeben und die Frage wie man da auf einem schmalsten Grat balancieren können soll. Das ist ja auch ein psychisches Problem ersten Ranges wenn man einen freien Willen negiert...

Kann das Buch allen empfehlen die eine intensive Beschreibung von gewalttätiger und menschenverachtender Erziehung und deren Folgen wie auch deren subtile Reflexion suchen. Auch sprachlich fand ich das Buch recht eindrücklich...trotz seines schweizerischen Hochdeutsch :wink:

PS: Verstehe dich um einiges besser nach Lektüre des Buches...zugleich ist mir klar Wesentliches nicht nachvollziehen zu können. :(
And
Beiträge: 1202
Registriert: Dienstag 24. November 2009, 19:11
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Re: Buchtipp

Beitrag von And »

"schweizer hochdeutsch" - den quatsch hat sich mein vermarkter einfallen lassen - der rechtschreibung wegen. :roll:

oh ja, in der zeit des schreibens war ich permanent unterwegs & habe mich der optimistischen hoffnung hingegeben, dass ich innerlich in frieden käme, wenn ich meinen platz gefunden hätte. weit gefehlt, das ständige reisen selbst hat meine zustände z.t. kompensiert & ich habe mir idyllischste optimistische bilder gemalt. reines kopfkino - im grunde ein erzwingen-wollen einer "guten" realität. die echte realität des horrors hat mich ein jahr später umso heftiger eingeholt (& damit die suizidalität).
seit mir langsamst bewusst wurde, dass mich äussere veränderungen (wie orte & beziehungen) kein bischen mehr heilen, sehe ich, wie sehr ich über 20 jahre lang in purem wunschdenken gedacht & agiert habe - auch weil die verletzungen derart tief in´s körperliche empfinden eingedrungen sind (gleichzeitig eine art kerker erschaffen haben), dass sie jenseits des greifbaren / verständlichen von innen heraus wüten, zerstören.

heute (8 jahre später) spüre ich manchmal für bruchteile von sekunden, wieviel nie eingestandene/r wut, trauer, hass, resignation, menschenscheu, schuldempfinden, rationalität & wassweissich sich hinter der mauer aus angst & horror verschanzen. auch das ganze verzeihen-wollen - reine kopfgebilde, aus dem immer noch kindlichen wunsch (& erschreckter ungläubigkeit) geboren, geliebt zu werden.
aber eben, es sind kleinste bruchstücken abgespaltener gefühle. auch wenn ich heute keine kraft & motivation mehr finde, gefallen zu wollen, bleibt der zugang zu den echten gefühlen durch "irgendetwas grauenvolles" versperrt. einzige ausnahme sind sehr seltene träume, in denen ich den psych. schmerz & demütigung klarer spüre & mich wehre (beides ist in der wach-realität noch niemals vorgekommen).

fazit - jetzt würde ich vieles schon völlig anders schreiben, doch faktisch aus einem fast totalen vakuum heraus. mglw. erschreckender als das, was dort steht...
And
Beiträge: 1202
Registriert: Dienstag 24. November 2009, 19:11
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Re: Buchtipp

Beitrag von And »

Marc Elsberg: ZERO - Sie wissen, was du tust

thriller über persönlichkeitsmanipulation durch soziale netzwerke bis hin zum suizid. scheinbar sience fiction, doch technisch sicher kein unrealistisches senario mehr. literarisch nicht unbedingt aussergewöhnlich, doch die story ist durchaus spannend.

http://de.wikipedia.org/wiki/Zero_%E2%8 ... as_du_tust
http://www.amazon.de/ZERO-Sie-wissen-tu ... sberg+zero
Balduin
Beiträge: 686
Registriert: Donnerstag 30. September 2010, 17:24
Wohnort: Deutschland

Re: Buchtipp

Beitrag von Balduin »

In seinem Buch "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt" schildert Florian Huber die unzulässiges Wort in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Zehntausende nahmen sich demnach das Leben, vor allem in den heutigen östlichen Bundesländern und in den Ostgebieten. Erhängen, erschießen, vergiften und vor allem sich ertränken waren die häufigsten Methoden. Auch Leuchtgas nahm man, ich vermute, Tod durch das Gas im Backofen, das damals giftig war. Ganze Sippen löschten sich aus, nicht selten Hunderte von Menschen pro Ort.
MissDestruktiv
Beiträge: 48
Registriert: Donnerstag 2. April 2015, 03:55

Re: Buchtipp

Beitrag von MissDestruktiv »

Balduin hat geschrieben:In seinem Buch "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt" schildert Florian Huber die unzulässiges Wort in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Zehntausende nahmen sich demnach das Leben, vor allem in den heutigen östlichen Bundesländern und in den Ostgebieten. Erhängen, erschießen, vergiften und vor allem sich ertränken waren die häufigsten Methoden. Auch Leuchtgas nahm man, ich vermute, Tod durch das Gas im Backofen, das damals giftig war. Ganze Sippen löschten sich aus, nicht selten Hunderte von Menschen pro Ort.

Na so ein Zufall! Genau heute erfuhr ich übers Internet zufällig von diesem Buch. Da mich sowohl die Themen Suizid als auch die Weltkriege interessieren, werde ich zusehen, dieses Buch irgendwo herzubekommen und zu lesen.
:D
Balduin
Beiträge: 686
Registriert: Donnerstag 30. September 2010, 17:24
Wohnort: Deutschland

Re: Buchtipp

Beitrag von Balduin »

Zwei Teenager aus Kentucky haben genug von allem, lernen sich in einem Suizidforum kennen und planen, gemeinsam Schluss zu machen. Das passt doch prima hierher. In Jasmine Wargas Roman „Mein Herz und andere schwarze Löcher“ will Aysel ihr Leben beenden und antwortet auf eine ebensolche Kontaktanzeige. Überraschend steht dann der attraktive Roman vor ihr. Beide haben, aus unterschiedlichen Gründen, starke Schuldgefühle und leiden unter schweren Depressionen.

Diese „schwarze Qualle“, wie sie ihre Depression nennt, quält Aysel jeden Tag, obwohl sie eine recht gute Schülerin ist und in einem Büro für Telefonmarketing jobbt. Roman kommt mit dem Tod der Schwester nicht klar. Zwischen beiden funkt es dann aber, und irgendwann will Aysel gar nicht mehr sterben, sondern gemeinsam mit Roman weiterleben. Bei ihr weicht unerträgliche Schwere einer perlenden Leichtigkeit. Roman hält unverändert an seinem Plan fest, von einer Steilklippe zu springen.

Wie wird’s ausgehen? Interessant finde ich Romans Mutter, eine wirklich herzensgute Frau, die sich trotz des Todes der kleinen Tochter fröhlich zeigt und nun auch den Sohn verlieren soll. Weil der sich die Schuld für den Tod der Schwester gibt. Quält Roman, 17, die Mutter nicht viel mehr, wenn er sich umbringt, anstatt als einziges Kind sein Leben in Angriff zu nehmen? Eigentlich mehr als ein Jugendroman, ein Buch für alle.
Balduin
Beiträge: 686
Registriert: Donnerstag 30. September 2010, 17:24
Wohnort: Deutschland

Re: Buchtipp

Beitrag von Balduin »

Robert Enke nahm sich 2009 das Leben. Ronald Rengs Biografie des deutschen Nationaltorwarts ist lesenswert und gut geschrieben, es gibt lange Passagen über den Fußball, aber sehr viel mehr als das. Dieses Buch schildert, wenn man das in diesem Fall so sagen will, auf packende und auch bedrückende Weise, wie ein Mensch an einer wiederkehrenden Depression erkrankt und er es nicht wagt, damit an die Öffentlichkeit zu gehen und die Hilfe im notwendigen Umfang anzunehmen.

Am Ende brannten, wie Reng es beschreibt, im Fall Enke alle Warnlampen tiefrot, der Mann war akut suizidgefährdet, wie man es nur sein kann, und trotzdem kam es nicht zu der dringend notwendigen fachärztlich-stationären Behandlung. Das macht einen beinahe wütend, denn der Verein und sein direktes Umfeld hätten hier einschreiten können und sollen. Robert Enkes Weg führte ihn zu einem Bahnübergang, in die Selbstzerstörung. Das hätte nicht sein müssen.
Nanu
Beiträge: 23
Registriert: Mittwoch 15. Oktober 2014, 16:10
Wohnort: Austria

Re: Buchtipp

Beitrag von Nanu »

Fallen lassen
Brigitte Schwaiger, 2006

Die Autorin des Bestsellers 'Wie kommt das Salz ins Meer' (1977) schildert autobiographisch ihre Erlebnisse in der Psychiatrie, die immer gleichen Muster und Rituale, Beschäftigungstherapien sowie den Kreis der Mitpatienten vom Universitätsprofessor bis zum Drogenabhängigen. Ebenso thematisiert sie in diesem Buch ihre Depressionen und Suizidversuche.

"Wenn ihr nicht wisst, was ihr rettet, dann rettet es nicht. Es ist nicht euer Leben, es ist unantastbar, mein Leben, für euch, auch wenn ich es zerstören will."

Brigitte Schwaiger wurde im Juli 2010 leblos in einem Seitenarm der Donau in Wien aufgefunden. Man geht von Suizid aus.
Girlxxx

Re: Buchtipp

Beitrag von Girlxxx »

Erwin Chargaff: `Die Aussicht vom 13. Stock`.
S.102: "Unsere Zeit ist vielleicht die erste in der Geschichte, von der man wird sagen können, sie sei stumpf und dumpf und ohne den geringsten Schein einer hellen Hoffnung in den Abgrund der Zukunft gestürzt."...dem würde ich zustimmen, mit der offenen Frage ob man davon wird sprechen können.

Ein insgesamt skeptisch-pessimistischer Autor (war selber Biochemiker und vehementer Kritiker des modernen Wissenschaftsbetriebes).
Balduin
Beiträge: 686
Registriert: Donnerstag 30. September 2010, 17:24
Wohnort: Deutschland

Re: Buchtipp

Beitrag von Balduin »

„Ich halts nicht mehr aus mit mir – Tut mir leid“

Sigrid Schäfers Buch Ich hab euch alle sehr geliebt. Das Vermächtnis meiner Tochter, die sich das Leben nahm erschien 2000.
Thanatos
Beiträge: 1580
Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Re: Buchtipp

Beitrag von Thanatos »

Das Buch selbst passt nicht so ganz hierher, aber es enthält einige Passagen, die hierher passen:
Franz M. Wuketits, Was Atheisten glauben.
Girlxxx

Re: Buchtipp

Beitrag von Girlxxx »

Boris Wandruszka: `Philosophie des Leidens` (anspruchsvoll, aber lesenswert).

"Das Herz der Dinge ist das Leid" (Vergil)
"Es gIbt im Leiden eine Abwesenheit der Zuflucht. Sie ist der Sachverhalt, direkt dem Sein ausgesetzt zu sein." (Emmanuel Levinas)
Thanatos
Beiträge: 1580
Registriert: Freitag 5. Februar 2010, 10:48

Re: Buchtipp

Beitrag von Thanatos »

Ein amüsantes und lehrreiches Lesevergnügen von Philipp Blom: Böse Philosophen: Ein Salon in Paris und das vergessene Erbe der Aufklärung.
Balduin
Beiträge: 686
Registriert: Donnerstag 30. September 2010, 17:24
Wohnort: Deutschland

Re: Buchtipp

Beitrag von Balduin »

Ein unglaublich guter Roman:

Rebecca Wait: Kopfüber zurück. - Es geht um eine Familie nach dem Suizid des Sohnes.

Nie las ich bessere Worte über die Qual eines schwer depressiven Menschen als hier, wie der Sohn Kit sein Leiden forumuliert. Es wird richtig heftig am Ende, ich musste die Lektüre erst einmal unterbrechen.
And
Beiträge: 1202
Registriert: Dienstag 24. November 2009, 19:11
Wohnort: CH
Kontaktdaten:

Re: Buchtipp

Beitrag von And »

Balduin hat geschrieben:In seinem Buch "Kind, versprich mir, dass du dich erschießt" schildert Florian Huber die unzulässiges Wort in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Zehntausende nahmen sich demnach das Leben, vor allem in den heutigen östlichen Bundesländern und in den Ostgebieten. Erhängen, erschießen, vergiften und vor allem sich ertränken waren die häufigsten Methoden. Auch Leuchtgas nahm man, ich vermute, Tod durch das Gas im Backofen, das damals giftig war. Ganze Sippen löschten sich aus, nicht selten Hunderte von Menschen pro Ort.
Ich lese es gerade - puh, harter Tobak. & anders als in Romanen sehe ich hier reale Bruchstücke meines eigenen Schicksals - die östl. Regionen von MeckPomm als Teil der wenigen schönen Kindheitserinnerungen (& Berlin in allen Facetten sowieso).
Auf der anderen Seite die unglaubliche Geschichtsklitterung in der DDR, das Schweigen der älteren, die in jenen Tagen eingeläuteten weiteren 44 Jahre latenter Angst, die ein ganzes Land überzog. & nicht zuletzt ganz persönlich die menschverachtende, in diesem Fall kommunistische Täterideologie, mit der meine Eltern sich "verbrüdert" & mich zerstört haben. All die Lügen, Schläge & Demütigungen im Namen eines verformten Glaubens...so wie immer & überall.

Fazit - sehr lesenswert, danke für den Tip.
Antworten