Texte und Songs von User/innen

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Djojo

Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

könnte ich hier mal probeweise meine songtexte oder auszüge aus meinem angefangenen roman posten, um mir feedback abzuholen?
Djojo

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

Zwei Songtexte-ziemlich dunkel, aber es ist immer mit Ironie versetzt und selbstverständlich als Kunst zu verstehen und damit nicht 1 zu 1 auf mich als Person zuordenbar, auch wenn es selbstverständlich Teile meiner Persönlichkeit wiedergibt

Mein hybrides Dasein

Nein, es tötet mich nicht,
es bringt mich nur um,
Nein, es tötet mich nicht,
es frisst mich nur auf,
warum hast du mich dazu gebraucht(x2)?;
Wie krank muss man sein?
Ich frag: Wie krank muss man sein?
Ab wann gehört man hier dazu?
Ab wann gehört man zu eurem Verein?

Nein, ihr tötet mich nicht,
ihr macht nur fertig,
(kontinuierlich),
Nein, ihr tötet mich nicht,
ihr macht mich nur kaputt,
stehlt mir den letzten Tropfen Blut aus meinen Adern,
macht mich also nicht nur blutarm, sondern blutlos,
macht mich zombieesque,
macht aus mir einen Geist, der sein hybrides Dasein schätzt(x4);

Das gebrannte Kind
Heile Welt, verziert mit Leben,
Gebrochene Kälte, mein roter Kopf,
verzierte Körper, lebensnaher Müll,
muddy strange boy, poor fragile toy;

Wer ist bereit eine Nummer zu ziehen?
Wessen Ohren lauschen der neuen Frequenz?
Seid ihr bereit vor euren Herrschern zu knien?
Augen auf-hier kommt die erste Sequenz!

Angst vor dem Feuer, Panik vor der Kälter,
ein ? als Unifrom,
schwache Schultern, gefragte Norm,
die Schönste und der Hässlichste nach vorn;
Euch ist wohl klar-ihr seid als Freaks auserkoren;

Was ist so schwer daran ein gebranntes Kind zu sein(x3)?
Mir lag so schwer daran kein gebranntes Kind zu sein

Für wen werft ihr diese Klamotten über,
für wen malt ihr eure Gesichter an,
für wen schmückt ihr eure Köpfe,
Augen auf-ihr lebt die falsche Tendenz!

Verbrannt vom Feuer, gezeichnet von der Kälte,
ein T-Shirt als Uniform,
schwaches Rückgrat, gefragte Norm,
der Hellste und die Dunkelste nach vorn,
euch ist wohl klar, ihr seid als Freaks auserkoren;
Ashes
Beiträge: 64
Registriert: Donnerstag 5. Juni 2014, 19:09

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Ashes »

Das gebrannte Kind gefällt mir sehr gut! Mit dem hellsten und der dunkelsten meinst du da die Merkel und den Obama?
Tshirt als Uniform das trifft es wohl ziemlich Hauptsache man schlägt nicht aus der Norm.
EinsamerEngel
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Mai 2014, 18:18

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von EinsamerEngel »

Danke Djojo für Deine Texte, auch mein Favorit ist das "gebrannte Kind", wunderschön geschrieben, Gänsehaut definitv garantiert, einfach toll und aus dem Leben geholt.

Ich habe auch in einer einsamen Stunde, einen Text verfasst, bei Weitem nicht so gut wie die Deinigen, aber vielleicht darf ich Deinen Thread missbrauchen und jenen Text hier auch mal zur Disskusion stellen:

Stille Schreie durchbrechen die Nacht,
der Himmel verdunkelt, ein greller Mond der laut lacht.
Ächtzende Bäume, bedrohlich raschelndes Laub,
die Erde bestehend aus betäubenden Staub.

Ein einsames Herz irrt ziellos umher,
es ist geschunden und spürt die Gefahr nicht mehr.
Das Böse sich freut, nun bin ich gleich am Ziel,
und unterschätzt seinen Gegner, ein fatales Spiel.

Heimliche Augen blicken aus jedem Stein,
gespannt aufs Duell, wer wird der Sieger sein?
Der Jäger bedient sich vielerlei Farben und Formen,
das blutende Herz bleibt so wie es einst geboren.

Täuschung und List, ein Vorteil von geringer Dauer,
Natürlichkeit und Liebe durchbricht leicht diese Mauer.
Der noch lachende Teufel höhnt, ich werde der Sieger sein,
doch das Herz zerspringt und taucht in eine neue Welt ein.

Wo ist es hin, es war doch eben noch hier,
mit wem soll ich ringen, wenn nicht mit dir?
Das Herz erquickend und labend in seiner neuen Welt,
lacht über den Satan, Kampf ist nicht alles was im Leben zählt.


LG vom Engel
Djojo

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

Danke für das Feedback! Hatte Angst, dass niemand antwortet.

ashes: Nein, es geht um das Bloßstellen von Freaks allgemein(die Hässlichste, der Schönste(Freak), der Hellste, die Dunkelste)
wobei hell-dunkel sich nicht immer nur auf die offensichtliche Ebene(Hautfarbe) beschränkt, sondern auch mit gut-böse, intelligent-dumm
whatever assoziiert werden kann

engel: du hast gute ansätze und genügend phantasie,
lass nur die gezwungenen reime weg,
die stören ein wenig, weil es sich teilweise mit gewalt reimen muss-
muss es nicht!

Danke, dass du auch etwas von deiner Seite aus hereinstellst, gerne öfter!

Ich werde weitere texte hereinstellen, wenn es nicht zu viel wird, aber wen es nicht interessiert der muss es ja nicht lesen.

freu mich auf antworten und eigene poesie! :wink:
Djojo

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

Nicht gerade leichte Kost, aber einer meiner Lieblingstexte :?

Selbst

Selbst ein leeres Blatt hat mehr Ausdruck,
Selbst der letzte Depp hat mehr Stil,
sogar ein nasser Hund mehr Ästhetik,
es bleibt zum Leben nicht viel;

Der letzte Prolet knüpft Kontakte,
der böse Wolf schläft nicht allein ein,
die falsche Schlange kriegt Avancen,
es ist ihnen allein gemein(x2),
sie könnten ständig gemein zu mir sein(x2);

Der Deserteur wird gefeiert,
der Nestbeschmutzer umarmt,
dem Judas wird gehuldigt,
hat sich da bloß wer vertan?!;

Ich möcht ein links-linker werden,
einer wie mein Vater es war,
ich möcht kein Fleisch mehr essen,
niemals Hass empfinden,
meine Angst vergessen,
jede Lücke schließen,
zwischen den Zeilen lesen,
jedes Ziel erreichen,
ohne Land und Leute zu grüßen;

Selbst ein Despot hat mehr Freunde,
selbst Sisyphos hat mehr Spaß,
der Harlekin mehr zu lachen,
und, wenn ich jemanden vergaß...

ja, so fühl ich mich schuldig,
ja, so tut mir das leid,
doch, es wird allen gehuldigt,
keine Sorge, ich hab Zeit,;
hallo Leistungsträger, grüß euch Ökonomen,
keine Denker, nur Lenker?,
euch weht ein böses Omen;
Die Vernunft in Person(x2),
sucht das Kapital in Person(x2),
Wollt ihr den Schmutz nicht sehen(x2),
wollt ihr eure Nase nur rümpfen?
eure Augenbrauen verziehn?

Doch wartet, ich kann euch verstehen,
halt, ich kann euch verstehen,
euer Leben bleibt nur schön,
wenn ihr schön begrenzt bleibt;

Geht ja nicht an eure Grenzen,
geht ja nicht über die Grenze,
you have to stay by your kind,
never mind the borderline(x4);
EinsamerEngel
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Mai 2014, 18:18

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von EinsamerEngel »

Hallo Djojo, danke für die aufmunternden Worte aus dem Mund eines Experten. Mein Text ist leider schon ein halbes Jahr alt, momentan bin ich irgendwie leer und blockiert, so das ich keinen Zugang zur Phantasie habe. Aber das Nächste wird ohne gezwungene Reime, versprochen. :wink:

Dein neustes Werk ist wieder sehr schön, es macht Spaß zu Lesen und in manch Passagen findet man sich selbst wieder. Ich stell mir grad vor wie ich mit geschlossenen Augen auf einer Wiese in mitten von Mohnblumen liege, die Sonnenstrahlen auf mein Gesicht treffen und Dein Text, mit schöner Hintergrundmusik in meine Ohren wandert. *träum*

Weiter so, ich freu mich schon auf die nächsten Zeilen von Dir und vielleicht traut sich ja noch jemand den Thread mit etwas Kreativen zu füttern.

LG vom Engel
Djojo

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

danke, dass du mich für einen experten hältst :oops:

ich freue mich wenn wir uns weiter über texte unterhalten können und du so eine tolle vorstellungskraft hast :)
EinsamerEngel
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Mai 2014, 18:18

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von EinsamerEngel »

Djojo hat geschrieben:danke, dass du mich für einen experten hältst :oops:
Du hast zweifelsfrei Talent, zumindest meiner Ansicht nach, für Andere kann und will ich da nicht sprechen. Ich könnte mir vorstellen, das es vielen Menschen so geht wie mir, das man sich einfach nicht traut eigene Sachen zu posten, selbst wenn sie nicht wirklich schlecht sind. Also Leute, nur Mut und haut in die Tasten.

LG vom Engel
Djojo

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

Mein nächster Schritt wäre einen Auszug aus meinem angefangenen Debütroman hier reinzustellen...
Hoffe es interessiert jemanden :( :(
DerAlte
Beiträge: 98
Registriert: Freitag 13. Juni 2014, 01:26

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von DerAlte »

Ja mach das! Hab selber mal versucht zu schreiben, aber bin glaub ich zu unbegabt.
Djojo

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

ok, cool, ob ich begabt bin kann ich nicht beurteilen, aber ich habe zumindest etwas zu sagen...
EinsamerEngel
Beiträge: 29
Registriert: Sonntag 11. Mai 2014, 18:18

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von EinsamerEngel »

Hallo Djojo, mich würde Dein Roman auch interessieren, ich freu mich schon drauf.

LG vom Engel
glycerine

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von glycerine »

ich lese eigentlich gerne romane, ich lese normalerweise viel, ich wäre schon interessiert von dir etwas zu lesen
Djojo

Re: Texte und Songs von User/innen

Beitrag von Djojo »

Unbehagen
Roman
Intro
Wie viel persönliches Erleben ihr in „Unbehagen“ findet? Wenn ich mich ernsthaft mit dieser Frage auseinandersetze-mir eigentlich egal.
Über was zum Teufel sollen wir schreiben wenn nicht über das was wir kennen? Ja, Schiller war nie am Meer und schrieb dennoch darüber und sicher waren alle davon begeistert, aber ich schreibe lieber über den Donaukanal als über den Pazifik.
Ist diese Art und Weise Geschichten zu schreiben auf meinen Minimalismus zurückzuführen? Bin ich phantasiefaul? Ersteres möglicherweise, Zweiteres definitiv nicht. Die Realität bot mir die Skizzen-das fertige Produkt wurde von mir ausgearbeitet und Arbeit ist es immer, egal wie viel zufliegt.
Zum Glück fliegt einiges zu. Ich kann es gar nicht erwarten euch diese Geschichte zu erzählen, beziehungsweise die drei zentralen Figuren euch diese Geschichte erzählen zu lassen. Sie ist traurig, faszinierend, desillusionierend, komplex, gesellschafts-kritisch, depressiv, schicksalsbeladen, romantisch, literarisch kein Doderer, kein Stifter, bei weitem nicht.
Mein Stil ist verdammt direkt-amerikanischen Autoren wird diese Art zu schreiben zugeschrieben meinte einer in einer Vorlesung. So viele US-Autoren habe ich jetzt nicht gelesen, die Beatniks eben und deren Stil hat mir gefallen und wenn ihr bei mir einen ähnlichen findet dann kann ich damit gut leben, auch wenn Truman Capote es als „Geschreibsel“ abqualifiziert hat. Vielleicht ist „Unbehagen“ auch nicht mehr als Geschreibsel, aber eben gutes Geschreibsel.
Was will ich euch eigentlich erzählen? Die Wahrheit oder das was ich für die Wahrheit halte, was Doro, Jiri und Susanne für die Wahrheit halten, was ihr Wahrheitskonstrukt beinhaltet. Mythen habt ihr in der Schule gelernt, haben euch die Mainstream- und vielleicht auch die „Indie“-Medien, Leute, die es weniger gut mit euch gemeint haben, beigebracht. Ich bringe euch gar nichts bei, ich erzähle euch nur das, was euch die anderen nicht erzählen, die es nicht besser wissen, es besser wissen, es aber nicht erzählen wollen, weil sie es sich nicht eingestehen wollen oder weil sie selbst von diesem Schein profitieren, es sich nicht trauen, weil sie Angst haben die Anderen vor den Kopf zu stoßen. Die Angst habe ich abgelegt. Mit 26 ist man nicht mehr jung, glaubt mir, aber jung war ich auch mit 20 nicht mehr, weil ich mehr erfahren habe als ich wissen wollte. Selbiges wird euch auch zwangsläufig passieren, oder ist euch bereits passiert, weil das ist die Quintessenz des Lebens.
Es gibt so etwas wie eine erzieherische Funktion von Literatur, von Kunst allgemein und an die glaube ich fest, aber es liegt an euch ob ihr sie annimmt, sie in euren Leben umsetzt und an eure Kinder, FreundInnen, Kollegen weitergebt, sie im Alltag lebt und letzteres müsst ihr, ansonsten haben wir alle nichts davon. Wenn ihr von „Unbehagen“ nichts mitnehmen könnt liegt es wahrscheinlich an mir und an euch, aber ich glaube einfach einmal an uns beide.

Daniel Roy,
23.1.2014 15:46

„In einem guten Buche stehen mehr Wahrheiten als sein Verfasser hineinzuschreiben meinte“-Marie von Ebner-Eschenbach

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Was? Kann dieser Mensch das alles noch einmal erzählen? Hat er so eine leise Stimme oder ich so schwache Ohren, oder ist es meine Konzentration? Konzentrieren konnte ich mich ja noch nie wirklich gut, wobei-im Endeffekt habe ich mich doch ziemlich gemausert, nicht? Naja, ihr könnt es nicht beurteilen, weil ihr mich ja gar nicht kennt-noch nicht-aber glaubt mir-ich war schon reichlich schlimm, als Kind schon, als Jugendlicher noch mehr und als Erwachsener? Ab da an ging es bergauf, wobei ich aber das Gefühl habe, dass es jetzt gar niemanden mehr interessiert. Als Minderjährige stehen wir die ganze Zeit im Fokus und von uns wird alles abverlangt, von unseren Eltern, von Lehrern von Tanten, Onkeln, Großmüttern und wer da alles noch so herumkreucht - und fleucht. Ist das nicht ein süßes Kind? Habt ihr schon gehört-mein Sohn hat einen Einser auf die Schularbeit, könnt ihr das von euren Kindern auch sagen? Gott, je mehr ich über all das nachdenke desto weniger bekomme ich nun tatsächlich von diesem Vortrag mit, dabei hatte ich mir doch vorgenommen…Egal, meine Gedanken sind spannender als die Realität-manchmal zumindest. Was wollte ich nun sagen? Aja, wenn ich früher etwas Positives geleistet habe prasselten die Gratulationen von familiärer Seite nur so auf mich ein. Wenn mir jetzt etwas gelingt dann freue ich mich selbst darüber, aber wer freut sich mit?
Meinen Vater interessiert es ohnehin nicht und meine Mutter versteht es nicht, auch wenn sie glaubt mich zu verstehen. Nein, ich kenne es alles dermaßen auswendig und es steht mir bis oben. Für wen also mache ich das alles noch? Für mich-sollte die Antwort lauten, aber ich habe eben nie nur etwas für „mich“ alleine gemacht.
Wenn niemand meinen Leistungen Aufmerksamkeit geschenkt hat, dann war ich zornig, beleidigt, habe die Welt nicht mehr verstanden. Andererseits lernte ich Gleichgültigkeit ab einer gewissen Zeit zu schätzen, denn die Gleichgültigkeit galt ab einem gewissen Zeitpunkt auch meinen Fehlern. Machte ich diese war ich nur allzu froh wenn niemand davon Wind bekam. Somit glich es sich wohl wieder aus, wobei-ungerecht behandelt fühlte ich mich dennoch und fühle ich mich nach wie vor.
Es ist erstaunlich wie wenige Leute in diesem Saal Platz genommen haben. So mies ist der Vortragende dann doch nicht. Ich bekomme zwar nicht so viel mit, aber er wirkt eloquent und seine Stimme gefällt mir. Wenn mir die Stimme nicht gefällt, dann ist es aus! So gut kann der Inhalt gar nicht sein-ich fühle mich unwohl. Andererseits gibt es Leute, die einen absoluten Schwachsinn zusammenlabern, aber man hört ihnen trotzdem gerne zu. Total unfair! Allerdings habe ich eine schöne Stimme, die sehr wohl einigen Leuten gefällt-das weiß ich einfach und somit profitiere ich wiederrum von dieser Tatsache. Das heißt, wenn ich unzulässiges Wort zusammenrede, aber auf eine Art und Weise, dass es schön melodisch klingt, meine Stimme die Leute beruhigt, dann könnte ich unter Umständen sogar Applaus bekommen, also ehrlich gemeinten Applaus.
Wie schön wäre es wenn Doro neben mir Platz nehmen würde. Sie wäre hellauf begeistert in einem echten Unisaal zu sitzen und einem richtigen Professor zuzuhören. Ich bin mir sicher sie würde sich wie eine Studentin fühlen und vergessen, dass sie ihre Matura erst in etwas mehr als zwei Jahren bekommen wird, sofern sie nicht durchfällt, was bei ihrer Intelligenz unmöglich, bei ihrer Persönlichkeit aber irgendwie doch denkbar wäre. Vielleicht würde sie es sogar ihrer Mutter zu Fleiß machen, damit sie ihre Tochter auch ja nicht vorzeigen kann. Seht her, meine Tochter wird das Gymnasium ein Jahr länger als eure Kinder besuchen-seid ihr jetzt eifersüchtig!? Der Niederbauer traue ich so eine Darstellung sogar zu, dieser…Okay, Gedankenstopp! Unglaublich wie sich das Bild von einem Menschen um 180 Grad ändern kann. Wie konnte ich mich so täuschen? Wie konnte sie mich so täuschen wäre wohl die angebrachtere Frage? Wenn ich mich nur an ihr rächen könnte, ihr alles heimzahlen könnte was sie mit mir und im Endeffekt auch mit Doro, ihrer eigenen Tochter, angestellt hat, dieses versnobte Lifetime-Mauerblümchen.
Doro war etwas ganz besonderes, also sie ist es wohl noch immer, aber ich bekomme davon nichts mehr mit, weil mit uns Schluss ist und wir uns in diesem Leben wohl nicht mehr begegnen werden und wenn doch, dann würde sie an mir vorbeigehen und ich umgekehrt wahrscheinlich auch wobei ich mich in Wirklichkeit freuen würde wenn sie mich ansprechen würde, aber das wird sie eben nicht machen, hundertprozentig. Sie war so anders, so offen, so spontan, so intelligent, unangepasst. Was hat die bei so einer Mutter verloren? Kann mir das jemand einmal erklären? Die Niederbauer hat sich so eine Tochter doch gar nicht verdient. Sie hätte sich vielmehr eine zweite Version von sich selbst als Kind verdient. Damit wäre sie am meisten gestraft, aber zurecht. Doros Vater ist zwar nicht ganz so arg, aber auch ein unguter Typ, also wie konnten die nur so ein reizendes Kind in die Welt setzen? Meine Horrorvision ist, dass Doro als Erwachsene wie ihre eigene Mutter werden wird. Wer weiß, vielleicht war die Niederdings als Jugendliche auch lieb, von ihrer Art her. Das ist wohl die dunkelste Vorstellung, die in mir herumgegeistert ist, die negative Metamorphosis Doros. Wenn ich nur nicht so unzulässiges Wort unbeständig wäre. Wie soll ich an die Wahrheit herankommen, wenn mir alle zwanzig Minuten anderer Versionen der selben Geschichte im Kopf herumgondeln? Doro ist die Gute und ihre Mutter die Böse, so viel steht fest. Das ist das Grundgerüst dieser Story. Umgekehrt denke ich mir, wenn Doro so super ist wieso sind wir jetzt getrennt? Am Ende hat sie doch der Mut verlassen. Sie hätte sich komplett emanzipieren können, für immer, aber sie hat es nicht geschafft oder wollte es nicht schaffen, oder wollte es noch nicht schaffen, keine blasse.
Zwanzig Minuten, dann hört der Mensch da vorne auf zu reden und die Leute werden auf die Pulte vor sich klopfen und alle werden einigermaßen zufrieden nachhause gehen, außer ich natürlich. Ich bin mit Sicherheit der unglücklichste Mensch in diesem Saal. So viele Medikamente kann ich gar nicht nehmen als dass ich zu einem zufriedenen Menschen avancieren würde, so weit ist die Medizin, also die Pharmaindustrie bei weitem noch nicht, um mein Leben erträglich zu gestalten. Was wohl die Niederbauer nimmt? Bei dem Leben muss sie doch reichlich Antidepressiva reinhauen, um das alles durchzustehen. Wird Doro auch soweit kommen? Muss sie sich irgendwann Medis reinhauen, um ihre Existenz auszuhalten, wie so viele von uns?
Was genau haben diese blöden Medikamente eigentlich verbessert? Ich bin produktiver, nehme braver am Alltag teil, aber andererseits komme ich mir wie ein Zombie vor, der sich zudrönt um sein Leben nicht aushalten zu müssen. Wieso können sie psychische Probleme nicht heilen? Sie können heutzutage ich weiß nicht was alles mit Medikamenten bekämpfen, aber Persönlichkeitsstörungen können sie nicht heilen und werden es auch vielleicht nie können-unfassbar eigentlich. Zehn Minuten muss ich noch aushalten, beziehungsweise halte ich noch aus, denn in Wirklichkeit zwingt mich niemand dazu in diesem Hörsaal zu sitzen, unaufmerksam, in merkwürdigen Gedanken versunken. Theoretisch hätte ich längst aufstehen können und mir draußen vor der Uni eine anrauchen können, oder zwei, drei?(bis Anfang Seite 5)
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