Re: Germanwings-Flug 4U9525
Verfasst: Mittwoch 8. April 2015, 01:50
Großkatzen. Ich mag die Damenwahl ja sehr.
Doch, aber das liegt auch schon Jahre zurück.Orgeluse hat geschrieben:@ Girlxxx
Ich lasse stehen, was ich schrieb.
Und ergänze: Der Firnis.
Nun antworte erst mal Du, falls Du magst.
Und: Falls ich dann noch leben sollte, werde ich Dir antworten.
(Edit: Nur für die gegenseitige Erwartungsbrücke: Hast Du Freuds "Das Unbehagen in der Kultur" gelesen?)
Gut Nacht
orgel
So sind wir uns also vollkommen einig, und das noch mit Adorno - heijeijei, wer kann sich denn noch an den erinnern?Girlxxx hat geschrieben: ...ne, im valschen Leben gibt`s kein richtiges...stöhn.
Mediator hat geschrieben:Die These vom Selbsttötung des Germanwings-Copiloten . . . . . . . . . . . bewusst zum Absturz brachte.
Die Hinweise auf seine Recherchen im Internet fanden die Ermittler auf dem Tablet-Computer, der in der Wohnung des 27-Jährigen Lubitz beschlagnahmt worden war. Den Ermittlern sei es gelungen, die Internetsuchanfragen auf dem Gerät in der Woche vor dem Absturz zu rekonstruieren, da der Browserverlauf nicht gelöscht gewesen sei, sagte Ralf Herrenbrück, der Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.
"Das geht einfach gar nicht!"...erinnert mich an einen Comic: da sieht man in einem Bild die Mutter mit dem erhobenen Zeigefinger vor ihrem Buben stehen, dieser mit Pfeil und Bogen in der Hand. Das nächste Bild zeigt einen am Boden liegenden Mann mit einem Pfeil im Rücken.Marissano hat geschrieben:Wie intensiv der eigene Todeswunsch auch sein mag: Das, was da geschehen ist, geht einfach gar nicht. Unschuldige Menschen, die das Leben lieben, mit hinein zu nehmen, ist ein Unding. Niemals würde ich sowas tun können, weder direkt noch indirekt (deshalb könnte ich mich auch nie auf Bahngleise legen).
Wenn man `unschuldig` sagt impliziert man, dass es potentiell durchaus `schuldige` geben kann...und das ist ja mit auch die Intention (d.h. das Verbrecherische der Tat möglichst gross und unwiderlegbar erscheinen zu lassen: wer Unschuldige tötet, ist `böser` als wenn er Schuldige töten würde: wer so denkt, hat zumindest indirekt und partiell auch ein Argument für die Todesstrafe). Zu fragen wäre aber dann: inwiefern hätten sie in diesem Kontext überhaupt schuldig sein können, rein theoretisch gefragt (ganz abgesehen vom Problem der Willens(un)Freiheit): hätten sie alle den Tod von Menschen verursacht haben müssen, oder was (selbst in Ländern mit Todesstrafe wird nicht jedes Verbrechen so bestraft)? Und wenn alle Schuldig gewesen wären: hätte das die Tat besser legitimiert (da der Täter von der möglichen Schuld der Opfer ja kaum hätte wissen können)?Stummfilm hat geschrieben:Ich kann das mit den unschuldigen Menschen auch nicht mehr hören. Es gibt keine unschuldigen Menschen, es gibt nur Menschen.
Ebenso habe ich auch kein Verständnis für die Zahlungen an Hinterbliebene. Was soll denn Germanwings machen? Wie wäre das Geschrei gewesen, wenn sie einen depressiven nicht genommen hätten? Von den Rückzahlungen geht ein ziemlich schlechtes Signal aus. Es war ein Unglück und daran müssen sich die Leute gewöhnen. Germanwings hat sich am Tod der Passagiere nichts zu Schulden kommen lassen, und das hätte man auch bei aller Tragik signalisieren müssen.
Ich will nicht mit der angeblichen Traumatisierung belästigt werden. Das wären ohne Flugunfall die Leute, die uns traumatisierten erzählt hätten, dass das Leben doch weitergeht und bla.
Ich ging von der Situation aus, dass die Bezeichnung der Passagiere/Crewmitglieder als unschuldig, falls wörtlich genommen, impliziert, dass, wären sie schuldig, dies den Charakter der Tat ändern würde. Und wer das behauptet, dass also das Töten von Schuldigen die Schwere der Tat mildere (bzw. die Angemessenheit des Geschehens insgesamt erhöhe) , impliziert, dass das Töten von Schuldigen irgendwie legitimer bzw. akzeptabler ist als das von Unschuldigen (und insofern das Töten von Schuldigen auch als Strafe zumindest irgendwie billigen können muss. Wäre es anders spielte der Status der Getöteten als schuldig/unschuldig überhaupt keine Rolle, da dann das Töten von wem auch immer(ausgenommen Notwehr etc.) gleichrangig (!) illegitim wäre. Und diverse Verfassungen behaupten genau dies: dass die Würde jedes (!) Menschen unverlierbar bzw. unantastbar sei, folglich dann auch die Todesstrafe verboten sei). Nimmt man Schuld hier wörtlich (genauer: so wie es am häufigsten verwendet wird), so scheint das die notwendige Implikation, ansonsten mir nicht klar ist welchen Sinn es überhaupt macht von unschuldigen Opfern zu reden.Stummfilm hat geschrieben:@ Girlxxx: Naja. Wenn dich jemand mit einem Messer anspringt, wird man Verständnis aufbringen, wenn du deine Waffe zückst. Damit meint man in der Alltagssprache das Wischiwaschiwort Schuld. Freilich müsste dein Angreifer nicht schuldhaft gehandelt haben im rechtlichen Sinne, also dass ihm die Tat auch vorwerfbar sein müsste. Und trotzdem dürftest du dich gegen einen Angriff wehren. Ich will nicht über die Notwehr diskutieren, nur darauf hinaus, dass es mehr für das Verständnis des Tötens gibt außer für die Todesstrafe zu sein.
Du hast den Status des Piloten/der Fluggesellschaft im Auge, spricht man aber von der Unschuld der Opfer (siehe oben) geht es aber natürlich auch um jenen der Opfer.Mich ärgert in dem Fall nur, dass der Unglückscharakter des Unfalls umgewandelt wird in eine Verantwortlichkeitsfrage.
Nun, wenn ein Familienvater gestorben ist und die Familie mit einschneidenden finanziellen Engpässen rechnen muss, dann hat eine finanzielle Entschädigung natürlich ihren Sinn. Auch ist es die einzig denkbare `Wiedergutmachung` die ein Unternehmen überhaupt anzubieten hat (angenommen gerade auch wenn sie Schuld (im Sinne einer Verletzung von Sorgfaltspflichten) mittrüge am Geschehen). Auch weiss ich persönlich nichts über das faktisch vorhandene Leid/Mitleid betroffener Angehöriger oder ihrer Motive um finanzielle Entschädigung zu verlangen. Anzunehmen, dass für einige das Geld mehr wiegt als das Leben des Betreffenden muss nicht einmal unbedingt als niederträchtig interpretiert werden: vielleicht war ein Gestorbener im Leben ein `Scheusal` der sein Frau und Kinder misshandelte...(dies auch apropos `Unschuld` der Opfer). Dann wäre dies durchaus im Sinne einer Genugtuung bzw. Erleichterung über `stellvertretend` erfolgte `Notwehr` mit dauerhafter Unschädlichmachung des Täters verstehbar...der Denkmöglichkeiten sind viele und darum das in-den-gleichen-Topf-schmeissen zu vermeiden.Zudem fehlt es mir eindeutig an Mitleid. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass für viele der Umtausch Angehöriger gegen Bares kein schlechtes Geschäft sein dürfte. Aber die widerwertigen Seiten des Menschen darf man ja nicht hervorkehren. Ach, wenn hier jemand im Gericht arbeitete...
Sie erheben sich vermutlich zunächst bewegt durch instinkthafte Notwehr(!)-Reflexe über den Piloten: wer solches verursachen kann, darf legitimerweise unschädlich gemacht werden. Wer allerdings mittels implizitem `freien Willen` argumentiert (wohinter oftmals schlichte Vergeltungswünsche sich verstecken), der müsste eben darlegen können inwiefern seine Prämissen überhaupt standhalten gegenüber kritischen Einwänden (aber eben: auch die Idee des `freien Willens` beruht wohl auf einer Art gesellschaftlichen Konsens, allerdings wäre er für eine emotional aufgeklärtere Menschheit gar nicht notwendig um den Schutz der Gesellschaft zu garantieren, wohl aber um ihr eigenes Bild als Handelnder aufrecht zu erhalten ...wobei ich zuletzt in `Psychologie heute` las, dass die Verabschiedung eines `freien Willens` für Täter vermutlich, d.h. vermutete, schlimmere Konsequenzen bzw. entsprechende gesellschaftliche Praxis hätte als beim Status quo...was ich bezweifle). Ich glaube schon, dass man allgemein die Kollateralschäden unserer Gesellschaft als Problem empfindet (intensiv allerdings erst dann wenn man sehr direkt betroffen wird), für Verkehrssicherheit wird ja z.B. viel Geld ausgegeben, nur: es geht da um Güterabwägung und da z.B. das, Kollateralschäden verursachende, Autofahren zu verbieten (oder generell Höchstgeschwindigkeit 20km/h einzuführen) wäre in der Güterabwägung nachteilig für die Grosszahl der Mitglieder der Gesellschaft bzw. deren subjektiv gemachten Güterabwägung wie auch für die Gesellschaft als Ganzes. Es würde ja implizieren in eine vormoderne Gesellschaftsform zurückzufallen (in eine die nicht funktional differenziert ist, und das scheint grundsätzlich nicht möglich zu sein, da diese autopoietisch sich selbst erhaltend sind...) oder doch zumindest dass massiv nachteilige Umstellungsprobleme zu (er)tragen wären. Kurzum: Problembewusstsein kann zugleich damit existieren Einzusehen, dass solche Kollateralschäden unvermeidlich sind (was allerdings nicht geht, ist ein Problembewusstsein zu haben und zu glauben, dass es auch ohne Problemlösung keine Kollateralschäden zu geben bräuchte bzw. für solche immerzu nach Schuldigen Ausschau zu halten).Und nein, das sind keine Ausnahmen. Wir haben kein Problem damit, dass für unseren Lebenswandel tagtäglich Tausende sterben müssen. Hätten wir auch nur ein kleines Problemchen, gäbe es dieses System nicht. Mit welchem Recht erheben sich die Leute bloß über diesen Kopiloten und auch über meine Meinung dazu?
Für mich steckt, in Gewichtung entsprechend der Reihenfolge, vermutlich Folgendes dahinter: 1. Metapher (also das `unverdient`-irrationale Los hervorhebend), 2. das Unerhörte der Tat betonend, mit impliziter Schuldunterstellung (und hier nur ganz am Rande und eher unplausibel das Notwehr-Argument, zuvorderst aber basierend auf Wut, Hass, Ohnmacht, Trauer etc. die Schuldzuweisung auch um seinen Gefühlen ein Zielobjekt geben zu können...wobei das hier natürlich ins Leere läuft).Stummfilm hat geschrieben:@ Girlxxx: Ich stimme dir großteils zu. Hinter dem unschuldig steckt, wenn es sich nicht gerade um Notwehr handelt, ein Rachewunsch. Aber dass du das erkennst spricht dafür, dass auch du so tickst, eben wie ein Mensch.
Das klassische Beispiel: Wenn dein Kind Opfer eines Mörders ist... Kennt man ja.
Du meinst Gemobbter?Ich kann es durchaus verstehen und würde nicht in eine Krise stürzen, wenn ein Mobber nach einem jahrelangen Martyrium deren Leben auslöscht. Fällt auch nicht unter Notwehr und bezieht sich auch nicht auf ein konkretes Ereignis. Nach unserem Rechtssystem hätten die Täter nichts zu befürchten. Die Vorwürfe wären zu wage und man könnte nichts hieb- und stichfest nachweisen. Und trotzdem würden sich die meisten denken, dass man den Amokläufer irgendwie verstehen kann.
Ich bin mir da noch nicht definitiv im Klaren. Ich bin nicht dogmatisch (wohl aber mit starker Tendenz auf Grund der Argumente die mir bekannt sind...eine zentrale Frage ist ob Todesstrafen den Strafzweck erfüllen oder nicht, was ja stark umstritten ist) gegen die Todesstrafe. Allerdings gegen das Argument `verdient haben`. Das ist wie gesagt grundsätzlich unbrauchbar bzw. setzt nicht begründbare Prämissen voraus.Das ist meine emotionale Seite. Würde es bei der Todesstrafe immer die richtigen treffen und wäre sie effektiv, wäre ich durchaus für sie. Sie ist es aber nicht. Im Gegenteil. Die hartnäckigsten Kämpfer für sie hätten sie am ehesten verdient.
Rechtsstaat und Emotionen sind nicht zu trennen. Warum strafen wenn kein emotionales Bedürfnis danach bestünde? Ich bin mir nicht sicher wie die geltenden Straftheorien in den einzelnen Staaten formuliert werden: weder bezüglich der Form des vorausgesetzten Freiheitskonzepts noch bezüglich der Funktion von Strafen...ob bei letzterem z.B. die Idee von Vergeltung (die Hand in Hand ginge mit Zurechnungsfähigkeit, also eigentlich nur mit einem inkomp. freien Willen kompatibel wäre) Teil des deutschen Strafrechtes bzw. deren Begründung ist. Allerdings spricht die Forderung, dass Strafen der Tat angemessen sein müssen stark für ein vergeltungstheoretisches Moment...und nur die dem Vergeltungswunsch zugrunde liegenden Emotionen/Bedürfnisse sind die problematischen.Ich befürworte also nicht, dass man den Rechtsstaat den Emotionen opfert. Die Todesstrafe und das lynchen müssen aus gutem Grund verboten bleiben. Und das wissen viele, nehme ich an.
Wie? Mittels Flugzeugabsturz? Kann eine Frau nachweisen, dass sie seit Jahren misshandelt wird und in einer völligen Ohnmachtssituation lebte (nicht aber notwendig im Affekt handelte!) wird dies mit Sicherheit als strafmildernd in Rechnung gestellt (und das was sonst als kaltblütiger Mord erschiene evtl. sogar im Extremfall als Notwehr taxiert).Zum anderen Part: Es wird aber auch Frauen geben, die ihren Gatten schon so loswerden wollten. Ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn man die Lebensdauer einer heutigen Ehe berücksichtigt. Das Universum ist nicht gerecht, gut möglich, dass der gegangene erlöst wurde.
Warum nicht? Falls die Airline gemäss Gesetz als unschuldig frei gesprochen wird, dann erübrigt sich die Sache. Besteht aber der Verdacht, dass sie fahrlässig ihre Pflichten nicht nachkam, dann muss natürlich auch die Airline bestraft werden. Und die sinnvollste Weise dies zu tun, scheint dass die direkt Verantwortlichen bestraft werden (so sie denn auszumachen sind). Die Airline müsste verpflichtet werden ihre Standards zu erhöhen und zumindest an finanziell stark betroffene Hinterbliebene Geld zu zahlen, da müsste die Airline für die direkt Verantwortlichen einstehen (sehr problematisch dann aber nicht allen Hinterbliebenen gleich viel zu geben...oder pro gestorbenem Angehörigen und in Anbetracht dessen noch anzunehmender Lebenserwartung...lassen wir das).Ich gäbe ihnen konkret nichts. Und zwar allen. Die Leute werden wieder fliegen, weil sie müssen. Und wenn die Hinterbliebenen wirklich nicht mehr fliegen wollen, mei. Es gibt genug Nachschub.
Das ist nicht der Punkt. Strafen sollen eben über das blosse Weh-tun hinaus (oder gar nur) einen positiven Effekt haben, hier dass sich Warenhäuser um die gesetzlich geforderten Standards bemühen müssen und nicht auf Kosten von Angestellten oder Kunden ihre Taschen mit Geld vollstopfen und dafür hat man Macht bestimmt nicht freiwillig abgegeben (wie das faktisch niemand tut...man wird in Gesellschaften geboren deren Gesetze etc. man zu akzeptieren hat, wollen hin oder her und was ist schon freiwillig? Aber lassen wir auch das: das führte weit in den Dschungel kompat. Freiheitsargumentation hinein ). Ansonsten müsste man ja auch für einen Laisser-faire Kapitalismus votieren...Gott bewahre (den kennt man ja und wer fände den wünschenswert?).Man denke nur an die unzähligen Skandale in Supermärkten. Ein Bisschen rauschen im Medienwald, das wars dann. Die Leute kaufen weiter dort ein. Vielleicht sollte man den gegen die Wand gelaufenen auch mal klar machen, dass sie sich nicht zu echaufieren brauchen, weil sie keine Macht haben, die haben sie nämlich freiwillig abgegeben.