Thanatos hat geschrieben:Ich hatte bisher immer ein Polster, wo ich sagen konnte: Für drei, vier Jahre reicht die Kohle und ein in Aussicht stehendes Erbe sicher noch. Sollte es eines Tages bei mir nicht mehr reichen, könnte ich mir diese Frage zwar stellen, aber die Antwort - falls ich die Frage denn stellen sollte – hätte ich schon: Der Strick im Haus erspart Arzt und Apotheker (und beugt jeglicher Erniedrigung auf dem Sozialamt vor). Oder: „Lieber aufrecht sterben, als auf Knien leben.“ (Albert Camus
Mein Geld reicht auch noch eine gewisse Zeit, aber gewiß nicht ewig. Ich war beim Arbeitsamt, hab' dem Vermittler meine Geschichte erzählt, daraufhin sagte er, dazu habe er auch keine Idee, und er müsse mich nur wieder aus der Arbeitslosigkeit herausnehmen. Das hat er dann auch gemacht. Wollte mir nicht etwa helfen, sondern mich einfach nur wieder loswerden. Soweit dazu.
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Eines Tages werde ich dann also in der Tat bei der Arge stehen. Einen Strick werde ich deshalb aber nicht benutzen. Denke ich. Einige Millionen Leute leben inzwischen von diesen Leistungen, dann muß es auch für mich gut genug sein.
Eigentlich hatte ich in den Jahren davor versucht, mich mit täglichem Tai Chi Chuan auf diese Situation vorzubereiten. Innere Kraft entwickeln.
Funakoshi, den Begründer des modernen Karate, fand ich ganz gut:
Wikipedia hat geschrieben:Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitete er in Tokio als Hausmeister, Gärtner und Reinigungskraft. (Erst nachdem es ihm gelang, Karate in Japan bekannter zu machen, konnte er sich auch von seiner Tätigkeit als Karatelehrer ernähren.)
Zeit seines Lebens folgte Funakoshi einem strengen Ehrenkodex. So lehnte er es zum Beispiel ab, „schmutzige“ Worte wie Socke oder Toilettenpapier zu benutzen.
Er verrichtete also - notgedrungen - niedrige Arbeiten. Aber daneben trainierte er täglich Karate und war in Wahrheit also ein Karate-Meister.
Daraus kann man ggf. schon Selbstbewußtsein und innere Kraft beziehen. Nur sind meine Nerven inzwischen zu schlecht. Ich bin zu unruhig, um mich zu konzentrieren, zu belasten oder zu trainieren. Das hat für mich also nicht so richtig geklappt. Vielleicht später wieder.
Bekannt ist wohl auch Matthäus, 6,26:
Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. ... Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?
Die Vögel (oder die Eichhörnchen) habe ich daraufhin oft angesehen. Aber sie haben Flügel (oder im Fall der Eichhörnchen ein Fell und Krallen, mit denen sie einen Baum hinauflaufen können), und sie brauchen viel weniger Nahrung als ein Mensch. Und sie leben nur ein paar Jahre, keiner von ihnen hat schon so viele Jahre auf dem Buckel wie ich. Wäre ich eine Amsel oder ein Eichhörnchen, hätte ich das Leben schon längst hinter mir. Man kann auch in unserer Zivilisation nicht einfach losgehen und sammeln und jagen. Wenn man keine Wohnung mehr hat (also mindestens irgendwie ein paar hundert Euro im Monat bekommt, um die Miete zu bezahlen), führt man einfach das Leben eines Obdachlosen. "Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie?", fragt Matthäus - Dann eher weniger.
Insofern ist der Vergleich von Matthäus gelinde gesagt Unsinn. Im Gegenteil, man wird höchstens neidisch auf die Wildtiere.
Film über Henry Miller gesehen. Er habe oft nichts zu essen gehabt, oft auch keine Wohnung, manchmal hätten gewisse Frauen ihn ausgehalten, manchmal habe er gebettelt (Film noch 2 Tage
hier: In New York: 07:35; in Paris: ab 11:45) . Er wisse auch nicht, wie er das überlebt habe. Dann sagte er:
Manchmal genügt es, einfach nur zu existieren.
Der, dem er das gesagt hat, verstand das nicht. Ich inzwischen schon.
Noch ein schönes Zitat aus dem Film:
Henry Miller hat geschrieben:Ich glaube, wenn man tief leidet und nicht entkommen kann, akzeptiert man die Situation irgendwann und findet darin Wunderbares. Inmitten von Armut und Dreck entdeckte ich das wahre Paris, den echten französischen Geist. Ich lernte ihn lieben. Das ist natürlich schwer zu verstehen. Wie kann man es genießen, ganz unten zu sein? Auf den Straßen sieht man die Alten und Gebeugten, die wirklich Dementen, die Bettler und Landstreicher, die Besoffenen. Du fühlst Dich lebendig, wenn Du das beobachtest. Du lebst mit Deinen Instinkten wie ein Tier. Für uns überzivilisierte Menschen ist es großartig, wie ein Raubvogel zu sein. Der Hunger weckte mich, ich bettelte, wurde erniedrigt, immer wieder, akzeptierte es, wurde nach unten gestoßen und kam wieder hoch. Jeder Tag ist ein Wunder, das man durchlebt. Das ist großartig.
[In New York] Kein Wunder, daß ich Alpträume hatte, die mein Leben lang wiederkehrten. Ich weiß nicht, warum ich überlebt habe und warum ich im Kopf noch gesund bin.
Später ging's bei ihm dann auch wieder bergauf. Das aus Paris erzählt er rückblickend. Man kann bezweifeln, ob er es während der Zeit auch "großartig" fand.
Der Philosoph
Precht sagt (gestützt auf gewisse Studien), in ein paar Jahren werde es wegen der Digitalisierung sowieso einen Großteil treffen. Dann wird man das sowieso als normal empfinden.
Kein Grund, sich umzubringen.
![Wink ;)](./images/smilies/icon_wink.gif)