Warum ein freier Wille nicht existiert

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whocares
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Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von whocares »

Dachte, ich poste es nochmals separat, um (potentiell) Interessierten durch einen nun entsprechend adäquaten Titel den richtigen Weg zu weisen (und den empört Desinteressierten einen Grund ihr Gelaber zu platzieren). Der schweigenden Mehrheit, ob interessiert oder nicht, sei grösstmögliche Handlungsfreiheit gewünscht.


(Vorwarnung: Nur für solche, die die Wahrheit ertragen können oder die gegen noch so evidente Wahrheiten immun sind.)

Argumentation warum ein indeterministsch-selbstbestimmtes Wollen unenkbar und ergo nicht existent ist.

1) Ein freier Wille kann nicht determiniert sein. D.h. erst die Entscheidung legt die bzw. meine betreffende Zukunft fest (mein Entscheid ist also nicht die zwangsläufige die Folge aller kausal wirksamen psychischen Faktoren und Umweltbedingungen, sondern mein `Ich` kann unabhängig von diesen - zumindest im Rahmen meiner grundlegendsten Interessen/Werten/Überzeugungen - entscheiden). Man kann hier schon feststellen: da ich mich nicht frei dazu entscheiden kann, etwas zu tun was meinen grundlegendsten Interessen entgegensteht (z.B. jemanden oder sich umbringen, einfach so...), kann man rein empirisch konstatieren, dass jeder Entscheid an irgendwelche Determinanten gekoppelt bleibt (in welcher Form auch immer). Schon diese Beobachtung alleine scheint zu Ende gedacht einen Determinismus zu fordern.

Freilich: man kann auch unfähig sein ein elementares Interesse zu wählen, z.b. ein lebensunwertes Leben zu beenden. Nur: hier wird jedem Betreffenden sein determiniert sein wohl unabweisbar vor Augen geführt. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, sich irgendwann gegen entsprechende Widerstände durchzusetzen...wenn man oder er sagen würde: jetzt handelte er aus freiem Willen, dann allenfalls im Sinne einer Handlungsfreiheit. Denn offensichtlich kann derselbe freie Wille (im Sinne gleicher Freiheit und gleichem Ziel) nicht gestern etwas nicht zustande gebracht haben, später aber dennoch, ohne dass dies einer Erklärung bedürfte. Und eine solche kann nur in determinierenden Faktoren bestehen, die zwischen damals und jetzt sich so verändert haben (natürlich aus deterministischen Gründen), dass eine andere Wahl möglich wird. Negiert man solches, bleibt nur übrig zu behaupten: früher wollte ich ja nicht wirklich, jetzt schon. Aber jeder wird solches als leeres Geschwätz einstufen müssen oder aber so interpretieren, dass es keine Relevanz hinsichtlich der Begründung eines ind.-selbstbestimmten Willens
besitzt.

Festzuhalten ist also: ein `freier Wille` ist indeterminiert (trotz seiner Gebundenheit an Determinanten, aber dies liesse immer noch zu, dass ich innerhalb dieses Horizontes frei wählen kann...also zwischen Möglichkeiten welche mit meiner Grundinteressen etc. kompatibel sind. Der Haken: wenn ein Unterschied besteht zwischen nicht-Interessen und Interessen, dann wohl analog auch zwischen schwachen und starken Interessen...)


2) Genügt dies? Nein, denn auch der Zufall ist indeterminiert. Aber unter einer freien Wahl versteht man nicht etwas Zufälliges, sondern etwas, was `Ìch` entschieden habe (wie und auf Grund von was auch immer, aber nicht willkürlich-zufällig). D.h. ein freier Entscheid ist indeterminiert und selbstbestimmt. Ich, mein Selbst, ich selbst (...) entscheide, es ist mein Entscheid und nicht jener eines zufällig-anonymen Wirkens...ansonsten ich ebenso gut Würfeln könnte hinsichtlich dessen was ich jeweils wähle. Also: ein `freier Wille` ist indeterminiert und selbstbestimmt.

3) Welche Instanz entscheidet? Man kann es `Ich` oder `Selbst` nennen (auf alle Fälle muss es unterschieden sein von dem Gesamt psychisch wirksamer Faktoren, ansonsten es diese psychischen Gegebenheiten wären, die die Wahl alternativlos bestimmen. Bestreitet man dies, dann muss man erklären wie identische Ursachen unterschiedlichen Wirkungen hervorbringen können...allenfalls in der Quantenphysik gibt es Vergleichbares, freilich ist hier der kausale Probabilismus massgebend und den Zufall haben wir ja bereits als untauglich aufgezeigt. Der kausale Probabilismus ist eine Form von zufälliger Wahrscheinlichkeit). Also: `Ich` entscheide.

4) Wie kann dieses Ich gedacht werden? Es gibt genau zwei Alternativen: a) entweder ist das Ich identisch mit dem Gesamt aller psychisch (kausal) relevanten Faktoren oder mit einem Teil derselben (z.B. den argumentativ rationalen Gründen denen dann die Trieb-Wunschsphäre entgegenstünde...ein naheliegendes Modell). b) Oder aber das `Ich` ist gänzlich frei von psychisch wirksamen Faktoren, am ehesten vorstellbar als reiner Beobachter (so wie ein Spiegel lediglich spiegelt was sich vor ihm befindet). `Rein`: d.h. ohne Interessen, ohne Neigungen, ohne grundlegendste Werte und Überzeugungen etc. Ohne Tendenz zu irgendetwas hin, ein Ich das keinen Unterschied machen würde, kausal völlig wirkungslos da frei von jeglichen Motiven etc.

a) Das unlösbare Problem bei ersterer Variante: wie schon unter 3) angedeutet, wäre ein Ich welches identisch gedacht wird mit allen psychisch wirksamen Faktoren in sich determiniert, eine Wahl wäre zu 100% abhängig von den psychisch relevanten Faktoren und deren Stärke. (...oder einem Teil derselben...dies macht bezüglich der Argumentation gegen/für einen `indeterminierten Willen` keinen Unterschied, nur in kompatibilistischen - also Freiheit und determiniert Sein als kompatibel behauptende - Freiheitstheorien kann diese Differenzierung unterschiedlicher psychischer Determinanten von Bedeutung sein).

Es lässt sich nicht erklären, wie dieses Gesamt der psychisch wirksamen Faktoren eine Entscheidung nicht determinieren könnte. Denn diese Faktoren haben ihre je eigene Tendenz und Gewichtung und diese genügen vollauf um eine Entscheidung herbeizuführen, und vor allem: nichts anderes spielt eine Rolle (das Ich welches diese Faktoren gewichtet, gegeneinander abwägt etc. wäre reiner Spiegel, d.h. zu glaben, dass das Ich die Faktoren in ihrer Relevanz bestimmt, ist einem Fehlschluss, einer Fehlwahrnehmung geschuldet: die Faktoren werden allenfalls anhand übergeordneter Werte etc. gemessen, aber auch diese werden vom Ich nur gespiegelt (auch wenn es sich gerne eben mit diesen identifiziert...darum auch die prima facie nahe liegende Idee Freiheit so zu definieren: als bestimmt sein durch Gründe, und nicht durch Impulse, Triebe etc.

Vor allem im Denken erleben wir uns als aktiv und scheinbar frei und unsere Entscheidungen lenkend...zumindest im Vergleich zu Impulsen, Affekten. Aber: diesse Werte, Gründe, Prinzipien sind ebenso gegeben, sowohl in ihrem Dasein wie in ihrem Sosein. Dort wo das Ich glaubt frei zu entscheiden, spiegelt es wiederum nur, nun diese diese Werte etc.) Jene Wertungen, Überzeugungen die am stärksten sind, werden den Entscheid in ihre Richtung. Einziger Ausweg besteht darin ein vorgelagertes Ich zu postulieren, der das erstere (auf Grund in ihm enthaltener höherrangiger Prinzipien, Werte...) bestimmt.

Dann könnte man behaupten, dass die Art und Weise der Bestimmtheit des ersteren Ich bzw. der Bewertung der ihn konstituierenden Faktoren das Resultat eines übergeordneten und vorgeordneten Ichs sei der das niedere bestimmt. Dies führt natürlich in einen unendlichen regress, da jedes höherrangige Ich jeweils wieder ein ihn bestimmendes Ich benötigt um die so angestebte indeterminiert-selbstbestimmte Freiheit zu garantieren. Und zudem ist empirisch evident: so verhält es sich nicht (ganz davon abgesehen dass diese Vielheit von Ichen mehr Fragen generieren würden als sie beantworten).
Dieses Konzept kann im Rahmen des Kompatibilismus dafür dienen eine Differenz innerhalb des Determinismus selbst zu bestimmen, dann freilich ohne einen infiniten Regress (meist in der Form: eine Ebene der Argumente, rationaler Gründe über einer Ebene von Wünschen, Interessen etc.) Zu was solche Differenzierung taugt, jenseits des evident Trivialen, sei dahingestellt.

b) Das Ich als frei von psychischen Faktoren gedacht. Hier wurde schon oben bei der Umschreibung eines solchen Ich-Modells (das Ich als reiner Beobachter, reine Spiegelung ohne inhärente Werte, Überzeugungen etc.) klar: was leer ist von entscheidungsrelevanten Inhalten (und ein leeres Ich ist leer von jeglichen Inhalten) macht keinen Unterschied.

Ein solches `leeres` Ich würde nie kausal wirksam werden. Es wäre reine Passivität, alles gleichermassen und `indifferent` zur Kenntnis nehmend (und genau das ist es auch. auch wenn wir uns, unser Ich, gerade beim Denken als sehr aktiv erleben...reine Täuschung: es sind die psychisch gegenwärtigen Faktore, die in Eigenregie ihr Spiel spielen. Wer das negiert, dreht sich im Kreis: er muss dartun, wie ein leeres Ich eine Entscheidung determinieren kann (vermittels der Bevorzugung gewisser psychischer Entitäten) oder aber, wie ein inhaltlich massgebenderes Ich ein niederes bestimmen kann, ohne in sich selbst determiniert zu sein.

Mehr gibt es auch nicht zu sagen dazu. Diese Argumente sind mittels rationalem Denken nicht zu widerlegen. Auffallend wie alle Theorien, die trotzdem ein indeterminiert-sebstbestimmtes Wollen behaupten, einen dieser zwei Voraussetungen unter der Hand in Anspruch nehmen (leeres aber dennoch wirksames Ich oder ein inhaltlich bestimmtes - massgeblicheres - Ich bzw. Teil-Ich welches dennoch nicht in sich determiniert und determinierend sei.) Das Kunststück besteht dann lediglich (nicht zu unterschätzen solche Fähigkeit...) darin das `unter der Hand` mit inhaltsleerem Geschwafel zu überdecken bzw. davon abzulenken.

So...das ein Versuch, im Sinne von so lange wie notwendig und so kurz wie möglich, das Dilemma bezüglich eines indeterministischen Freiheitskonzepts zu umreissen. Und wird man sich diesem Sachverhalt wirklich bewusst (und es scheint mir dermassen einfach und dennoch evident argumentiert, dass ein nicht Verstehen nur wenige Erklärungen zulässt: ungewollte Dummheit, bewusstes sich Dummstellen bzw. Unredlichkeit - letztere beide etwas prekär aufgrund dessen, dass es eine Selbstlüge zu implizieren scheint - Böswilligkeit oder Krankheit. An Motiven hingegen mangelt es nicht, denn es ist ein philosophisches `Nihilisma` reinster Güte und stellt dem Sinnstifter bzw. -finder einen gehörigen Brocken in den Weg, der meines Erachtens unüberwindlich ist...dies nur dann nicht, wenn ein Sinnkonzept ohne die Annahme eines solchen Willens überzeugen könnte...und selbst mit solcher Annahme wäre solche Aufgabe schwer genug, aber: ...froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein Theologe, ein Dummkopf oder Schlimmeres.) Also: wenn man sich diesem Sachverhalt bewusst ist, wird man kaum überrascht sein zu hören, dass 95% aller Philosophen Kompatibilisten sind (natürlich selber ein hochgradig fragwürdiges Rettungsmanöver, der zumindest eine moralische Verantwortlichkeit unmöglich überzeugend begründen kann. Ich frage mich jeweils nur wer schlimmer ist: jene die den alten Wein in alten oder jene die ihn in neuen Schläuchen trinken.)

Von allen nihilistischen Tatsachen/Argumenten scheint mir diese nach wie vor eine der gewichtigsten zu sein (nicht zuletzt seines Sinn-Kontextes und seiner Unwiderlegbarkeit wegen).

Wer kann mir obiges Dilemma dennoch argumentativ auflösen...nun ja...der Quadratur des Kreises ähnlich (nur, dass die Unmöglichkeit des letzteren erst aufwendig bewiesen werden musste.)
whocares
Beiträge: 69
Registriert: Donnerstag 3. November 2016, 17:07

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von whocares »

Niemand? Wirklich niemand? Oder nur nicht willens (...kleiner Scherz) ?
Peterchen
Beiträge: 742
Registriert: Freitag 30. Januar 2015, 13:02

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von Peterchen »

Oh. Ich hatte den Beitrag gar nicht gesehen. Werde die Tage eine Antwort schreiben.
whocares
Beiträge: 69
Registriert: Donnerstag 3. November 2016, 17:07

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von whocares »

Peterchen hat geschrieben:Oh. Ich hatte den Beitrag gar nicht gesehen. Werde die Tage eine Antwort schreiben.
Von (meinem) Interesse wäre natürlich eine Widerlegung oder zumindest Entkräftung des obigen (Wahrscheinlichkeit = sehr klein).
Oder aber das Aufzeigen (d.h. mich überzeugen...siehe nächste Klammer), dass ein kompatibilistisches Freiheitsverständnis moralisch relevant ist, insofern es volle Zurechenbarkeit/Schuldfähigkeit begründen kann (scheint mir wahrscheinlicher als erstgenanntes, aber auch unwahrscheinlich. Dies Letztere dürfte aber so oder so problematischer sein, dann nämlich wenn unterschiedliche, nicht weiter rational begründbare/ableitbare Prämissen im Spiel sind...contra principia negantem non est disputandum).
Dann noch der Aufweis, dass das Fehlen der Möglichkeit ind.-selbstbestimmten Wollens nicht notwendig Sinn verneinende Implikationen hat (dies ist natürlich sehr stark abhängig vom je subjektiven Sinnanspruch, wobei viele - umfassendere - Sinnkonzepte sich ja gerade auf ebensolchem ind.-selbstbestimmten Wollen stützen.)

Aber jeder anderweitige Kommentar wird natürlich auch willkommen geheissen... ;-)
Lena-Marie
Beiträge: 722
Registriert: Mittwoch 16. Mai 2012, 07:50

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von Lena-Marie »

Tödliche Schneeflocke? :wink:
Springer

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von Springer »

Mir ist die ganze Diskussion ehrlich gesagt völlig egal...

Was ändert das? Ich wäre auch gern willenlos und glücklich. Exkrement auf den freien Willen.
glycerine

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von glycerine »

Mir ist das ganze zwar nicht egal, aber ich befürchte wenn ich manche Erkenntnisse bekomme, dann habe ich dadurch nur
noch mehr Lebensunlust. Deshalb versuche ich das ganze zu ignorieren.
whocares
Beiträge: 69
Registriert: Donnerstag 3. November 2016, 17:07

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von whocares »

Springer hat geschrieben:Mir ist die ganze Diskussion ehrlich gesagt völlig egal...

Was ändert das? Ich wäre auch gern willenlos und glücklich. Exkrement auf den freien Willen.
Es ist einfach ein Aspekt unter vielen. Den meisten wird`s egal sein ob sie frei sind oder nicht zu wählen, zu entscheiden. Hauptsache ihre Wünsche und Begierden werden befriedigt.
Für andere mag die dargelegte Erkenntnis einen Pfeil in ihrem Bemühen einen möglichen Sinn de Ganzen konsistent denken zu können.
Von einer Leidensperspektive her gesehen würde ein freier Wille manches Leid als noch sinnloser erscheinen lassen: eben weil es Folge einer freien, sprich: Kontingenten, nicht notwendigen, Handlung war.
whocares
Beiträge: 69
Registriert: Donnerstag 3. November 2016, 17:07

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von whocares »

glycerine hat geschrieben:Mir ist das ganze zwar nicht egal, aber ich befürchte wenn ich manche Erkenntnisse bekomme, dann habe ich dadurch nur
noch mehr Lebensunlust. Deshalb versuche ich das ganze zu ignorieren.
Gutes Vorgehen, nicht jeder Gedanke ist aufbauend. Und dem je einzelnen Subjekt geht in aller Regel zuerst ums Leben-Überleben. Deine Einstellung scheint mir insofern völlig o.k. zu ein. Will ja niemandem zu seinem Unglück zwingen.
Lexx
Beiträge: 124
Registriert: Mittwoch 24. Juli 2024, 21:12

Re: Warum ein freier Wille nicht existiert

Beitrag von Lexx »

whocares hat geschrieben: Freitag 24. März 2017, 18:46 (...)
u]Argumentation warum ein indeterministsch-selbstbestimmtes Wollen unenkbar und ergo nicht existent ist.[/u]
(...)
Man kann hier schon feststellen: da ich mich nicht frei dazu entscheiden kann, etwas zu tun was meinen grundlegendsten Interessen entgegensteht (z.B. jemanden oder sich umbringen, einfach so...), kann man rein empirisch konstatieren, dass jeder Entscheid an irgendwelche Determinanten gekoppelt bleibt (in welcher Form auch immer).
(...)
Vor allem im Denken erleben wir uns als aktiv und scheinbar frei und unsere Entscheidungen lenkend...zumindest im Vergleich zu Impulsen, Affekten. Aber: diesse Werte, Gründe, Prinzipien sind ebenso gegeben, sowohl in ihrem Dasein wie in ihrem Sosein. Dort wo das Ich glaubt frei zu entscheiden, spiegelt es wiederum nur, nun diese diese Werte etc.
(...)
Wer kann mir obiges Dilemma dennoch argumentativ auflösen...nun ja...der Quadratur des Kreises ähnlich (nur, dass die Unmöglichkeit des letzteren erst aufwendig bewiesen werden musste.)
Die Ausgangsposition und die im vollständigen Threaderöffnungstext dargelegten Argumente sind wirklich interessant und man merkt auf jeden Fall, dass sich hier sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt worden ist.

Für mich stellt sich dabei die Frage, ob der Fokus tatsächlich auf die vermeintliche Existenz eines freien Willens per se zu setzen ist, oder nicht vielmehr auf die Überzeugung und Bereitschaft des Einzelnen, seinen Willen auch faktisch in die Tat umsetzen zu können- und welches Risiko bzw. welchen Preis er ganz persönlich dafür zu zahlen bereit wäre.


Was genau in einem Menschen einen Willen, einen Wunsch, ein Bedürfnis entstehen lässt und unter welchen jeweiligen Einflüssen, Abhängigkeiten und Situationen dieser Wille individuell begründet ist, empfinde ich als einen personenbezogenen und dynamischen Entwicklungsprozess und erkenne daher auch keine logische Basis für eine universelle allgemeingültige Aussage.

Der Wille eines Menschen, egal wie frei oder eingeschränkt dieser auf einen selbst oder auf Dritte wirken mag, kann meiner Meinung nach nicht losgelöst und unabhängig betrachtet werden, da er genau in diesem Menschen unter Einbeziehung seines dazugehörigen persönlichen Hintergrundes gebildet wurde. Und selbst der stärkste Wille reicht vermutlich nicht automatisch zur faktischen Handlungsfähigkeit aus, wenn gleichzeitig nicht auch die starke Überzeugung einer dem Wesen dieser Person entsprechenden, realistischen und infrage kommenden Umsetzbarkeit gegeben ist.


Wirkliche Rückschlüsse würde ein Wille meines Erachtens wohl erst dann zulassen, wenn und auf welche Art dieser letztendlich in die Tat umgesetzt wird, oder ob sich der Willensträger stattdessen bewusst gegen eine Umsetzung entscheidet. Je nach konkretem Willensinhalt ließe sich daraus unter anderem auch ableiten, welche persönliche Interpretation von Freiheit der gewählten Entscheidung zugrunde liegen könnte.

Wird Freiheit zB als eine vollumfänglich uneingeschränkte Zulässigkeit sämtlicher vorhandener Handlungsoptionen wahrgenommen, dann "hört die Freiheit des einen definitiv nicht mehr dort auf, wo die des anderen beginnt". Sie könnte in diesem Fall vielmehr die teilweise oder vollständige Befreiung bzw. selbstgewählte Außerkraftsetzung von gesellschaftlichen, gesetzlichen und moralischen Werten sowie vom eigenen Sozialverhalten bedeuten.

Jede auch noch so altruistisch und idealistisch angedachte Bewegung würde folglich zugleich auch das Potential zu extremer Gewaltanwendung in sich bergen, wenn Wille und Möglichkeiten in Verbindung mit absoluter Entscheidungsfreiheit und Handlungsfähigkeit in ausreichend starker Ausprägung zusammen kommen.


Die eventuell bedeutsamere Frage ist daher abschließend vielleicht also gar nicht unbedingt so sehr, ob es einen freien Willen gibt, sondern wieviel von der theoretisch unbegrenzten Freiheit man sich selber zugesteht und für die Umsetzung seines Willens de facto auch anzuwenden bereit ist.

Only sky is the limit - oder besser doch nicht...?
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