Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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salvation
Beiträge: 10
Registriert: Donnerstag 17. August 2023, 17:07

Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von salvation »

Hallo zusammen.

Ich habe mich in der letzten Zeit ins Forum eingelesen und möchte mein herzliches Beileid für alle eure Schicksale aussprechen. Ich bin leider selber schwer erkrankt und kann seitdem sehr gut nachvollziehen, dass wenn der Leidensdruck unerträglich wird (und das womöglich noch über eine sehr lange Zeit), man „austherapiert“ ist und keinen anderen Ausweg mehr sieht, den Weg des Freitods in Betracht zieht und gegebenenfalls auch umsetzt.

Ich erlebe diese Gedanken und das in Betracht ziehen dieser mir immer realistischer und rationaler erscheinenden Möglichkeit als extrem schmerzhaft und unglaublich traurig. Keiner von uns will das Leben beenden, wir wollen das Leiden beenden. Das Schreckliche an diesem Endpunkt ist, dass wenn das Leiden unerträglich wird und unter Umständen auch keine Möglichkeit der Heilung oder zumindest Linderung mehr besteht, dass dann die Wahl das Leid zu beenden auch die Beendigung des Lebens bedeutet, zumindest des Lebens in der physischen Realität. Das liegt einfach an unserer Daseinsform als Mensch und das Gebundensein an einen physischen Körper, der leider schwer krank werden kann, ebenso wie die Psyche. Vor allem den Gedanken an die Familie empfinde ich bei diesem Thema als sehr schmerzhaft und belastend.

Ich bin ein zutiefst spiritueller Mensch und war mein Leben lang ein sehr positiver, lebensbejahender Mensch und habe diese Grundhaltung dem Leben gegenüber auch in Krisen und Krankheiten, von denen es viele in meinem Leben gab, nicht verloren. Auch war ich die meiste Zeit in der Rolle anderen zu helfen, was sich nun leider geändert hat, weil ich nun selbst schwer betroffen bin. Die letzte Erkrankung, welche mich seit etwa eineinhalb Jahren extrem quält hat sogar mich gebrochen. Ich bin noch unsicher, ob ich mein Krankheitsbild und die Hintergründe hier teilen möchte. Erstmal halte ich mich noch zurück und bleibe etwas allgemeiner. Wenn ich mich in diesem Forum wohl fühle, werde ich mein Schicksal in diesem Thread teilen, um dann eventuell auch Hilfe und Unterstützung auf diesem Weg erhalten zu können.

Ich habe den Suizid mein Leben lang eher abgelehnt und stand eher auf der Seite von: „Es gibt immer noch etwas was man tun oder versuchen kann“, „Wir haben eine gute und effektive Palliativmedizin“, „Das Leben besteht aus Phasen und es werden wieder bessere Zeiten kommen“, „Ich glaube, dass mit Gottes Hilfe und der richtigen Lebensweise viele Krankheiten und Krisen zu überwinden sind“, „Wir müssen lernen mit dem Leid was uns auferlegt wurde umzugehen und zu leben“, „Gott hat uns das Leben gegeben und nur er darf es wieder von uns nehmen.“, und so weiter. An dieser Einstellung hat sich inzwischen etwas geändert und ich sehe das Thema viel differenzierter.

Ich habe einige Jahre in der Pflege in allen Bereichen gearbeitet und habe hautnah miterlebt habe, wie schwer krank der Mensch werden kann. Ich habe unter anderem auch Sterbebegleitung geleistet und auf einer Station für Wachkomapatienten gearbeitet, gerade hier konnte ich die Arbeit nur schwer bzw. gar nicht mit mir und meinen moralischen und ethischen Vorstellungen vereinbaren, weil diese Lebensform nur durch die moderne Medizin möglich gemacht wird und es definitiv kein lebenswertes Leben sein kann (auch wenn es extrem seltene Berichte darüber gibt, dass Menschen wieder zu Bewusstsein gekommen sind). Aber das ist ein spezielles Thema für sich. Auch in der normalen Pflege hat mich dieser ärztliche Grundsatz das Leben um jeden Preis zu erhalten und zu verlängern sehr gestört, zum Beispiel wenn Menschen über 90 Jahre nochmal ins Krankenhaus eingeliefert werden, um sie weiterzubehandeln (und welche dann oft im Krankenhaus sterben müssen). Auch die Haltung vieler Angehöriger spielt dabei eine große Rolle, weil es vielen Menschen einfach sehr schwer fällt loszulassen.

Ich denke nach wie vor, dass sehr viele Suizide „unnötig“ sind und viele Menschen darunter sind, die mit der richtigen Hilfe und Unterstützung wieder hätten gesund werden können und diese Krise bzw. Phase überwinden hätten können. Aber wie ich nun selber erleben muss, gibt es so schwere chronische Krankheits- und Leidenszustände, die einem Menschen einfach nicht zuzumuten sind, welche schlichtweg nicht tragbar sind. In diesen Fällen, wenn wirklich nichts anderes mehr geht, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Freitod eine „Sünde“ ist, sondern einen legitimen Ausweg darstellt. Natürlich hat dieser Weg in den meisten Fällen immer einen bitteren Beigeschmack und für irgendeinen Anteil in uns fühlt es sich falsch an, einfach weil es ein unnatürlicher Vorgang ist um aus dem Leben zu scheiden. Und weil es ein Akt der Gewalt (gegen sich selbst) ist, man tötet einen Organismus der auch trotz Krankheit so lange es geht weiterleben will. Das Wort „Gewalt“ trifft natürlich eher auf die „harten“ Methoden zu, welche natürlich unglaublich grausam sind. Auch wenn unser Körper krank ist, ist er ein Wunder und ein Geschenk. Wer würde schon auf einen wunderschönen Kristall mit einem Hammer draufhauen? Oder absichtlich und achtlos eine Rosenblüte oder ein Tier zertreten? Sanftere Methoden, die uns leider verwehrt werden, sind natürlich wesentlich humaner, schonender und beinhalten nicht diese destruktive Energie der Selbstzerstörung (und schädigen und traumatisieren nicht auch noch andere Menschen). Betroffene wollen sich nicht zerstören, sie wollen sich erlösen. Das „einfach einschlafen“ ist wohl für jeden Menschen die schönste Vorstellung von diesem Vorgang.

Ich denke es ist wichtig, genauestens zu unterscheiden und genauestens zu schauen, ob dieser Weg für den Einzelnen wirklich legitim und „richtig“ ist. Wie bereits erwähnt denke ich, dass es bei einem sehr großen Teil der Menschen die sich suizidieren mit der richtigen Hilfe, Unterstützung und Begleitung einen anderen Ausweg gegeben hätte. Vor allem bei jenen, die eigentlich gesund sind, es aber als (impulsive) Reaktion auf äußere Umstände tun, wie Trennung, Jobverlust, Tod von geliebten Menschen, Armut, Mobbing oder ähnlichen Dingen. Äußere Umstände sind ständigen Veränderungen unterworfen und Verarbeitungsprozesse brauchen manchmal ihre Zeit. Schicksalsschläge gehören zum Leben dazu und viele Krisen und Krankheiten sind schlichtweg dafür gedacht, um daran zu wachsen, zu lernen, zu reflektieren und zu neuen Erkenntnissen über sich selbst und sein Leben zu kommen und um diesem dann eine neue Richtung geben zu können, welche einen zu mehr Frieden, Gesundheit, Erfüllung und Sinn führt. Es gibt unendlich viele Beispiele, wie Menschen durch Krisen und Krankheiten „aufgeweckt“ wurden und diese im Nachhinein als große Chance oder sogar als Geschenk wahrgenommen haben, weil sich danach ihr Leben zum Positiven gewendet hat, oft sogar dann noch deutlich besser war, als es vor der Krise oder Krankheit jemals war und sie stärker und bewusster als jemals zuvor daraus hervorgetreten sind. 

Anders sieht es aus wenn das Leiden durch schwere und schwerste chronische physische oder psychische Erkrankungen ausgelöst wird. Ich denke sie müssen nicht immer terminal sein, um an seine persönliche Grenze der Erträglichkeit zu stoßen. Wenn wirklich alles (!) versucht worden ist um Heilung oder zumindest Linderung zu erreichen, das Leiden auch mit einer so weit es geht positiven Grundhaltung, mit einer guten medikamentösen (bzw. palliativmedizinischen) Behandlung, mit der alltagsbegleitenden Unterstützung von anderen Menschen, Familie und Freunden und einer spirituellen Begleitung als so schwer und unerträglich erlebt wird, dass es definitiv nicht mehr hinzunehmen und zu ertragen ist, dann stellt der (assistierte) Suizid einen gangbaren Weg dar. Körperliche und psychische Erkrankungen sollten in ihren möglichen Leidensdimensionen gleichermaßen für diesen Weg anerkannt werden. Vielleicht gehört in diesen verhältnismäßig seltenen Fällen der Freitod auch einfach mit zum Lebensplan dazu und es gibt dann wirklich keine Alternative mehr.

Ich möchte jetzt hier die Gelegenheit nutzen, um mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Mit wem soll man es bei diesem tabuisierten Thema sonst tun? Die Familie oder Freunde in Angst, Sorge und Traurigkeit versetzten? Beim Arzt oder Therapeuten eine Zwangseinweisung riskieren? Kommt beides nicht infrage. Wenn die endgültige Entscheidung getroffen ist, sollte man sich natürlich, wenn es möglich ist, seinem engsten Umfeld anvertrauen, damit man sich verabschieden kann und der Schock und das Trauma für die Hinterbliebenen nicht so groß sind. Dies ist natürlich eher möglich wenn es ein assistierter Suizid ist, wenn man es selber macht ist es natürlich viel schwieriger.

Wichtig finde ich auch, dass in dieser ganzen Thematik und Diskussion (und auch in Foren wie diesem) der Wert des Lebens oberste Priorität haben sollte und jeder sein Bestmögliches geben sollte, um, wenn möglich, anderen (auch wenn man selber schwer leidet und viel mitgemacht hat) mit eigenem Wissen und eigenen Erfahrungen zu helfen, um deren Situation zu verbessern. Vielleicht findet sich im Einzelfall doch noch ein anderer Weg, welcher natürlich immer vorzuziehen ist. Erst wenn der wie bereits erläuterte Fall eintritt, dass gar nichts mehr möglich ist und jemand seine Entscheidung getroffen hat, kann man sich über mögliche Wege unterhalten, wie man den Weg des (im besten Falle assistierten) Freitods auf eine humane, sichere und würdevolle Weise beschreiten kann.

Das waren nur ein paar spontane persönliche Gedanken zu dem Thema, es gibt dazu noch so viel zu sagen.

Alles Liebe für jeden von euch.

salvation
Zuletzt geändert von salvation am Montag 21. August 2023, 13:56, insgesamt 1-mal geändert.
Natcha
Beiträge: 64
Registriert: Montag 7. August 2023, 13:44

Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von Natcha »

Hallo! Ganz toll geschrieben! Freue mich auf den Austausch! Lg
salvation
Beiträge: 10
Registriert: Donnerstag 17. August 2023, 17:07

Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von salvation »

Ein kleiner Nachtrag, weil es mich so wütend macht.
Wenn man in selber in die Lage kommt erfahren zu müssen was für unglaubliche Leidensdimensionen in dem menschlichen Körper und in der menschlichen Psyche (für unter Umständen sehr lange Zeiträume oder womöglich ein Leben lang) möglich sind und in die Situation kommt, sein Leben aus der absoluten Unerträglichkeit und der fehlenden Perspektive auf Heilung oder Linderung heraus beenden zu wollen oder gegebenenfalls beenden zu müssen, erscheinen einem die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen wirklich als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, auch wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 2020 ja wieder ein Schritt in die richtige Richtung war.

Man kann den entsprechenden Gesetzgebern nur wünschen, zumindest mal einen Tag lang erfahren zu müssen, welche Leidenszustände in der menschlichen Existenz möglich sind. Dann würde sich mit Sicherheit jeder von ihnen für eine Liberalisierung und Ausweitung der assistierten Sterbehilfe aussprechen, sowie für die Freigabe von NaP. Außer ihnen fehlt jegliches Empathievermögen oder sie sind sadistisch.

Es ist schon grausam genug sich in so einer existenziellen Situation und Notlage zu befinden, umso grausamer ist es, dass vielen Betroffenen der begleitete, humane, sichere und würdevolle Notausgang verwehrt wird.
Man ist in solchen schweren Krankheitszuständen bereits ohnmächtig und muss dann auch noch die Ohnmacht erleben, dass einem das Lebensrecht auf den eigenen sicheren und würdevollen Tod, für den einzelnen finanzierbar und mit einem geeigneten Mittel verwehrt wird, beziehungsweise es nicht im eigenen Heimatland und zuhause durchführen zu können.
Zuletzt geändert von salvation am Freitag 18. August 2023, 14:05, insgesamt 1-mal geändert.
Hurlinger
Beiträge: 412
Registriert: Donnerstag 19. Oktober 2017, 19:41

Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von Hurlinger »

salvation hat geschrieben: Donnerstag 17. August 2023, 19:34 .... wirklich als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, auch wenn das Gesetz aus 2020 ja wieder ein Schritt in die richtige Richtung war.

Man kann den entsprechenden Gesetzgebern nur wünschen, zumindest mal einen Tag lang erfahren zu müssen, welche Leidenszustände in der menschlichen Existenz möglich sind. Dann würde sich mit Sicherheit jeder von ihnen für eine Liberalisierung und Ausweitung der assistierten Sterbehilfe aussprechen, sowie für die Freigabe von NaP. Außer ihnen fehlt jegliches Empathievermögen oder sie sind sadistisch.

Hallo salvation.
Dein Beitrag ist wirklich sehr gut geschrieben.
Bemerkenswert finde ich den Wechsel der früheren religiösen Ansicht zu der jetzt durch Erkrankung entstandenen liberaleren Einstellung.
Ich finde, Du hast Recht, dass jeder, der über dieses neue Sterbehilfegesetz, was hier in "D" immer noch keine Form annimmt, zu befinden hat, wirklich selbst mal in der quälenden Situation stecken müsste. Dann würde das Gesetz sicherlich eher zum Patientenwohl ausfallen.
Welches Gesetz von 2020 meinst du? Oder meinst du das Urteil des Bundesverfassungsgericht?
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 34715.html
Gruß
Hurlinger
salvation
Beiträge: 10
Registriert: Donnerstag 17. August 2023, 17:07

Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von salvation »

Hallo Hurlinger,

ja, dieses Urteil meine ich - habe es in dem Text geändert, danke.

Gruß
salvation
kapree
Beiträge: 113
Registriert: Montag 3. Juli 2023, 17:53

Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von kapree »

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Zuletzt geändert von kapree am Samstag 9. September 2023, 14:49, insgesamt 1-mal geändert.
Emely
Beiträge: 210
Registriert: Mittwoch 17. November 2021, 14:03

Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von Emely »

Ich bin auch jemand, der sich vor der ersten suizidalen Phase nicht mit dem Thema beschäftigt hat. Da mein Leben seit dem Kleinkindalter traumatisierend war, gibt es für mich auch kein "Davor". Vor den Therapien habe ich funktioniert und abgespalten. Nun lerne ich Persönlichkeitsanteile kennen, die unsere ganzen Erfahrungen in den Kopf schießen und gleichzeitig getröstet werden wollen, während ich Panik, Ekel, Angst, innere Ohnmacht, Wut, Verzweiflung und all sowas gleichzeitig empfinde. Und passende Therapien für komplex Traumatisierte mit Persönlichkeitsanteilen zu finden ist nicht leicht. Depressionen, Süchte, Borderline - es gibt zig spezialisierte Angebote dafür. Aber jemand wie ich hat keine guten Karten.
In dne meisten Kliniken wussten die bisher nicht, was genau mit mir los ist, haben das nicht für voll genommen oder kannten sich schlichtweg nicht aus. Ich ging also suizidal hin, kam hochfunktional wieder raus und mutierte dadurch auch zur Drehtürpatientin. Ich kam aber immer klar in den Kliniken, egal ob Psychiatrie, Geschlossene, Psychosomatik oder Spezialklinik. Und dieses Jahr habe ich in einer stinknormalen Psychiatrie einen Bezugstherapeuten gefunden, der mich wirklich begleitet. Ich würde immer wieder in die Klinik gehen, wenn es nötig ist und ich in der Suizidalität noch zugänglich für Hilfe bin.

Manchmal fühle ich mich auch wie eine Wachkomapatientin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mit den Dingen, die ich immerhin 20 Jahre lang erlitten habe, möglich ist, ein lebenswertes Leben aufzubauen. Ich komme ohne Therapie nicht klar. Und die nächsten Intervalltherapien zur weiteren Traumaaufarbeitung sind schon geplant. Ich ziehe sogar demnächst um, nur weil es am neuen Ort passendere Hilfen für mich gibt, in der Hoffnung, dass ich dann vorankomme.

Ich glaube, dass ich mir nicht das Leben nehmen kann, weil ich Anteile habe. Im System gibt es eine glitzerbunte 7jährige. Die ist emotional wirklich wie 7. Und 7jährige Kinder wollen sich nicht umbringen. Die wollen spielen, Glitzer sehen, Seifenblasen pusten, hüpfen, schaukeln...
3 Anteile habe ich schon integriert. Aber ich glaube, solang es Anteile gibt, die Helferrollen innehaben, KANN ich mir nichts antun. Manchmal habe ich regelrecht Angst, dass die Therapien irgendwann erfolgreich sind, alle Anteile integriert sind und ich dadurch plötzlich den Mut habe, mich umzubringen. Irgendjemand vom System sicht doch nach Hilfe, selbst wenn ich schon gar nicht mehr mit den Therapeuten rede oder mich zurückziehe oder nach Suizidmethoden gucke und mich vorbereite. Irgendjemand ruft dann doch irgendwo an, geht zum Termin und so.
Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits kann ich durch die Störung (die ja durch brutalste Erlebnisse entstanden ist!) mir nichts antun und bin meistens lebensbejahend. Und andererseits fühle ich mich manchmal gefangen im Leben dadurch. Ich kann nicht leben, ich kann nicht sterben. Selbst mit der perfekten Methode geht weder das Eine noch das Andere.

Eine Drehtürpatientin zu sein belastet mich. Abhängig von Therapeuten und Klinikpersonal zu sein belastet mich. Aber nach so vielen Erlebnissen ist es einfach nicht anders möglich. Ohne eine Drehtürpatientin zu sein hätte ich keine Chance auf ein Leben. Und da ich mich ja auch nicht umbringen kann, kann ich auch gucken, wie ich mein Leben hinkriege.
Denn nichts zu tun, also zu verharren, ist für mich schlimmer als eine Entscheidung zu treffen. Wie ein Esel, der nicht weiß, welchen Heuballen er nehmen soll und deshalb verhungert.
Deshalb glaube ich tatsächlich schon, dass ich entscheide, ob ich mein Leben schön mache oder weiter im Höllenleben bleibe. Auch wenn solche Glückskekssprüche vom Klinikpersonal meistens zum Kotzen sind.
Ich habe bisher aber immer einfühlsame und liebe Pflegerinnen gefunden, mit denen ich dann geredet habe.
Aber ich werde noch eine Weile Drehtürpatientin bleiben. Das beschämt mich auch oft. Oft denke ich mir, dass es gut gewesen wäre, hätten meine Täter mich umgebracht...
Astrilian
Beiträge: 20
Registriert: Montag 11. September 2023, 20:53

Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von Astrilian »

Hallo Salvation,

dein Beitrag schreibt mir aus der Seele und ich denke dass es vielen anderen genauso geht.
Was das betrifft ist unsere Gesellschaft einfach extrem rueckstaendig.

Ich lebe gerade in einem Land wo es Frauen nicht erlaubt ist einer Schwangerschaft abzubrechen.
(Mitten in Europa)

Wenn es um das Recht geht mit dem eigenen Koerper zu tun was man selbst will...
...diesbezueglich sind die allermeissten Laender extrem rueckschrittlich.

Wenn man nicht in der Schweiz (oder Belgien) lebt dann wird man von der Gesellschaft gezwungen
egal der jeweiligen Situation am Leben zu bleiben.

Viele haben auch nicht die Moeglichkeit an sichere Methoden (Waffe) zu kommen und
muessen dann andere wie einen Zugfuehrer mit hineinziehen.

Und die wenigen Organisatoren die es gibt und wenigen mutigen Aerzte werden von dem Gesetzgeber
bis zu auessersten schickaniert (selbst in der Schweiz bei Dignitas) und Hilfewilligen droht das Gefaengnis.

Zumindest nach aktuellem Gesetz in Deutschland...
Delfino
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Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von Delfino »

Suizid ist in vielen Religionen eine schwere Sünde. Natürlich kommt es auf den Einzefall drauf an. Gott ist kein Sadist, der Menschen gerne leiden sieht. Wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind und das Leiden absolut unterträglich ist, dann wird er vermutlich ein Auge zudrücken. So genau weiss ich es auch nicht. Aber was ich weiss, ist, dass längst nicht alle Suizidenten in der Hölle landen. Aber leider immer noch zuviele...
salvation
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Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von salvation »

Hier ein „Channeling“/Bericht über das Thema Freitod aus spiritueller Sicht. Ich denke, ich gehe damit in Resonanz. Leider beinhaltet dieser Bericht/Dialog nicht die Situation, in der sich ein Mensch in schwerer chronischer Krankheit und schwerstem Leiden befindet und greift auch nicht das so wichtige Thema Sterbehilfe auf. Diese Aspekte befinden sich ja im Zentrum unseres Interesses, von daher trifft dieser Bericht nicht wirklich den Kern dieser Diskussion. Aber er gibt zumindest eine spirituelle Perspektive auf das Thema Freitod ohne religiöses Dogma.

Der Link funktioniert irgendwie nicht, von daher bitte bei Google „Lichtweltverlag Freitod“ eingeben, dann gelangst du zu dem Bericht.
Delfino
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Re: Gedanken zu diesem Thema, selbst betroffen

Beitrag von Delfino »

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