Sterbehilfe/zwang in Kanada

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

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Ginosaji
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Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Ginosaji »

Die Thematik in diesem Forum dreht sich ja vor allem um die Möglichkeit der menschenwürdigen Selbsttötungen, bzw. assistierte Sterbehilfe, es gibt ja auch fortschrittliche Länder die das ihrer Bevölkerung anbieten, so zb. Kanada mit seiner Medical Assistance in Dying (MAiD) Gesetzgebung, die 2023 dieses wohl auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen ermöglichen wird.

Die andere Seite dieser Praxis scheint aber recht düster zu sein, so gibt es Berichte das Kranke deren Betreuung sehr Kostenintensiv ist zu Euthanasie gedrängt, erpresst und genötigt werden, obwohl bei diesen gar kein Lebensunwille besteht, sondern sie sich nur erträglichere Lebensbedingungen erhoffen.

Eine Sterbehilfe nach ökonomischen Sachzwängen, wenn man sich das durch eine Krankheit eingeschränkte Leben finanziell nicht mehr leisten kann und daraufhin zum „freiwilligen“ Ableben gedrängt wird ist wohl eine der dystopischsten Vorstellungen die diese Thematik bereit hält.

Nun, Kanada mag fern sein, aber genau dieses Szenario wäre eben auch in diesem dysfunktionalen Deutschland denkbar, man kann hier einfach nicht irgendetwas gut lösen, man schafft hier stets ein Monstrum und lässt es eine Schneise der Verwüstung schaffen und hinterher will es keiner gewesen sein.

Anbei ein paar Artikel zu der Thematik, wer im englischen nicht so fit ist, der Google Übersetzer schafft es das ganze sinnerfassend lesen zu können.

https://www.canada.ca/en/health-canada/ ... dying.html

https://www.stern.de/gesundheit/-haben- ... 28792.html

https://www.washingtonpost.com/outlook/ ... story.html

https://www.ctvnews.ca/health/woman-wit ... -1.5860579

https://www.spectator.co.uk/article/why ... -the-poor-
n°cturne
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Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von n°cturne »

Das Thema trifft so ziemlich auf den Kopf, was mir schon seit geraumer Zeit in eben diesem herumgeistert. Letztlich ist die Situation in Kanada auch nur eine Manifestation dessen, was ebenso in unserem System bereits schlummert:

Da wird eine Fassade der Sozialstaatlichkeit aufgefahren, hinter der letztendlich jedoch nichts anderes passiert als eine krude Taktik, um möglichst viele "kaputte" Menschen aus dem System zu drängen und sie letztlich unter fadenscheinigen Argumenten vor die Hunde gehen zu lassen.

Oft habe ich mir schon gedacht, da wäre es doch ehrlicher, sich gleich wieder offiziell zur Euthanasie zu bekennen und jedem, der aus dem Tritt gerät, eine solche auch anzubieten. Nein, anstelle dessen veranstaltet man da diesen ganzen Zirkus, nur um den Schein zu wahren. Aber in Wahrheit ist der Mensch schon lange zum Wegwerfartikel mutiert. Allenfalls versucht man noch, eine Zweitverwertung herauszuquetschen, indem man eine ganze Masse an Leuten ihren Lebensunterhalt damit verdienen lässt, sich an den armen Menschen zu bereichern, die man so gezielt wie perfide einen aussichtslosen Kampf um ihre Existenzberechtigung kämpfen lässt. Das Ganze gleicht einem Circus Maximus, in dem man die Underdogs noch einen letzten ungleichen Kampf gegen wilde Bestien austragen lässt, während die Zuschauer auf den Tribünen genüsslich das Spektakel kommentieren. Brot und Spiele. Nichts hat sich geändert.

Und so wundert es mich kaum, dass es bei einer liberalen Sterbehilfe schnell zu Szenarien wie den geschilderten kommen kann. Erschreckend dennoch.
Ginosaji
Beiträge: 4
Registriert: Montag 29. August 2022, 13:45

Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Ginosaji »

Gegenwärtig können wir diese Logik ja schon in unserem Gesundheitssystem erkennen, wem die Ärzte nur noch eine geringe Spanne an Lebenserwartung prognostizieren, der braucht gar nicht zu hoffen das er medizinisch so versorgt wird, das auch die Lebensqualität noch halbwegs stimmt. Dieser Mensch wird abgeschrieben und wird nur noch notwendigerweise versorgt und am Leben erhalten, man muss ja den Schein der humanen Gesellschaft wahren. Es ist der pure Hohn.

Andererseits ist es Gesundheitsökonomisch betrachtet äußerst bizarr Lebensunwilligen einen sicheren Weg zu versperren, lieber nimmt man dann die Kosten in Kauf wenn ein Suizid fehlschlägt und daraufhin erhebliche Gesundheitskosten verursacht, zb. ein fehlgeschlagener Kohlenmonoxid Versuch, der erhebliche Gesundheitskosten nach sich ziehen kann. Statt den geringen Kosten für eine letale Dosis NaP plus Begleitmedikation und vielleicht noch ein schönes Ambiente für den letzten Weg zu ermöglichen, maßt man sich lieber an Menschen in ihrem Leid zu belassen, mit irgendwelchen Medis vollzustopfen, schlimmstenfalls diese noch in die Psychiatrie einzusperren oder sie in Furcht vor einem qualvollen Suzid im Leben zurückzulassen.
Scotti
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Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Scotti »

Puh, ich habe mir die Artikel mal durchgelesen und da kommt man schon sehr ins Denken. Wirklich krass, was in Canada gemacht wird, keine Frage. Dennoch frage ich mich, wie man da eine vernünftige und vor allem sichere Grenze ziehen kann, damit es da nicht zu Willkür und vor allem rein wirtschaftlichen Überlegungen kommt. Klar, die meisten von uns hier würden, wären wir in so einer Situation sicher sagen, dass wir die Hilfe gern annehmen und 5 Minuten später reisen wir nach Hause. Wäre schon leichter, als sich hier durch Gott weiß wie viele Instanzen quälen zu müssen oder dass man ständig aufpassen muss, nicht zu viel zu erzählen, damit nicht plötzlich die Geschlossene der vorübergehend neue Wohnsitz wird.

Auf der anderen Seite stelle ich es mir aber auch schrecklich vor, wenn man an sich noch leben möchte, dann aber vom Arzt mehr oder weniger dazu gedrängt wird, eher heut als morgen die Spritze zu wählen und damit dann gegen seinen Willen gezwungen ist, diese Welt zu verlassen.
Canada hat auch, wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, zwar auch ein recht gutes Sozialsystem, aber: der Zugang dazu ist extrem schwierig und komplex und schließt sehr viele Menschen, auch Einwanderer aus, die dann nur noch auf Wohltätigkeit der Mitbürger hoffen können. Dazu gab es mal einen Fall bei Goodbye Deutschland, an den ich mich erinnern kann. Wirklich krass, wie da die Regierung den Druck innerhalb von Tagen aufbaut.
Dissolved_Alice
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Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Dissolved_Alice »

Mich wundert es ehrlich gesagt, dass in unserem durch und durch profitgeilen System noch keine Sterbehilfe erlaubt ist, bei Menschen, die unterm Strich halt vorrangig nur Kosten verursachen... Naja kann nicht mehr lang dauern. Und natürlich wird das gruselig, aber das wird die nahe Zukunft sowieso.
Balduin
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Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Balduin »

Ginosaji hat geschrieben: Montag 29. August 2022, 15:43 ... so gibt es Berichte dass Kranke deren Betreuung sehr Kostenintensiv ist zu Euthanasie gedrängt, erpresst und genötigt werden, obwohl bei diesen gar kein Lebensunwille besteht, sondern sie sich nur erträglichere Lebensbedingungen erhoffen.

Eine Sterbehilfe nach ökonomischen Sachzwängen, wenn man sich das durch eine Krankheit eingeschränkte Leben finanziell nicht mehr leisten kann und daraufhin zum „freiwilligen“ Ableben gedrängt wird ist wohl eine der dystopischsten Vorstellungen die diese Thematik bereit hält. ...
Dasselbe wurde vor kurzem über die Situation in Großbritannien berichtet, als es um den Rechtsstreit um den Jungen Archie ging; die Ärzte setzten per Gerichtsbeschluss und gegen den Willen der Eltern durch, dass lebenserhaltende Maßnahmen beendet wurden.

Es hieß, das sei in GB gar nicht so selten. Lange, teure medizinische Versorgung ohne Hoffnung auf Heilung führe dazu, dass Patienten - auch schon mal vom Hausarzt - mehr oder weniger behutsam an den Gedanken an einen Suizid herangeführt werden.
Balduin
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Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Balduin »

Dissolved_Alice hat geschrieben: Montag 5. September 2022, 20:47 Mich wundert es ehrlich gesagt, dass in unserem durch und durch profitgeilen System noch keine Sterbehilfe erlaubt ist, bei Menschen, die unterm Strich halt vorrangig nur Kosten verursachen... Naja kann nicht mehr lang dauern. Und natürlich wird das gruselig, aber das wird die nahe Zukunft sowieso.
Das denke ich schon lange: Bei den ausufernden Gesundheitskosten und der krassen Überalterung der Gesellschaft wird man über kurz oder lang zu der Erkenntnis kommen, dass man jene, die gehen wollen, ruhig gehen lassen und den milden Suizid ermöglichen sollte. Thema Sterbeklinik o.ä. - oder, wie in NL angedacht, die Sterbepille für alle ab 70.
Dissolved_Alice
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Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Dissolved_Alice »

Ginosaji hat geschrieben: Dienstag 30. August 2022, 11:25 ja den Schein der humanen Gesellschaft wahren. Es ist der pure Hohn.

Andererseits ist es Gesundheitsökonomisch betrachtet äußerst bizarr Lebensunwilligen einen sicheren Weg zu versperren, lieber nimmt man dann die Kosten in Kauf wenn ein Suizid fehlschlägt und daraufhin erhebliche Gesundheitskosten verursacht, zb. ein fehlgeschlagener Kohlenmonoxid Versuch, der erhebliche Gesundheitskosten nach sich ziehen kann. Statt den geringen Kosten für eine letale Dosis NaP plus Begleitmedikation und vielleicht noch ein schönes Ambiente für den letzten Weg zu ermöglichen, maßt man sich lieber an Menschen in ihrem Leid zu belassen, mit irgendwelchen Medis vollzustopfen, schlimmstenfalls diese noch in die Psychiatrie einzusperren oder sie in Furcht vor einem qualvollen Suzid im Leben zurückzulassen.
Nur... Wozu.... Das macht doch null Sinn
Scotti
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Re: Sterbehilfe/zwang in Kanada

Beitrag von Scotti »

Balduin hat geschrieben: Dienstag 6. September 2022, 03:01
Dissolved_Alice hat geschrieben: Montag 5. September 2022, 20:47 Mich wundert es ehrlich gesagt, dass in unserem durch und durch profitgeilen System noch keine Sterbehilfe erlaubt ist, bei Menschen, die unterm Strich halt vorrangig nur Kosten verursachen... Naja kann nicht mehr lang dauern. Und natürlich wird das gruselig, aber das wird die nahe Zukunft sowieso.
Das denke ich schon lange: Bei den ausufernden Gesundheitskosten und der krassen Überalterung der Gesellschaft wird man über kurz oder lang zu der Erkenntnis kommen, dass man jene, die gehen wollen, ruhig gehen lassen und den milden Suizid ermöglichen sollte. Thema Sterbeklinik o.ä. - oder, wie in NL angedacht, die Sterbepille für alle ab 70.
Für mich eine absolut legitime Überlegung, die auch Sinn macht. Abgesehen davon, dass viele Menschen halt schlicht keine Lust haben 90 oder gar 100 Jahre zu leben, davon evtl. die letzten 20 oder sogar mehr Jahre pflegebedürftig im Heim o.ä.,
Allein die Tatsache, dass die heutigen Thanatologen sichere Erkenntnisse dazu haben, dass der Tod nicht das Ende, sondern ein Neuanfang sein kann, spricht doch auch dafür, dass es zumindest ein Angebot an die Menschen geben sollte, die eben dieses Leben hier aus psychischen oder physischen Gründen ab einem gewissen Alter nicht mehr führen wollen und das ist auch gut so.
Die Regelung in Belgien z.B. ist da schon recht weit und ich kann mir gut vorstellen, dass auf Dauer, in den nächsten 10-30 Jahren auf jeden Fall eine breitere Diskussion zu diesem Thema geführt wird.
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