Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

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Starless Aeon
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Registriert: Samstag 29. September 2018, 15:08

Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Beitrag von Starless Aeon »

Auf der Dignitas Website steht in den FAQ folgendes:

F: Ich leide an einer psychischen Erkrankung und/oder Depressionen. Kann DIGNITAS eine Freitodbegleitung für mich arrangieren?

A: Das ist sehr schwierig. Ein langwieriger, aufwändiger Weg mit vielen Hindernissen und am Ende gibt es keine Garantie, das sogenannte provisorische grüne Licht zu erhalten. Ausschlaggebend ist die Qualität der Arztberichte: klare Diagnose der Erkrankung, Informationen über Ursprung und Entwicklung, Nachweis aller versuchten Therapien (mit oder ohne Erfolg) plus ein psychiatrisches Fachgutachten, welches über die Einsichts- und Urteilsfähigkeit in Bezug auf den Sterbewunsch Auskunft gibt und bestätigt, dass dieser nicht Symptom der psychischen Krankheit sondern ein wohlerwogener Bilanzentscheid ist.


Das klingt ja mal alles sehr kompliziert und ist sicher auch extrem teuer.

Meine Frage wäre jetzt folgende: Gibt es denn Fälle, die bekannt geworden sind, wo Dignitas jemandem mit einer psychischen Krankheit geholfen hätte? Denn ausdrücklich ausgschlossen wird es in den FAQ ja nicht, es ist nur eben sehr schwierig...
Lovecraft
Beiträge: 299
Registriert: Montag 26. Juni 2017, 12:09

Re: Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Beitrag von Lovecraft »

...ich frage mich, was der individuelle Sterbewunsch Ärzte und Psychiater angeht, daß es in ihrer Hand liegt, in der Hand einer ebenso außenstehenden wie elitären Personengruppe, darüber zu entscheiden und zu befinden, ob dieser Wunsch gerechtfertigt und ausreichend begründet ist oder nicht - ist absolut falsch..."psychische Ekrankungen" unterliegen dabei ohnehin höchst subjektiven Definitionskriterien, die - wohl nicht ganz zufällig - weitestgehend von jener Gruppe vorgenommen werden...hier wird der Einzelne also abermals entmündigt, man spricht ihm das Recht auf eine autonome Entscheidung ab, die nur ihn etwas angeht, nicht die Gesellschaft, auch nicht irgendeinen Arzt oder Psychiater...
Starless Aeon
Beiträge: 48
Registriert: Samstag 29. September 2018, 15:08

Re: Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Beitrag von Starless Aeon »

Lovecraft hat geschrieben:...ich frage mich, was der individuelle Sterbewunsch Ärzte und Psychiater angeht, daß es in ihrer Hand liegt, in der Hand einer ebenso außenstehenden wie elitären Personengruppe, darüber zu entscheiden und zu befinden, ob dieser Wunsch gerechtfertigt und ausreichend begründet ist oder nicht - ist absolut falsch...
Sehe ich auch so. Nur sieht die Realität eben derzeit anders aus. Es wird nicht von heute auf morgen plötzlich dazu kommen, dass Nembutal neben dem Hustensaft in der Apotheke steht. :wink: Schrittweise werden die Hürden aber hoffentlich irgendwann abgebaut.
Lovecraft hat geschrieben: "psychische Ekrankungen" unterliegen dabei ohnehin höchst subjektiven Definitionskriterien, die - wohl nicht ganz zufällig - weitestgehend von jener Gruppe vorgenommen werden...
Ja, allerdings muss man sagen, dass es auch offensichtliche Fälle von psychischen Krankheiten gibt. Ich brauche keinen Psychiater, um zu wissen, dass ich unter extremen Kontrollzwängen leide. Wenn man den ganzen Tag alles mögliche nachkontrollieren muss, zehn mal, zwanzig mal oder mehr, dann kann das nicht normal oder gesund sein. Das heftige ist vor allem, dass das von Jahr zu Jahr langsam aber sicher immer schlimmer wird und deshalb sehe ich mich spätestens in einigen Jahren an einem Punkt, an dem das nicht mehr zu ertragen sein wird. Dann hätte ich gerne die Dignitas-Option offen, aber so wie das in den FAQ beschrieben wird, ist es ja wohl ein riesen Aufwand und sicher sehr teuer.
Lovecraft hat geschrieben: hier wird der Einzelne also abermals entmündigt, man spricht ihm das Recht auf eine autonome Entscheidung ab, die nur ihn etwas angeht, nicht die Gesellschaft, auch nicht irgendeinen Arzt oder Psychiater...
... und dann sind die Leute eben selbst in dieser modernen Zeit dazu gezwungen, sich mit archaischen Methoden um die Ecke zu bringen. Ich halte das für einen Anachronismus. Es ist eine Schande, dass sich Menschen noch erhängen oder von Zügen zerhäckseln lassen müssen, alles widerliche Methoden, aus dem Dasein auszutreten. Und das alles nur, weil das perfekte Mittel nicht zugänglich gemacht wird. Wie gesagt, ein Anachronismus.

Eine andere Frage, die mir gerade noch einfällt: Hat eigentlich irgend jemand in diesem Forum schon mal direkten Kontakt zu Dignitas aufgenommen? Falls ja, wie haben die reagiert?
Peterchen
Beiträge: 742
Registriert: Freitag 30. Januar 2015, 13:02

Re: Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Beitrag von Peterchen »

Mich würde auch interessieren, ob es bereits Fälle gab, in denen Dignitas psychisch kranken Menschen beim Suizid geholfen hat.

Da der Leidensdruck einer schweren Depression den einer körperlichen Krankheit durchaus übersteigen kann, fände ich es eigentlich sehr daneben, wenn Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas sich diesen Menschen verweigern würden. Zu erklären wäre das höchstens mit der Rücksicht auf die öffentliche Meinung oder den Image-Schaden, der möglicherweise entstehen würde, wenn Dignitas körperlich gesunde, vielleicht sogar junge Menschen beim Weg in den Freitod unterstützen würde.
Starless Aeon
Beiträge: 48
Registriert: Samstag 29. September 2018, 15:08

Re: Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Beitrag von Starless Aeon »

Peterchen hat geschrieben:Da der Leidensdruck einer schweren Depression den einer körperlichen Krankheit durchaus übersteigen kann, fände ich es eigentlich sehr daneben, wenn Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas sich diesen Menschen verweigern würden.
Alleine schon das Wissen, dass es möglich ist, wäre verdammt viel wert. Es ist ja nicht so, dass ich mir am Tag der Legalisierung sofort meinen Becher Nembutal abholen würde. Aber diese OPTION zu haben, und zwar jederzeit und ohne allzu großen bürokratischen und finanziellen Aufwand, das wäre schon viel wert. Denn wie ich oben schon sagte, ist es in meinem Fall so, dass meine Symptome von Jahr zu Jahr langsam aber sicher immer schlimmer werden, und nicht nur die Kontrollzwänge, die sind nur die Spitze des Eisbergs. Ich habe auch alle möglichen Ängste, rationale und irrationale, die mich ständig begleiten und das alles noch untermauert von einem permanenten depressiven Grundgefühl. Mehrere Therapien und Medikamente haben nichts gebracht. Bis in ein paar Jahren dürfte ich fertig mit der Welt sein, wenn das so weitergeht. Und da ich nicht dauerhaft in der Psychiatrie landen will, sollten Organisationen wie Dignitas ihre Freitodbegleitung auch für solche Fälle öffnen.
Peterchen hat geschrieben: Zu erklären wäre das höchstens mit der Rücksicht auf die öffentliche Meinung oder den Image-Schaden, der möglicherweise entstehen würde, wenn Dignitas körperlich gesunde, vielleicht sogar junge Menschen beim Weg in den Freitod unterstützen würde.
Das ist wohl der Hauptgrund. Aber die haben sicherlich auch rechtliche Bedenken. Was wäre zum Beispiel wenn ein Angehöriger Dignitas verklagen würde. Vielleicht wollen sie dieses Risiko nicht eingehen. Die Rechtslage ist in diesem Bereich halt sehr heikel.
iPunkt
Beiträge: 2
Registriert: Donnerstag 3. Januar 2019, 15:37

Re: Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Beitrag von iPunkt »

Starless Aeon hat geschrieben:
Alleine schon das Wissen, dass es möglich ist, wäre verdammt viel wert.
Das ist richtig. Mir ginge es gleich. Das Wissen allein ist eine ungemeine Erleichterung. Ich habe schon viele Dinge auf dem Weg zum "schnellen, schmerzlosen Tod" ausprobiert und diesen Weg gibt es eigentlich nicht (oder ich bin zu feige, egal). Ich will nicht als eine Zumutung für mein gesamtes Umfeld sterben. Aber der Gedanke, dass es möglich wäre, würde mich erleichtern und mir eine Art Rückhalt geben.

Gibt es Menschen, die diesen Weg gegangen sind bei einer psychischen Erkrankung? Wie schwer ist es einen "Arztbrief" zu bekommen, der einem eine Art Bestätigung des Leidens gibt?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Arzt (Psychiater) so etwas schreibt bei einer psychischen Erkrankung (vor allem wenn man gerade mal 40 ist). Das würde doch seinem Bestreben nach einer Linderung und Verbesserung des Zustandes zerstören. Da wird dann lieber ein Leben lang "aufbewahrt" bis ich dann von alleine sterbe und das kann es doch auch nicht sein. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Zuletzt geändert von iPunkt am Freitag 4. Januar 2019, 07:24, insgesamt 1-mal geändert.
marcel
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Registriert: Samstag 8. Dezember 2018, 22:27

Re: Freitodbegleitung bei psychischen Krankheiten

Beitrag von marcel »

Starless Aeon hat geschrieben:Alleine schon das Wissen, dass es möglich ist, wäre verdammt viel wert.
Es ist ja genau das große Problem, dass einem die einzige Möglichkeit, sein Leben nicht auf eine unerträglich grausame Art beenden zu müssen, verwehrt wird.

Im Idealfall hätte jeder Mensch, der nicht mehr will, diese Möglichkeit. Das wird aber selbst in Ländern mit Sterbehilfe vom Staat unterbunden.
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