Gedanken beim Suizidversuch

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

Horla
Beiträge: 113
Registriert: Sonntag 28. August 2016, 16:08

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Horla »

Lu-Na hat geschrieben:Im Grunde muss man bis zum letzten Moment vor der Bewusstlosigkeit damit rechnen, dass das nächste, das man sieht, die Notaufnahme eines Krankenhauses ist. Oder das Gesicht des Retters, der sich über einen beugt und einen wiederbelebt.
Das ginge ja noch. Aber stell' Dir vor, Du unternimmst einen unzulässiges Wort, wirst irgendwo bewußtlos (irgendwo, wo möglichst nicht so schnell jemand hinkommt, Du willst ja nicht so schnell gefunden werden) und wachst aber wieder auf, mit Höllenschmerzen und irreparablen Hirnschäden. Ohne daß jemand da ist, der Dir helfen kann. Ohne, daß Du stirbst. Ohne, daß Du aufstehen oder noch sprechen oder gar Hilfe rufen kannst. Und ohne, daß Du noch Kraft hättest, um es nochmal zu versuchen.
Wie schrecklich wäre das bitte?
Lu-Na
Beiträge: 42
Registriert: Donnerstag 6. Februar 2014, 14:15
Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Lu-Na »

Horla hat geschrieben:Das ginge ja noch. Aber stell' Dir vor, Du unternimmst einen unzulässiges Wort, wirst irgendwo bewußtlos (irgendwo, wo möglichst nicht so schnell jemand hinkommt, Du willst ja nicht so schnell gefunden werden) und wachst aber wieder auf, mit Höllenschmerzen und irreparablen Hirnschäden. Ohne daß jemand da ist, der Dir helfen kann. Ohne, daß Du stirbst. Ohne, daß Du aufstehen oder noch sprechen oder gar Hilfe rufen kannst. Und ohne, daß Du noch Kraft hättest, um es nochmal zu versuchen.
Wie schrecklich wäre das bitte?
Ja, die Angst, dass der Versuch nicht nur scheitert, sondern man zu allem Übel auch noch als Gemüse wieder aufwacht, ist wahrscheinlich bei jedem die größte Sorge. Ob ich es aber vorziehen würde, in so einem Fall lieber aufgefunden und zum weiteren, vielleicht jahrzehntelangen Dahinvegetieren in irgendeine Klinik oder Anstalt eingeliefert zu werden, wo ich meinem Schicksal hilflos ausgeliefert wäre, bezweifle ich irgendwie. Ohne "Rettung" fände das Elend zumindest schneller ein Ende, aber darüber nachdenken will ich wirklich nicht. Sowas DARF einfach nicht passieren. :shock:
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Thorsten3210 »

Lu-Na hat geschrieben:... in so einem Fall lieber aufgefunden und zum weiteren, vielleicht jahrzehntelangen Dahinvegetieren in irgendeine Klinik oder Anstalt eingeliefert zu werden
Leider ist es ja so, dass man oft nicht die Wahl hat zu sagen, dass man keine Hilfe möchte. Auch eine Patientenverfügung würde da wohl nix helfen. Als Beispiel, Du springst vom Hochhaus und wirst schwer verletzt gefunden, der Rettungswagen ist da. Dann kannst Du nicht zum Arzt sagen, lasst mich liegen, ich will keine Hilfe. Denn der Arzt ist aufgrund seiner besonderen Stellung und Verantwortung dem Wohl des Opfers verpflichtet (Garantenpflicht). Er kann sich deshalb strafbar machen - nicht nur durch aktives Tun, sondern auch durch Unterlassen.
Lu-Na
Beiträge: 42
Registriert: Donnerstag 6. Februar 2014, 14:15
Wohnort: Irgendwo im Nirgendwo

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Lu-Na »

Thorsten3210 hat geschrieben:Leider ist es ja so, dass man oft nicht die Wahl hat zu sagen, dass man keine Hilfe möchte.
Ja, da hast du leider recht. Aber ob ich persönlich das Eintreffen von Rettung herbeisehnen würde, wenn ich in einer Situation wie von Horla beschrieben wieder zu mir kommen würde, daran hab ich dennoch meine Zweifel. Natürlich ist es schwer zu beurteilen, solange man nicht tatsächlich in dieser Lage ist, aber die Vorstellung, danach vielleicht noch 30 oder 40 Jahre in irgendeiner Einrichtung als lebende Tote vor mich hinzusiechen und nichts dagegen tun zu können, ist einfach zu grausam. Würde man mich jedoch nicht "rechtzeitig" finden, wäre der Spuk definitiv früher zu Ende. Auch wenn die letzten Stunden oder Tage extrem qualvoll wären. Wahrlich keine Situation, die man irgendjemandem wünscht. :(
Auch eine Patientenverfügung würde da wohl nix helfen.
Wie ist das in dem Fall, die würde erst nach der Erstrettung berücksichtigt werden? Man kann darin also nicht verfügen, dass man grundsätzlich alle Rettungsmaßnahmen ablehnt? Was mich zudem verunsichert ist, dass sie womöglich irgendeinen Formfehler finden würden und der Wisch komplett für die Katz wäre. Schon allein der Hinweis, dass ich jegliche Maßnahmen zur Lebenserhaltung ablehne, wäre ja so gesehen bereits ein Formfehler, wenn diese Aussage nicht für die Erstrettung gilt. Und schon haben sie dir einen Strick draus gedreht. :roll:
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Thorsten3210 »

Lu-Na hat geschrieben:Wie ist das in dem Fall, die würde erst nach der Erstrettung berücksichtigt werden?
Es ist so, der Arzt würde im Zweifel argumentieren, dass Du zum Zeitpunkt der Rettung nicht Herr Deiner Sinne warst (z.B. Schock), und nicht weißt, was Du sagst. Und er hätte ja die sog. Garantenpflicht. Patienverfügung ist so eine Sache, die muss rechtlich wasserdicht sein, erst recht nach dem Urteil des BGH (2016), der eine PV für ungültg erklärt hat, weil sie zu ungenau war. Sie muss möglichst konkret sein. Das hat zur Folge, dass derzeit viele Patientenverfügungen wirkungslos sind. Hier ein paar Details zu dem Urteil:

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagno ... 06894.html
chris84

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von chris84 »

Ich würde auch sagen, dass es Punkt 4 ist der mich am meisten hindert. Dicht gefolgt von den Punkten 5 und 2. An der Stelle wollte ich noch mal was zum Thema humane Methoden schreiben mit denen ich ja nun bestimmte Erfahrungen und Tests gemacht habe. Egal ob es jetzt nun diverse Cocktails oder tödliche Gase sind. All diese Methoden haben einen entscheidenden Nachteil. Man kann sie jederzeit wieder abbrechen und genau das macht sie so gefährlich. Verbunden mit der Tatsache, dass man sich mehrmals überwinden muss. Das will ich an Beispielen genauer erklären.

Mal angenommen jemand will vom Hochhaus springen. Diese Person muss sich „nur“ ein einziges Mal überwinden. Zwar kann es passieren dass während des Falls sein Ütrieb noch mal aktiv wird aber sein Aufprall kann dadurch nicht mehr verhindert werden. Das gleiche beim Kopfschuss. Nur einmal abdrücken, nur einmal überwinden und gut ist. Den Rest erledigt das Schicksal. Ob diese harten Methoden dann auch wirklich zum gewünschten Erfolg führen ist eine andere Frage aber man kann sie dann nicht mehr unterbrechen.

Im Gegensatz zu den humaneren Methoden. Wenn man ein tödliches Gas einatmet dann weiß der Körper ja davon und versucht sich auch hier dagegen zu wehren (mit Hilfe der Gedanken und Emotionen die ich bereits beschrieben habe). Das heißt man muss sich hier erstmal überwinden die ganze Sache bis zur Bewusstlosigkeit auch durchzuziehen. Auch wenn es nur wenige Atemzüge sind, so kann es doch passieren dass man im letzten Moment wieder abbricht. Dann hat man aber bereits ordentlich was eingeatmet was dann mit entsprechenden Folgeschäden einhergehen kann.

Das gleiche Spiel bei den Medicocktails. Es klingt zunächst einfach und verführerisch sich ein paar Pillen einzuflößen. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht (wie auch ich zuerst glaubte). Es ist nun mal so, dass so ein Cocktail ein ordentliches Volumen hat. Dabei ist es egal ob man den Cocktail als Trunk oder die Pillen so (bzw. zerkleinert) einnimmt. Man muss mehrere Schluck bzw. Happen einnehmen um alles runter zu kriegen. Das heißt auch hier muss man sich mehrmals und über einen längeren Zeitraum überwinden. Da kann es auch passieren dass man zwar einen Teil runtergeschluckt bekommt aber der Ütrieb dich daran hindert den Rest zu schlucken. Was dann auch entsprechende Folgeschäden nach sich zieht.

Inzwischen schrecke ich auch davor zurück mich auf einen einzelnen Cocktail zu verlassen, auch wenn einige Cocktails als relativ sicher gelten. Ich tendiere eher dazu einen Cocktail vielleicht als zusätzliche Absicherung zu nehmen. Also als Sekundärmethode. Was dann die passende Primärmethode ist kann ich nicht sagen und muss auch jeder für sich selbst raus finden.
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Thorsten3210 »

chris84 hat geschrieben:Es klingt zunächst einfach und verführerisch sich ein paar Pillen einzuflößen. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht.
Das ist einem Bekannten von mir vor ein paar Jahren so ergangen. Er hatte viele Pillen geschluckt, es sich dann aber anders überlegt vor dem wegdämmern, und selber noch die "110" gerufen. Was dann folgte war klar: Die Rettungskräfte kamen, in der Klinik wurde ihm der Magen ausgepumpt (er sagte, es wurde dort seitens der Ärzten schlecht bzw. recht abfällig behandelt). Danach kamen einige Wochen Psychiatrie......Also, man darf den Selbsterhaltungstrieb auf keinen Fall unterschätzen, gerade bei den "weichen" Methoden, die länger dauern bzw. bei denen Zeit bliebt, sich umzuentscheiden.
chris84

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von chris84 »

:shock: :shock: :shock: Und wie gehts ihm heute? Hat er Folgeschäden davon getragen?
chris84

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von chris84 »

Hier macht sich auch der Unterschied zum Schlafmittel bemerkbar welches bei den Sterbehilfeorganisationen verwendet wird. Ich hab ja nun verschiedene Videos gesehen, z. Bsp. von Peter Smedley oder von Michele Causse die das Schlafmittel eingenommen haben. Da ist es ja nur eine kleine Trinkmenge die man mit 1-2 Schluck (also mit einer einmaligen Überwindung) runter bekommen kann. Und es flutet ja auch sehr schnell an. Selbst wenn man es sich danach noch mal anders überlegt und den Notarzt ruft, so glaube ich nicht dass man da noch gerettet werden kann. Korrigiert mich falls ich da falsch liege.
Peterchen
Beiträge: 742
Registriert: Freitag 30. Januar 2015, 13:02

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Peterchen »

chris84 hat geschrieben::shock: :shock: :shock: Und wie gehts ihm heute? Hat er Folgeschäden davon getragen?
Würde mich auch interessieren. Nicht aus Voyeurismus, sondern weil ich ebenfalls eine Medikamenten-Lösung anstrebe.

War die Aktion des Bekannten denn gut vorbereitet und überlegt? Oder mehr eine Affekthandlung?
Thorsten3210 hat geschrieben:Die Rettungskräfte kamen, in der Klinik wurde ihm der Magen ausgepumpt (er sagte, es wurde dort seitens der Ärzten schlecht bzw. recht abfällig behandelt)
Das habe ich schon so oft gelesen. Eine Super-Grundlage, um wieder Freude am Leben und an den Menschen zu finden :shock: Da wird einem doch unmittelbar nach dem Suizidversuch vor Augen gehalten, wieso man dieser Welt den Rücken kehren wollte.
Thorsten3210
Beiträge: 1140
Registriert: Dienstag 29. September 2009, 17:27
Wohnort: Niedersachsen

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Thorsten3210 »

Heute geht es ihm ähnlich wie vor dem Suizidversuch, er hat Depressionen und lebt von H4. Körperliche Schäden hatte er nicht davon getragen. Er hat sowas auch nie wieder versucht. Aus der Psychiatrie ist er nach dem Suizidversuch übrigens damals "abgehauen", also er hat einen unbemerkten Augenblick genutzt, um ohne seine ganzen Sachen stiften zu gehen. Seine Sachen hat jemand anders später abgeholt. Ich hatte ihn damals ein paar Tage vorher noch besucht. Wenn man ihn fragte, warum er den Suizidversuch gemacht hat sagte er, der Versuch war nicht ernst gemeint. Das kann man nun glauben oder nicht.
Peterchen
Beiträge: 742
Registriert: Freitag 30. Januar 2015, 13:02

Re: Gedanken beim Suizidversuch

Beitrag von Peterchen »

Thorsten3210 hat geschrieben: Aus der Psychiatrie ist er nach dem Suizidversuch übrigens damals "abgehauen", also er hat einen unbemerkten Augenblick genutzt, um ohne seine ganzen Sachen stiften zu gehen.
Interessant. Ich hätte gedacht, dass man dann sofort die Polizei oder den sozialpsychiatrischen Dienst am Hals hat.

Aber vielleicht galt er nicht mehr als gefährdet, da er selbst den Notarzt gerufen hatte.
Wenn man ihn fragte, warum er den Suizidversuch gemacht hat sagte er, der Versuch war nicht ernst gemeint. Das kann man nun glauben oder nicht.
Dann war es vermutlich eine Affekthandlung.

Wenn der Suizidversuch das Ergebnis jahrelanger Planung und tiefer Entschlossenheit ist, dann passiert es wohl nur selten, dass jemand den Notarzt ruft.
Antworten