Assistierter Suizid in Österreich

Meinungs- und Erfahrungsaustausch zum Thema Suizid; Berichte über gescheiterte Suizidversuche; suizidales Verhalten; Leben mit Suizidgedanken; Hilfestellungen

Moderatoren: Ludwig A. Minelli, Mediator

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franz001
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Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von franz001 »

Hallo Leute,

ich habe eine rechtliche Frage, die ich mittels eigener Rechereche bisher nicht aufklären konnte.

Gesetzlich ist der assistierte Suizid in Österreich ja strafbar. Meine Frage ist nun die, ab wann es sich um einen assistierten Suizid handelt.

Ist es beispielsweise strafbar, wenn man den Suizidenten in die Schweiz zu einer Sterbehilfeorganisation fährt (bis vor die Tür sozusagen), oder ein anderer Fall, wenn man ihn finanziell unterstützt hinsichtlich der Fahrtkosten oder aber der Kosten für die Durchführung des Suizids.

Bisher lese ich in Zusammenhang mit assistiertem Suizid immer nur etwas von der Beschaffung des bspw. Medikaments. Kann mir hier bitte jemand weiterhelfen?

MfG Franz
Thorsten3210
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Re: Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von Thorsten3210 »

Mal abgesehen davon, dass ich Deine beiden genannten Beispiele nicht für strafbar halte, wer würde es denn erfahren, wenn Du jemanden finanziell oder organisatorisch (mit Fahrdiensten o.ä.) hilfst? Eben, keiner. Nur wenn Du ein tödl. Medikament bereitstellen würdest droht Haft. In Österreich gilt ja: Assistierter Suizid (= Beihilfe zum Suizid) wird wie aktive Sterbehilfe behandelt, wer ein tödliches Medikament bereitstellt, das eine Person sich aber selbst verabreicht, leistet Beihilfe zur Selbsttötung. Ist in Deutschland nicht strafbar, in Österreich mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht.
Mediator
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Re: Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von Mediator »

franz001 hat geschrieben:Hallo Leute,

ich habe eine rechtliche Frage, die ich mittels eigener Rechereche bisher nicht aufklären konnte.

Gesetzlich ist der assistierte Suizid in Österreich ja strafbar. Meine Frage ist nun die, ab wann es sich um einen assistierten Suizid handelt.

Ist es beispielsweise strafbar, wenn man den Suizidenten in die Schweiz zu einer Sterbehilfeorganisation fährt (bis vor die Tür sozusagen), oder ein anderer Fall, wenn man ihn finanziell unterstützt hinsichtlich der Fahrtkosten oder aber der Kosten für die Durchführung des Suizids.

Bisher lese ich in Zusammenhang mit assistiertem Suizid immer nur etwas von der Beschaffung des bspw. Medikaments. Kann mir hier bitte jemand weiterhelfen?

MfG Franz

Die österreichischen Strafverfolgungsbehörden können grundsätzlich jede Handlung, welche im Zusammenhang mit der Ermöglichung eines begleiteten Suizids in der Schweiz als strafbar betrachten und zu verfolgen versuchen, da § 78 des Strafgesetzbuches (StGB) wie folgt lautet:

„Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“

Wie sieht es nun aber aus, wenn der begleitete Freitod in der Schweiz stattfindet? Dazu muss man den § 64 StGB konsultieren. Da heisst es in Absatz (1) Ziffer 7:

„Die österreichischen Strafgesetze gelten unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts für folgende im Ausland begangene Taten:

. . .

7. strafbare Handlungen, die ein Österreicher gegen einen Österreicher begeht, wenn beide ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben;

. . . “.

Es ist schon vorgeschlagen worden, Menschen, die in Österreich wohnen, und die in der Schweiz eine Freitodbegleitung wünschen, sollten sich vor ihrer Reise in die Schweiz bei ihrer Gemeinde ins Ausland abmelden und auf diese Weise ihren Wohnsitz aufgeben. Damit könne möglicherweise eine wirksame Hürde errichtet werden, um Strafverfolgung durch Österreich zu vermeiden, weil dann nicht für Täter und „Opfer“ die Bedingung erfüllt sei, dass beide in Österreich wohnhaft sind. Ob dieses „Rezept“ tatsächlich wirksam sein wird, kann möglicherweise ein österreichischer Rechtsanwalt beantworten.
franz001
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Re: Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von franz001 »

Thorsten3210 hat geschrieben:Mal abgesehen davon, dass ich Deine beiden genannten Beispiele nicht für strafbar halte, wer würde es denn erfahren, wenn Du jemanden finanziell oder organisatorisch (mit Fahrdiensten o.ä.) hilfst? Eben, keiner. Nur wenn Du ein tödl. Medikament bereitstellen würdest droht Haft. In Österreich gilt ja: Assistierter Suizid (= Beihilfe zum Suizid) wird wie aktive Sterbehilfe behandelt, wer ein tödliches Medikament bereitstellt, das eine Person sich aber selbst verabreicht, leistet Beihilfe zur Selbsttötung. Ist in Deutschland nicht strafbar, in Österreich mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht.
Hallo Thorsten,

ich halte es für nicht so abwegig, dass bspw. Polizei oder Justiz auf einen Fall aufmerksam werden, sofern es den Verdacht auf einen assistierten Suizid gibt. So geschehen bei bspw. Herbert F., die Frau wurde nach seinem Tod auch befragt (Wahrheitsgehalt dieser Aussage kann ich aber nicht beurteilen, ist aus einem Zeitungsartikel). Da hieß es, wäre sie mit nach Zürich gefahren, dann hätte es eine Strafe geben können. Aber was heißt das genau? Hätte sie mit im Sterbezimmer sein müssen, als er den Cocktail genommen hat, um im Nachhinein belangt werden zu können, oder hätte schon ein zeitlich paralleler Aufenthalt in irgendeinem Züricher Café genügt?

Angenommen eine befragte Person wird so ausgepresst, dass sie gesteht finanziell oder organisatorisch geholfen zu haben, dann stellt sich die Frage, Strafe oder nicht? Ich vermute, es ist einmal von der Bekanntheit des Suizidenten abhängig ob Polizei o. Justiz überhaupt aktiv werden und danach eine Ermessenssache des Gerichtes ob es eine Strafe gibt. Oder?

MfG Franz
Thorsten3210
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Re: Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von Thorsten3210 »

Deine Bedenken kann ich gut verstehen, leider kenne ich mich juristisch auch nicht so gut aus, wo genau da die Grenzen sind. Aber ich finde ich das, was der Mediator dazu sagt interessant, so hat man vielleicht einen Schutz vor Strafverfolgung:
Mediator hat geschrieben: Es ist schon vorgeschlagen worden, Menschen, die in Österreich wohnen, und die in der Schweiz eine Freitodbegleitung wünschen, sollten sich vor ihrer Reise in die Schweiz bei ihrer Gemeinde ins Ausland abmelden und auf diese Weise ihren Wohnsitz aufgeben. Damit könne möglicherweise eine wirksame Hürde errichtet werden, um Strafverfolgung durch Österreich zu vermeiden, weil dann nicht für Täter und „Opfer“ die Bedingung erfüllt sei, dass beide in Österreich wohnhaft sind. Ob dieses „Rezept“ tatsächlich wirksam sein wird, kann möglicherweise ein österreichischer Rechtsanwalt beantworten.
chris84

Re: Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von chris84 »

Hallo franz001,

ich weiß jetzt nicht genau wie deine/eure Lage ist aber mir fällt da grade noch eine Story ein auf die ich kurz eingehen will. Leider finde ich den Artikel nicht mehr deswegen muss ich die Geschichte hier schnell in Kurzfassung schreiben.

Ein Fall aus England. Ein Mann schwer krank will zum Sterben in die Schweiz reisen. Ein paar Freunde bzw. Angehörige wollen ihn dorthin fahren. Noch innerhalb Englands geraten sie zufällig in eine Polizeikontrolle und dabei kam dann irgendwie raus wo und warum sie dorthin wollten. Dem todkranken Mann wurde sofort die Weiterfahrt und Ausreise verboten. Wie die Geschichte dann weiterging weiß ich nicht. Auch nicht ob die Fahrer juristisch belangt wurden oder ob der Todkranke es dann noch irgendwie Schweiz geschafft hat.

Worauf ich jetzt hinaus will ist folgendes: Völlig unabhängig von der rechtlichen Lage würde ich solch ein Vorhaben niemanden erzählen. Solltest du wirklich einen Freund/Angehörigen haben den du in die Schweiz fahren willst so würde ich das eher geheim erledigen. Und möglichst wenige Leute davon wissen lassen. Das klingt jetzt hart und ist vielleicht auch nicht so einfach durchführbar. Wenn die betroffene Person dann noch Angehörige hat von denen sie sich vorher verabschieden will ist das mit der Geheimhaltung natürlich schwierig.
Aber nicht jeder steht dem Thema Sterbehilfe offen gegenüber. Es reicht schon aus wenn nur eine Person euch bei der Polizei oder beim Psychiater verpfeift und dann war es das vielleicht mit der Schweizreise. Ist jetzt nur eine Vermutung meinerseits. Aber ich glaube nicht, dass die Behörden euch dann noch in die Schweiz reisen lassen wenn sie wissen dass ihr zwecks Sterbehilfe dorthin wollt. Egal ob es nun strafbar ist oder nicht.
Thorsten3210
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Re: Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von Thorsten3210 »

chris84 hat geschrieben:wenn nur eine Person euch bei der Polizei oder beim Psychiater verpfeift und dann war es das vielleicht mit der Schweizreise
Ich glaube, Franz seine größere Sorge ist, was NACH dem Suizid mit den Leuten passiert, die demjenigen geholfen haben, und dass die Polizei Ermittlungen aufnimmt. Also dass Franz von den österreichischen Emittlungsbehörden in die Mangel genommen wird, wenn er finanziell und organisatorisch geholfen hat. Denn wie hier gesagt wurde, die österreichischen Strafverfolgungsbehörden können ja offenbar grundsätzlich jede Handlung, welche im Zusammenhang mit der Ermöglichung eines begleiteten Suizids in der Schweiz steht, als strafbar zu verfolgen versuchen. Aber es stimmt natürlich, Verschwiegenheit und Geheimhaltung von solchen Aktionen ist immer gut.
Balduin
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Re: Assistierter Suizid in Österreich

Beitrag von Balduin »

Entweder hält man die Sache geheim und handelt ohne großes Aufsehen, um die Gefahr juristischer Folgen zu vermeiden.

Oder man macht das ganz offen, leistet diese Form von Hilfe für den Suizidenten und lässt es darauf ankommen. Soll doch ein österreichischer Staatsanwalt Anklage erheben und ein Gerichtsverfahren anstrengen. Das würde eine Form medialen und öffentlichen Aufsehens erregen und die notwendige gesellschaftliche Diskussion anschieben, ob es noch zeitgemäß und sinnvoll sein kann, eine solche "Hilfeleistung zum Freitod" unter Strafe zu stellen.
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